Protocol of the Session on April 28, 2004

(Zurufe von der SPD: Ach, ach!)

- Das wird missbraucht.

Es handelt sich um ein Naturereignis. Wir hatten in 36 Stunden 400 mm Niederschlag. Ein solches Ereignis werden wir mit keiner Hochwasserschutzmaßnahme in den Griff bekommen, wir können es nur abmildern. Diesem Zweck muss Hochwasserschutz dienen. Aus meiner Sicht war es ein Jahrtausendhochwasser. In diesem Fall wird es jetzt für eine kalte und nasse Enteignung von Flächen missbraucht. Ich wiederhole mich gerne.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Gesetz entlarvt sich selbst, weil direkter Hochwasserschutz praktisch nicht angesprochen wird. Völlig vergessen ist, dass wir Regenwasser in den Kommunen, in den Siedlungen zunächst einmal so lange wie möglich zurückhalten, nicht direkt in die Vorflut und erst dann in die Flüsse bringen sollten. Dazu wird überhaupt nichts gesagt.

(Anneliese Zachow [CDU]: Richtig!)

Vorbeugender Hochwasserschutz ist für mich zunächst einmal direkter Hochwasserschutz. Das heißt, er besteht aus Deichen, Poldern, Schöpfwerken, Sielen, Retentionsflächen und Rückhaltebecken. Die Lösung dieser Aufgabe liegt immer noch in der Zuständigkeit der Länder und soll dort auch bleiben. Davon bin ich fest überzeugt.

Ich nenne den Aller-Leine-Oker-Plan. Dem liegt übrigens zugrunde, dass wir heute hier so schön trocken sitzen können. Er enthält seit Ende der 60er-Jahre systematische Betriebsvorgaben für Stauseen im Harz. Stellen Sie sich vor: Ob und wann dort Wasser abgelassen werden darf, wird mit Deichvorstehern im unteren Aller- und Leinebereich abgestimmt. Sie melden nämlich die Pegelstände. Es gibt ein Betriebssystem. Das Rückhaltebecken Salzderhelden gehört übrigens dazu. Das ist im Grunde die Problemlösung gewesen, in Hannover Hochwasser zu vermeiden. Es geht hier aber nicht etwa um die Umnutzung von Grünland in Ackerland. Das ist aus sachlicher Sicht völlig abwegig.

Ich möchte hinzufügen, dass diese CDU/FDPLandesregierung den direkten Hochwasserschutz jedes Jahr intensiv fördert und unterstützt. In diesem Jahr sind es allein 45,7 Millionen Euro. Ich

sage Ihnen deutlich: Die Bürger auf Juist und Norderney werden mit einem Papier von Herrn Trittin wenig anfangen können, aber mit Millionen, um die Deiche zu verstärken, können sie etwas anfangen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir geben über 32 Millionen Euro im Bereich Weser-Ems aus. Dort werden die Deiche an den Küsten verstärkt. Wir geben 14,5 Millionen Euro nach Lüneburg an die Elbe. Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Das ist praktischer, direkter Hochwassserschutz.

Sie wurden durch die Anhörung am 14. April 2004 ja selbst entlarvt. Auch das muss ich hier erwähnen. Sie haben im Grunde nur von BUND und NABU Zustimmung erhalten. Mit dem substanziellen Gegenwind zu diesem Vorschlag war es aber so schlimm, dass selbst Ihre Presseerklärung von Teilnehmern der Anhörung bestritten wurde. Das muss man sich einmal vorstellen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es!)

Ich sage deutlich: Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Naturschutz durch die Hintertür auf Kosten der Länder machen die Bürgerinnen und Bürger sowieso nicht mit. Die Enteignung von Landwirten ist völlig überflüssig, weil sich Grün- und Ackerland als Abflussgrundlage völlig gleich verhalten. Es gibt keine Unterschiede; das sagen Ihnen alle Fachleute. Deshalb ist die nasse Enteignung von 900 000 ha Ackerland mit einem wirtschaftlichen Wert von 3,6 Milliarden Euro an Vermögensverlust in dieser Höhe völlig unsinnig und wirtschaftlich kontraproduktiv. In Niedersachsen sind das immerhin 54 000 ha.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Ackerbauverbot in den Überschwemmungsgebieten werden Sie nicht durchhalten. Sie müssten es längst erkannt haben. Der Unterausschuss im Bundesrat hat gegen das Ackerbauverbot gestimmt. 14 Bundesländer haben dagegen gestimmt. Meine Damen und Herren, es müssen auch welche von Ihnen dabei gewesen sein. Das heißt, die eigene Front bröckelt. Sie sollten es endlich einsehen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Hochwasserschutz geht nur mit den Be

troffenen und nicht gegen sie. Eine solche Politik werden wir durchhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Frau Steiner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ripke, werte Kollegen von der CDU-Fraktion, vor eineinhalb Jahren, als die Erfahrungen mit dem Hochwasser an der Elbe noch frischer waren, waren sich alle Fraktionen im Landtag einig, dass vorbeugender Hochwasserschutz in viel stärkerem Maße in Angriff genommen werden muss. Damals wurden auch entsprechende Absichtserklärungen und Bitten an die Landesregierung gerichtet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie brauchen sich nur an dieses einzige Jahrhundert- oder Jahrtausendhochwasser zu erinnern. Dabei haben 20 Menschen ihr Leben verloren. Die materiellen Schäden lagen allein in Deutschland bei über 9 Milliarden Euro. Sie können natürlich spekulieren, wie die Statistik funktioniert, ob sich das Jahrhundert- oder Jahrtausendhochwasser immer an die Hundertjahresperioden hält oder ob es - wie es die statistische Wahrscheinlichkeit sagt - auch eher kommen kann.

Wir wissen inzwischen, dass der Klimawandel in Mitteleuropa die Häufigkeit von Starkregen erhöht hat. Wir wissen auch, dass sich diese Starkregen nicht immer über der Elbe ausregnen werden, sondern es auch weiter westlich passieren kann, nämlich in Niedersachsen. Um Konsequenzen daraus zu ziehen, gibt es seit März einen Regierungsentwurf der rot-grünen Bundesregierung in Berlin zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Das ist nicht etwa, wie Sie es immer darzustellen belieben, eine Kopfgeburt von Jürgen Trittin, sondern das ist ein Regierungsentwurf, der jetzt in den Bundestag geht.

(Anneliese Zachow [CDU]: Nun mal ganz langsam!)

Auch dieses Gesetz wird Hochwasser- und Starkregenereignisse nicht verhindern. Es soll die Schäden durch Hochwasser minimieren. Um nichts anderes geht es. Das wissen Sie auch.

Von der SPD-Fraktion und von der GrünenFraktion gibt es seit September letzten Jahres Anträge mit dem Ziel, den vorbeugenden Hochwasserschutz in Niedersachsen auszubauen. Eine fachliche Anhörung, die hier angemessen gewesen wäre, wurde uns von den Regierungsfraktionen verweigert. Heute gibt es eine Aktuelle Stunde als Ersatz. Wie gut, wie intensiv, wie konsequent und auf welchem Niveau in Aktuellen Stunden diskutiert wird, das hat uns Herr Ripke gerade vorgeführt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDU gefällt sich in der Rolle, selber als Retter der Landwirtschaft aufzutreten und den Bundesumweltminister zum Öko-Buhmann zu machen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ist er ja!)

Gucken Sie sich doch einmal die Überschrift an: „Spült Trittins Hochwasserschutz Niedersachsens Landwirte von der Scholle?“

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie ken- nen den offenbar besser als wir!)

Ich sage Ihnen, wer die Landwirte von der Scholle spült: Das Hochwasser nämlich. Es spült nicht nur die Landwirte von der Scholle, sondern es schwemmt Schadstoffe ein und führt zur Bodenerosion. Das alles ist unbestritten. Dort liegen die Ursachen, und dort muss man ansetzen. Also greifen Sie nicht den Minister an, der für Hochwasserschutz eintritt, sondern überlegen Sie selber, welche Maßnahmen Sie befürworten, um effektiven, vorbeugenden Hochwasserschutz zu gewährleisten.

Wir alle wissen, dass es seit langem Ziel der Gesetzgebung auch in Niedersachsen ist, Überschwemmungsgebiete auszuweisen und diese Gebiete von intensiver Nutzung frei zu halten. Das Verbot von Grünlandumbruch zu Ackerland steht selbst im Niedersächsischen Wassergesetz, und das seit langem. Aber die Ausnahmen, die gestattet werden, sind zur Regel geworden. Damit wird die Intention des Gesetzgebers auf den Kopf gestellt. Genau dies kehrt unter anderem das geplante Artikelgesetz des Bundes um. Aber darin ist ja nicht nur von Landwirtschaft die Rede, sondern es geht auch um ein Bauverbot in Überschwemmungsgebieten. Das ist angesichts der Politik der Kommunen, die das zwar theoretisch auch bekunden und als Absicht erklären, praktisch aber konterkarieren, absolut notwendig. Das müssen auch

Sie einsehen. Deswegen kann ich nun nicht verstehen, warum ausgerechnet Herr Ripke dem Bundesumweltminister Unfähigkeit zu praktischer Politik vorwirft. Es ist wohl eher umgekehrt.

Bauverbot in Überschwemmungsgebieten, Verbot von Ölheizungen und langfristiger Umstieg von Ackerbaunutzung auf weniger intensive Nutzung das ist das Ziel dieser Gesetzgebung. Stellen Sie es jetzt nicht so hin, als würden die Landwirte schon morgen ihre Existenzen verlieren.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: 2013!)

Die Umstellung auf eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung soll bis 2013 erfolgen. Das heißt, man kann sich neun Jahre lang darauf einstellen. Bis dahin - das garantiere ich Ihnen - werden Sie im Rahmen der veränderten EU-Agrarpolitik auch entsprechende Grünlandprämien haben, sodass es sich auch lohnt, Grünland anstelle intensiver Agrarwirtschaft zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP)

Auch da werden die Länder noch die Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen und zu einer flexiblen Handhabung haben, aber eben nur in Teilbereichen der Überschwemmungsgebiete.

(Unruhe bei der CDU und FDP)

Das werden wir in der nächsten Plenarsitzung anlässlich der Beratung über die Anträge der Fraktionen der SPD und der Grünen zu diesem Thema anständig diskutieren. Ich kann nur an die Fraktionen von CDU und FDP appellieren: Machen Sie doch die Einsichten in die Notwendigkeiten nicht immer vom sinkenden Pegelstand abhängig. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Dehde von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ist das bei der CDU: Sie verweigern Anhörungen im Ausschuss, weil Sie schon alles wissen, und dann schreiben Sie in Ihre Anträge hinein, dass Sie mit

Sachsen-Anhalt und Sachsen über die Öffnung der Havel-Polder verhandeln, die bekanntlich in Brandenburg liegen.

(Lachen bei der SPD)

Allein diese Tatsache macht deutlich, meine Damen und Herren, worum es Ihnen bei diesem heutigen Punkt eigentlich geht. Sie wollen den Hochwasserschutz relativieren. Sie rudern zurück, indem Sie unsere gemeinsame Entschließung aus dem Jahre 2002, als wir alle unter dem frischen Eindruck des Hochwassers an der Elbe standen, aufweichen wollen. Zu guter Letzt wollen Sie mit dieser Debatte auch von Ihrer eigenen Untätigkeit ablenken.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Un- glaublich!)