Protocol of the Session on April 2, 2003

(Zuruf von der CDU)

- wer ruft dazwischen? - klare Verantwortlichkeiten. Sigmar Gabriel, seine Vorgänger und die jeweiligen Finanzminister tragen hierfür die Verantwortung.

Nun stellt sich Sigmar Gabriel bei seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung während der letzten Plenarsitzung hin und kritisiert mal dies, mal das und erklärt im Übrigen – zugegebenermaßen mit rhetorischem Geschick - den Ernst der Lage. Dabei erweckt er den Eindruck - ebenso nebenbei; das soll auch jeder glauben -, dass er mit dieser Situation, zumindest was die Verantwortlichkeit dafür angeht, nichts zu tun hat. So stellt er sich dar, und von daher muss man ihm in dieser Frage schon den Spiegel vorhalten: Er, Sigmar Gabriel, und Heiner Aller tragen dafür die volle Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist eben schon gesagt worden: Die Wähler haben nicht nur nach Berlin geguckt, sondern sie haben natürlich auch gewusst, wie die Lage in

Niedersachsen ist. Das ist die Situation, mit der Sie sich jetzt abfinden müssen. Das ist allerdings auch die Situation, in der wir der Verantwortung gerecht werden müssen.

Vielleicht darf ich doch noch eine Bemerkung zu Heiner Aller machen. Der ist ja jetzt Vorsitzender des Haushaltsausschusses, und es war auch das gute Recht der SPD-Fraktion, ihn dafür zu benennen. Aber dass das nun die Erneuerung sein soll, das kann ich beim besten Willen nicht sehen. Wir werden sicherlich gut zusammenarbeiten, aber die Erneuerung ist in diesem Falle ausgeblieben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sehen, meine Damen und Herren, nach so einer Bilanz kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Der erste Weg zu Erneuerung ist, sich zu seiner Verantwortung für die schwierigste finanzielle Lage, die das Land Niedersachsen jemals erlebt hat, zu bekennen. Herr Möhrmann, das haben Sie nicht getan.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Was? - Bernd Althusmann [CDU]: Hat er auch nicht! - Heinrich Aller [SPD]: Das haben Sie doch aufgeschrieben, bevor er die Rede gehalten hat!)

- Sie sollten sich darüber nicht lustig machen. Sich zu seiner Verantwortung zu bekennen, ist der erste Schritt, um in Zukunft wieder verantwortlich mitarbeiten zu können. Wer das nicht tut, bleibt auch für die Zukunft unglaubwürdig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die CDU/FDP-Regierung ist jetzt gerade vier Wochen im Amt. Es ist eine besondere Leistung, dass sie schon jetzt diese Abschluss- bzw. Eröffnungsbilanz vorgelegt hat. Die Zeit des Schönredens ist vorbei.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Genau!)

Daher begrüße ich die ungeschminkte und offene Darstellung der Haushaltssituation des Landes durch den Finanzminister.

(Uwe-Peter Lestin [SPD]: Das war aber dick mit Schminke besetzt!)

Erstmals nach 13 Jahren hat eine Landesregierung eine umfassende und ungeschönte Bilanz dem Parlament und der Öffentlichkeit vorgelegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Genau!)

Es ist sehr beachtlich, dass der neue Finanzminister so schnell und umfassend hier im Landtag berichtet und die neuen Leitlinien der Finanzpolitik des Landes vorstellt.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Welche?)

- Welche? - Zu was hat er wohl 40 Minuten Punkt für Punkt vorgetragen?

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist es ja gerade!)

- Wenn Sie nichts verstanden haben, ist das Ihr Problem. Das war eine saubere Bilanz - ich komme nachher noch zu dem, was ausführlich gesagt worden ist -, Nachtragshaushalt im Mai, Beratung des Haushalts 2004 ab September.

(Heinrich Aller [SPD]: Das stand doch alles schon vorher fest! - Walter Meinhold [SPD]: Das sind doch keine Leitlinien, das sind Daten!)

Und da fragen Sie: Welche? - Das ist doch der Gipfel der Ignoranz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann mir vorstellen, dass das wehtut, weil das Ergebnis seiner Darstellungen natürlich düster war. Die Haushaltslage des Landes Niedersachsen ist katastrophal, und die Dramatik dieser Situation ist kaum fassbar. Sie bedeutet nichts anderes, als dass die finanzielle und politische Handlungsfähigkeit unseres Landes für die wichtigsten Zukunftsaufgaben stark eingeschränkt ist. Die wichtigsten Zukunftsaufgaben sind Bildung, Sicherheit, Sozialpolitik für die Schwachen in unserem Land und Wirtschaftsentwicklung, insbesondere für mehr Arbeitsplätze.

Dabei bewahrheitet sich der Grundsatz, dass eine gute Finanzpolitik die Grundlage für Sozialpolitik, Bildungspolitik, ja für alle Politikbereiche ist. Wer das finanzielle Fundament zerstört, gefährdet die soziale Leistungsfähigkeit des Landes. Bisher haben wir wegen der geschönten Bilanzen der alten Landesregierung das wahre Desaster nur erahnen

können. Heute wird es mit dieser Regierungserklärung zur Gewissheit.

Die Schwere der Fehler und Versäumnisse der alten Landesregierung in 13 Jahren werden mit dieser Regierungserklärung sichtbar und deutlich. Für diese Entwicklung gibt es zwei wesentliche Ursachen. Die eine ist die verfehlte Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung, die von der alten Landesregierung in allen Teilen unterstützt wurde. Die zweite ist die hausgemachte, selbstverschuldete, inflationäre Ausgabenpolitik der alten Landesregierung; die Zahlen haben wir eben vom Finanzminister gehört. - Das ist ein wesentlicher Teil der heutigen Finanzmisere. Er ist hausgemacht und damit von der Gabriel-Regierung zu verantworten. Er zeigt eindrucksvoll, wie wir im Vergleich mit den anderen westdeutschen Flächenländern dastehen.

Die SPD-Landesregierungen haben das stärkste Ausgabenwachstum seit 1990 zu verantworten. Die größten Ausgabensprünge fallen in die Zeit Ihrer Regierung, Herr Gabriel und Herr Aller, in den letzten drei Jahren in treuer Gemeinsamkeit. Wenn Sie vor dem Hintergrund Ihrer Regierungspolitik vom Sparen geredet haben, dann war das so, als wenn ein Bankrotteur von solider Finanzierung sprach.

(Zustimmung von Reinhold Coenen [CDU])

Sie haben im Ländervergleich den negativsten Finanzierungssaldo im Verhältnis zum Ausgabenvolumen produziert.

(Heinrich Aller [SPD]: Solche Reden hat früher Herr Möllring gehalten!)

- Herr Aller, Sie werden sich solche Reden noch öfter anhören müssen, und wir werden auch immer wieder deutlich machen, wie mühsam wir auf der Position aufbauen müssen, die Sie hinterlassen haben. Sie sind für die Situation, auf der wir aufbauen müssen, verantwortlich, kein anderer.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen, finde ich, sollten Sie nur dann Zwischenrufe machen, wenn diese einen konstruktiven Charakter haben. Das aber setzt, wie ich schon gesagt habe, voraus, dass man sich zunächst zu der Verantwortung bekennt.

Zu all den schlechten hausgemachten Vergleichsdaten haben Sie 13 Jahre lang und auch zur Landtagswahl nichts gesagt. Sie haben die Zahlen und die Dramatik der Haushaltssituation nicht nur verschwiegen, sondern immer wieder auch regierungsamtlich festgestellt. Ihre Aussage war: Es ist alles in Ordnung, wir haben die Finanzen im Griff, und wer etwas anderes sagt, der will nur das Land schlechtreden. In Wahrheit, meine Damen und Herren, haben wir, wie die heutige Bilanz zeigt, nicht das Land schlechtgeredet

(Walter Meinhold [SPD]: Sondern?)

- das ist doch ganz einfach, Herr Meinhold -, sondern Sie haben das Land schlecht regiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Ihrer Mipla 2001 bis 2005 - ich glaube, in Niedersachsen ist noch nie ein größeres Märchenbuch erschienen - haben Sie noch wider besseres Wissen verkündet: Wir reduzieren Jahr für Jahr die Nettoneuverschuldung. - Jedes Jahr haben Sie, Herr Aller, der staunenden Öffentlichkeit verkündet, der Haushalt ist ausgeglichen. In Wahrheit haben Sie Jahr für Jahr neue Schulden in Milliardenhöhe, bis zum Kragen, aufgenommen. Noch kurz vor der Wahl haben Sie für 2002 und 2003 die Neuverschuldung verdoppelt. Die Folge: Jahr für Jahr 135 Millionen Euro an zusätzlichen Zinsen. Das ist so viel, wie 2 500 zusätzliche Lehrer oder 4 500 Betreuungskräfte an Ganztagsschulen kosten.

(Heinrich Aller [SPD]: Und Sie kür- zen die jetzt wieder raus aus dem Haushalt, oder wie?)

Sie haben sich über unsere Anträge vom Frühjahr 2002 auf Aufstellung eines Nachtragshaushalts hinweggesetzt. Herr Aller, hätten Sie das damals nicht getan, hätten wir im Haushaltsjahr 2002 noch erhebliche Einsparpotenziale finden und hier beschließen können, und Sie hätten der neuen Landesregierung nicht einen bis zur Höhe von 200 Millionen Euro unausgeglichenen Haushalt hinterlassen müssen.

(Heinrich Aller [SPD]: Ihr wolltet doch mehr ausgeben! Ihr wolltet doch gar nicht einsparen! Ihr habt Anträge von 2 Milliarden Euro vorgelegt!)

Es ist ein unglaublicher Vorgang: Der Finanzminister hat die Kreditaufnahme verdoppelt, um den

Haushalt 2002 zur Deckung zu bringen, und als er aus dem Amt scheidet und die Bilanz für 2002 gemacht wird, stellt sich heraus, dass eine Deckungslücke von bis zu 200 Millionen Euro besteht.

(Reinhold Coenen [CDU]: Ungeheu- erlich!)

Das ist Ihre Haushaltspolitik, die zu vermeiden gewesen wäre, wenn wir rechtzeitig einen Nachtragshaushalt aufgestellt hätten. Sie haben also überhaupt kein Recht, uns Hinweise zu geben, wann Nachtragshaushalte aufgestellt werden. Wir machen das sehr viel besser als Sie.

(Beifall bei der CDU)

Mit der Nachhaltigkeit war es auch nicht weit her. Schon Tage nach dem Erscheinen dieser Mipla waren die wesentlichen Zahlen Wunschdenken fernab jeglicher Realität.