Protocol of the Session on December 12, 2003

Die Frage ist beantwortet. - Seine zweite und damit letzte Zusatzfrage stellt Herr Dr. Lennartz.

(Dr. Hans-Albert Lennartz [GRÜNE]: Ich ziehe zurück!)

- Er zieht zurück. - Frau Kollegin Steiner!

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Ich ziehe auch zurück! Da bleibt mir die Spucke weg! - Unruhe)

Weitere Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Es ist inzwischen 11.21 Uhr. Wir haben die Fragestunde um 10.11 Uhr begonnen. Damit schließen wir nunmehr die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt ab. Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, dass wir vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 24 behandeln:

Tagesordnungspunkt 24: Zweite Beratung: Gentechnikfreie Landwirtschaft auch in Zukunft sicherstellen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/63 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drs. 15/616 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/622

Die Beschlussempfehlung lautet: Annahme in veränderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Beratung. Das Wort erteile ich dem Herrn Kollegen Klein. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen Beitrag mit einer Vorbemerkung beginnen. Unserer Ansicht nach brauchen wir die Risikotechnologie „grüne Gentechnik“ nicht. Wir brauchen sie nicht für den Pflanzenschutz - da gibt es funktionierende Technik, die ohne Gentechnik auskommt -, und es gibt mit dem Ökolandbau sogar eine, die ganz ohne Chemie auskommt. Wir brauchen sie auch nicht zur Reduzierung von Pestiziden, da sich das Versprechen „Einmal Spritzen reicht“ längst als falsch erwiesen hat und die Gentech-Strategie ein hohes Risiko der Resistenzbildung mit sich bringt. Wir brauchen sie auch nicht für die Landwirte, weil sie zu 70 % diese Technik ablehnen und nicht gegen den Markt produzieren wollen. Wir brauchen sie nicht für den wirtschaftlichen Erfolg. Die Unternehmen in diesem Bereich liefern einen Flop nach dem anderen ab, ihre Arbeitsplatzbilanz ist miserabel. Allein die Übernahme von Aventis Crop Science durch Bayer hat 4 000 dieser so genannten zukunftsträchtigen Arbeitsplätze gekostet. Wir brauchen sie auch nicht für die Wissenschaft. Im Gegenteil! Es gibt hier jetzt den Wahn, jedes Problem mit Gentechnik lösen zu wollen. Die letzte Errungenschaft sind selbstleuchtende Fische. Ich nehme an, das wird uns demnächst als ökologischer Fortschritt verkauft, weil man dann die Aquariumbeleuchtung einsparen kann. Diese Mentalität führt in der Wissenschaft im Grunde genommen zu einer Scheuklappenforschung, die andere Lösungsperspektiven, etwa die Bionik, sträflich vernachlässigt. Wir brauchen sie auch nicht zur Bekämpfung des

Welthungers, weil dessen Ursache nicht eine mangelnde Fähigkeit ist, ausreichend Nahrungsmittel zu produzieren, sondern eine ungenügende soziale, demokratische und wirtschaftliche Struktur vor Ort. Dagegen hilft keine Gentechnik, sondern nur gute Politik. Wir brauchen sie auch nicht für die Verbraucher bei uns. Denn der Verbraucher bei uns hat keinen Vorteil davon; er ist auch ohne Gentechnik in der Lage, sich ausreichend vielseitig, schmackhaft und gesund zu ernähren. - So weit die Vorbemerkung.

Angesichts dieser Position zur grünen Gentechnik werden Sie sich nicht wundern, dass wir beim „Wie“, also bei der Frage, wie sie eingesetzt werden soll, darauf bestehen, dass Bauern und Verbraucher weiterhin die Wahlfreiheit haben müssen, ein gentechnikfreies Leben zu führen. Das Ziel unseres Antrages ist keine grüne Vorreiterrolle oder Avantgarde-Rolle, um in Zukunft neue gesellschaftliche Entwicklungen vorzubereiten. Dieses Ziel teilen wir mit der übergroßen Mehrheit der Menschen in Europa. Im Ausschuss habe ich Ihnen einen Brief der Landfrauenverbände BadenWürttembergs vorgelesen, die unsere Position zu 100 % teilen. Das betrifft sowohl die Forderung, dass Saatgut als Quelle der landwirtschaftlichen Produktion keine nachweisbaren Verunreinigungen enthalten soll, als auch die Positionen zu Haftungsfragen und zur Koexistenz.

Der Antrag, den Sie heute hier zur Abstimmung bringen, wurde von Ihnen, von der CDU und der FDP, so umgeschrieben, dass er genau das Gegenteil bewirkt: Nicht Wahlfreiheit wird gesichert. Mit Ihrem Eiertanz wären innerhalb kürzester Zeit alle Flächen und Produktionen mit gentechnischen Verunreinigungen verseucht. Ökolandbau könnten Sie dann vergessen. Auch die Koexistenz könnte nie funktionieren.

Mein Fazit ist: Sie betreiben auch hier eine Politik, die an den Interessen der Verbraucher, der Landwirte vorbeigeht und den Markt ignoriert, Politik für Profitinteressen einiger weniger Unternehmen, denen es noch nie darum gegangen ist, dass in der Landwirtschaft Geld verdient wird,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

sondern die vor allem an der Landwirtschaft Geld verdienen wollen. Dafür erwarten Sie sicherlich nicht unsere Zustimmung.

Ein letzter Satz zu dem jetzt vorliegenden SPDÄnderungsantrag. Auch wenn er etwas spät

kommt, begrüßen wir diese Initiative sehr. Sie stellt eine gute Aktualisierung unseres Antrages aus dem März dar. Der Änderungsantrag greift unsere inhaltlichen Forderungen vollständig auf und ergänzt sie sinnvoll. Wir werden dieser Initiative deshalb zustimmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Stief-Kreihe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen eigenen Änderungsantrag eingebracht, weil wir es für unmöglich halten, dass die Fraktionen der CDU und FDP Änderungsvorschläge zu Anträgen der Opposition vorlegen und diese damit im Grunde genommen von den Füßen auf den Kopf stellen, indem genau das Gegenteil dessen, was der Ursprungsantrag beinhaltet, gefordert wird.

(Ilse Hansen [CDU]: Das haben wir in den letzten 13 Jahren von Ihnen ge- lernt!)

Zur Thematik selbst. Eine dpa-Meldung vom 8. Dezember lautete: Die erste Zulassung eines Gen-veränderten Lebensmittels in der Europäischen Union seit fünf Jahren ist zunächst gescheitert. - Weiter hieß es: Zehn Regionen aus sieben EU-Mitgliedstaaten reklamierten Mitte November für sich das Recht, ihr Territorium oder Teile davon als gentechnikfrei auszuweisen. - Diese Meldungen machen deutlich, wie gespalten auch die Europäische Union in den Fragen der grünen Gentechnik ist.

Für uns Sozialdemokraten ist es entscheidend, dass die Fragen des Einsatzes und des Anbaus der grünen Gentechnik europaweit verbindlich und einheitlich geregelt werden. Diese Meinung ist keine Einzelmeinung. Auch die EU-Ausschüsse der Bauernverbände COPA und ländliche Genossenschaften fordern EU-weite Haftungsregelungen; eine vom Verschulden unabhängige Haftung komme für die Bauernverbände nicht infrage.

Konkret für diesen Antrag bedeutet das folgende Forderungen: Europaweite einheitliche Festlegung von Schwellenwerten für Saatgut, europaweite einheitliche Regelung der Sicherheitsauflagen und

Haftungsfragen nach dem Verursacherprinzip, europaweite einheitliche Regelungen für die Sicherung der Koexistenz von gentechnisch veränderten und gentechnikfreien Kulturen und damit Gewährleistung eines größtmöglichen Verbraucherschutzes und Sicherung des ökologischen Landbaus vor unfreiwilligen Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Organismen. Dabei sind Schwellenwerte europaweit so gering wie möglich - derzeit an der technischen Nachweisgrenze von 0,1 anzusetzen.

Meine Damen und Herren, es ist schon merkwürdig, dass auf der Ende September in Rostock abgehaltenen Agrarministerkonferenz die Agrarminister die Bundesregierung aufgefordert haben, sich auf der EU-Ebene für die Einführung eines Schwellenwertes für Saatgut an der technischen Nachweisgrenze einzusetzen. Dazu, meine Damen und Herren, gehörte auch Niedersachsen.

Ich weiß, Herr Minister Ehlen, dass Sie nicht gerne daran erinnert werden möchten, aber es gibt keine Ausrede, hinter der Sie sich verstecken könnten es sei denn, Sie hätten geschlafen, was ja auch einmal vorkommen kann. Aber wahrscheinlicher ist, dass Sie hier in Niedersachsen anders reden, als Sie sich im Bundesrat verhalten.

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen: Gestern haben Sie Herrn Minister Ehlen dafür gedankt, wie er sich im Bundesrat für die Legehennenhaltung eingesetzt hat.

(Friedrich Kethorn [CDU]: Zu Recht!)

Meine Damen und Herren, wer die Debatte im Bundesrat verfolgt hat, musste allerdings feststellen: Herr Minister Ehlen und Herr Ministerpräsident Wulff waren zwar anwesend - Herr Ministerpräsident Wulff hat das ja zur Chefsache gemacht -, aber zur dieser Thematik haben sie keinen Piep gesagt. - So weit zu dem Einsatz im Bundesrat.

Zum Thema Freundschaft mit Bayern und mit Herrn Miller aus Bayern kann ich nur folgendes Zitat aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bringen:

„Die zweite gute Nachricht ist, dass auch das von der CSU regierte Bayern der grünen Verbraucherministerin den Rücken stärkt.“

So weit zu Ihrem Einsatz im Bundesrat!

Aber zurück zur Gentechnik, meine Damen und Herren.

Frau Stief-Kreihe, möchten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Biestmann zulassen?

Nein, ich habe nur wenig Zeit.

Herr Minister Ehlen, Sie betonen in unterschiedlichen Zusammenhängen, dass der Verbraucherschutz für Sie oberste Priorität hat. Also handeln Sie auch im Interesse der Verbraucher! Denn eine deutliche Mehrheit der Verbraucher spricht sich für gentechnikfreie Lebensmittel aus. Die Landwirtschaft selbst, die Landfrauen, die Landjugend fordern klare rechtliche Vorgaben für die Koexistenz. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im Agrarund Lebensmittelbereich brauchen wir eine europäische Regelung.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen von CDU und FDP beziehen sich in ihrem Änderungsvorschlag auf die Einhaltung der guten landwirtschaftlichen Praxis. Dieses schaffe Rechtssicherheit für die Anbauer, heißt es in ihrer Begründung.

Ich habe mir einmal das Informationsblatt zur Einhaltung der guten landwirtschaftlichen Praxis besorgt und es sorgfältig gelesen. Außerdem haben wir extra noch eine E-Mail an die Kammer geschickt, um uns nach dem neuesten Stand zu erkundigen. Die Antwort der Kammer lautet: Es gibt die guten alten Leitlinien von irgendwann aus den 90er-Jahren. Darin ist aber so ziemlich alles überholt. - So weit zur guten landwirtschaftlichen Praxis und damit zur Rechtssicherheit für die Anbauer. Ich weiß nicht, wie man auf dieser Grundlage Rechtssicherheit erhalten soll.

Das Blatt beinhaltet die Punkte Düngung, Pflanzenschutz sowie Tierschutz und Hygiene, aber trifft keine Aussagen zum Umgang mit der grünen Gentechnik oder möglichen Verunreinigungen mit GVOs.

Das, was Sie über Ihren Änderungsvorschlag abgeliefert haben, ist ohne verbindliche Regelung und beinhaltet null Verbraucherschutz. Ich würde diesen Antrag als grob fahrlässig bezeichnen.

(Zustimmung von Hans-Jürgen Klein [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, der leichtfertige Umgang mit dem Begriff „gute landwirtschaftliche Praxis“ macht deutlich, dass die Definition des Begriffs dringend überarbeitet bzw. dem heutigen Standard angepasst werden muss. Ebenfalls ungeklärt ist die Verbindlichkeit und die Kontrolle der guten fachlichen Praxis.

Ich kann die Fraktionen von CDU und FDP nur auffordern, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Damit entsprechen Sie den Wünschen der Landwirtschaft und der Verbraucher, und damit sichern Sie die Wettbewerbsfähigkeit unserer Futter- und Lebensmittelproduzenten.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Nächster Redner ist Herr Oetjen. Bitte schön!

Frau Präsidentin Vockert! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In Anlehnung an meine Ausführungen bei der ersten Beratung dieses Antrags am 3. April dieses Jahres und natürlich auch Bezug nehmend auf die Beratungen im Ausschuss, möchte ich für die FDP-Fraktion zunächst feststellen:

Wir dürfen die Risiken der grünen Gentechnik natürlich nicht verharmlosen. Für uns steht jedoch der Nutzen der grünen Gentechnik im Mittelpunkt des Interesses. Meine Damen und Herren, wir dürfen uns bei dieser wichtigen Zukunftstechnologie den Weg nicht selbst verbauen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)