Protocol of the Session on April 29, 2004

Nach der Mittagspause, ab 14.30 Uhr, behandeln wir in der Reihenfolge der Tagesordnung die Punkte 19 bis 27 sowie den ursprünglich für Freitag vorgesehenen Tagesordnungspunkt 31. Die Fraktionen sind übereingekommen, die Tagesordnungspunkte 20, 25 und 27 lediglich zum Zweck der Ausschussüberweisung aufzurufen.

Die heutige Sitzung soll gegen 18.55 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Wulff nach der Mittagspause für ca. drei Stunden, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Herr Hirche, nach der Mittagspause bis ca. 18 Uhr und der Finanzminister, Herr Möllring, für den ganzen Tag.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 14: Dringliche Anfragen

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, nämlich „‚Betten-Infusion‘ für von Insolvenz bedrohte INI GmbH“ - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 982 - und „Wann beendet die Landesregierung die Finanzunsicherheit für die Hochschulen und sorgt für die notwendige Planungssicherheit?“ - Anfrage der Fraktion der SPD, Drucksache 985.

Die erste Dringliche Anfrage

a) „Betten-Infusion“ für von Insolvenz bedrohte INI GmbH - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/982

wird von Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajić von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgetragen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat in einem „Letter of Intent“ seine Absicht geäußert, zum 1. Juli 2004 rund 50 der 65 neurochirurgischen Betten der Medizinischen Hochschule Hannover - MHH - auf die INI GmbH zu übertragen, um so die Insolvenz der privaten Hirnklinik und die Fälligkeit einer Landesbürgschaft in Höhe von ca. 42,5 Millionen Euro abzuwenden.

Sowohl der Senat der MHH als auch die Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherung AOK und VdAK haben mittlerweile die Bettenübertragung abgelehnt. Nichtsdestotrotz beharrt die Landesregierung auf ihrem Plan. Berechnungen, dass die INI GmbH durch die Übertragung der Betten in die Lage versetzt wäre, zukünftig wirtschaftlich zu arbeiten und den Kapitaldienst für die Tilgung der Landesbürgschaft zu bedienen, liegen offiziell nicht vor.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Auf welche Berechnungen stützt die Landesregierung ihren Glauben, dass die Insolvenz der privaten INI GmbH durch die Übertragung von 50

neurochirurgischen Betten aus dem Landesbetrieb MHH abgewendet werden kann?

2. Welche Anstrengungen unternehmen die Gesellschafter der INI GmbH - Prof. Samii, Asklepios Kliniken GmbH, Siemens AG sowie ein Bankenkonsortium unter Führung der NORD/LB -, um die Insolvenz abzuwenden?

3. Wird die Landesregierung ihren Plan auch gegen den Willen der Medizinischen Hochschule Hannover und der Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherung umsetzen?

Für die Landesregierung antwortet Minister Stratmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Anfang dieses Jahres durch die Landesregierung erfolgten Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Landesregierung bereits auf die unsichere wirtschaftliche Situation der privaten INI GmbH hingewiesen. Von der vorhergehenden Landesregierung war am 1. September 1998 eine Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 42,539 Millionen Euro für den Kredit für den Bau des INI-Gebäudes eingegangen worden - 80 % von 53 Millionen Euro waren vom Land übernommen worden -, um der INI GmbH den Neubau des Kompetenzzentrums für Neurowissenschaften zu ermöglichen. Die damalige Landesregierung hatte damals darin die Möglichkeit gesehen, eine im Bundesvergleich einmalige, von einem international anerkannten Wissenschaftler initiierte klinische und wissenschaftliche Einrichtung, ausgestattet mit modernster Technologie, zu fördern.

Im Plenum des Landtages am 20. Februar 2004 habe ich die Anfrage zur Zukunft der INI GmbH vom Juni 2003 beantwortet, und im Ausschuss für Haushalt und Finanzen wurde von den Beamten des Wissenschaftsministeriums und des Finanzministeriums am 3. März und am 17. März 2004 in vertraulicher Sitzung die aktuelle wirtschaftliche Situation dargelegt. Die Landesregierung strebt weiterhin eine für alle Beteiligten vorteilhafte mittelbis langfristige Lösung an.

Meine Damen und Herren, es liegt im Interesse des Landes, zur Verbesserung der Wirtschaftlich

keit und zur Nutzung der Leistungsfähigkeit der INI GmbH für Krankenversorgung, Forschung und Lehre eine für die INI GmbH und auch die MHH vorteilhafte Lösung zu finden. Zwischen den beteiligten Ministerien für Wissenschaft und Kultur, für Finanzen und für Soziales sind sehr intensive Gespräche über alternative Lösungskonzepte geführt worden, an denen auch die Gesellschafter, die Geschäftsführung der INI GmbH, Vertreter der Banken und der Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt waren.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich selbst und Staatssekretär Dr. Lange haben mit dem Vorstand und den Personalvertretungen sowie den Fachvertretern der MHH ausführliche Gespräche geführt. Nach den vorgenannten intensiven Gesprächen über ein mögliches Lösungskonzept zwischen den Ministerien, der Konsortialführerin der Banken und der Hauptgesellschafterin der INI GmbH und der Geschäftsführung der INI GmbH wurden die Grundzüge einer Vereinbarung erarbeitet, die eine Sanierung der GmbH herbeiführen sollen. Die Landesregierung hat dazu einen so genannten Letter of Intent vom 30. März 2004 an die INI GmbH gerichtet, in welchem die Grundzüge wie folgt zusammengefasst wurden:

Erstens. Das Land beabsichtigt vorbehaltlich der Zustimmung der Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherungen - selbstverständlich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten -, rund 50 Betten der elektiven Neurochirurgie, die derzeit als Hochschulbetten der MHH betrieben werden, auf das INI zu übertragen, d. h. die rund 15 traumatologischen Betten der Neurochirurgie - das sind Betten für schwer Unfallverletzte - bleiben auf dem Campus der MHH. Die elektive Neurochirurgie bezieht sich auf solche Erkrankungen, bei denen der chirurgische Eingriff länger geplant werden kann.

Zweitens. In einer Vereinbarung sollen die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Vertragspartner MHH und INI geregelt werden.

Drittens. Es ist sicherzustellen, dass im Falle einer Nutzungsänderung die Betten an die MHH zurück übertragen werden können.

Viertens. Die INI GmbH wird für das so formulierte Modell einen Businessplan erarbeiten. Dieser soll kurzfristig von einem Wirtschaftsprüfer insbesondere auf seinen Beitrag zum Kapitaldienst zur Ab

geltung des verbürgten Kredits hin evaluiert werden.

An der Realisierungsmöglichkeit dieser Konzeption wird zurzeit intensiv gearbeitet. Bevor konkrete Ergebnisse vorliegen, sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Meine Damen und Herren, insbesondere die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Maßnahme wird letztendlich entscheiden, wie sich die Zukunft für die Neurochirurgie der MHH und die INI GmbH im Interesse des Landes Niedersachsen gestalten wird.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Erwartungen der Landesregierung für eine positive wirtschaftliche Entwicklung stützen sich auf vorläufige Berechnungen der INI GmbH. Diese Berechnungen werden jetzt so differenziert wie möglich auch für die nächsten Jahre erarbeitet und sollen kurzfristig von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf Plausibilität und Realisierbarkeit hin überprüft werden.

Zu Frage 2: Die Maßnahmen der Landesregierung sind mit den Gesellschaftern und dem Bankenkonsortium abgestimmt.

Zu Frage 3: Die Landesregierung wird aus dem erwarteten positiven wirtschaftlichen Ergebnis heraus die MHH und die Landesverbände der gesetzlichen Krankenversicherung davon überzeugen, dass die Nutzung von Teilbereichen des INI für Krankenversorgung, Forschung und Lehre zu einem Erfolgsmodell für das Land Niedersachsen werden kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer ersten Zusatzfrage hat sich Frau Langhans gemeldet.

Ich frage die Landesregierung: Mit welchem Argument begegnet sie der Auffassung von Ärzten, Assistenten und dem Pflegepersonal der MHH, dass die Verlagerung der Neurochirurgie ins INI erhebliche finanzielle Belastungen bedeute und auch eine optimale Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet sei?

Liebe Frau Kollegin, erstens gibt es dazu sehr unterschiedliche Auffassungen - wie so häufig bei so differenziert zu betrachtenden Problemen. Zweitens möchte ich Ihnen zu der Frage, was die Wirtschaftlichkeit anbelangt, sagen: Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen - das kann ich mir für die SPD-Fraktion nicht vorstellen, weil ich weiß, dass auch gerade der Kollege Gabriel immer wieder versucht hat, Lösungen zu finden, aber ich kann es mir auch für die Fraktion der Grünen und für die Regierungsfraktionen ohnehin nicht vorstellen -, dass nur einer hier im Saal Interesse daran haben kann, dass es zu einer Fälligkeit der Bürgschaft von 42,5 Millionen Euro kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn diese Bürgschaft fällig würde, hätten alle Ressorts und damit auch alle, die hier Interessen zu vertreten haben, gerade vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltssituation ein weiteres Problem. Vor allem deshalb sind wir bemüht, alle Lösungen zu prüfen, die diese Fälligkeit abwenden könnten. Das ist für uns das Entscheidende.

Auch das zweite Argument ist für ein Land wie Niedersachsen durchaus nicht unwichtig: Wir sollten auch den Imageschaden abwenden, der durch eine Insolvenz des INI eintreten würde. Auch daran müssten wir interessiert sein. - Dass Sie den Kopf schütteln, Frau Merk, kann ich nicht nachvollziehen. - Deshalb möchte ich hier - Kollege Gabriel, ich könnte das auch mit großer Leidenschaft; ich vermute, Sie könnten auch einiges dazu beitragen - keine Vergangenheitsbewältigung betreiben.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich könnte da- bei mithelfen!)

Aber ich will Ihnen sagen: Die Verursacher sitzen nicht auf der Seite der Koalitionsfraktionen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Vorsicht! Da gibt es sogar verwandtschaftliche Be- ziehungen zu Ihrer Seite!)

Aber wir haben jetzt die Verantwortung. Diese Verantwortung zwingt uns dazu, die Fälligkeit der Bürgschaft abzuwenden. Das ist eines der Hauptargumente, das wir den Kritikern vortragen wollen: Wollt ihr wirklich das Land Niedersachsen mit

weiteren 42,5 Millionen Euro belasten, oder wollt ihr das nicht?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Meihsies!

Herr Minister, wir wollen uns diesem Problem differenziert stellen. Herr Minister, ich frage Sie: Wie soll dem INI durch die Bettenverlagerung eine Darlehenstilgung möglich werden, wenn die Neurochirurgie bereits in der wesentlich günstigeren MHH nicht Gewinn bringend arbeitet?

Die zweite Frage: Um welchen Betrag werden beim INI im Vergleich zur MHH die Hotelkosten höher sein? Wer soll diese Mehrkosten tragen?