Protocol of the Session on September 16, 2004

Die Einrichtung einer Härtefallkommission mit der von uns gewünschten Zusammensetzung tritt nicht in Konkurrenz zu dem Petitionsausschuss. Sie ist eine Ergänzung und gegebenenfalls auch eine Entlastung des verfassungsrechtlich verankerten Petitionsausschusses. Wir sehen die Hauptaufgabe von Kommissionsmitgliedern im nicht offiziellen Prüfen und Diskutieren von Anträgen unter vornehmlich humanitären und sozialen Gesichtspunkten und unter Wahrung des Gebots der Menschenwürde. Diese Arbeit ist weder spektakulär, noch politisch brisant, noch eröffnet sie einen neuen Rechtsweg für die Antragsteller.

Meine Damen und Herren, noch im August sah es so aus, als könnte es gelingen, mit den Stimmen der FDP-Fraktion eine Härtefallkommission einzusetzen. Es ist merkwürdig still um die Herren Bode und Riese geworden. Ihr schüchterner Versuch, meine Herren, in humanitären Fragen etwas weniger Härte zu zeigen, ist offensichtlich sehr schnell zurückgepfiffen worden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Haben Sie unseren Antrag nicht gelesen, Frau Langhans?)

Jetzt legen die Fraktionen von FDP und CDU einen gemeinsamen Vorschlag auf den Tisch, der der eigentlichen Intention einer Härtefallkommission wenig entspricht. Aber immerhin eröffnen Sie dem Petitionsausschuss eine Option, sich im Sinne von Härtefallregelungen zu verhalten.

Meine Damen und Herren, Sie wollen die Beratung von Härtefällen ausschließlich in die Verantwortung des Landtages legen. Offensichtlich haben Sie nur wenig Vertrauen in die Kompetenz von Vertreterinnen von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und anderen sozialen Einrichtungen. Sie haben in Ihrem Antrag Hürden aufgebaut, die es nur den wenigsten Antragstellern ermöglichen würden, über die bloße Antragstellung hinauszukommen. Das ist keine Lösung im Sinne des Zuwanderungsgesetzes. Härtefallregelungen können ohnehin nur in Einzelfällen angewandt werden. Das Gros der Flüchtlinge bleibt weiterhin auf der Strecke. Diese Einzelfälle, meine Damen und Herren, sollten aber wenigstens eine faire Chance bekommen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Biallas um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum 1. Januar 2005 tritt das nach langen Konsensverhandlungen mit großer Mehrheit von Bundesrat und Bundestag beschlossene Zuwanderungsgesetz in Kraft. Im Gegensatz zu dem jetzt noch geltenden Recht wird es zukünftig eine so genannte Härtefallregelung geben, die die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen ausdrücklich erlaubt. Ein Härtefall kann dann festgestellt werden, wenn sich ein Ausländer in einer individuellen Sondersituation befindet, aufgrund derer ihn eine Aufenthaltsbeendigung wesentlich härter treffen würde als andere, die nach denselben Vorschriften ausreisepflichtig sind.

Das Gesetz stellt es den einzelnen Bundesländern ausdrücklich frei, wie sie die Feststellung von so genannten Härtefällen regeln. In der Tat könnten wir in Niedersachsen eine so genannte Härtefallkommission einrichten, wie es die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag fordert.

(Dr. Hans-Albert Lennartz [GRÜNE]: Dann machen Sie es doch!)

Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP haben jedoch nach intensiven Beratungen mit dem Herrn Innenminister entschieden, von der Einrichtung einer besonderen Härtefallkommission abzusehen. Stattdessen werden wir die Feststellung von Härtefällen dem Petitionsausschuss des Landtages übertragen.

(Ein Handy klingelt)

Auch Herr Minister Busemann wird eine Spende für wohltätige Zwecke abgeben.

Wir wollen die Prüfung der individuellen Situation eventuell als Härtefälle anzuerkennender Ausländer in die Verantwortung des Landtages und somit

der demokratisch legitimierten Volksvertreter legen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist eigentlich der entscheidende Grund. Bei allem Verständnis auch für die Qualität von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen sollten wir uns davor hüten, den Eindruck zu erwecken, dass es diesem Landtag sozusagen an Qualität mangelt, weil wir damit sagen würden, dass die Bürgerinnen und Bürger in freier und geheimer Wahl eben nicht nach Qualitätsgesichtspunkten entscheiden. Das müssten wir eigentlich gemeinsam zurückweisen. Jedenfalls will ich es einmal für die Fraktion der CDU tun. Ich glaube, ich kann es auch für die FDP-Fraktion sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind - anders als die Grünen - der Meinung, dass eine besondere Härtefallkommission, die ausschließlich aus Vertretern von gesellschaftlichen Gruppen besteht, nicht erforderlich ist. Ich sage das auch in folgendem Zusammenhang: Wir sind nun gerade dabei, durch eine umfassende Verwaltungsreform auf allen Ebenen dieses Landes dafür zu sorgen, dass wir nicht mehr vorhalten, als zwingend notwendig ist. Deswegen müssen wir uns bei dieser Frage auch selbst die Frage stellen: Ist denn eine zusätzliche Kommission zwingend notwendig, um diese Aufgabe zu erfüllen? Nach intensiver Prüfung sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Nein.

Meine Damen und Herren, im Übrigen: Nach allem, was uns von der Arbeit bisher in anderen Bundesländern bereits eingerichteter Härtefallkommissionen bekannt ist, sind sie bei weitem nicht so unumstritten, wie es die Grünen in ihrem Antrag behaupten. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, dass der Innenausschuss des Landtages vor einigen Jahren komplett - darin waren auch die Grünen vertreten - in Berlin gewesen ist. Wir haben uns damals über die dort schon eingerichtete Härtefallkommission informiert. Die Grünen waren zugegebenermaßen Feuer und Flamme; das sollte auch hier aufgeführt werden. Aber die beiden anderen Fraktionen - nun ist die SPDFraktion leider nicht da - haben damals im Landtag erklärt: Wir wollen in Niedersachsen - obwohl die SPD damals die Mehrheit dazu gehabt hätte - keine Härtefallkommission einrichten. Inzwischen ist mir bekannt geworden - auch wenn ich es heute nicht live erleben kann, weil es zu Protokoll gege

ben wird -, dass man auch diesbezüglich seine Meinung geändert hat. So ist das eben: Wenn man nicht mehr regiert, dann ändert sich offensichtlich auch das eine oder andere in der Meinung. Aber so ist es damals gewesen.

Jetzt will ich gerne die Gründe nennen, die CDU und SPD damals dazu bewogen haben zu sagen, wir machen das in Niedersachsen nicht. Es ist z. B. durchaus unbestritten - das ist auch in Berlin so gesagt worden -, dass diejenigen Ausländer, die ein Mitglied einer solchen Härtefallkommission persönlich kennen, weitaus größere Chancen gehabt haben, als Härtefall anerkannt zu werden, als diejenigen, die sich sozusagen auf dem Dienstweg an die Kommission gewandt haben. Wir meinen, es muss gewährleistet sein, dass jeder die gleiche Chance hat. Es kann nicht sein, dass ich, wenn ich jemanden aus der Kommission kenne, leichter rankomme, als wenn ich keinen kenne. Insofern ist die Unabhängigkeit des Landtags als demokratisch legitimiertes Gremium im Grunde genommen das ganz konkrete Gegenargument dagegen, dass man sagt: Wir gucken mal, wer da jemanden kennt.

Die Einrichtung einer besonderen Härtefallkommission ist auch mit nicht unerheblichen zusätzlichen Kosten verbunden. So müsste z. B. für die Härtefallkommission extra eine Geschäftsstelle vorgehalten werden. Die durch zusätzliche Sitzungen entstehenden Kosten müssten übernommen werden. Das sind zusätzliche Kosten für die Landeskasse, die kein anderer erstattet. Wir müssen gucken, ob wir das selber können oder nicht. Wir haben den Petitionsausschuss eingerichtet und sind der Meinung, dass es das richtige und das fachlich damit zu betrauende Gremium ist.

Meine Damen und Herren, im Übrigen möchte ich mir dann auch nicht verkneifen, noch am Rande zu erwähnen, dass gerade die SPD und die Grünen nun schon über Monate hinweg immer wieder öffentlich erklärt haben, dieser Landtag sei zu groß. Damit wollen Sie - wenn ich das richtig verstehe auch zum Ausdruck bringen - interessanterweise wird das auch erst seit der Landtagswahl im letzten Jahr gesagt; vorher war das anders -, dass dieser Landtag zum einen viel zu teuer ist und zum anderen, weil er nach Ihrer Auffassung viel zu groß ist, auch nicht genügend beschäftigt und ausgelastet ist. Das muss ja dahinter stecken, wenn Sie immer sagen, hier sitzen viel zu viele. Wenn Sie das nun wirklich ernst meinen, dann müssten Sie geradezu mit großer Begeisterung unserem Vorschlag fol

gen, dass wir mit der neuen Aufgabe eben nicht noch ein zusätzliches Gremium beschäftigen, sondern diese Aufgabe dem Landtag übertragen, den Sie offensichtlich in seiner gegenwärtigen Größe nicht für hinreichend ausgelastet halten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir machen ja nicht nur eine Verkleinerung des Landtags bis zur nächsten Wahl, sondern jetzt stellen wir unter Beweis: Wir sind arbeitsfähig, und wenn neue Aufgaben kommen, die notwendig sind, erledigen wir die ordnungsgemäß, ohne dass Mehrkosten entstehen. Wenn das nicht auch die Anerkennung des Landesrechnungshofs findet, dann weiß ich nicht, was wir noch alles machen sollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, damit der Petitionsausschuss seine zusätzliche Arbeit zeitnah erfüllen kann, werden wir auf eine Vorprüfung der Fälle eben nicht verzichten.

Sie haben gesagt, es soll auf eine Vorprüfung verzichtet werden. Ich will Ihnen einmal sagen, was das heißt: Dann wäre der Petitionsausschuss definitiv überfordert, denn nach Schätzungen des Innenministeriums - dort haben wir uns erkundigt wäre damit zu rechnen, dass er mit 1 000 bis 1 500 solcher Anliegen zu tun hätte.

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir eine dezidierte Aufstellung der so genannten Ausschlusstatbestände formuliert. So kommt als Härtefall von vornherein z. B. nicht in Frage, wer wegen einer von ihm begangenen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist; ich glaube, darüber sind wir uns auch alle einig. Es kommt nicht in Frage, wer einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot unterliegt, und es kommt nicht in Frage, wer sich bereits in Abschiebehaft befindet. Es kommt auch nicht in Frage, wer seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise aus Sozialleistungen bestreitet. Das sind Ausschlusstatbestände, die, glaube ich, auch in unserer Bevölkerung große Zustimmung finden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen ausdrücklich vermeiden, dass durch die Möglichkeit, Härtefälle anzuerkennen, zusätzliche Kosten auf unsere ohnehin schon stark gebeutelten sozialen Sicherungssystemen zukommen. Allerdings wird darüber nachzudenken sein, ob auch Dritte für dieje

nigen bürgen können, die ihre Anerkennung als Härtefall beantragen. Wenn z. B. eine Kirchengemeinde rechtsverbindlich erklärt, für die finanziellen Mittel aufzukommen, dann muss das erstens geprüft und zweitens auch möglich sein. Das wäre im Übrigen gelebte Diakonie, und aus meiner Sicht erheblich glaubwürdiger und überzeugender als die eine oder andere verbale Einlassung zu diesen oder jenen tagespolitischen Fragen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, grundsätzlich soll die Feststellung eines Härtefalls so gehandhabt werden wie jede andere Petition in diesem Hause auch. Um jedoch sicherzustellen, dass bei dieser individuellen Einzelfallentscheidung die Gewissensentscheidung eines jeden Mitgliedes des Landtages alleinige Grundlage ist, sollte das Härtefallgesuch an eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder des Landtages gebunden werden. Das heißt, egal, wer in Niedersachsen regiert - ich gehe davon aus, dass Rot-Grün noch ein bisschen Zeit braucht; Herr McAllister sagt ja immer: in 184 Jahren, aber das werden wir alle nicht mehr miterleben -,

(David McAllister [CDU]: 187!)

er braucht die Zustimmung der jeweiligen Opposition. Damit ist diese Entscheidung aus rein humanitären Gründen zu treffen und von jedweder ideologischen Einschätzung freigestellt. Das macht den Charme dieser Regelung aus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, im Übrigen waren wir uns in der Vergangenheit auch immer über alle Parteigrenzen hinweg einig, wenn es darum ging, dass in bestimmten Fällen aus humanitären Gründen die einen oder anderen Ausländer trotz gegenteiliger Rechtslage nicht abgeschoben werden sollten. Wir haben den einen oder anderen Fall gehabt, bei dem z. B. der Innenausschuss über alle Fraktionsgrenzen hinweg gesagt hat, diese Familie oder diese Einzelperson müsste hier bleiben; entsprechend hat der Landtag auch einstimmig beschlossen. Frustrierend war, dass die oberste Ausländerbehörde, nämlich das Innenministerium, dann gesagt hat, aus rechtlichen Gründen geht das nicht.

Im Übrigen: Das bleibt ja so, auch nach den Regelungen des Zuwanderungsgesetzes, Herr Kollege Klein: Am Ende entscheidet die oberste Aus

länderbehörde. Aber egal, wer hier regiert: Den Innenminister oder die Innenministerin möchte ich sehen, der bzw. die dann gegen eine Entscheidung des Landtages vorgeht, die mit einer Dreiviertelmehrheit demokratisch getroffen worden ist.

Insofern, glaube ich, haben wir hier - ich bin der FDP und dem Innenminister außerordentlich dankbar - ein sehr gutes Modell gefunden. Wir müssen gucken, wie sich das bewährt. Wenn es sich hier und dort eventuell nicht bewährt, dann müssen wir gucken, wo wir nachbessern. Aber ich halte dieses Modell allemal für besser, als wenn wir bei dieser finanziellen Notlage des Landes, bei der Größe und bei der Leistungsfähigkeit des Landtages nun noch ein zusätzliches Gremium einrichten würden.

Insofern wäre ich froh, wenn sich die anderen Fraktionen auf dieses Verfahren wenigstens probeweise einlassen könnten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Rickert das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Biallas hat schon wesentliche Dinge zu dem Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion ausgeführt. Sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich das eine oder andere dennoch wiederhole, aber ich möchte zumindest die Position der FDP deutlich machen.

Meine Damen und Herren, es ist unstreitig, dass es bei ausreisepflichtigen Ausländern Fälle gibt, für die die Ausreise einen Härtefall darstellt. Das Zuwanderungsgesetz ermöglicht den Landesbehörden einen Gestaltungsspielraum, um aus humanitären Gründen solche Härtefälle zu berücksichtigen und in besonderen Ausnahmefällen eben eine Aufenthaltsgenehmigung zu bewirken. Somit ist es auch Konsens, dass es für das Land Niedersachsen einer solchen Regelung bedarf. Dissens besteht allerdings in der Frage, wie diese niedersächsische Lösung organisiert werden soll.

Wir von der FDP-Fraktion sind der Meinung, dass der Petitionsausschuss prüfen soll, ob ein Härtefall im Sinne des Zuwanderungsgesetzes vorliegt, und dann der Landtag diesen Härtefall mit Drei

viertelmehrheit beschließen kann. Weitere Einzelheiten stehen in dem Antrag, in dem übrigens auch Ausnahmetatbestände geregelt sind; Herr Biallas hat bereits darauf hingewiesen. Völlig unklar ist im Übrigen, nach welchen Kriterien eigentlich festgelegt werden soll, was ein Härtefall ist.

Meine Damen und Herren, wir schlagen den Petitionsausschuss vor, weil wir meinen, dass er ein geeignetes Instrument ist, um diese Fragen zu bearbeiten und zu klären. Er hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er mit großem Ernst, umsichtig und sensibel mit sehr schwierigen Fällen umgehen kann.