Protocol of the Session on April 3, 2003

Wer bringt die Dringliche Anfrage ein? – Herr Klein!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP ist bezüglich der Behandlung von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft in Niedersachsen Folgendes vereinbart:

„Die einseitige Benachteiligung der konventionellen Landwirtschaft durch die rot-grüne Bundesregierung wird abgelehnt. Die Koalitionspartner treten stattdessen für die Gleichbehandlung von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft ein... Fördermaßnahmen für den ökologischen Anbau, wie auch für konventionell wirtschaftende Betriebe, sollen zusammengeführt werden, um beide

Betriebsformen gleichgewichtig zu unterstützen, wobei jede der beiden Betriebsformen ihre Möglichkeiten am Markt nutzen muss.“

In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 22. März 2003 äußert sich Landwirtschaftsminister Ehlen konkreter. Das Wachstum des ökologischen Anbaus hält er für ausgereizt. Deshalb will er laufende Förderprogramme zu Ende führen. Damit sorge er auch wieder für „Chancengleichheit mit den konventionellen Landwirten“.

Das gibt Erzeugern und Verbrauchern Anlass zur Besorgnis, zumal der ökologische Landbau als Entwicklungsmaßnahme für eine umweltverträglichere Agrarumwelt und zur Marktentlastung sowohl auf EU- und Bundesebene als auch in allen Bundesländern inzwischen eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Worin besteht konkret die „einseitige Benachteiligung“ der konventionellen Landwirtschaft, und mit welchen konkreten Maßnahmen gedenkt die Landesregierung die von ihr behauptete Benachteiligung zu beseitigen?

2. Worin sieht die Landesregierung die einseitige Bevorzugung des ökologischen Anbaus, und mit welchen konkreten Einschränkungen hat er zukünftig zu rechnen?

3. Welche konkreten Fördermaßnahmen für konventionell wirtschaftende Betriebe einerseits und ökologisch wirtschaftende andererseits gedenkt die Landesregierung in welcher Form zusammenzuführen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Landwirtschaftsminister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anfrage des Abgeordneten Klein befasst sich mit der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP sowie mit einem Artikel aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 22. März 2003.

Bevor ich Ihre Anfrage im Einzelnen beantworte, möchte ich Folgendes vorausschicken. Seit meinem Amtsantritt wird von Teilen der Presse der Eindruck erweckt, ich wäre dem ökologischen Landbau gegenüber negativ eingestellt.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ich danke Ihnen, Herr Klein, dass Sie mir mit Ihrer Anfrage die Möglichkeit geben, diesen Eindruck in aller Öffentlichkeit zu widerlegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für mich ist der ökologische Landbau eine unter vielen Formen der Landbewirtschaftung. Der ökologische Landbau ist zweifelsohne ein umweltfreundliches Produktionsverfahren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Er ist auch ein wichtiger Arbeitgeber im ländlichen Raum - nicht nur in der Funktion als landwirtschaftlicher Betrieb, sondern auch für die vor- und nachgelagerten Bereiche. Diese Zusammenhänge sind mir sehr wohl bewusst. Ich weiß die Leistungen des ökologischen Landbaus durchaus zu schätzen.

(Beifall bei der CDU)

Erst kürzlich habe ich mehrfach das Kompetenzzentrum für Ökolandbau in Niedersachsen in Visselhövede besucht und mir von der Arbeit des Kompetenzzentrums ein Bild gemacht. Ich habe Gespräche mit Verbänden, mit Mitarbeitern der Schiene Bioland und Demeter geführt und mich von deren Zielen sowie deren Arbeit überzeugt. Ich habe mich in meiner Auffassung bestätigt gefühlt, wie eine nachhaltige Förderpolitik aussehen muss.

Nachhaltig wird der ökologische Landbau nur dann sein – hören Sie bitte genau zu -, wenn er auch wirtschaftlich ist. Nachhaltig und wirtschaftlich ist er nur dann, wenn er sich am Markt orientiert und nicht nur von Ideologie geprägt ist.

(Beifall bei der CDU – Dieter Möhr- mann [SPD]: Das gilt für beide Sei- ten!)

Ich werde deshalb die Schwerpunkte für den ökologischen Landbau und seine Förderung anders setzen. Für mich haben am Markt ansetzende Maßnahmen eindeutige Priorität, nicht aber solche, die zu einer überzogenen Produktionsförderung

führen. Von dieser Kritik nehme ich auch andere Bundesländer nicht aus. Mein vorrangiges Ziel wird es deshalb sein, die Nachfrageseite zu stärken, nicht aber durch überhöhte Flächenprämien den Angebotsdruck unnötig zu erhöhen und damit den Markt zu verzerren.

Wie der aktuelle Agrarbericht zeigt, hängen viele ökologische Betriebe mittlerweile zu einem großen Teil am staatlichen Tropf, da teilweise mehr als 100 % des Gewinns durch Direktzahlungen und Zuschüsse gezahlt werden. Das ist nicht nur unverantwortlich gegenüber den Familien auf den Ökobetrieben, sondern durch die teilweise überzogene Produktionsförderung schadet man dem Ökobereich insgesamt.

Insbesondere betroffen sind diejenigen, die sich bereits vor der Zeit mit viel Eigeninitiative und ohne überzogene Flächenprämien ihren Markt selbst aufgebaut haben. Es ist nicht zu verantworten, dass durch einseitige und überzogene Produktionsförderung der Ökomarkt kaputtgemacht wird. Ich werde mich an dieser Politik nicht beteiligen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Empfindlich reagiere ich darauf, wenn in aktuellen politischen Diskussionen der Eindruck erweckt wird, als gebe es ein Alleinvertretungsrecht für den ökologischen Landbau durch Rot-Grün. In diesem Zusammenhang verweise ich gerne auf meine Kollegen in Bayern und Baden-Württemberg, die schon lange vor Rot-Grün den ökologischen Landbau entwickelt haben.

Ich hoffe, mit diesen Ausführungen die verkürzt dargestellten Aussagen in dem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung klar gemacht zu haben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Fragen folgendermaßen:

Zu den Fragen 1 und 2: Da die beiden Fragen in einem direkten Zusammenhang stehen, möchte ich sie gemeinsam beantworten. Zurzeit wird eine Bestandsaufnahme in allen Förderbereichen durchgeführt. Diese Bestandsaufnahme ist noch nicht abgeschlossen. Geprüft werden u. a. die Bereiche Beratung, einzelbetriebliche Förderung, Vermarktung sowie Agrarumweltprogramme.

Als Beispiel für die nicht einfache Bestandsaufnahme möchte ich die Agrarumweltmaßnahmen

aus dem Niedersächsischen Agrarumweltprogramm - NAU - nennen. Die durchschnittliche Förderung der ökologischen Betriebe, die sich aus dem Flächenumfang errechnet, beträgt 5 750 Euro pro Jahr. Die konventionellen Betriebe, die sich an einer Grünlandmaßnahme im Rahmen des Niedersächsischen Agrarumweltprogramms beteiligen, erhalten im Durchschnitt 3 378 Euro pro Betrieb und Jahr. Eine abschließende Beurteilung ergibt sich daraus jedoch noch nicht, da bei der Bewertung auch die erheblichen Unterschiede hinsichtlich der Bewirtschaftungsauflagen und der Flächengrößen der teilnehmenden Betriebe berücksichtigt sind. Auch bei anderen Förderprogrammen sind insbesondere die unterschiedlichen Auflagen in die Bewertung mit einzubeziehen.

Die Förderung im Rahmen des Agrarinvestitionsprogramms - AFP - erfolgt in der Regel über eine Zinsverbilligung von Kapitalmarktdarlehen. Für Maßnahmen mit besonderen Anforderungen, wie z. B. an die Tierhaltung oder an die Umwelt, werden zusätzliche gemeinsame Zuschüsse gewährt. Ökologisch wirtschaftende Betriebe erhalten auch dann einen allgemeinen Zuschuss, wenn mit den Investitionen keine besonderen Anforderungen verbunden sind. In dieser Hinsicht sind ökologisch wirtschaftende Betriebe besser gestellt. In den Jahren von 1998 bis 2002 wurden insgesamt 3 439 Betriebe mit rund 178 Millionen Euro an EU-, Bundes- und Landesmitteln gefördert. Darunter waren insgesamt 40 Ökobetriebe. Sie erhielten im Durchschnitt ca. 45 000 Euro je Betrieb. Die konventionell wirtschaftenden Betriebe lagen bei 52 000 Euro je Betrieb. Der höhere Förderbetrag für die konventionell wirtschaftenden Betriebe erklärt sich daraus, dass diese Betriebe in der Regel größere Investitionen durchführen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Ställe! - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist zumindest keine Benachteiligung!)

Neben der Beratung durch die Landwirtschaftskammern wird in Niedersachsen die Beratung über die Beratungsringe gefördert. Die Beratungsringe haben von 1998 bis 2002 20,5 Millionen Euro an Landesmitteln erhalten. Durch diese Förderung haben sich die einzelbetrieblichen Beratungskosten um etwa 20 % reduziert. Im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2002 wurden Berater für die konventionelle Landwirtschaft mit 14 615 Euro je Berater und die Berater für die ökologische Landwirtschaft mit 33 154 Euro je Berater gefördert.

Zu Frage 3: Konkrete Maßnahmen können erst dann genannt werden, wenn die Bestandsaufnahmen und deren Wertung abgeschlossen sind.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen besonderen Aspekt hinweisen. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, erweisen den Biobauern - bei einer gleichwertigen Behandlung mit den konventionell wirtschaftenden Betrieben - einen Bärendienst mit Ihren Unkenrufen vom Ende des Ökolandbaus. Wer so argumentiert, stellt selbst die Existenzfähigkeit dieses anerkannten Zweiges unserer Landwirtschaft infrage und konterkariert die Arbeit von hunderten von Ökobauern. Wenn wir als Land helfen, die Marktchancen zu nutzen und ansonsten die Chancengleichheit mit anderen Produktionsformen zu schaffen, dann sichern wir die Zukunft unserer tüchtigen Biobauern besser als durch das süße Gift der staatlichen Rundumversorgung. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einer Nachfrage hat der Abgeordnete Johannßen.

Herr Minister, während des Wahlkampfes im Februar hat die Reporterin der Niederelbe-Zeitung, Frau Heitmann, Sie auf Ihrem Hof in Calbe besucht. Sie sind in der Niederelbe-Zeitung wörtlich zitiert worden mit folgender Aussage: „Die Zukunft ihrer Landwirtschaftspolitik bedeutet mehr Aldi, weniger Öko.“ Ihre Stellungnahme heute war eine andere. Was gilt denn jetzt?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister!

Kollege Johannßen, Sie haben sicherlich Recht. Ich bin sehr oft von Zeitungsmitarbeitern, Journalisten und Reportern besucht worden. Wenn gesagt wurde, ich sei mehr für Aldi als für Öko, dann ist das nicht richtig wiedergegeben worden, und Sie haben die Zeitung nicht richtig gelesen.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von der SPD: Ich habe das auch so gele- sen!)

Ich habe ein Zitat gebracht, und das will ich hier auch belegen. Es war so, dass ich gefragt worden bin, wie denn die Marktentwicklung der Ökoprodukte zu bewerten sei. Vor dem allgemeinen wirtschaftlichen Hintergrund ist festzustellen, dass nicht nur die Ökoprodukte, sondern auch die Produkte im Lebensmitteleinzelhandel insgesamt im letzten Jahr einen Umsatzrückgang von rund 3 bis 4 % zu verzeichnen hatten, wobei Aldi und Lidl einen Zuwachs von 10 bis 12 % hatten. Dann hat einer - den habe ich zitiert; das ist der Geschäftsführer der Nordmilch - gesagt, man könne es auf eine einfache Formel bringen: Aldi schlägt Öko. Das habe ich so gesagt, sie hat es geschrieben, und Sie haben es nur falsch gelesen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort zu einer Nachfrage hat der Abgeordnete Klein.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das war doch umfassend beantwortet, oder? Dann hat er es immer noch nicht ver- standen!)