Protocol of the Session on June 23, 2004

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 19 Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1145

Zur Einbringung und zur Beratung, die ich hiermit eröffne, erteile ich der Frau Kollegin Seeringer von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Seeringer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lebenslanges Lernen prägt unsere Wissensgesellschaft und hat das Lernen für das Leben abgelöst. Bildung ist heute Rohstoff für unsere Gesellschaft

und durchdringt alle Lebensbereiche des Menschen. Auch die Zukunft unseres Landes, unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit unser wirtschaftlicher Erfolg sind abhängig vom Wissen. Wir müssen den Menschen befähigen, diese Leistung zu erbringen. In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, kommt auch der niedersächsischen Erwachsenenbildung eine umfassende Bedeutung zu. Diese Herausforderung hat die CDUFraktion erkannt und legt dem Landtag heute den Gesetzentwurf zur Novellierung des Erwachsenenbildungsgesetzes vor.

Wir wollen die Einrichtungen der Erwachsenenbildung - das sind die Träger der Volkshochschulen, die Landeseinrichtung mit ihren Verbänden, Arbeit und Leben, ver.di, Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft, Ländliche Erwachsenenbildung, Evangelische Erwachsenenbildung, die Katholische Erwachsenenbildung, der Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen und die Heimvolkshochschulen - näher an die zukunftgreifende Bildungsarbeit heranführen.

Bestehende Strukturen haben sich bewährt. Es sollte ein effizienterer Finanzmitteleinsatz ermöglicht werden. Wir alle wissen, dass wir zu wenig Geld haben und von daher sparen und die Gelder effizient ausgeben müssen. Der Gesetzentwurf ist meiner Meinung nach die zeitgemäße Antwort zur Weiterbildung in unserem Land. Für uns in der CDU steht der Mensch als Individuum im Mittelpunkt.

(Zurufe von der SPD)

- In der SPD-Fraktion brauchen einige offensichtlich Nachhilfe. Ich habe nicht nur in der Erwachsenenbildung gelernt: Wenn einer spricht, sind die anderen ruhig. Ich darf Sie bitten zuzuhören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Man lernt viel, und außerdem ist das eine Form der Höflichkeit.

(Sigmar Gabriel [SPD]: In der Er- wachsenenbildung muss der Vortrag gut sein!)

- Herr Gabriel, wir können uns nachher, wenn ich fertig bin, noch einmal unterhalten, ob mein Vortrag gut war oder nicht. Ich glaube schon, dass ich den Auftrag erfüllen kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für uns in der CDU steht der Mensch im Mittelpunkt. Herr Gabriel, Sie demnach auch.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Seine Bildung und Ausbildung, sein Einsatz im Beruf und in der Freizeit, sein Engagement müssen gefordert und gefördert werden. Daher steht gleich in § 1 neben der politischen, beruflichen und kulturellen Bildung die Ergänzung zu lesen: die Stärkung der Persönlichkeit, die Bildungsberatung und die Maßnahmen zum Übergang von Schule zum Beruf.

Meine Damen und Herren, in vielen Bereichen unserer Gesellschaft gibt es Fehlentwicklungen. Ehen und Familien brechen auseinander, Eltern verabschieden sich aus der Erziehung ihrer Kinder, Jugendliche brechen Schule, Ausbildung, zu 30 % sogar das Studium ab. Uns fehlen ehrenamtliche Kräfte in allen freiwilligen Diensten, in Kirche, Verein und Staat. Hier können wir mit der Erwachsenenbildung einsteigen und Menschen bilden, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, und zwar präventiv, also nicht erst, wenn es schon zu spät ist.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb haben wir in dem Gesetzentwurf neue Förderschwerpunkte genannt, die besonderen gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechen. Dazu gehören nach meiner Beschreibung die Eltern- und Familienbildung, die Qualifizierung zur Ausübung von Ehrenämtern und freiwilligen Diensten.

Sie alle wissen genauso gut wie ich, wie wichtig es ist, dass wir Menschen finden, die bereit sind, im Verein und auch in der Kommune Ehrenämter zu übernehmen. Ohne Ehrenamt wäre unser Staat nicht denkbar.

Des Weiteren haben wir als Ergänzung zur politischen sowie werte- und normenorientierten Bildung die ökonomischen und ökologischen Bildungsfragen in den Gesetzentwurf geschrieben. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass wir Verantwortung für die Wirtschaftsentwicklung und auch für die Schöpfung haben.

Maßnahmen für junge Erwachsene zur Unterstützung bei der persönlichen und beruflichen Orientierung in der Übergangsphase von der Schule zum Beruf sowie Maßnahmen zur qualitativen Weiterentwicklung von Kindergarten und Schule im Elementarbereich sind genauso wichtig wie die

Möglichkeit der Kooperation mit Hochschulen. Ich erinnere an den Bildungsauftrag des Kindergartens und die Zusammenarbeit mit der Grundschule. Es ist ganz wichtig, dass die Erwachsenenbildung dies übernimmt.

Die Entwicklung des ländlichen Raums ist als weiterer Förderschwerpunkt aufgenommen. Solche Bildungsmaßnahmen werden mit einem erhöhenden Faktor gewichtet. Das heißt, ich muss weniger Stunden erwirtschaften, um den Förderbetrag zu erhalten.

Die gemeinwohlorientierten Maßnahmen aus dem alten Gesetz bleiben erhalten.

Die Verbindung zur Hochschule ist ein neuer Bereich im Gesetzentwurf. Die Einrichtungen sollen nicht nur die Studierfähigkeit unterstützen, sondern auch die Chance erhalten, Module zu entwickeln, die Studenten die Möglichkeit geben, Credit Points zu erzielen.

Wichtig sind bei unserem Gesetzentwurf die Verzahnung aller Bildungsbereiche, die regelmäßige Evaluierung, Qualitätssicherungsmaßnahmen und die Fortbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist neben dem Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - siehe Sonnenberg, Herr Gabriel - durchaus eine Finanzhilfevoraussetzung, die wir eingebaut haben.

Die Landeseinrichtungen werden einen Mindestleistungsumfang aufweisen müssen, der meiner Meinung nach durchaus zu leisten ist. Die prozentuale Aufteilung ist fast gleich geblieben.

Auch die Volkshochschulen können ihre Leistungen erbringen. Von einigen bin ich allerdings angerufen worden, dass das wohl doch nicht gehe. Ich meine aber, dass Volkshochschulen durchaus zusammengehen können. Das erleichtert der Gesetzentwurf.

Die Heimvolkshochschulen sollen mindestens 4 000 Teilnehmertage erwirtschaften. Das ist etwas, was durchaus funktionieren kann.

Mit diesen Vorgaben, meine Damen und Herren, haben alle Einrichtungen eine Chance, ihre gute Bildungsarbeit weiterzuentwickeln. Sicherlich haben ländliche Heimvolkshochschulen andere Chancen als städtische. Ich sehe auch das Problem, dass man zu Bildungsmaßnahmen lieber auf das Land fährt als in die Stadt. Entscheidend ist bei allen Einrichtungen aber, dass sie durch unse

ren Gesetzentwurf die größtmögliche Freiheit erhalten.

Die finanziellen Mittel für die Volkshochschulen gelangen nicht in den kommunalen Finanzausgleich. Das ist ganz wichtig. Dies wissen Sie als Kommunalpolitiker. Die Mittel werden an die Träger gezahlt. Wir alle, die wir in der Kommunalpolitik tätig sind, kennen die Begehrlichkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen: Wenn ich etwas in den Finanzausgleich gebe, habe ich vielleicht doch eine Zugriffsmöglichkeit für andere Bereiche. Das wollen wir unterbinden, indem wir die Mittel direkt an die Träger zahlen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Finanzhilfe wird nach diesem Entwurf zunächst für drei Jahre festgeschrieben und richtet sich nach einer neu eingeführten Grund- und Leistungsförderung auf der Grundlage der tatsächlich durchgeführten Bildungseinheiten. Damit haben wir die notwendige Planungssicherheit für alle Träger erreicht. Wir erhalten - das ist ganz wichtig - die bestehenden, bewährten Strukturen und die Pluralität.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sind - auch das ist ganz wichtig - ein verlässlicher Partner in der Bildungspolitik für Kinder bis Erwachsene geworden und wollen dies auch im nächsten Jahrzehnt bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wichtig ist uns auch die Intensivierung der Zusammenarbeit der Erwachsenenbildungseinrichtungen, um Synergien zu erzielen. Arbeiten anerkannte Einrichtungen nach innen und außen zusammen, verwalten sie gemeinsam, so wird die Förderung nicht gekürzt. Sie erhalten die gleiche Förderung auf der Grundlage der zu erbringenden Leistung. Ich meine, dass das der richtige Weg ist, um Anregungen dafür zu geben, Verwaltungskosten zu minimieren.

Die geringen finanziellen Mittel, die wir haben - das wird den Finanzminister auch freuen -, sollen dazu führen, dass wir eine Agentur für Erwachsenenbildung schaffen. Ich sage Ihnen ganz offen: Das steht zwar in § 11. Aber es ist eigentlich ein Wunschtraum. Wir wollen die vorhandene Verwaltungsstelle zu einer Agentur für Erwachsenenbildung ausbilden, damit dort zusammengeführt wird, was wir sonst bei den einzelnen Verbänden haben. Das ist zwar ein Prozess, der über mehrere Jahre

läuft, aber wir möchten ihn anstoßen. Die Agentur für Erwachsenenbildung soll im Interesse der Qualitätsentwicklung und der Fortbildung aller ehrenamtlichen, nebenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Bündelung und Verwaltungsvereinfachung beitragen. Auch der Landesrechnungshof hat das übrigens angemahnt. Wir als CDU-Fraktion sind dem gefolgt.

Die Erarbeitung von neuen Bildungsangeboten muss doch nicht in jeder Einrichtung und in jedem Verband neu vonstatten gehen. Planungshilfen z. B. können gemeinsam erstellt werden. Ich erinnere mich an eine Einladung des Volkshochschulverbandes zu einer Tagung über Familienfragen. Hier wird schon etwas umgesetzt, was wir heute im Gesetz fordern.

Ich bin davon überzeugt, dass die Profile der Einrichtungen - sei es ein Gewerkschaftshaus, oder sei es ein Haus der Kirche oder der Ländlichen Erwachsenenbildung - durchaus auch bei einer Agentur bestehen bleiben.

Kooperationen und Netzwerke gibt es schon seit Jahren, da durch Kürzungen im Erwachsenenbildungsbereich seit 1993 zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pädagogischen Bereich, in der Verwaltung und in der Hauswirtschaft abgebaut werden mussten. Die Hartz-Gesetzgebung des Bundes erschwert zunehmend die Bedingungen für unsere Einrichtungen, da viele Träger ihre sicher geglaubten Kurse der Agentur für Arbeit nicht mehr erhalten. Damit haben sie nicht nur große Einnahmeausfälle, sondern das Geld für viele Maßnahmen fehlt.

Alle Einrichtungen müssen sich heute im Wettbewerb behaupten und ihre Leistungsfähigkeit ständig unter Beweis stellen. Viele Einrichtungen kenne ich. Ich habe erfahren, dass sich die Menschen, die zu Bildungsseminaren kommen, wohl fühlen und in einer guten Atmosphäre lernen können.

Unseren Finanzpolitikern möchte ich die Weiterbildungsstatistik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nahe bringen. Sie sagt in der Gesamtheit aus, was in den Regionen unseres Landes in den Bildungshäusern, den Volkshochschulen und bei den Bildungsträgern vor Ort geleistet wird.

So gibt es 2 600 Einrichtungen, die 1,3 Millionen Veranstaltungen mit einem Zeitvolumen von 23 Millionen Unterrichtsstunden und 21,5 Millionen Teilnehmern durchführen. Diese Veranstaltungen

werden von 23 100 hauptamtlichen - und jetzt bitte ich, darauf zu achten - 313 000 nebenamtlichen, ehrenamtlichen und freiberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleitet.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, dass das eine großartige Leistung ist. Ähnlich sieht es auch in Südniedersachsen in der Bildungsgenossenschaft aus. Dort werden mit 3,8 Millionen Euro Erwachsenenbildungsmitteln 11,13 Millionen Euro erwirtschaftet, und das bei einem Personal von 230 Mitarbeiterinnen. Es sind 155 Pädagogen, und in der Organisation arbeiten 75. Die Zahl der Honorarmitarbeiterinnen beträgt 1 845. Damit erzielen sie allein in der Südregion in Niedersachsen einen Umsatz von 21,63 Millionen Euro. Ich meine, es ist der Anerkennung aller Einrichtungen wert, die hier gemeinsam in einem Netzwerk der lernenden Region arbeiten.

Meine Damen und Herren, die Finanzhilfe des Erwachsenenbildungsgesetzes, die wir hier vorschlagen, ist auch eine Anerkennung der Leistungen aller Träger. Die Ergebnisse machen deutlich, dass es sich durch die Klarheit der Novelle des Erwachsenenbildungsgesetzes lohnt, mit unserer Finanzhilfe Planungssicherheit ab Januar 2005 zu geben. Bei unserer Anhörung im April haben wir große Zustimmung erfahren. Ich hoffe, dass dies auch nach der Anhörung im Ausschuss im September möglich ist.