Protocol of the Session on June 23, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nur wenige Monate nach Einführung des HOK ist die Verunsicherung

an den Hochschulen größer denn je. Mit der Umsetzung eines Haushaltsführungserlasses wurden Sie, Herr Minister Stratmann, bereits wortbrüchig; denn den Hochschulen war zugesichert worden, bis 2007 von weiteren Einsparauflagen befreit zu sein. Nun folgt die Zitterpartie um den noch vor Wochen als Instrument vermeintlicher Planungssicherheit propagierten Zukunftsvertrag, der sich als nichts anderes entpuppt als reine Sparrunden.

Meine Damen und Herren, in dieser Situation die Notwendigkeit eines Hochschulentwicklungsplans zu negieren, zeigt deutlich, wohin die Reise geht. Die Hochschulen sollen weiterhin den Konsolidierungsbemühungen des Finanzministers geopfert werden, bildungspolitische Belange werden anscheinend auch in Zukunft auf der Strecke bleiben. Anders ist Ihre Ablehnung der vorliegenden Anträge, über deren Ausgestaltung man im Einzelnen ja durchaus hätte verhandeln können, nicht zu erklären.

Ihr Argument, meine Damen und Herren von CDU und FDP, der Einspardruck habe zur Folge, dass nicht genügend Zeit vorhanden sei, um eine Hochschulentwicklungsplanung aufzulegen - das haben wir im Ausschuss oft genug gehört -, ist geradezu grotesk. Wo immer zurzeit Hochschulentwicklungspläne aufgelegt werden - übrigens auch in CDU-regierten Ländern -, geschieht dies gerade wegen des enormen Einspardrucks und der Notwendigkeit eines möglichst effizienten Mitteleinsatzes. Gerade in Zeiten knapper Kassen ist Hochschulplanung nötig, um die knappen Mittel möglichst optimal, aber auch zielorientiert auf die Notwendigkeiten der Zukunft hin ausgerichtet einsetzen zu können.

Meine Damen und Herren, es geht bei einer Hochschulentwicklungsplanung doch auch darum, der berechtigten Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung hochschulpolitisch notwendige Entwicklungsperspektiven gegenüberzustellen. Das ist doch erst einmal die Voraussetzung, um Hochschuletats gegen die ungezügelten Begehrlichkeiten des Finanzministers zu legitimieren und abzusichern, und müsste eigentlich genuines Interesse des Fachministers sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, hören Sie also endlich auf, gebetsmühlenartig auf das vermeintliche Hochschuloptimierungskonzept zu verweisen, und stellen Sie sich endlich den

Problemen an den Hochschulen! Geben Sie die Hochschulen nicht länger als Steinbruch für Ausgabenkürzungen her, sondern lassen Sie uns gemeinsam mit den Hochschulen Plandaten festlegen, damit wir bedarfsgerecht und zielorientiert steuern können! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Brockstedt das Wort. Ich erteile es ihm.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge „Hochschulentwicklungsplanung in Niedersachsen“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und „Hochschulentwicklungsplanung in Niedersachsen konsequent durchführen: Hochschulstrukturkommission einrichten“ der Fraktion der SPD könnten wir eigentlich ohne Weiteres ablehnen, da sie sich inhaltlich überholt haben. Die Diskussion darüber nimmt uns eigentlich nur wichtige Beratungszeit für andere Themen. Deshalb verzichte ich auch auf bereits in der ersten Beratung vorgebrachte Argumente.

Meine Damen und Herren von der Opposition, in der letzten Woche nahm ich gerade einmal 200 m von hier entfernt an einer Tagung von deutschen Hochschullehrern im Bauwesen teil. In einem der Referate ging es um die Anwendung europäisch genormter Produkte im deutschen Bauwesen. Diese europäisch genormten Produkte und Richtlinien müssen der deutschen Wirklichkeit angepasst werden. Dabei kam und kommt es zu erheblichen Problemen mit der deutschen Bürokratie. Der Referent sprach hierbei von einem Verwaltungsautismus, also von einer in verschiedenen Bereichen übersensiblen und in anderen Bereichen eingeschränkten Wahrnehmung. Würden wir den Begriff „Verwaltungsautismus“ durch den Begriff „Politikautismus“ ersetzen, hätten wir eine ziemlich genaue Begriffsdefinition dessen, was die Oppositionspolitik in diesem Haus in den letzten 15 Monaten auszeichnet. Der heutige Tag, vor allem der Vormittag, belegt diese Beschreibung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Axel Plaue [SPD]: Wenn das keinen Ordnungsruf wert ist, dann weiß ich es nicht! Autismus ist eine Krankheit! - Weitere Zurufe)

Herr Abgeordneter Plaue, im Wald wird gehackt.

(Axel Plaue [SPD]: Meinen Sie, Au- tismus ist in Ordnung? - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ein medizinischer Fach- begriff! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt reicht es aber!)

„Politikautismus“ hatte ich gesagt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die vorliegenden Anträge der Oppositionsparteien sind durch das HOK, das Hochschuloptimierungskonzept, nicht nur überflüssig geworden, sondern schlichtweg erledigt. Meine Damen und Herren von der Opposition, in diesem Raum sind Sie die Einzigen, die dies nicht wahrnehmen. Herr Wulf aus Oldenburg hat in der ersten Lesung gesagt:

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

„Es kommt also entscheidend darauf an, die offensichtlich begrenzten finanziellen Ressourcen effektiv einzusetzen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen zu gewährleisten.“

Nun, genau das tun wir mit dem HOK. Er sagte auch:

„Aufgabe der von Ihnen geforderten Hochschulstrukturkommission wäre es, für die Zukunftsorientierung zu sorgen, die Hochschulentwicklung am gesellschaftlichen Bedarf auszurichten und somit die niedersächsischen Hochschulen positiv aufzustellen.“

Auch das setzen wir mit dem HOK um, bzw. wir haben das mit den umgesetzten Schritten bereits getan.

Meine Damen und Herren, wir wollen leistungsfähige Hochschulen. Wir stehen mitten im BolognaProzess, eingeleitet bereits 1997 von einer CDU/CSU- und FDP-geführten Bundesregierung mit dem damaligen Bundesbildungsminister Rüttgers. Unsere Hochschulen müssen zukünftig im

Wettbewerb mit anderen deutschen und europäischen Hochschulen, aber auch im weltweiten Vergleich bestehen. Durch die Modularisierung von Studienleistungen können schon heute Studierende europaweit einzelne Studienleistungen erwerben. Diese Studienleistungen werden, wenn ihre Hochschule die entsprechenden ECTS-Vereinbarungen unterzeichnet hat, auch als verbindlich anerkannt. Hochschulen müssen zukünftig aus eigener Kraft eigenständige Profile entwickeln. Nur wer gut ist und auch dies aus eigener Kraft überzeugend belegen kann, wird in diesem Wettbewerb zukünftig bestehen können.

Wir werden zukünftig Studierende haben, die sich ihre leistungsfähige Hochschule selbst aussuchen können und dies auch tun werden. Sie werden dann nicht die Hochschule besuchen, die ihnen bislang noch von der ZVS vorgegeben wird. Aber auch die Hochschulen werden sich zukünftig den allergrößten Teil ihrer Studierenden selbst aussuchen können; Sie kennen ja den entsprechenden Gesetzentwurf. Wir werden den Hochschulen die Möglichkeit geben, sich bis zu 90 % ihrer Studenten selbst auszusuchen. An den Hochschulen werden die Beteiligten dann mit höherer Motivation sowohl lehren als auch studieren, weil sie, wie gesagt, in einem bundes- und europaweiten Wettbewerb zu besseren Leistungen gefordert sind. Unsere Hochschulen werden sich auch so zu wirklichen Elitehochschulen entwickeln - anders als solche, bei denen man vorwiegend auf finanzielle Förderung setzt.

Meine Damen und Herren, Eigeninitiative und Wettbewerb sind mehr Motivation zum Erfolg als Subvention. Das wird sich gerade im Hochschulbereich zeigen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ich den- ke, das sind Investitionen, Herr Kolle- ge!)

Wir stehen im Prozess des Zustandekommens des europäischen Hochschulraums im Zuge des Bologna-Prozesses. Bis zum Jahre 2010 sind verschiedene Schritte umzusetzen: Bachelor- und Master-Studiengänge sind einzurichten. Das geschieht schon. Schnelle Studienzeiten und weniger Studienabbrecher sind dabei nur einige Vorteile. In den Fachbereichen, Fakultäten und Studiengängen werden sich Studieninhalte, der Aufbau von Studiengängen, Prüfungsarten, Prüfungsordnungen und damit auch Organisationsstrukturen weitgehend ändern. Da ist Handeln gefordert - nach

sorgfältiger Analyse und Planung. Nur Kommissionen einzurichten, bringt uns nicht weiter. Da nützt auch der Begriff „Hochschulstrukturkommission“ nichts. Kommissionen hat dieses Land in den letzten Jahren unter Ihren Regierungen genug eingesetzt und deren Berichte auch bezahlt. Die Ergebnisse Ihrer Kommissionen haben wir ausgewertet, und wir haben danach gehandelt. Diese Erkenntnis ist inzwischen auch bei Ihnen angekommen.

(Zuruf von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

Wir hatten in Niedersachsen in der Vergangenheit keine Erkenntnisdefizite - auch unter Ihren Regierungen nicht -, aber wir hatten Vollzugsdefizite. Die Umsetzung des HOK ist dafür ein Beleg. Mit dem HOK haben wir den Stillstand gründlich überwunden; das zeigt z. B. auch die Debatte von vorhin bzw. das, was Sie gesagt haben. Sie hätten 13 Jahre lang handeln können. Das haben Sie in der Wissenschaftspolitik nur unzureichend getan. Mit dem HOK haben wir mehr Hochschulentwicklungsplanung geleistet als Sie in den 13 Jahren zuvor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - Hans- Dieter Haase [SPD]: Durch ständige Wiederholungen wird das nicht richti- ger und wahrer!)

Wir sind heute weiter, als Sie fordern; denn wir ändern Strukturen, wir optimieren die Hochschullandschaft. Aus diesen Gründen sind Ihre Anträge überholt. Wir werden sie entsprechend den Ausschussempfehlungen ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Dr. Zielke das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Argumente, die seinerzeit anlässlich der Einbringung der beiden Anträge angeführt worden sind, noch einmal nachliest, dann sieht man, dass die Beratungen im Ausschuss eigentlich wenig Neues gebracht haben. Insofern könnte ich mich relativ kurz fassen.

(Zuruf von der SPD: Das wäre schön!)

Aber, und das zeigt einmal mehr den begrenzten Wert etwaiger ausgreifender Planungen - mit wie großem Sachverstand und von wie großen Runden Tischen oder Kommissionen sie auch entworfen sein mögen, mittlerweile gibt es aber eine neue, entscheidende und in der Tendenz durchaus positive Entwicklung. Die Kultusministerkonferenz hat sich auf die faktische Abschaffung der ZVS, der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, geeinigt. Diesmal scheint sich selbst die Bundesbildungsministerin, Frau Bulmahn, dem Sachverstand der Fachleute nicht entziehen zu wollen. Das neue Modell der Vergabe von Studienplätzen in Numerus-Clausus-Fächern sieht vor, dass an jeder Hochschule 20 % der Plätze nach Abiturnote vergeben werden, 60 % nach örtlichen Auswahlverfahren, die die Hochschulen selbst bestimmen können, und nur noch die letzten 20 % nach Wartezeit. Auch dieses Modell ist, nebenbei gesagt, noch nicht ideal. Zum Beispiel konnte mir noch niemand erklären, weshalb jemand durch bloßes Abwarten für ein bestimmtes Studium geeigneter wird, als er es schon von Anfang an war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber immerhin hat man der ZVS mit der Verteilung von 20 % der Studienplätze nach Wartezeit noch eine kleine Restaufgabe gelassen, sozusagen aus Pietät vor dieser verdienstvollen Organisation. Kein Beamter fällt ins Nichts des Nichtstuns. Diese Kompromisslösung zum Hochschulzugang war vorher nie in der Debatte. Keine Kommission hätte sich im vorhinein darauf einstellen und entsprechende Planungszahlen entwickeln können, weil es diese 20/60/20-Regelung noch nicht gab.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wozu sprechen Sie denn?)

Zum allgemeinen Nutzen einer zentralen Hochschulstrukturkommission, die „ein breites gesellschaftliches Spektrum widerspiegeln“ soll - ver.di, ick hör dir trapsen -, ist in der ersten Aussprache alles Wichtige gesagt worden, ebenso zum Gesamtsteuerungssystem im Antrag der Grünen. Aber bitte unterliegen Sie einem Irrtum nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, nämlich dass wir keine klaren Ziele für unsere Hochschulen hätten. Es ist auch nicht so, dass das alte NHG sakrosankt und jenseits aller Verbesserungsmöglichkeiten wäre und dass es jetzt nur um die Aus

führungsbestimmungen, sozusagen um das Kleingedruckte gehe.

Herr Wulf, Sie haben am 19. Februar gesagt: „Jetzt kommt es darauf an, das NHG konsequent weiter umzusetzen“. Nein, wir wollen es verbessern, weiterentwickeln und das tun, was Herr Oppermann vielleicht insgeheim angestrebt hat, aber seiner SPD nicht zumuten durfte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir in der jetzigen Situation überhaupt Kommissionen brauchen, dann nicht eine zentrale Kommission, sondern viele kleine Fachkommissionen, die sich beispielsweise damit beschäftigen würden, zu welchem Berufsbild der Bachelorabschluss in einem bestimmten Fach qualifizieren soll, wie er von der Bezahlung im öffentlichen Dienst her eingestuft werden soll und welche Studienmodule dafür neu entwickelt werden müssen. In solche Kommissionen würden natürlich nicht das zitierte „breite gesellschaftliche Spektrum“ plus so genannte Bildungsexperten gehören, sondern maßgeblich die Fachverbände und Vertreter derjenigen, die die Bachelorabsolventen nach dem Studium einstellen sollen. Wenn das Wort „berufsqualifizierend“ mehr als eine Leerformel sein soll, dann ist das der einzig vernünftige Weg - es sei denn, der Bachelorabschluss wäre so polyvalent berufsqualifizierend, dass die Beschränkung auf bestimmte Berufsfelder viel zu einengend wäre, weil er Alleskönner produzierte.

Aber zu unseren generellen Zielen: Wir wollen echte Autonomie der Hochschulen, ganz genau so, wie es am Ende des SPD-Antrags formuliert ist: „den Wettbewerb der Hochschulen anstelle der staatlichen Regulierung und Detailsteuerung.“ Ich füge hinzu: und anstelle von zentralen Hochschulstrukturkommissionen.

Um es einmal knapp zusammenzufassen: Wir wollen, dass sich das MWK auf weitere Sicht mangels relevanter Aufgaben selbst überflüssig macht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das sind Partner! - Weitere Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)