Protocol of the Session on June 23, 2004

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

die es ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen auch sonn- und feiertags zu öffnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns doch bitte das Umleitungsschild in Richtung SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam abräumen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten insgesamt ist aus unserer Sicht ein längst überfälliger Schritt. Das Verfassungsgericht hat die Grundlage für eine Länderregelung geschaffen. Wir wollen diese Chance in Niedersachsen nutzen und fordern deshalb: Schluss mit Ladenschluss! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich schließe mich uneingeschränkt den Worten meines Vorredners an!)

Herr Hagenah, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Liberalen offenbaren mit dieser Aktuellen Stunde ein sehr eigenwilliges Rechtsverständnis. Gerade in der vorigen Woche hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass der Ladenschluss zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht erweitert werden soll. Unmittelbar darauf beantragen Sie eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Schluss für Ladenschluss“. Dieses Urteil gibt Ihnen überhaupt nicht den Spielraum in diesem Sinne. Das Urteil hat sehr wohl gesagt, die Länder haben künftig mehr Kompetenzen, aber es hat den Schutz gerade der Nachtstunden zwischen 20 Uhr und 6 Uhr ausdrücklich noch einmal bestätigt.

(Zuruf von der FDP: Sie haben das noch nicht bestätigt, Herr Hagenah!)

Abgesehen von der höchstrichterlichen Vorgabe, Herr Hermann, muss ich Sie fragen: Ist Ihre so pauschale Forderung wirklich klug? Gut, Sie können sich populistisch natürlich auf die vordergründige Unterstützung der Konsumenten stützen. Wenn man die nämlich schlicht fragt, ob sie rund um die Uhr einkaufen wollen, dann sagen die zum großen Teil Ja. Aber ich garantiere Ihnen: Wenn man den Konsumentinnen und Konsumenten bei einer solchen Frage zugleich auch die Folgen darstellt, die es hätte, wenn man rund um die Uhr überall einkaufen könnte, sähe das Ergebnis völlig

anders aus. Wir in der Politik haben nicht schlichtweg populistisch einer solchen Stammtischparole zu folgen, sondern sehr wohl abzuwägen, was für unseren Wirtschaftsstandort sinnvoll ist.

(Zuruf von der FPD: Das können die doch selber entscheiden! - Zustim- mung bei der FDP)

Wir müssen auch die objektiven Probleme unserer Kommunen und unerwünschte Nebenwirkungen für den Einzelhandel, den Mittelstand, Herr Hermann, bedenken, die mit der völligen Freigabe der Ladenschlusszeiten verbunden wären. Noch mehr Innenstädte würden veröden und gegenüber der grünen Wiese Kunden verlieren. Dort lassen sich durch niedrige Infrastrukturkosten, günstige Mieten und geringen Personaleinsatz viel einfacher längere Öffnungszeiten realisieren als beim hochwertigen mittelständischen Einzelhandel in unseren Ortszentren. Wollen Sie tatsächlich die Konsequenzen, die das hätte, Herr Hermann? Kein anderes industrialisiertes Land hat noch so gut funktionierende Ortskerne wie wir. Dies ist eine wirtschaftliche, aber auch eine soziale Qualität, die wir erhalten und nicht einfach in den Mülleimer der Geschichte werfen sollten.

Das Urteil des Verfassungsgerichts bestätigt ausdrücklich die rechtliche Möglichkeit, mit einem differenzierten Ladenschluss die mittelständischen Einzelhandelsstrukturen zu unterstützen. Wir Grüne wollen das durch ein Cityprivileg unterstützen, d. h. längere Ladenöffnungszeiten in den Ortskernen als an der Peripherie. Dramatisch veränderte Rahmenbedingungen, die auch Sie von der FDP wahrnehmen müssen, zwingen uns dazu, differenzierter vorzugehen. Die demographische Entwicklung führt zu weiteren Abwanderungsverlusten in unseren Städten. Damit wird der Einzelhandel dort zusätzlich geschwächt. Der weitere Ausbau des Einzelhandels auf der grünen Wiese und auch der Internethandel sind zusätzliche Belastungen für den mittelständischen Einzelhandel in den Zentren.

(Zuruf von der FDP: Am besten ver- bieten Sie das Internet!)

Aber die Zunahme der Zahl der alten Menschen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerade in diesen Ortskernen zwingt uns doch politisch dazu, gerade auch dort Nahversorgung und einen hochwertigen Einzelhandel zu erhalten. Sie können doch nicht in den Städten das Ausbluten des Ein

zelhandels dafür in Kauf nehmen, dass Sie durch eine Vorgabe wie „billig geht rund um die Uhr“ den Einkauf auf der grünen Wiese unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Mit Ihrer Verkehrspolitik tra- gen genau Sie dazu bei!)

Wir sollten über Ziele und Nebenwirkungen eine breite gesellschaftliche Diskussion auch mit den Konsumenten organisieren, die auf die erste Nachfrage antworten, sie wollten rund um die Uhr einkaufen, damit sie sich die Folgen klar machen und wir dafür werben, dass es differenzierte Lösungen gibt.

(Zuruf von der FDP: Sie machen die Städte kaputt!)

Wir sollten nicht in einem föderalen Konkurrenzkampf einem „Billig-geht-immer“ und einem Öffnungszeitdumping zwischen den Bundesländern das Wort reden. Denn da heißt es am Ende, dass der, der am längsten öffnet, von dem anderen wieder Kaufkraft abzieht. Wir wissen, wo das endet. Das heißt, rund um die Uhr muss überall offen sein, und das überleben unsere Innenstädte nicht. Auch die Ökonomen, Herr Hermann, warnen uns und sagen, dass es letztendlich nur um die Verteilung des immer gleichen Kuchens geht. Letztendlich kann auch durch längere Ladenöffnungszeiten nicht mehr Kaufkraft in unserem Land generiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Spielräume zur Erweiterung des Gesamtkonsums sind äußerst beschränkt, egal wie liberal wir künftig die Öffnungszeiten gestalten würden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Oppermann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um die angemessene Aufmerksamkeit in der erheiterten FDP-Fraktion. Herr Hermann, als Sie geredet haben, habe ich in Ihren beiden Augen Euro-Zeichen flimmern sehen. Sie sehen natürlich riesige Umsätze, die auf den Einzelhandel zukommen, wenn die Länder die Zuständigkeit für

den Einzelhandel bekommen. Ich habe in der Hinsicht ein paar Zweifel.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung getroffen, aus der hervorgeht, dass der Gesetzgeber legitimiert ist, die Öffnungszeiten im Einzelhandel a) zum Schutz von besonders betroffenen Arbeitnehmergruppen und b) zum Schutz von kleinen Einzelhandelsgeschäften vor übermächtiger Konkurrenz durch große Konzernen zu beschränken. Das hat das Gericht festgestellt.

Weiter hat es festgestellt, dass der Bund praktisch seine Zuständigkeit auf dem Gebiet verloren hat und nur noch kleine Änderungen vornehmen kann. Für jede konzeptionelle Neuordnung des Ladenschlusses sind die Länder zuständig. Das ist die Chance für die Länder. Übrigens auch verkleinerte Landtage brauchen ja Kompetenzen, in deren Rahmen sie kraftvoll entscheiden können. Deshalb begrüßen wir, dass Clement angekündigt hat, jetzt solle sich die Föderalismuskommission mit dem Thema befassen und erörtern, wie die Zuständigkeit für den Ladenschluss in die Hände der Länder kommt. Wir tragen das mit.

Die Frage ist natürlich, was die Länder dann damit machen. Dazu haben wir bisher unterschiedliche Signale von den Regierungsfraktionen gehört. Die CDU will unter allen Umständen von Montag bis Samstag unbeschränkte Öffnungszeiten haben, aber die Sonn- und Feiertage schützen. Bei der FDP hört sich das anders an. Herr Rösler hat der Nordwest-Zeitung ein Interview gegeben, aus dem ich entnehme, dass ihm daran gelegen ist, den Schutz für Sonn- und Feiertage auszuhöhlen. Herr Hermann, auch Sie haben verschiedene Initiativen dazu gestartet - Autowaschanlagen in Gewerbegebieten und dergleichen -, wie man mehr Dienstleistungen und Ladenöffnungszeiten an Wochenenden hinbekommt. Das sind ganz unterschiedliche Tendenzen. Wir werden abwarten, was Sie dann machen, wenn es so weit ist.

Im Übrigen bin ich der Meinung, meine Damen und Herren, die entscheidenden Schlachten um den Ladenschluss liegen nicht vor uns, sondern hinter uns. Sie sind bereits geschlagen, mit der Möglichkeit, die Geschäfte bis 20 Uhr geöffnet zu halten, seit dem Jahre 2003 dank der Bundesregierung auch an Samstagen. Das sind eigentlich die entscheidenden Öffnungszeiten, die über die Kerngeschäftszeiten hinausgehen. Sie sind für den Einzelhandel besetzbar. Aber nur wenige Geschäfte machen davon Gebrauch.

Wir müssen uns natürlich auch fragen, Herr Hermann: Führt eine totale Liberalisierung des Ladenschlusses wirklich zu dem prognostizierten Wachstum bei den Handelsumsätzen? Oder führt es nur dazu, dass sich die Marktanteile von den kleinen und mittleren Handelsgeschäften zu den Großkonzernen verschieben?

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Wir haben eine erhebliche Liberalisierung seit 1996 gehabt. Es hat zwar immer mehrere Ursachen, was sich gern einräume, aber wir können nicht feststellen, dass sich der Einzelhandel seit 1996 erholt hat. Er steckt immer noch in einer tiefen Krise. Wir haben zehn Jahre stagnierende Umsätze zu verzeichnen. In einigen Jahren hatten wir sogar geringere Umsätze als in den Vorjahren. Wir hatten im Durchschnitt eine Stagnation beim Umsatz. Die kontinuierliche Verlängerung der Ladenöffnungszeiten hat nicht dazu beigetragen, dass es in diesem Bereich zu einer Wende gekommen ist. Wohl aber können wir feststellen, dass sich Marktanteile von kleinen und mittleren Unternehmen zugunsten von großen Ketten und zugunsten von Konzernen verschoben haben. Denken Sie mal daran, wer in Berlin geklagt hat! Das war kein Familienunternehmen, das war kein Unternehmen, in dem Familienmitglieder mitarbeiten, in dem ausgebildet wird oder in dem zusätzliche Beschäftigte tätig sind. Das war kein kleines Unternehmen aus einer innerstädtischen Fußgängerzone. Es war die Metro, die geklagt hat. Die Metro will nachts in Metropolen zusätzliche Umsätze machen.

Das ist aus Sicht der Metro auch sicherlich legitim - das will ich gar nicht in Frage stellen -, aber das bringt die mittleren und die kleinen Unternehmen in Schwierigkeiten. Frau von der Leyen, Ihre Klientel, die Familien, könnte das sogar in besondere Schwierigkeiten bringen, auch wenn man darüber streiten kann, ob das Ladenschlussgesetz der richtige Platz ist, um für familienfreundliche Arbeitszeiten zu sorgen. Aber Sie werden ja dann, wenn wir den total liberalisierten Ladenschluss haben, auf der Matte stehen und dafür sorgen, dass allein stehende Frauen, die dann nachts arbeiten, in der Zeit ihre Kinder ordentlich betreut bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür werden Sie dann ja die Einrichtungen schaffen; ich bin ganz sicher, dass Sie das tun werden. Wir werden jedenfalls darauf achten. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Dinkla hat das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oppermann, man darf sich bei der Politik dieser Bundesregierung nicht wundern, dass die Käufer keine Lust haben, überhaupt etwas zu kaufen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Geschichte der Veränderungen bei den Regelungen zum Ladenschluss beginnt 1956 und endet 2003 mit der Möglichkeit, an Samstagen bis 20 Uhr zu öffnen. Das zeigt, dass dieses komplexe Thema immer wieder Anlass für Diskussionen gab.

Ich stelle bewusst folgende Bemerkung an den Anfang: Das Urteil stärkt den Schutz von Sonnund Feiertagen. Der hat ohnehin Verfassungsrang. Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Insoweit sind die Sonn- und Feiertage für weitgehende Überlegungen zur Liberalisierung eindeutig „tabu“ und werden von uns im Kernbestand auch nicht angetastet.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb werden auch nach einer neuen möglichen landesgesetzlichen Regelung die Schwellen für wenige begründete Ausnahmen hoch angesetzt werden. Hier sind Stichworte genannt worden; ich will gar nicht darauf eingehen.

Sie haben die Situation in den anderen Bundesländern erwähnt. Zwölf der 16 Bundesländer sind für die Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen. Nordrhein-Westfalen und das Saarland lehnen eine weitere Liberalisierung ab. So ist zurzeit der aktuelle Stand.

Aber damit die Bundesländer überhaupt aktiv werden können, muss der Bund die Gesetzgebungskompetenz auf sie übertragen. Ich glaube aber

nicht, dass sich das Bundeskabinett noch vor der Sommerpause damit befassen wird.

Die Landesregierung hat mit der Aussage des Herrn Ministerpräsidenten - „Ladenschluss an Werktagen freigeben“ - ein Signal gesetzt. Ich erwarte, dass der Bund die Wege, die das Verfassungsgericht hier aufgezeigt hat, im Interesse der Länder auch nutzt. Die Länder können die landesrechtliche Neuregelung nur dann vornehmen, wenn sie dazu durch Bundesrecht ausdrücklich ermächtigt werden. Diese Neukonzeption darf vom Bund nicht verhindert oder behindert werden. Dann wird auch Niedersachsen die Möglichkeiten zur Liberalisierung von Montags bis Samstags nutzen.

Meine Damen und Herren, ich will auch ein Wort zur Frage der Freiwilligkeit bei der Öffnung der Geschäfte sagen. Es gibt den Anspruch - den ich für richtig halte -, dass man „öffnen kann, aber nicht öffnen muss“. Diese Ausgangslage gibt es übrigens auch in vielen anderen Ländern, ob in Frankreich, Schweden, Irland, Großbritannien; es gibt auch noch andere Beispiele. Die Praxis sieht aber leider in vielen Fällen so aus - da will ich etwas Wasser in den Wein schütten -, dass viele kleinere und mittlere Geschäfte in Einkaufszentren durch langfristige Managementverträge gezwungen sind, zu öffnen. Auch wenn dies einzelvertragliche Regelungen sind, die vom Staat nur sehr schwer zu beeinflussen sind - das gebe ich gerne zu -, muss es doch ein bisschen nachdenklich stimmen, wenn wir auf der einen Seite großen Wert auf die eigene Entscheidung des Unternehmens legen, auf der anderen Seite die Praxis aber anders aussieht und besonders kleine selbständige Geschäfte bei einem solchen Verfahren eben keine „Selbstentscheider“ mehr sind. Auch dies will ich hier ausdrücklich sagen; das muss heute in dem Zusammenhang auch erwähnt werden.