Protocol of the Session on April 30, 2004

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Ich darf allerdings darauf hinweisen, dass die Betreuungsvereine in Bezug auf ihre Querschnittsaufgaben schon bisher mit diesen Mitteln gefördert wurden. Es ging dabei also nicht um die Aufwendungsentschädigung der ehrenamtlichen Betreuung, sondern es ging um die Förderung der Querschnittsaufgaben. Das ist ganz wichtig und wird auch zukünftig gefördert und bezuschusst werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach § 71 Abs. 2 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich gewähre ihr zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, die Position, die die Justizministerin in der Justizministerkonferenz vertreten hat, ist eine Position der Landesregierung gewesen. Ich fände es aber durchaus auch angemessen, in diesen sehr umfassenden und schwierigen Fragen auch zu einer Position des Parlaments zu kommen. Das Parlament ist frei, sich eine Meinung zu bilden und die Regierung gegebenenfalls mit einem Verhandlungsauftrag für die Beratungen des Vermittlungsausschusses auszustatten.

Insofern ist es richtig, das jetzt und hier zu beraten. Damit können die Ergebnisse des parlamentarischen Verfahrens und die Beschlussfassung hier im Parlament noch in die Verhandlungen einfließen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein, mitberatend der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Gentechnik: Landesregierung muss verbraucher- und bauernfeindliche Politik aufgeben Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/959

Der Antrag wir eingebracht von dem Abgeordneten Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Klein, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag behandelt die Problematik der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmitteln. Ich nenne das die Agro-Gentechnik. Andere reden von grüner Gentechnik. Aber ich weigere mich einfach, eine derartig unökologische, unsoziale und undemokratische Technik mit diesem doch positiv besetzten Adjektiv auch noch zu maskieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht in diesem Antrag auch nicht nur um die Tagespolitik, sondern es geht um grundlegende und nicht korrigierbare Weichenstellungen unserer Landwirtschaft und unserer Ernährung für die nächsten zehn, 20, ja 30 Jahre.

Und es geht auch darum, ob es uns gelingt, die Ursprünglichkeit unserer Flora und Fauna, die wir in unseren Schutzgebieten unter Schutz gestellt haben, auf Dauer sicherzustellen. Ich könnte auch sagen: Es geht darum, ob wir die Schöpfung bewahren oder ob wir sie auf den Kopf stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben uns im letzten Jahr schon einmal mit dieser Thematik beschäftigt. Damals haben Sie gegen unsere Stimmen mit einem, wie ich finde, schamlosen Ansatz der Quadratur des Kreises eine Entschließung verabschiedet, die den Verbrauchern Wahlfreiheit verspricht, die den 70 % Landwirten, die gentechnikfrei arbeiten wollen, verspricht, dass sie das weiterhin ohne Aufwand können, und die denen, die in die Gentechnik einsteigen wollen, verspricht, das ohne Einengung tun zu können.

Neben der innerparteilichen Rollenverteilung ist das ja eine ganz bekannte konservative Taktik, die allerdings nur so lange aufgeht, bis es konkret wird. Und bei der Beratung der nationalen gesetzlichen Bestimmungen zur Rahmensetzung für die Anwendung der Gentechnik wird es eben konkret, und da lässt sich die konservative Ideologie nicht mehr verbergen, die da heißt, meine Damen und Herren: Erst einmal sind wir für uns, und dann sind wir gleich für die Großen und Mächtigen, und am liebsten ist es uns natürlich, wenn beides zusammenfällt.

(Hermann Eppers [CDU]: Das sagen ausgerechnet Sie!)

Ihre Position ist: Wir machen den Weg frei! Wir machen den Weg frei für flächenstarke und highend-ausgestattete Betriebe, die natürlich von dem Einsatz der Gentechnik vermutlich kurzfristig einen Kostenvorteil haben werden. Wir machen den Weg frei - heißt es bei Ihnen aber auch - für Monsanto, für Aventis, Novartis, Sanofi, BayerCrop Science, eine Hand voll Gentech-Multis, die mit dieser Technik endlich einmal Geld verdienen wollen.

Damit wir uns richtig verstehen: Das Geldverdienen ist sicherlich noch nichts, was gleich politischen Handlungsbedarf auslöst. Aber, meine Damen und Herren, diese Multis wollen gern der Bill Gates der Landwirtschaft werden. Das ist das Problem! Sie wollen im Rahmen patentrechtgeschützter, monopolistisch orientierter Strukturen die Landwirtschaft in eine Abhängigkeit bringen,

gegenüber der die Leibeigenschaft des Mittelalters wahrscheinlich ein wahres Vergnügen war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, und sie tun das ohne Rücksicht auf die Interessen der Mehrheit, die weiter gentechnikfrei wirtschaften will. Da ist unseres Erachtens in der Tat ein fairer politischer Interessenausgleich gefragt.

Die CDU hat mit ihrem Positionspapier, das sie im März verabschiedet hat, und der Anwendung dieses Papiers bei der Beratung im Bundesrat deutlich gemacht, dass sie an einem solchen Interessenausgleich kein Interesse hat.

Mit Ihrer Strategie, den Weg frei zu machen für die Gen-Multis, schicken Sie automatisch die gentechnikfreie Landwirtschaft und die ökologische Landwirtschaft auf das Abstellgleis. Sie gefährden, nein, meine Damen und Herren, ich sage: Sie zerstören die Existenz dieser Betriebe über kurz oder lang.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von den GRÜNEN: So ist es! - Zuruf von der CDU: Mein Gott!)

Sie verwehren mit Ihrer Politik den Verbrauchern die Wahlfreiheit, die von über 90 % der EU-Bürger gewünscht wird. Und dann bezeichnen Sie diese Freiheitsberaubung im orwellschen Sprachgebrauch auch noch als „echte Wahlfreiheit“. Sie verwehren 70 % der Landwirte den Wunsch, weiterhin gentechnikfrei zu arbeiten, und Sie verwehren ihnen den Aufbau einer chancenreichen Marktposition, die zurzeit hoch gefragte Produzenten gentechnikfreier Rohstoffe sucht.

Sie verwehren aber auch den Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte, die sie durch die neuen Kennzeichnungsbestimmungen seit dem 14. April haben, indem Sie das Durchführungsgesetz überflüssigerweise an den Vermittlungsausschuss überwiesen haben. Meine Damen und Herren, das ist nicht Wahrung von Länderinteressen, das ist kindische Nadelstichtechnik gegen die Bundesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich etwas zum allgemeinen Ansatz des Gentechnikgesetzes sagen. Was soll denn falsch sein an dem Ansatz, die Rechte der Gentechnik-Anwender dort zu begrenzen, wo NichtAnwender geschädigt werden? Ich finde es richtig, den Schwerpunkt hier auf die Vorsorge zu setzen.

Das berücksichtigt nämlich die Forderung der übergroßen Mehrheit - ich kann es nur immer wieder betonen - der Verbraucher, Landwirte, Verarbeiter und des Handels, die Gen-Food weder auf dem Acker noch im Stall, noch im Regal, noch auf dem Teller haben wollen.

Diese fehlende Akzeptanz wollen Sie jetzt staatlich verordnen, nachdem es in jahrelangen Bemühungen und mit millionenschweren Werbeaufwendungen nicht gelungen ist, sie zu schaffen. Das hat Ihnen ja auch der Propagandapapst der GentechnikIndustrie, Jens Katzeck, auf Ihrem Kongress entsprechend eingeflüstert. Was hat er gesagt? „Volksmeinung zählt nicht bei diesem Thema, geistige Führerschaft ist da gefordert!“ - Meine Damen und Herren von der CDU, etwas mehr demokratische Substanz hätte ich Ihnen als Nachkriegspartei da schon zugetraut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zu den speziellen Dingen im Gentechnikgesetz. Mit der Verwässerung der Haftungsregeln liefern Sie die Mehrheit der gentechfreien Bewirtschafter macht- und rechtlos einer verschwindenden Minderheit von Nach-mir-dieSintflut-Strategen aus. Mit dem Verzicht auf eine Definition einer „guten fachlichen Praxis“ verwerfen Sie den Vorsorgegedanken und verzichten auf verbindliche sachkundige Anforderungen bei den Gentechnik-Anwendern. Und obwohl jeder um die Nichtrückholbarkeit von gentechnischen Verunreinigungen weiß, wollen Sie einen Minimalschutz unserer natürlichen Ressourcen in ökologisch sensiblen Gebieten verhindern, obwohl auf der anderen Seite sachkundige Gutachter genau das Gegenteil fordern, nämlich eine Ausweitung der entsprechenden Bestimmungen.

Was mich natürlich bei Ihnen als auf Grundwerte so besonderen Wert legende Partei auch ein bisschen gewundert hat, war, dass Sie sogar die ethischen Kriterien aus dem Gesetz inzwischen herausstreichen wollen.

Besonders dreist finde ich, dass nach Ihren Vorstellungen für die Risiken der Gentechnik diejenigen mit ihren Steuergeldern bezahlen und diejenigen gerade stehen sollen, die gar kein Gen-Food wollen. Das kann doch auch nicht Sinn der Sache sein!

Das Fazit ist jedenfalls: Wenn sich Ihre Vorstellungen durchsetzen, meine Damen und Herren, dann bleibt von dem Gentechnikgesetz eine leere Hülle,

auf die wir auch gleich verzichten können. Mein Verdacht ist, dass genau das auch Ihr Ziel ist. Die Folgen wären dann allerdings unkontrollierbare flächendeckende Verseuchungen mit GVOs, so wie wir sie aus Kanada und den USA inzwischen schon kennen. Durch diese normative Kraft des Faktischen würde natürlich auch eine Wahlfreiheit Farce werden.

(David McAllister [CDU]: Das Ende der Menschheit!)

- Herr McAllister, das ist genau das, was die Multis wollen. Und dazu leisten Sie intensive Beihilfe.

(David McAllister [CDU]: Der Unter- gang der Menschheit!)

- Nein, aber zumindest der Untergang der Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Der Unter- gang der Grünen!)

Mit dieser Politik werden Sie über kurz und lang das, was wir heute noch unter dem Begriff „Bauer“ kennen, ruinieren und beseitigen und alles den Agrounternehmen in die Hände spielen.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Das macht Frau Künast!)

Zum Schluss möchte ich das mit einem Zitat aus der taz verdeutlichen. Diese hat das wie folgt formuliert:

„Die Flächen liegen dann immer noch hier, doch der Eigentümer wohnt in Holland, der Geschäftsführer kommt aus Schleswig Holstein, und die Arbeiter kommen vielleicht aus Rumänien. Und die Bauern im Dorf? - Die richten dann als ABM ein Heimatmuseum mit Butterfass, Dreschflegel und Kackhaus ein.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Selten etwas Wirre- res gehört!)