Protocol of the Session on April 2, 2003

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, dass dieser Krieg im Irak in seinem Ausmaß und in seiner Dramatik etwas ganz Schreckliches ist und dass wir alle gegen diesen Krieg sind, insbesondere aufgrund der Folgen für die Bevölkerung im Irak. Das ist gar keine Frage. Aber man muss sich die Frage stellen, in welchem Umfang man sich in einem Landesparlament mit diesem Thema auseinandersetzen soll.

(Zurufe von der SPD)

Es ist gut und richtig, dass wir uns heute in der Aktuellen Stunde damit beschäftigen und eine Aussprache dazu führen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es hat uns schon sehr verwundert, dass drei Tage nach dem Antrag zur Aktuellen Stunde noch ein weiterer Antrag dazu gekommen ist. Dabei muss ich dem Kollegen Althusmann durchaus Recht geben. Die beiden Anträge hätte man zusammenlegen oder den ersten Antrag umfangreicher gestalten können. Warum Sie das jetzt stückchenweise machen, bleibt uns etwas verborgen. Man kann natürlich vermuten, dass man hier die Gelegenheit nutzen möchte, die Bundespolitik in die landespolitische Ebene mit hineinzuziehen, um ein bisschen Stimmung gegen den politischen Gegner zu machen. Das ist nur eine Vermutung. Wir werden nachher die Beiträge in der Debatte hören.

Wir halten es jedenfalls für durchaus ausreichend, wenn heute im Rahmen der Aktuellen Stunde zu diesem Thema Stellung genommen wird. Wir werden diesem Antrag deshalb nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das war ganz schwach!)

Frau Harms, Sie haben noch einmal das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Althusmann, ich möchte für meine Fraktion erst einmal scharf zurückweisen, dass wir den Antrag auf die Tagesordnung gesetzt haben, um hier Positionen „zur Schau“ zu stellen. Ich finde, das ist eine Abqualifizierung von Parlamentskollegen, die man so nicht stehen lassen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte Ihnen das ins Bewusstsein rufen, was ein CDU-Ratskollege der Stadt Osnabrück nach einer ähnlichen Debatte in Osnabrück öffentlich erklärt hat. Er hat sich dafür entschuldigt, dass er dem Antrag, der im Sinne der „Cities for Peace“ präsentiert wurde, nicht zugestimmt hat. Er hat

sich dafür entschuldigt, dass er ihn schon in der Tagesordnungsdebatte blockiert hat, und zwar mit dem Verweis darauf, dass in jedem Parlament ein Stück der Polis zu finden sei. Höchste Aufgabe und höchstes Gut der Polis - also der Parlamente, so wie wir sie heute organisieren - ist es, sich mit den großen Sorgen und Nöten der Menschen im Land zu beschäftigen und ihnen nachvollziehbar zu erklären, wie man sich dazu positioniert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Sorgen der Menschen im Hinblick auf das, was im Irak passiert, und darüber, dass eine Weltmacht die UNO missachtet, sind so berechtigt, dass sich jeder Politiker und jeder Parlamentarier auf der Welt damit befassen und seine Position erklären sollte.

Frau Kollegin, sprechen Sie bitte zur Geschäftsordnung!

Herr Althusmann, die Unterstellung, ich wollte mit meinem Antrag dieses Parlament spalten, muss ich zurückweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Möglicherweise haben Sie Angst davor, hier die Spaltung der CDU/CSU zu Tage treten zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Endlich lässt sie die Katze aus dem Sack!)

Ich hatte tatsächlich die Hoffnung, dass diese erbärmliche innenpolitische Diskussion, die wir Frau Merkel zu verdanken haben, - -

Frau Harms, bitte reden Sie zur Geschäftsordnung!

- - - gestern in der Bundestagsfraktion beendet werden würde. Das ist nicht geglückt. Deshalb kann ich Sie nicht aus der Pflicht entlassen, hier Nägel mit Köpfen zu machen und Ihre Position

und Meinung zum Kriegsverlauf zu klären. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karsten Behr [CDU]: Darum geht es! - Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Gabriel, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Bemerkung des Kollegen Althusmann, es gehe möglicherweise darum, das Parlament in Kriegsgegner oder Kriegsbefürworter zu spalten, deshalb nicht, weil er kurz davor gesagt hat, es sei doch völlig klar, alle Demokraten seien gegen den Krieg. Entweder das stimmt, dann gibt es die Möglichkeit einer Spaltung nicht, oder es stimmt nicht, dann ist es gut, wenn die Öffentlichkeit weiß, wie die Positionen der einen oder der anderen zu diesem Krieg sind. Ich würde das nicht eine Spaltung nennen. Das ist ein ganz normaler Ablauf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es stellt sich die formale Frage, ob der Landtag der geeignete Ort ist, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Ich möchte Ihnen dazu eine Antwort vorlesen. Das eine ist der Artikel 26 der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ist be- kannt!)

- Dann lesen Sie ihn auch vor. Als ich Sie eben gefragt habe, kannten Sie ihn nicht.

Artikel 26 lautet:

“(1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.”

Unabhängig von der Frage, ob es sich in diesem Fall um einen Angriffskrieg handelt - das wird ja öffentlich debattiert -, ist, so glaube ich, klar, dass

das friedliche Zusammenleben der Völker mit Sicherheit dadurch gestört worden ist, dass man die UNO in ihrer Mehrheit - zumindest an dieser Stelle - missachtet hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun darf ich Ihnen vorlesen, warum ich glaube, dass das - das ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland - durchaus in den Niedersächsischen Landtag gehört. Die Niedersächsische Verfassung hat den Artikel 31, der die Überschrift trägt: Bekenntnis und Amtseid. Dort lautet der Amtseid der Minister und des Ministerpräsidenten:

“Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Volke und dem Lande widmen”

- jetzt kommt es

“das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland”

“gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen Menschen üben werde.”

Das ist das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland! Wenn es ein Thema gibt, das jeden Parlamentarier, jedes Regierungsmitglied, jeden engagierten Menschen in der Politik berührt, und wenn es etwas gibt, was die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland berührt und wo es um das Gewissen der Abgeordneten und nicht um Fraktionsdisziplin geht, dann ist das die Frage von Krieg und Frieden.

Es gibt viele Angelegenheiten, über die man in Fraktionsdisziplin abstimmen kann, weil sie die Gewissensfrage nicht berühren. Aber es gibt meines Erachtens nichts, was das Gewissen eines Abgeordneten oder eines Regierungsmitgliedes mehr beeinflussen sollte als die Frage nach Krieg und Frieden. Das ist der Grund, weshalb ich finde, dass es unabhängig von der Frage, wann hier Anträge eingebracht werden, angemessen ist, darüber zu reden. Dass ausgerechnet Sie und auch jüngere Kollegen hier erklären, dass das Verfahren formal nicht in Ordnung sei oder Anträge zu spät gestellt worden seien, wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihre Liberalität in dieser Frage, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zwei Fraktionen haben der Veränderung der Tagesordnung widersprochen. Für die Kolleginnen und Kollegen, die es noch nicht so genau wissen, weise ich darauf hin, dass es bereits ausreicht, wenn zehn Abgeordnete widersprechen.

Meine Damen und Herren, damit setzen wir die Tagesordnung wie im Ältestenrat beschlossen fort.

(Heidrun Merk [SPD]: Peinlich, peinlich!)

Ich gehe davon aus, dass die ansonsten vereinbarten Verfahren gelten. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.

Ich weise darauf hin, dass die heutige Sitzung dann, wenn sich im Kontakt zwischen den Fraktionen nichts ändert, etwa gegen 20.10 Uhr beendet sein wird.

Ich möchte Sie noch auf zwei Veranstaltungen hinweisen. In der Portikushalle ist die Ausstellung “Mickeymaus und Rosenknospe - Von der Kunst Hochbetagter” zu sehen, die in der Verantwortung der Freien Kunst- und Studienstätte Ottersberg entstanden ist. Ebenfalls in der Portikushalle wird Ihnen zu Beginn der Mittagspause der Chor “Singkreis Frohsinn” aus Lüneburg eine kurze musikalische Darbietung bringen. Ich empfehle beide Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.