Protocol of the Session on June 23, 2004

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das sind Partner! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 20. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 21. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe jetzt vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 22: Zweite Beratung: Keine Bereicherung des Landes an Hartz IV - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/841 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1091

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Tagesordnungspunkt 23: Zweite Beratung: Keine Sanierung des Landeshaushalts zulasten der Kommunen - Das Land darf den Kommunen nicht 250 Millionen Euro vorenthalten! - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/850 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1093

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Tagesordnungspunkt 24: Zweite Beratung: Optionsmöglichkeit der Kommunen zur Trägerschaft des Arbeitslosengeldes II auf faire und realistische Grundlage stellen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/962 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit - Drs. 15/1094

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Für die Fraktion der CDU hat sich Herr Dr. Matthiesen zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Matthiesen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Umsetzung von Hartz IV gerät zur endlosen Geschichte. Der Vermittlungsausschuss hat das Vermittlungsverfahren zum Kommunalen Optionsgesetz am 17. Juni 2004 ergebnislos vertagt. Die Fortsetzung ist für Ende des Monats geplant. Zwischenzeitlich hat Bundeswirtschaftsminister Clement den Kommunen ein Nachbesserungsangebot von 1,78 Milliarden Euro gemacht. Aber das ist nur weiße Salbe. Selbst nach den Berechnungen des Deutschen Städtetages ist über die nachgebesserten 1,78 Milliarden Euro hinaus ein weiterer Kompensationsbedarf an die Kommunen von rund 4 Milliarden Euro gegeben. Nach den gemeinsamen Berechnungen von Ländern und Kommunen nach dem niedersächsischen Raster sind es sogar 7 Milliarden Euro.

Weil sich die Bundesregierung nicht bewegt, haben sich die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zum gordischen Knoten verwickelt. Der Landkreistag empfiehlt inzwischen, notwendige Schritte in Bezug auf kommunale Beschäftigungsgesellschaften einzuleiten, d. h. sie aufzulösen. Angesichts der Blockadepolitik der Bundesregierung ist der angepeilte späteste Termin August 2004 für die Ausübung der kommunalen Option hinfällig. Das hat schlimme Folgen. Denn diese Blockadepolitik fällt in die Zeit weiterhin steigender Arbeitslosigkeit und stark abnehmender Erwerbstätigkeit. Im Mai dieses Jahres lag die Arbeitslosenquote erneut auf einem Rekordstand seit der Wiedervereinigung. Bereinigt um die statistischen Veränderungen vom Jahresanfang, ist die Arbeitslosigkeit auch im Mai um 30 000 Menschen

gestiegen, nämlich auf 4,3 Millionen Menschen. Gleichzeitig hat die Erwerbstätigkeit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im Jahresvergleich um 600 000 Personen abgenommen. Diese doppelte Katastrophe lässt sich beileibe nicht nur mit dem schwachen Wirtschaftswachstum erklären.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Bundesregierung hat daran ein gerüttelt Maß an Schuld. Sie hat die Umsetzung von Hartz IV bisher völlig verkorkst mit der Folge einer totalen Verunsicherung und Verprellung der Kommunen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Kommunen ziehen sich verstärkt aus ihrer bisher so erfolgreichen aktiven Arbeitsmarktpolitik zurück. Ursache dafür sind nicht nur die völlig unzureichenden Kompensationsangebote des Bundes an die Kommunen. Hinzu kommen noch die zwischenzeitlich völlig verfehlten Vorschläge des Bundes für das Verwaltungsverfahren zur Umsetzung von Hartz IV. So ist die vom Bund vorgesehene quotale Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten, die die Kommunen zu tragen haben, verwaltungstechnisch zu kompliziert und verfassungsrechtlich problematisch; denn die belastungsgerechte Verteilung müsste über die Länder erfolgen, und das wäre in der Verwaltungspraxis kaum noch handhabbar.

Dann gibt es den Vorschlag einer Revisionsklausel. Diese ist aber so angelegt, dass sogar rückwirkend eine Bundesauftragsverwaltung entstehen kann, wenn die Revisionsklausel umgesetzt wird. Das liegt an dem Erstattungssatz von 50 % der Bundesmittel. Wenn dieser erreicht wird, dann ist auf einmal eine Bundesauftragsverwaltung gegeben und nicht mehr die angepeilte kommunale Trägerschaft.

Außerdem hat sich herausgestellt, dass die gerade von Frau Helmhold so favorisierten Arbeitsgemeinschaften zwischen Bundesagentur und Kommunen nicht funktionieren können. Es ist z. B. verfassungsrechtlich nicht möglich, diese Teilleistungen der Bundesagentur und der Kommunen, also Arbeitslosengeld II und Unterkunftskosten, für den Bürger in einem einzigen gemeinsamen Verwaltungsakt zusammenzufassen.

Unter dem Strich will der Bund also eine Mischfinanzierung und Mischverwaltung einführen, die

angesichts des Bürokratieabbaus, nach dem ganz Deutschland lechzt, einfach nur absurd ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Demgegenüber haben Hessen und Niedersachsen im Vermittlungsverfahren Vorschläge gemacht, die es den Kommunen ermöglichen, die Option für die Trägerschaft für Arbeitssuchende auszuüben, weil die Bedingungen erfüllt sind. Wir haben das immer wieder vorgetragen. Herr Harden, ich hoffe, Sie werden das nach Berlin bringen. Ich nenne die Forderungen, die unbedingt umgesetzt werden müssen: Das ist zum einen die auskömmliche Ausgestaltung der Fallpauschalen für die Eingliederungsleistungen und für die Verwaltungskosten. Niedersachsen hat inzwischen ausgerechnet, dass für die Eingliederungsleistungen eine Fallpauschale von monatlich 250 Euro je Hilfeempfänger gezahlt werden müsste. Dafür gibt es also solide Berechnungen.

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommunen im Falle der Option die eigenverantwortliche Trägerschaft der Grundsicherung für Arbeitssuchende mit den erforderlichen verfassungsrechtlichen Absicherungen erhalten müssen. Wenn man sich nicht bewegen will, gibt es immerhin noch den Weg des Artikels 120 Grundgesetz. Danach kann der Bund Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung auch mit Einschluss der Arbeitslosenhilfe gewähren. Die Aufwendungen der Kommunen für die Grundsicherung für Arbeitssuchende lassen sich als solche Leistungen der Arbeitslosenhilfe im Sinne des Grundgesetzes definieren. Hier wäre also der verfassungsrechtliche Weg möglich. Diesen Weg könnten Sie gehen und die Umständlichkeiten vermeiden. Dann muss aber natürlich gewährleistet werden, dass die 2,5 Milliarden Euro Nettoentlastungen der Kommunen wirklich eintreten.

Jetzt ist der entscheidende Punkt gekommen. Das Vermittlungsverfahren steht an. Das ist die letzte Chance, dem kommunalen Optionsmodell doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Das müssen wir jetzt leisten. Gerade eben hat die Bundesagentur noch vor Abstrichen bei der Betreuung der Arbeitslosengeld-II-Empfänger gewarnt. Falls es bis Mitte Juli nicht gelingt, eine Einigung zu finden, werden Sie von Rot-Grün die Quittung erhalten. Auch aus diesem Grunde werden Sie die Bundestagswahl verlieren. Dann kommt die Stunde von CDU und CSU.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann las- sen Sie die Katze aus dem Sack! Für die Arbeitslosen machen Sie solche Spielchen!)

Wir werden dann ein Optionsgesetz vorlegen, das die Kommunen annehmen werden. Auch auf kommunaler Ebene werden wir dann eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik betreiben. Wenn die Arbeitslosigkeit noch weiter steigt, sind Sie - RotGrün - dafür verantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie nehmen die Arbeitslosen als Geiseln!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Helmhold das Wort. - Bevor ich ihr das Wort erteile, möchte ich den drei Abgeordneten, die sich da hinten so unbequem hinstellen und debattieren, empfehlen, dass sie sich auf ihre Plätze begeben oder den Plenarsaal verlassen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Matthiesen, ich wundere mich wirklich. Wenn Sie sich hier über die Verzögerungen im Vermittlungsausschussverfahren beklagen, dann dürfen Sie bitte auch nicht verschweigen, wem das geschuldet ist. Sie blockieren doch ständig selbst und lehnen alle guten Vorschläge ab.

(Widerspruch bei der CDU)

Derweilen nehmen Sie die Arbeitslosen in Geiselhaft, um Ihre Vorstellungen durchzusetzen, bzw. Sie blockieren so lange, dass Ihre selbst produzierte Chaostheorie dann eventuell Wirklichkeit werden könnte. Ich möchte wirklich einmal wissen, welche Position die B-Länder inzwischen bei den Verhandlungen unter ihrem Verhandlungsführer Koch für die nächste Sitzung des Vermittlungsausschusses vertreten.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Die ist ahnungslos!)

Er vertritt doch schon lange nicht mehr die Mehrheitsmeinung der CDU-geführten Länder. Wahrscheinlich kommen die Verhandlungen auch des

wegen nicht richtig voran, weil vor allen Dingen Ihre abzusehende Uneinigkeit kaschiert werden soll.

Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich auch bezeichnend, dass in der letzten Verhandlungsrunde im Vermittlungsausschuss Ihre Seite weder mit Herrn Koch noch mit Herrn Wulff bestückt war, weil die sich wahrscheinlich noch nicht so weit aus dem Fenster lehnen wollten. Es ist ja bekannt, dass in diesem Fall nicht viele, sondern nur ein einziger Koch, nämlich Ihrer, reicht, um den Brei der Verhandlungen zu verderben. Das hat er geschafft.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Dann soll er auch in Zukunft die Suppe auslöffeln, die er selber angerichtet hat.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Und wer hat die Suppe eingebrockt?)

Sie glauben doch inzwischen selbst nicht mehr, dass es noch zu einem Optionsgesetz mit Verfassungsänderung kommen könnte. Wenn wir stattdessen zu einer Experimentierklausel für optierungswillige Kommunen kämen, wäre das aus meiner Sicht auch kein guter Kompromiss.

Meine Damen und Herren, obwohl sich Koalition und Opposition einig sind, dass die Arbeitslosenund Sozialhilfe zusammengelegt werden sollen, nutzen Sie die momentane Übergangsphase, um diesen gesamten Prozess auf kommunaler, Landes- und Bundesebene durch Blockieren von Entscheidungen und durch öffentliche Polemik zu verzögern.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Na, na, na!)

Dabei stellen Sie sich immer wieder öffentlich so dar, als ob Sie im Vorverfahren, nämlich beim Wortlaut des SGB II, überhaupt nicht dabei gewesen wären. Das Gegenteil ist doch der Fall. Ich sage es Ihnen noch einmal: Das ist Ihr Kompromiss genauso wie unserer. Jetzt können Sie nicht mehr so tun, als ob Sie überhaupt nichts damit zu tun hätten. Das mag für Sie aus wahlkampftaktischen Gründen zwar sinnvoll sein, schafft aber unnötige Verunsicherung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sagen, dass der Landkreistag die Parole herausgegeben hat, dass keine Arbeitsgemein

schaften gebildet werden sollen. Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht. Diese Arbeitsgemeinschaften werden doch überall gebildet. In meinem Landkreis sind wir gerade dabei, sie zu bilden.

(Reinhold Hilbers [CDU]: In meinem aber nicht!)