Inzwischen - wir hören es hinter vorgehaltener Hand - wird kräftig an Bedarfs- und Wirtschaftlichkeitsargumentationen gebastelt, um dieser politischen Machtfrage nachträglich den Anschein einer sachlichen und inhaltlichen Entscheidung zu geben. Meine Damen und Herren, ich würde gern zuhören, wenn der Umweltstaatssekretär mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der NGS diese Angelegenheit verhandelt. Ich habe den Verdacht, dass dabei für die Region nichts Gutes herauskommen kann.
Deshalb müssen wir im Landtag ein klares politisches Zeichen setzen. Da vor Ort nach meinem Eindruck parteiübergreifend alle einer Meinung sind, möchte ich hier dafür plädieren, dass wir effektiv arbeiten und über unseren Antrag sofort abstimmen. Ich beantrage das für unsere Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nutzung der vier Kavernen in der stillgelegten Saline in Stade-Ottenbeck ist in der Tat sehr umstritten. Aber, Herr Klein, der Antrag der Grünen ist nicht dazu geeignet, daraus politisches Kapital zu schlagen. Vor Ort haben sich Initiativen gegründet, die Stadt und der Landkreis Stade haben Resolutionen gegen die Nutzung der Lagerstätten für Sondermüll als so genannte Beseitigungsanlage verfasst. Auf eines aber können sich die Menschen in der Stadt und auch im Landkreis Stade verlassen: Wir nehmen ihre Sorgen und ihre Ängste sehr ernst.
Minister Sander war am 2. August dieses Jahres vor Ort und hat sich einen Eindruck von der Situation verschafft, und sein Haus hat sich den Sorgen angenommen. Am 6. September dieses Jahres hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Die eingebrachten Bedenken und Anregungen werden mit
Sicherheit im weiteren Verfahren berücksichtigt. Weitere Prüfungen und Abwägungen erfolgen. Zu nennen sind insoweit folgende Punkte: Ist die Sondermüllanlage aus dem Landes-Raumordnungsprogramm und aus dem Regionalen Raumordnungsprogramm ableitbar? Inwieweit spricht der Flächennutzungsplan der Stadt Stade gegen die Einrichtung?
In der unmittelbaren Nähe befinden sich in der Stadt Siedlungen, Schulen und Kindergärten. Sind diese sensiblen Nutzungen mit der Anlage vereinbar? Inwieweit wird die Wirtschaftsentwicklung des Raumes Stade tangiert? Ich verweise insoweit auf die Eingabe der örtlichen Industrie- und Handelskammer. Ist die vorhandene Infrastruktur - dazu zählen auch die Sicherungsanlagen, die damals auf den Salzabbau ausgerichtet waren - für die Beseitigungsanlage ausreichend? Genügt die verkehrliche Anbindung über die überlastete B 73? Weitere Fragen sind: Ist die Wirtschaftlichkeit der Anlage überhaupt gegeben? Aber es hat auch eine Prüfung dahin zu erfolgen, ob diese Anlage überhaupt nötig ist. Gibt es nicht genügend Kapazitäten in vorhandenen Deponien, die mit wesentlich kürzeren Wegen zu erreichen sind?
Also: Fragen über Fragen. Wir plädieren daher dafür, dass diese Fragen unter sachlichen und fachlichen Gesichtspunkten und unter besonderer Würdigung der soeben angesprochenen Punkte geprüft werden, und bitten darum, dass der Antrag in den Umweltausschuss als Fachausschuss überwiesen wird. - Vielen Dank.
(Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt gibt es Sachverstand! - Monika Wörmer- Zimmermann [SPD]: Endlich klare Worte!)
Die Frage in Bezug auf die Bebauungspläne und die F-Pläne ist längst beantwortet. Insofern muss sie hier nicht mehr gestellt werden. Das wissen wir als Kreistagspolitiker, und das weiß mein Kollege Behr in seinen Funktionen als Ratsmitglied der Stadt und als Kreistagspolitiker.
Wir von der SPD schließen uns zumindest im Ergebnis dem Antrag der Grünen an, auch wenn wir gelegentlich anders begründen. Wir schließen nämlich nicht aus, dass Kavernenlagerung grundsätzlich umweltpolitischer Unsinn ist. Das geben wir gerne zu. Aber, meine Damen und Herren, für Stade und für die Region ist dieser Standort überhaupt keine technische Frage, sondern eine Frage von existenzieller Bedeutung, denn die Region hat in den letzten Jahren viel verloren. Dazu werde ich aber am Ende noch etwas anmerken.
Wir lehnen wie die Grünen die nachträgliche Aufnahme des Standortes Stade als Untertagedeponie in den Sonderabfallwirtschaftsplan 2003 bis 2008 ab, und zwar insbesondere deshalb, weil dies den städtebaulichen, wirtschaftlichen und touristischen Entwicklungsplänen von Stadt und Region eindeutig entgegensteht.
Ich will das kurz näher ausführen: Stade kann ein ausgezeichnetes Ergebnis hinsichtlich der Konversion - es gab dort einmal die Von-Goeben-Kaserne - vorweisen. Es ist gelungen, im neuen Stadtteil Ottenbeck erfolgreiches Miteinander von Wohnen, Gewerbe und Hightechindustrie einschließlich bereits gebauter Schulen und einer jetzt ins Leben gerufenen Sonderschule G zu gestalten. Nun will man diesen Menschen eine Sondermülldeponie vor die Nase setzen bzw. diesen Betrieben vor das Werkstor setzen. Das kann und darf nicht sein, auch wenn es sich „nur“ um eine Untertagedeponie handelt.
Meine Damen und Herren, nach meinem Verständnis gehen Sondermüll, Wohnen und Schule nicht zusammen. Sondermüll und Airbus gehen auch nicht zusammen. Sondermüll und Technolo
giezentrum - übrigens mit Landesmitteln gefördert gehen auch nicht zusammen. Sondermüll und CFK Valley gehen nicht zusammen. Sondermüll und Tourismus gehen nicht zusammen. Sondermüll und Trinkwassergewinnung gehen schon gar nicht zusammen.
Wir beklagen immer die Haushaltslage des Landes. Hier wird unter Umständen Geld verbrannt, viel Geld; denn die Einrichtung Technologie Valley bzw. Technologiezentrum ist mit viel Geld von der alten Landesregierung und auch von der neuen Landesregierung gefördert worden. Dorthin sind, soweit ich mich erinnere, etwa 4 Millionen DM allein an Landesmitteln geflossen. Das Sterben dieser wirtschaftlichen Keimzelle für die Region dürfen wir, dürfen Sie, Herr Minister Sander und Herr Minister Hirche, nicht zulassen. Es ist auch ausweislich der Aussage im Abfallwirtschaftsplan - der Kollege Klein hat es schon angesprochen - dort kein Bedarf. Eine Pressemitteilung vom NGS aus dem Juli 2003 sagt deutlich Gleiches aus. Warum also? Nur weil die NGS mit - wohlgemerkt - geschätzten Kosten von 50 Euro pro Kubikmeter Einlagerung statt mit Kosten, die woanders deutlich über 100 Euro pro Kubikmeter Einlagerung betragen, weitaus besser im Wettbewerb um immer knapper werdende Abfallmengen aufgestellt wäre und damit einen nationalen und womöglich auch internationalen Mülltourismus nach Stade auslösen würde? Das kann es nicht sein.
Meine Damen und Herren, ich gelte bestimmt nicht als industriefeindlich; in den Verdacht gerate ich nicht. Aber ich frage mich, ob dies der Dank an die Akzo sein soll, die den Traditionssalinenstandort Stade nach meiner Auffassung schändlich im Stich gelassen hat,
die ein nachweislich profitables Unternehmen ohne Rücksicht auf die Region und die Arbeitnehmer geschlossen hat. Wenn ich an die vielen Gespräche denke, die ich auch mit der Unternehmensleitung geführt habe, dann werde ich, ehrlich gesagt, noch heute - ich weiß, dass das nicht unbedingt ein parlamentarischer Ausdruck ist - stinksauer. Die Herren, die zu dem Zeitpunkt in der Verantwortung waren, wollten gar keine Hilfe für den Erhalt der Arbeitsplätze annehmen. Diese Leute wollten den Laden um jeden Preis schließen und jede mögliche Nach- oder Weiternutzung durch
Wettbewerber verhindern. Das Angebot der Kavernen als Untertagedeponie für Sondermüll ist offensichtlich die konsequente Fortsetzung dieses Weges; denn ein Teil dieser Kavernen ist noch nicht einmal ausgesohlt.
Danke schön. - Hier würde dieses Unternehmen, ohne etwas unternehmen zu müssen, jetzt viel Geld verdienen und jegliche Konkurrenz für die Zukunft ausschließen. Das, meine Damen und Herren, dürfen wir und Sie, Herr Minister Sander und Herr Minister Hirche, nicht zulassen, und auch die Menschen in der Region Stade werden es nicht zulassen. Jeder Tag mit weiteren Diskussionen oder späteren rechtlichen Auseinandersetzungen fügt uns an der Unterelbe nicht nur einen erheblichen Imageschaden zu, sondern er wird auch eine dringend notwendige wirtschaftliche Entwicklung verhindern. Deswegen tragen wir den Antrag auf sofortige Abstimmung mit. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 5. Juli 2004 ist von der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endablagerung von Sonderabfall gemeinsam mit zwei Partnern ein Antrag auf Änderung des Sonderabfallwirtschaftsplans gestellt worden. Nach der öffentlichen Auslegung von Anfang Juli bis Anfang August hat es dazu am 6. September 2004 einen Erörterungstermin im Niedersächsischen Umweltministerium gegeben. Derzeit werden die Ergebnisse geprüft. Ich selbst war vor kurzem in Stade und habe mir im Ortsteil Ottenbeck die Eingänge zu den Salzkavernen angesehen. Meine Damen und Herren, ich halte es für wichtig, dass man bei diesem Thema die Sorgen der Menschen vor Ort ernst nimmt. Aber, Herr
Kollege Klein, genauso wichtig finde ich es, dass man diese Sorgen im Parlament nicht instrumentalisiert.
Herr Klein, ich kann Ihre Motivation für diesen Entschließungsantrag durchaus verstehen. Verstehen Sie aber auch, dass es nicht zielführend ist, die Stimmung noch anzuheizen. Ich habe etwas das Gefühl, dass Sie in einer ganz anderen Realität leben. Der Umweltminister des Landes Niedersachsen hat sich dazu öffentlich überhaupt nicht in die eine oder andere Richtung geäußert, wie Sie es hier am Rednerpult behauptet haben. Das war überhaupt nicht der Fall.
Es wurde lediglich aus dem Antrag der Akzo Nobel, der BKB und der NGS zitiert, aber das war keineswegs per se die Haltung des niedersächsischen Umweltministers. Manchmal sollten die Grünen auch bei diesem Thema in die Realität zurückkehren.
Ich meine, wir müssen bei diesem Thema zwei Dinge beachten: Erstens gibt es eine grundsätzliche Verpflichtung, dass der in Niedersachsen angefallene Sonderabfall, wie er beispielsweise in Müllverbrennungsanlagen entsteht, auch hier entsorgt wird. Wenn man dabei - wie Sie das vorhin gemacht haben - nach dem Prinzip verfährt „Das kann überall hin, nur nicht zu mir“, dann ist das insgesamt für die Sonderabfallendablagerung wenig hilfreich.
Zweitens. Wir können heute nicht der Bewertung der Ergebnisse des von mir eben angesprochenen Erörterungstermins vorweggreifen. Die Ergebnisse müssen sorgfältig geprüft werden. Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass die Wirtschaftlichkeit einer solchen Untertagedeponie nicht zu erwarten sei, dann würde der Antrag der NGS und seiner privatwirtschaftlichen Partner überhaupt keinen Sinn machen. Ich glaube, so einfach können wir uns das bei dem Thema nicht machen. Die Antragsteller werden die Wirtschaftlichkeit schon aus Eigeninteresse im Blick gehabt haben.
Ich schlage vor, dass wir die notwendige Prüfung nach dem Erörterungstermin abwarten und dann auf der Grundlage von Fakten eine Bewertung
vornehmen. Im Vorfeld über die Wirtschaftlichkeit zu spekulieren, ist sicherlich wenig sinnvoll. Ich warte und freue mich auf die Erörterung im Umweltausschuss, Herr Klein. Dort können wir das ordentlich anhand der Fakten durchdeklinieren und sehen uns das Thema genau an. Aber hier hitzig darüber zu diskutieren und Öffentlichkeitshascherei zu betreiben, halte ich für wenig sinnvoll. Das ist dem Thema in seiner Ernsthaftigkeit meines Erachtens auch nicht angemessen.