Protocol of the Session on January 21, 2004

Wie hat der damalige Wissenschaftsminister Thomas Oppermann unfreiwillig prophetisch in sein Vorwort zur Veröffentlichung geschrieben? - Insofern ist das Gesetz auch eine Einladung zur produktiven Unruhe.

Die hat sich nun schneller ergeben, als dem Minister a. D. lieb war. In der Sondertagung der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“ der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen am 9. April 2003 hat es eine Art rechtswissenschaftlichen Totalverriss des SPD-Werkes gegeben. Zwischenzeitlich sind die Beiträge in dem Band „Göttingen Stiftungsuniversität? : eine rechtswissenschaftliche Überprüfung der gesetzlichen Grundlagen der niedersächsi

schen Stiftungsuniversitäten“ in Göttingen erschienen. Die Lektüre ist jedenfalls für alle, die sich mit Hochschulrecht in diesem Lande beschäftigen, aufschlussreich.

(Thomas Oppermann [SPD]: Spitzfin- dige Juristen!)

Gravierend war dabei der Befund, die Ermächtigungsgrundlage in § 46 Abs. 2 des NHG sei als Verordnungsermächtigung für die Errichtung der Medizinischen Fakultät Göttingen im Gefüge der Stiftungsuniversität Göttingen unzureichend, dieser Teil der Errichtungsverordnung sei jedenfalls nichtig.

Als wir diese rechtliche Bewertung aufgegriffen haben, kam vom früheren Wissenschaftsminister öffentlich der trockene, wenn auch grundfalsche Kommentar: bodenloser Blödsinn.

(Thomas Oppermann [SPD]: Das Ein- zige, was dazu gesagt werden kann!)

Diese Morgenstern’sche These, dass nichts sein könne, was nicht sein dürfe, hat sich dann wie eine Art roter Faden durch die zunächst vorschnell falsche Argumentation gezogen und den nächsten Höhepunkt in der unzutreffenden öffentlichen Erklärung der hochschulpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion erreicht, erstens würde der vorgelegte Novellenentwurf klammheimlich die Spaltung der Universität Göttingen und der Medizinischen Fakultät bewirken - mit ganz finsteren Fernzielen wie einer Fusion der Medizinischen Fakultät mit der Medizinischen Hochschule Hannover -, und zweitens hätte der Göttinger Abgeordnete den Entwurf nicht gelesen.

Nach der öffentlichen Anhörung im Wissenschaftsausschuss am 8. Januar hat die SPD-Fraktion nun freudig, haben die Grünen nolens volens der Novelle zugestimmt, ohne dass Änderungen vorgenommen worden wären, wie Sie aus dem Vergleich der Ausgangsfassung und der heutigen Beschlussvorlage erkennen können. - Also doch kein finsteres Machwerk, sondern notwendige Reparatur! Als Christdemokraten wissen wir, dass im Himmel größerer Jubel über reuige Sünder herrscht als über eine Vielzahl von Gerechten, und wir verfahren auch hernieden nach dieser Maxime. Vielen Dank, SPD.

Während der frühere Wissenschaftsminister öffentlich über die kleinlichen unwissenschaftlichen Kritikaster seines Werkes maulte und auch heute noch

mault, hat der neue Wissenschaftsminister Lutz Stratmann das getan, was man von einem Minister erwartet. Er hat bei einem versierten Stiftungsjuristen ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Mängel des Oppermann‘schen Werkes noch einmal offenbarte. Er hat dann die notwendigen Vorarbeiten angeordnet, die in den Gesetzentwurf eingegangen sind. Recht so und vielen Dank von dieser Stelle.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU] - Lachen bei der SPD)

Wichtig ist, dass wir im Zuge der Beratung durch Anregungen im Ausschuss die Mängel des SPDGesetzes rückwirkend zum 1. Januar 2003 heilen. Diese notwendige Regelung ist in der lebhaften Diskussion des Reparaturvorhabens in Göttingen nicht ohne Bedenken geblieben. Aber wir sind zum Ergebnis gelangt, dass diese rückwirkende InKraft-Setzung richtig und wichtig ist.

Ha, wird die SPD jetzt sagen, bei aller angeblichen Unzulänglichkeit unseres Hochschulgesetzes 2002, vom Grundansatz bestätigen ja CDU und FDP jetzt die Schaffung der Stiftungsuniversität. In der Tat, Wissenschaftsminister und CDU-FDPMehrheit haben seit Beginn dieser Debatte stets deutlich gemacht, dass die Schaffung von mehr Freiraum für die niedersächsischen Hochschulen wichtige Voraussetzung für noch mehr Kreativität, Leistungsentfaltung und Standardverbesserung ist.

(Thomas Oppermann [SPD]: Kommen Sie mal zur Sache, Herr Kollege!)

Entgegen der Auffassung der Bundes-SPD lassen sich Eliteuniversitäten eben nicht staatlich verordnen. Sie müssen bei optimierten Rahmenbedingungen aus sich selbst wachsen. CDU und FDP werden im Übrigen im Laufe dieses Jahres in einer inhaltlichen NHG-Novelle Ballast abwerfen und die Freisetzung von Kreativität und Wettbewerb ermöglichen.

Wer wie die SPD in ihrer Weimarer Leitlinie eher anrührig-trotzig niedersächsische Universitäten mit Harvard und Stanford konkurrieren lassen will, muss Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Hochleistungswissenschaftlern schaffen, darf also nicht Exzellenz verordnen. Von den Bündnisgrünen erwarte ich, dass sie unseren Aufbruchkurs kritisch, aber, wie ich es aus Göttingen gewöhnt bin, konstruktiv begleiten. Die SPD muss noch viel Ballast der 68er-Ära abwerfen

(Beifall bei der CDU)

oder, wie es ansatzweise schon formuliert ist, viele Paradigmenwechsel vornehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Sehr gute Rede! - Zurufe von der SPD)

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Dr. Andretta. Bitte schön!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt kommt unsere 68erin!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Noack, ich werde hier nicht als 68erin reden. Ich finde, man muss mit diesem Thema etwas ernster umgehen, als Sie es hier getan haben.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion gibt der NHG-Novelle ihre Zustimmung, weil wir damit die Hoffnung verbinden, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken vor allem der Stiftungsgegner ausgeräumt werden können und dass mit der nun geschaffenen Rechtssicherheit endlich hochschulpolitischer Frieden in die Universität Göttingen und die MHH einziehen kann. Daran können auch Sie sich beteiligen.

Dennoch möchte ich für meine Fraktion feststellen, dass wir nach wie vor davon ausgehen, dass die jetzige Regelung verfassungskonform ist. Die CDU stützte sich in ihrer Kritik auf Mitglieder der Akademie der Wissenschaften - der Kollege Noack hat es ausgeführt - und ein Gutachten einer Hamburger Anwaltskanzlei. Wir können uns dagegen auf den Bonner Verfassungsrechtler Professor Löwer berufen. Er kommt ganz eindeutig zu dem Ergebnis, dass die Errichtungsverordnung im Gesetz hinreichend präzise ermächtigt ist. Sie sehen auch hier: Für jede juristische Meinung gibt es mindestens eine Gegenmeinung.

Im Übrigen erinnere ich an die gesetzliche Ermächtigung im Hochschulgesetz, die bis zum InKraft-Treten des Hochschulreformgesetzes gegolten hat. Danach konnten die Hochschulen in ihren Grundordnungen mit bloßer Genehmigung des Ministeriums von nahezu allen organisatorischen Vorschriften des Gesetzes abweichen. Damals

fand das die ausdrückliche Zustimmung der CDU. Es waren übrigens ausschließlich Gründe der Rechtsvereinfachung, welche die Landesregierung und, ihr folgend, das Parlament dazu veranlassten, im Hochschulreformgesetz von einer weitergehenden Präzisierung der Organisationsvorschriften für die Hochschulmedizin abzusehen und dem Verordnungsgeber hier Spielraum zu lassen. Auch dieses geschah ausdrücklich auf Empfehlung der Gruppe Rechtsvereinfachung in der Staatskanzlei und war keine Trickserei.

Gleichwohl kann die vorgelegte Novellierung einen Beitrag zur Befriedung des Terrains leisten und durch die rückwirkende Bindung vor allem der Stiftungsorgane auch die letzten Zweifler besänftigen, obwohl, was einige Mitglieder der Akademie betrifft, ich meine Zweifel habe.

Gleichzeitig machen wir kein Hehl daraus, dass wir die Gelegenheit der Novellierung gern genutzt hätten, dem Wunsch der Universität Göttingen zu entsprechen, auch im Gesetz umfassender zu dokumentieren, dass Humanmedizin und Restuniversität unter dem gemeinsamen Dach der Stiftungsuniversität vereint sind. Nun, die Mehrheit hat anders entschieden. Wir wissen es, es ist immer das gleiche Spiel: Die Opposition bevorzugt die gesetzliche Klarstellung, die Regierungsfraktionen dagegen haben unendliches Vertrauen in die Gestaltungskräfte ihres Ministers.

(Zuruf von der CDU: Zu Recht!)

In unserem Fall war es sogar so groß, dass eine Anhörung der betroffenen Hochschulen von der CDU-Fraktion zunächst verweigert wurde. Erst das gehört auch dazu - als sich die Kolleginnen und Kollegen im Wissenschaftsausschuss nicht in der Lage sahen, Fragen zu ihrem eigenen Gesetzentwurf zu beantworten, stimmten sie einer ordentlichen Beratung und Anhörung im Ausschuss zu. Dafür möchte ich der CDU-Fraktion ausdrücklich danken. Denn so konnte der Gesetzentwurf in wichtigen Punkten verbessert werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, meine Fraktion stimmt auch den gesetzlichen Regelungen über die neuen Altersgrenzen zu. Die bisher geltenden starren Regelungen waren wenig sachgerecht. Insbesondere in intensiven Reform- und Umbruchphasen an Hochschulen kann personelle Kontinuität an der Spitze geboten sein. Anders als meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen vertrauen wir ge

rontologischen Erkenntnissen, wonach auch ein 68-Jähriger noch in der Lage sein kann, eine Hochschule zu führen.

Meine Damen und Herren, ich möchte hier gern die Gelegenheit nutzen, etwas zu den Chancen des Stiftungsmodells zu sagen. Ich freue mich sehr über das klare Bekenntnis des Ministers zu Stiftungshochschulen. Ihre damalige hochschulpolitische Sprecherin Frau Mundlos, Herr Minister, hatte sich in der Vergangenheit keine Gelegenheit entgehen lassen, um gegen dieses zukunftsweisende Modell zu Felde zu ziehen. Sie haben geschlossen im Landtag gegen ein Gesetz gestimmt, das vom Stifterverband für die deutsche Wirtschaft - Sie wissen, nicht gerade eine sozialdemokratische Vorfeldorganisation - als das modernste, das reformfreudigste und das beste Gesetz ausgewählt wurde.

(Beifall bei der SPD)

In der Hochschulpolitik ist vieles in Bewegung geraten, und viele Innovationen sind hier in Niedersachsen entstanden. Niedersachsen hat bei der Überführung von Hochschulen in die Trägerschaft von Stiftungen die Vorreiterrolle übernommen. Zum 1. Januar 2003 - Sie wissen das - wurden die Universitäten Göttingen, Hildesheim und Lüneburg sowie die TiHo und die Fachhochschule Osnabrück auf eigenen Antrag in Stiftungen überführt. Der Göttinger Universitätspräsident sprach bei der Stiftungsfeier von einem Aufbruch zu mehr Autonomie und Eigenverantwortung und betonte die größeren Spielräume für Profilierung der Universität im nationalen und internationalen Wettbewerb.

Inzwischen mussten auch die Stiftungshochschulen erfahren, wie schnell ihre Spielräume durch drastische Kürzungen verkleinert wurden. Umso wichtiger ist es, den Stiftungshochschulen politische Rückendeckung zu geben. Natürlich reichen unsere Stiftungshochschulen in ihrer Finanzausstattung nicht an Harvard, Yale oder Stanford heran. Umso anerkennenswerter ist es, dass wir trotzdem Fakultäten haben, die dennoch leistungsstark sind und im internationalen Wettbewerb konkurrieren können - noch.

Wir brauchen Gesetze, die den Hochschulen Autonomie und Eigenverantwortung zubilligen. Aber ohne Geld ist diese Autonomie nicht viel wert. Denn wer kann gestalten, wenn es noch nicht einmal für das Nötigste reicht? - Vor allem aber setzt der Appell an die Selbstverantwortung der Hoch

schulen voraus, dass Vereinbarungen eingehalten und Vertrauen nicht gebrochen werden. Wie aber sollen die Hochschulen Vertrauen aufbringen, wenn ein Wechsel der Landesregierung gleichsam einen Super-GAU darstellt und feste Vereinbarungen, die in Oppositionszeiten auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, begrüßt wurden, einfach gebrochen werden? Was für ein Misstrauen seitens der Landesregierung muss bestehen, dass Sie sich nicht zutrauen, Strukturänderungen über Zielvereinbarungen im Verhandlungswege durchzusetzen? - Gleich bei der ersten Nagelprobe haben Sie dieses neue Instrument durch einen diktatorischen Verordnungsgeber ersetzt, der von oben bestimmen kann, welche Studiengänge und Standorte geschlossen werden. Das ist nicht der neue Geist, sondern der alte Ungeist etatistischer Steuerung der Hochschulen. Damit werden wir nicht weit kommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass Hochschulautonomie selbstverständlich nicht heißt, das Parlament aus seiner Verantwortung zu entlassen. Die SPD-Fraktion wird diese Verantwortung wahrnehmen. Vor allem aber sollten wir gemeinsam dafür streiten, dass das niedersächsische Stiftungsmodell ein Erfolgsmodell wird. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Dr. Heinen-Kljajić.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte unter diesem Tagesordnungspunkt keine grundsätzliche Hochschuldebatte führen. Meine Vorredner haben die Materie der Novelle hinreichend beleuchtet.

Ich möchte mich auf eine Anmerkung bezüglich des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens unsererseits in den Ausschüssen beschränken. Wir unterstützen generell und grundsätzlich die Initiative der Landesregierung zur Novellierung des NHG zwecks Klärung von Rechtsunsicherheiten. Das ist unstrittig. Während der Beratungen hatten wir in einem Punkt Bedenken. Sie bezogen sich auf die Frage der Aufhebung der Altersgrenzen für Präsidentinnen und Präsidenten im Angestelltenverhältnis. Hochschulen sind nicht selten konzernähnliche Großbetriebe mit mehreren tausend Angestellten,

die die volle psychische und physische Kraft der jeweiligen Präsidien erfordern. Daher stellt sich die Frage, ob eine altersbezogene Begrenzung nicht doch sinnvoll gewesen wäre, zumal das Argument, altgediente Präsidien seien eher geeignet, die Hochschulen durch die anstehenden Strukturreformprozesse zu steuern, ebenso gut mit dem Argument widergelegt werden könnte: Neue Besen kehren besser. - Letztendlich wiegen diese Bedenken für uns aber nicht so schwer, dass wir der Novelle in der abschließenden Beratung unsere Zustimmung verweigern würden. Deshalb werden wir der Ausschussempfehlung hier und heute gerne zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine weitere Wortmeldung liegt mir zu diesem Tagesordnungspunkt von Herrn Prof. Dr. Dr. Zielke vor. Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Noack, von Frau Dr. Andretta und auch von Frau Dr. Heinen-Kljajić kann ich mich kurz fassen. Wir regeln zwei Dinge. Erstens flexibilisieren wir die Altersregelung für die Präsidien von Hochschulen. Wir glauben, dass in der jetzigen Umbruchsituation Erfahrung und Kontinuität von Nutzen sein können. Zweitens reparieren wir mit dieser Novelle eine wenig sorgfältige Gesetzgebung der Vorgängerregierung, so gut das rückwirkend möglich ist. Es geht darum, Rechtsklarheit zu schaffen, um nichts mehr. Beides war aber eilbedürftig. Inhaltliche Neuregelungen waren nicht beabsichtigt. Solche Änderungen in der Substanz – das sage ich insbesondere denen, die aus dem Hochschulbereich darauf gedrängt haben – bleiben einer umfassenden Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vorbehalten. Eine solche ist in Vorbereitung. Im Zuge der Beratungen dazu kann dann sorgfältig und ohne Zeitdruck über Inhalte diskutiert werden. – Danke.