Protocol of the Session on May 26, 2004

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. - Zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Hirche.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fakten sind unbestreitbar: Die Verkehrsfinanzierung steht in Deutschland vor einem Infarkt. Selbst wenn wir über 100 Millionen oder auch ein paar Milliarden mehr oder weniger reden, bleibt das so. Das wird sich auch durch das Wunder einer Konjunkturerholung, das wir ohnehin nicht erwarten, kurzfristig nicht verändern.

Deswegen, Herr Kollege Will, ist es völlig richtig, was Sie gesagt haben: In einer solchen Situation reicht es nicht aus, obwohl es berechtigt ist, mit dem Finger auf die Bundesregierung zu zeigen und auf die dort vorhandene Unzuverlässigkeit hinzuweisen; vielmehr müssen wir eigene Vorstellungen entwickeln. Genau darum geht es. Das hat der Kollege Rösler zu Anfang deutlich gemacht. Darüber wollen wir mit Ihnen sprechen; dafür wollen wir Sie auch als Verbündete gewinnen, damit die Aufgaben in Niedersachsen erledigt werden können, auch wenn die entsprechenden Mittel nicht zur Verfügung stehen.

Im Gegensatz zu den Grünen gehen - so habe ich es verstanden - die anderen drei Fraktionen in diesem Hause davon aus, dass der Ausbau von Verkehrswegen für die regionale Strukturentwicklung wichtig ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt zwei Regionen, die in dieser Hinsicht zurückgeblieben sind: Das ist der Elbe-Weser-Raum und das ist Nordostniedersachsen. Angesichts dessen freue ich mich, dass es Einigkeit zwischen drei Fraktionen darüber gibt, dass die A 39 und die A 22 gebaut werden müssen,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

genauso wie es in Südwestniedersachsen erforderlich ist, bestimmte Ortsumgehungen zu bauen, um dort die Verkehrs- und sonstige Entwicklung voranzubringen. Im Gegensatz zu Herrn Hagenah möchte ich betonen: Jüngste Untersuchungen haben ergeben, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen Autobahnen und neuen Arbeits

plätzen im Lande Niedersachsen gibt. Das werden wir uns von Ihnen auch nicht kaputt reden lassen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn zu wenig Geld da ist, sind drei Dinge, über die ich in diesen fünf Minuten reden wollte, besonders wichtig: Erstens. Angesichts des gewaltigen Finanzbedarfs für die A 22, der sich allein vom Bauvolumen auf 844 Millionen Euro und vom Planungsvolumen auf mehr als 15 Millionen Euro beläuft, ist absehbar, dass das aus den Mitteln des Bundesverkehrswegeplans und seiner Fortschreibung nicht ohne Weiteres wird finanziert werden können. Da wir aber der Meinung sind, dass wir dieses Projekt brauchen, wollen wir mit einer Bundesratsinitiative erreichen, dass das bestehende Straßenbauprivatfinanzierungsgesetz dahin gehend geändert wird, dass nicht nur Tunnel und Brücken privat finanziert werden können, wie es heute möglich ist, sondern dass ganze Autobahnen auf diese Art und Weise finanziert werden können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn der Bundesverkehrsminister sagt, das sei chancenlos, dann sage ich Ihnen: Es gibt einen Druck aller Bundesländer, und zwar unabhängig davon, wer dort jeweils Verkehrsminister ist, dieses Bundesgesetz zu ändern, damit diese Möglichkeiten, die es in anderen europäischen Ländern bereits gibt, eröffnet werden. Wir brauchen die europäische Magistrale - ich habe darüber in Brüssel mit der Kommission gesprochen - von Stockholm nach Amsterdam, deren Teil dann die Küstenautobahn ist. Wir brauchen sie für Europa. Wir brauchen sie auch für Wilhelmshaven und die Entwicklung des Tiefwasserhafens.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zweitens. Wenn zu wenig Geld vorhanden ist - Herr Will, jetzt komme ich auf den von Ihnen zuletzt angeführten Punkt zu sprechen -, dann muss die Planung, die gemacht wird, auch umgesetzt werden. Wir stehen kurz vor der Beschlussfassung über den Bundesverkehrswegeplan und erleben, dass Rot-Grün in Bezug auf bestimmte Maßnahmen absolut willkürlich verfährt. Ich nenne ganz konkret die Ortsumgehung Waake, für die sich in Südniedersachsen sowohl Kollegen der SPD als auch Kollegen der CDU und der FDP eingesetzt haben,

(Zustimmung bei der CDU)

die durch den Bundesumweltminister aber aus dem Plan herausgedrückt worden ist, obwohl der Planfeststellungsbeschluss in diesem Jahr gefasst werden kann. In diesem Zusammenhang sind Millionen in den Sand gesetzt worden.

Das zweite Beispiel ist Volpriehausen/Bollensen in Südwestniedersachsen. Auch diesbezüglich können die Planfeststellungsunterlagen in diesem Jahr zusammengestellt werden. Aber Ihre Mehrheit in Berlin wirft dieses Projekt zugunsten von Mackenstedt aus dem Plan, obwohl es für Letzteres keinerlei Vorbereitungen gibt. Herr Will, angesichts dieser Situation, in der Ihre Leute in Berlin - bestimmt gegen den Widerstand von Kollegen aus Ihrer Fraktion - gesagt haben, dass das Projekt aus dem Plan herausgenommen wird, sagen Sie, wir sollten noch zusätzliche Planung machen. Wir brauchen Planungssicherheit. Mit dem Geld muss sparsam umgegangen werden, und es dürfen nicht nach der Willkür von Herrn Trittin Maßnahmen herausgenommen und Millionen in den Sand gesetzt werden.

Die dritte Bemerkung ist: Meine Damen und Herren, für den Fall, dass die Planungen nicht innerhalb der fünf Jahre umgesetzt werden können, wie dies nach dem heute geltenden Recht vorgeschrieben ist, wollen wir, dass die Gültigkeit der Planfeststellungsbeschlüsse von fünf auf zehn Jahre verlängert wird,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

damit nicht Planungen, die mit teurem Geld finanziert worden sind, verfallen. Wir hoffen in diesem Zusammenhang auf Ihre Unterstützung; denn wir wissen: Arbeitsplätze und vernünftige Verkehrsinfrastruktur gehören zusammen. Wer etwas für Niedersachsens Arbeitsplätze tun will, der muss auch etwas für die Verkehrswege tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Wie viele Minuten hat der Minister überzogen?)

Danke schön, Herr Minister. - Als nächstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Dinkla das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Herr Kollege Hagenah, Verkehrsinfrastruktur hat eine Schlüsselrolle für wirtschaftliches Wachstum.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Auf Entwicklungsländer trifft das zu!)

Deshalb braucht das Flächenland Niedersachsen für eine stetig fortschreitende Strukturentwicklung eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Ein gutes Netz an Straßen führt im Ergebnis zu mehr Produktivität, Wachstum und Beschäftigung. Das ist im Ergebnis auch noch ein zusätzlicher Standortvorteil. Auch das muss in dem Zusammenhang erwähnt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Hans-Joachim Janßen [GRÜNE])

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir in Niedersachsen alle Möglichkeiten nutzen, um den Ausbau an Verkehrsinfrastruktur zu forcieren. Wir müssen auch politische Versäumnisse seit 1990 abarbeiten. Denn wenn es in den letzten Jahren anders gelaufen wäre, hätten wir in der Regel nicht die Probleme, die uns jetzt vor der Tür liegen.

Meine Damen und Herren, es wird aber kein Weg daran vorbeiführen, dass wir in Einzelfällen auch neue Wege der Finanzierung beschreiten. Die Kürzungen des Bundes bis 2008 in Höhe von ca. 800 Millionen Euro, die soeben angesprochen worden sind, belasten Niedersachsen überproportional. Aber es ist ja dem klugen und hartnäckigen Nachverhandeln der Landesregierung zu verdanken, dass einige Ergänzungen im Bundesverkehrswegeplan vorgenommen wurden. Aus Berlin gibt es jetzt auch die Zustimmung für die A 22. Anfang Mai hat auch der Verkehrsausschuss zugestimmt, die A 22 dem „weiteren Bedarf“ zuzuschlagen und als solchen auszuweisen. Die Landesregierung hat es darüber hinaus geschafft, die anderen Bundesländer von der Bedeutung der A 22 zu überzeugen. Das, meine Damen und Herren, ist ein Riesenerfolg für den Ministerpräsidenten Wulff. Die Region hat damit die besten Chancen, ihre Strukturschwäche zu überwinden. Herr Kollege Hagenah, welche Chancen für die Beseitigung von Strukturschwächen sich für diese Region ergeben, zeigt ja die Auswertung des Regionalmonitorings. Ich habe den Eindruck, Sie haben in diese Broschüre überhaupt nicht hineingesehen. Wenn Sie es getan hätten, wäre Ihnen deutlich

geworden, welche Entwicklung diese Regionen in diesem Lande links und rechts der Autobahnen genommen haben. Vor diesem Hintergrund kann man sich nicht hier hinstellen und sagen, dass überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem Ausbau von Verkehrsinfrastruktur und wirtschaftlicher Entwicklung besteht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch das sei gesagt, Herr Kollege Hagenah: Sie stellen sich hier hin und meinen, dass motorisierter Individualverkehr rückläufig sei. - Auch die Güterströme der Zukunft transportiert man nicht auf dem Fahrradgepäckträger; dafür muss man schon Autobahnen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist für ein abgestimmtes Verkehrskonzept. Nicht nur Straße, auch Schiene und die Wasserwege müssen ausgebaut und gleichwertig verbessert werden. Aber wenn der Bund seinen Aufgaben nicht nachkommt, muss man in Niedersachsen über andere Lösungen nachdenken; daran führt überhaupt kein Weg vorbei. Deshalb muss man sich Gedanken darüber machen, wie dringend notwendige Projekte wie die A 22 anders finanziert werden können. Denn diese Ost-West-Trasse wird gebraucht; daran führt überhaupt kein Weg vorbei.

(Zuruf von den GRÜNEN: Durch ständiges Wiederholen wird es auch nicht richtiger!)

Ohne Finanzierungsmöglichkeiten wird es mit einer baldigen Realisierung der Küstenautobahn nichts werden. Wer hier irgendwo den Anschein erweckt, dass wir in Niedersachsen die notwendige Verkehrsinfrastruktur im Rahmen des vorliegenden Bundesverkehrswegeplans realisieren könnten, der lebt im Wolkenkuckucksheim. Wir werden uns neue Wege überlegen müssen. Deshalb sind auch regionale Initiativen und neue Finanzierungsalternativen gefragt; bei der A 31 hat es sie ja gegeben. Es wird mit Sicherheit ein Umdenken, eine stärkere Orientierung von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzierung geben; daran führt überhaupt kein Weg vorbei.

Meine Damen und Herren, in der letzten Legislaturperiode haben wir uns im Wirtschaftsausschuss auch mit dem Pällmann-Gutachten befasst. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als wenn dieses Gutachten mit wirklich weit reichenden Er

kenntnissen, Perspektiven und klaren Handlungsvorgaben schlicht und ergreifend in den Rundordner abgelegt worden ist. Die Bundesregierung hat sich darum überhaupt nicht gekümmert. In dem Pällmann-Gutachten ist en détail aufgelistet worden, welche rechtlichen Veränderungen in der Bundesrepublik notwendig sind, um auch andere Wege, wie z. B. private Baufinanzierung, zu beschreiten. Leider sind diese Überlegungen nicht aufgegriffen worden.

Meine Damen und Herren, es darf eben nicht so sein, dass man „Stolpe‘sche“ Eintagsfliegen über die Bild am Sonntag verkündet, so wie bei einem Luftballon, den man aufpustet, in den man hineinpiekst, dass er platzt, womit dann alles wieder vorbei ist. Vielmehr ist wirklich konzeptionell überlegtes Handeln angesagt. Man muss die Bürger auch davon überzeugen, dass über alternative Finanzierungen eine schnellere Realisierung möglich ist. Deshalb unterstützen wir den Ministerpräsidenten in seiner Vorstellung, für die Einzelmaßnahme A 22 einen anderen Weg einzuschlagen.

Meine Damen und Herren, im März 1998 hat der damalige Ministerpräsident von dieser Stelle aus gesagt: „Change of Wind“ für Niedersachsen. - Im Ergebnis war das eher ein lauwarmes Lüftchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die neue Landesregierung sich daran orientiert, was machbar ist, was richtig ist und was zukunftsorientiert ist; denn dann wird hier eine Politik einsetzen, die den Begriff „Change of Wind“ auch wirklich rechtfertigt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt b liegen mir nicht vor. Tagesordnungspunkt 1 c ist, wie bereits bekannt gegeben worden ist, zurückgezogen worden.

Ich rufe nunmehr auf:

d) Rot-Grüne Bundesregierung plant Einsatz von „Bauernspionen“ gegen die Landwirtschaft - Wir setzen in Niedersachsen auf Vertrauen und Kooperation - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/1063

Als erster Redner hat sich der Herr Kollege Biestmann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Welche besondere Wertschätzung die rot-grüne Bundesregierung der Landwirtschaft in Deutschland entgegenbringt, hat sie vielfach bewiesen. Die Umsetzung der Legehennenhaltungsverordnung, der Schweinehaltungsverordnung, die massive Anhebung der Agrardieselbesteuerung, die Eingriffe in die Agrarsozialversicherung, der wiederholte Versuch der Abschaffung der Vorsteuerpauschale bei der Mehrwertsteuer, die Novellierung der Düngeverordnung, die Diskussion über die innere Ausgestaltung von Cross Compliance und Modulationsregelungen zur rot-grünen Definition von Landwirtschaft, aber besonders die Eingriffe von Bundesumweltminister Trittin zum Hochwasserschutz im Ackerbau, verbunden mit Ackerbauverbot von bis zu 900 000 ha,

(Zuruf von Hans-Dieter Haase [SPD])

das sind Beispiele aus einer Liste, Herr Haase, die sich beliebig fortsetzen ließe.

Meine Damen und Herren, ein Projekt von RotGrün in Berlin schlägt aber dem Fass den Boden aus und setzt allen diesen Fehlgriffen noch die Krone auf: Die Suche nach Bauernspionen. Das Umweltbundesamt sucht in einer öffentlichen Ausschreibung Helfer für die verdeckte Feldbeobachtung und Ermittlung gegen Landwirte bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. - Trotz erheblicher Widerstände und heftiger Kritik aus der Landwirtschaft, von Verbänden und Politik hält die Bundesregierung an diesem Vorhaben fest. In der Verantwortung der Bundesminister Künast und Trittin wurde damit die Kriminalisierung eines ganzen Berufszweiges auf den Weg gebracht, meine Damen und Herren.

Man muss sich das einmal bildlich vorstellen! Alle Landwirte, die Pflanzenschutzmittel anwenden, werden pauschal als potenzielle Rechtsbrecher dargestellt; denn nur wer glaubt, dass Recht und Gesetz unterlaufen werden, der kann ein solches Vorhaben für notwendig erachten.