Protocol of the Session on June 25, 2004

neigen ja auch sonst nicht unbedingt zur Gleichmacherei. Es liegt in der marktwirtschaftlichen Logik, dass nur dort umgestellt wird, wo es sich rechnet. Die Investitionskosten - auch das ist hier gerade schon zum Ausdruck gekommen - für digitales Fernsehen sind hoch. Daran wird deutlich, dass der Markt eben doch nicht immer Recht hat. Aber wir freuen uns über diesen Erkenntnisgewinn.

(Christian Dürr [FDP]: Bei Ihnen! Wir hatten die Erkenntnis schon immer!)

Digitales Fernsehen soll es nun also für ganz Niedersachsen geben. Die Fernsehveranstalter sollen sich nicht nur die Rosinen in Form von zuschauerkräftigen Ballungszentren mit entsprechenden Werbeeinnahmen herauspicken, sondern das ganze Land soll versorgt werden. Auch der Ostfriese soll in den Genuss der postmodernen Digitalisierung kommen. Diesen Antrag kann man daher unter der Rubrik „Stärkung des ländlichen Raumes“ subsumieren, allerdings nicht auf Landeskosten.

Ich möchte einige kritische Töne zu dem Antrag anbringen. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob die Ausbreitung des Fernsehens und die mittlerweile ungeheuer große Programmvielfalt für unsere Gesellschaft immer so segensreich sind. Angesichts von Big Brother, Dschungeleskapaden und Krawalltalk am Nachmittag kann man auch Zweifel haben,

(Christian Dürr [FDP]: Das muss man nicht einschalten, Herr Briese!)

ob die berühmt-berüchtigten Werte, die die CDU immer so gerne anmahnt, hier vermittelt werden.

(David McAllister [CDU]: Unver- schämtheit!)

Aber auch hier gilt der Gleichheitsgrundsatz: Die Möglichkeiten zur Selbstverblödung müssen überall gleich sein.

Es sei zugestanden, dass es auch gutes Fernsehen gibt. Dann ist es ein wichtiger demokratischer Akt, es allen zugänglich zu machen. Allerdings ist es für uns keine kulturelle Apokalypse, wenn ein paar Haushalte für eine gewisse Zeit vom terrestrischen Privatfernsehen abgeschnitten sind; denn wer das unbedingt empfangen will, kann sich eine Satellitenschüssel an die Hauswand schrauben. Ich glaube, eine solche Satellitenschüssel kostet auch nicht unbedingt mehr als eine so genannte

Set-Top-Box, um die digitalen Wellen in dem schönen MPEG-2-Verfahren zu empfangen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Landtag sollte sich nicht nur Gedanken darüber machen, wie sichergestellt werden kann, dass alle Niedersachsen digitales Fernsehen empfangen können, sondern er sollte etwas mehr Zeit dafür aufbringen, wie erreicht werden kann, dass mit der Medienfülle und dem kaum noch zu überschauenden Angebot vernünftig umgegangen wird. Allein die Bereitstellung der schönen neuen Welt reicht nicht; vielmehr muss auch der sinnstiftende und vernünftige Umgang damit gelernt werden.

Neben der profanen und jetzt auch digital zu empfangenen Glotze haben wir mittlerweile auch das Internet mit seinem unglaublich großen Angebot. Auch diesbezüglich gibt es in Niedersachsen die Gefahr einer digitalen Spaltung. Das haben Sie in Ihrem Antrag allerdings nicht thematisiert. Während nämlich urbane Zentren keine Probleme mit dem Internetzugang via DSL haben, muss mancher Bewohner des ländlichen Raumes immer noch mit einem doch sehr langsamen Modem vorlieb nehmen, sodass er seine Daten nur im Schneckentempo empfangen bzw. herunterladen kann. Nun wissen auch wir, dass die CDU mit dem Thema Internet etwas Probleme hat.

(Friedrich Pörtner [CDU]: Was?)

- Herr Pörtner, soweit ich mich erinnere, war es der letzte Bundeskanzler Ihrer Partei, der noch davon ausging, dass die Datenautobahn aus dem Verkehrswegeplan finanziert wird.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN)

Das ist schon einige Jahre her. Vielleicht hat er mittlerweile dazugelernt.

(David McAllister [CDU]: Schröder ist der Mantafahrer gewesen! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich merke schon an der Erregung der Mehrheitsfraktion, dass das, was ich gerade gesagt habe, nicht so ganz falsch gewesen sein kann.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Wir sind nicht er- regt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Medienverwahrlosung ist derzeit ein heiß diskutiertes

Thema. Fast jeder Zwölfjährige hat heute einen eigenen Fernseher im Zimmer und kann sich unkontrolliert jeden medialen Schund anschauen. Daher muss die Forderung nach einer weiteren Ausdehnung des Medienangebots immer auch mit einer Debatte über Medienerziehung und Medienkompetenz einhergehen. Man hat in dieser Sache von Minister Busemann bislang recht wenig gehört. Neben dem Fernsehen haben wir multimediale Handys, mit denen man schöne Fotos machen kann. Man kann Musik hören und E-Mails verschicken. Man kann auch telefonieren. Wir haben putzige PDAs, mit denen sich mancher Kollege kindlich-verspielt die Plenardebatte verkürzt, statt aufmerksam den Reden zu lauschen.

(Zurufe von der CDU: Was? - Weite- rer Zuruf von der CDU: Das kommt auf die Rede an!)

- Ich habe anscheinend schon wieder ins Schwarze getroffen.

Herr Briese, hinsichtlich Ihrer Zeit haben Sie leider nicht ins Schwarze getroffen, sondern Sie sind schon im roten Bereich. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie sind am Ende!)

Mit den PDAs kann man zukünftig auch das digitale Fernsehen empfangen. Daher sollten wir zügig die Geschäftsordnung ändern. Vielleicht kann man für nationale Schicksalsspiele eine Ausnahmeklausel aufnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren - die Kollegin von der SPD hat es gesagt -: Der Antrag geht zwar in die richtige Richtung. Aber er ist sehr appellativ. Ich weiß nicht, wie uns das wirklich voranbringen soll. Er ist in der Sache nicht falsch, aber er wird auch nicht viel bringen. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Briese. In Ihrem Redebeitrag haben Sie einen sehr unparlamentarischen

Ausdruck benutzt, indem Sie von der Möglichkeit der Selbstverblödung sprachen. Auch dafür erhalten Sie einen Ordnungsruf.

(David McAllister [CDU]: Das einzig Wegweisende in dieser Rede!)

Nächster Redner ist unser Ministerpräsident, Herr Wulff.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eigentlich alles gesagt worden, nur noch nicht von jedem einzelnen. Ich finde es erfreulich, dass der Antrag der Regierungsfraktionen von CDU und FDP ins Schwarze trifft. Er wird deshalb von der Landesregierung vollinhaltlich unterstützt. Das ist eine wesentliche Rückenstärkung für die Ministerpräsidentenkonferenz; denn nicht alle Ministerpräsidenten sehen es so wie wir, dass man kein Gefälle zwischen Stadt und Land zulassen darf.

Erfreulich ist auch, dass durch unser intensives Betreiben erreicht werden konnte, dass Niedersachsen auf diesem Feld Nr. 2 in Deutschland ist, und dass bereits in der Einführungsvereinbarung auf unser Drängen hin festgelegt wurde, dass das gesamte Land erschlossen werden soll.

Der Kollege Pörtner hat darauf hingewiesen, dass es sich um eine medienpolitische Innovation aus Niedersachsen handelt, die von Professor Reimers an der TU Braunschweig entwickelt worden ist. Ich habe bei der Einführung darauf hingewiesen, dass der Begriff unglücklich gewählt ist. Wer sich an einem Begriff wie DVB-T ergötzt, der nimmt vermutlich auch Telefonbücher mit in den Urlaub und ergötzt sich am Strand an solch formalem Werken. Deswegen brauchen wir eine Bezeichnung wie „Überallfernsehen“. Sie haben richtig gesagt, Frau Kollegin, dass sich das vor allem darauf bezieht, dass man im Garten, am Strand oder unterwegs im Auto demnächst in hochwertiger Qualität zunächst 16, später 24 Fernsehprogramme wird empfangen können.

Es ist auch ein wirtschaftlicher Erfolg. Inzwischen sind in den Regionen Hannover, Braunschweig und Bremen 120 000 DVB-T-Boxen verkauft worden. Die Menschen nehmen diese Technik an.

(Zuruf Hans-Joachim Janßen [GRÜ- NE])

- Sie dürfen sich das nicht so eindimensional vorstellen. Es gibt Leute, die über Kabel oder über Satellit Fernsehprogramme empfangen können und sich trotzdem einen Decoder angeschafft haben, um an einer bestimmten Stelle per DVB-T zu empfangen, beispielsweise per Notebook bzw. Laptop. Es gibt solche Leute. Sie können sich das manchmal nur so vorstellen, wie es bei Ihnen ist. Aber es gibt durchaus eine Vielfalt im Leben. Wir sind dafür, dass es Pluralität in unserem Lande gibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wichtigste, was durch Ihre rot-grüne Bundesregierung betrieben wird, ist die Monopolisierung der Netze. Natürlich wird es schwierig, auf die Preisgestaltung Einfluss zu nehmen, wenn die Kabelnetze immer stärker Monopolen unterliegen. Die beste Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Preisgestaltung ist der Markt. Wenn auch über DVB-T empfangen werden kann, dann können die Kabelnetzbetreiber die Gebühren für die Kabelnetze nicht in unendliche Höhen treiben. Insofern hat das eine soziale Funktion, weil das Medium Fernsehen mit einer großen Programmvielfalt auch für diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, empfangbar bleibt. Da Sie sich derart echauffieren, kann ich nur vermuten, dass das ein Gesichtspunkt ist, den die Grünen noch gar nicht gesehen haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Der letzte Punkt: Der Norddeutsche Rundfunk ist uns sehr entgegen gekommen. Er ist an dieser Stelle ausdrücklich zu loben. Wir haben aber Probleme mit den privaten Sendern. Wir befinden uns jedoch im Gespräch mit ihnen. Erst gestern Abend noch habe ich ein Gespräch mit Herrn Zeiler, dem Chef von RTL Deutschland, geführt. Wir versuchen, SAT 1, RTL und andere dazu zu bewegen, Südniedersachsen und die Weser-EmsRegion ebenfalls zu erschließen, vor allem den Raum Osnabrück - das mache ich aber nicht aus Eigennutz; denn dort kann ich meistens nicht fernsehen, wie Sie wissen, aber letztendlich doch mehr aus räumlichen als aus technischen Gründen -; denn es wäre schlecht, wenn wir zu einer digitalen Spaltung im Lande kämen.

Noch ein Punkt, der im Hinblick auf die Erhöhung von Rundfunk- und Fernsehgebühren wichtig ist: Natürlich muss darüber nachgedacht werden, die Einführung der DAB-Technik im digitalen Hörfunk möglicherweise zu strecken oder ganz zu stoppen.

Denn sie setzt sich zurzeit nicht durch, weil den Menschen die UKW-Empfangsqualität offensichtlich ausreicht. Ich persönlich bin dafür, dass hinsichtlich DAB eine Denkpause eingelegt und das Geld stattdessen in DVB-T investiert wird, weil diese Technik den Menschen zusätzliche Möglichkeiten zum Empfang von Fernsehprogrammen bietet.

Mit dieser Einlassung möchte ich den Regierungsfraktionen für ihren Antrag danken. Dieser Antrag kann hier gelassen beschlossen werden, sodass dieses Thema damit befördert werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der SPD-Fraktion steht noch eine Restredezeit von zwei Minuten und 16 Sekunden zur Verfügung. Frau Wiegel möchte diese Restredezeit in Anspruch nehmen. Bitte schön, Frau Kollegin Wiegel!

Herr Ministerpräsident, schön zu hören, dass die Gespräche mit den Privaten wieder aufgenommen worden sind. Wir setzen ganz viel Hoffnung auf Sie und alle anderen, die etwas dazu tun können.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist in Niedersachsen inzwischen üblich!)

Meine Kritik bezog sich ja darauf, dass wir mit diesem Appell vermutlich nicht weiterkommen.