Protocol of the Session on November 20, 2003

Sie sagen, Sie wollen in der Energiewirtschaft an die erste Stelle. Dem kann ich nur entgegenhalten: Die Energiepolitik, die Sie in Berlin machen, ist wirklich nicht mehr verantwortbar. Sie wollen die Kernkraftwerke abschalten; in 20 Jahren sollen alle weg sein. Sie wissen genau, dass in den nächsten 20 Jahren 40 % der konventionellen Kraftwerke erneuert werden müssen. Aber Sie haben bis heute keine Antwort darauf, wie Sie diese Lücken dann schließen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb, meine Damen, meine Herren, können Sie hier nicht „von ausgemachtem Unsinn“ sprechen, wie es in der Überschrift heißt. Ich wünschte mir stattdessen mehr Verantwortung von Ihnen in der Bundesregierung. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Dehde hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Ausführungen, die Frau Zachow hier eben gemacht hat, muss man ja befürchten, dass erst ein Atomkraftwerk in Europa in die Luft fliegen muss, bevor Sie zur Vernunft kommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das, Frau Zachow, scheint mir als Erklärung Ihres energiepolitischen Konzeptes allerdings ein wenig dürftig zu sein. Ich jedenfalls kann Ihnen nur empfehlen, einmal in die verstrahlten Regionen in Weißrussland und in der Ukraine zu fahren und sich dort ein unmittelbares Bild zu verschaffen. Ich kann Ihnen diese Bilder liefern; ich bin da gewesen. Vor dem Hintergrund kann ich Ihnen nur raten: Bleiben Sie auf dem Teppich!

Meine Damen und Herren, Stade ist abgeschaltet, und das ist gut so, keine Frage. Die niedersächsische SPD hat lange dafür gekämpft, dass dieser Ausstieg auf den Weg kommt. Wir werden auch weiter mit Nachdruck daran arbeiten, dass aus dieser zum Teil wirklich menschenverachtenden Form der Energiegewinnung ausgestiegen wird und wir es letztendlich gemeinsam schaffen, zu dem zu kommen, was die Kollegin Harms eben angesprochen hat. Es gibt riesige Potenziale im Bereich der Energieeffizienz und der regenerativen Energien. Selbstverständlich müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass die fehlenden Kraftwerkskapazitäten auf einem vernünftigen Wege ersetzt werden.

Auch in der heutigen Debatte kann ich nicht erkennen, welches Konzept Sie für Niedersachsen vertreten. Ich höre den Umweltminister zwar immer, wenn er von einem vernünftigen Energiemix spricht und die einzelnen Bestandteile auch durchaus nennt. Aber wenn ich sein praktisches Handeln sehe, wenn ich sehe, dass er als Umwelt- und Energieminister über das Land zieht und den Betreibern immer weiter eine glänzende - irgendwo habe ich gelesen: eine strahlende - Zukunft Ihrer Atomkraftwerke verspricht, dann kann ich wirklich nur sagen: Das kann eigentlich nicht der Weg sein.

Herr Minister, ich will noch auf einen Punkt eingehen, der auch in der öffentlichen Debatte immer wieder zu hören ist, nämlich: Das sei ja gar kein Ausstieg. - Ich stelle zunächst einmal fest: Abgeschaltet ist abgeschaltet, und das ist gut so. Hoffen wir, dass die anderen schnell folgen.

Sie argumentieren immer, nur wirtschaftliche Gründe hättten für die Abschaltung gesprochen. Aber dann müssten Sie als Verfechter der reinen Marktwirtschaft doch dafür Sorge tragen, dass diese wirtschaftlichen Gründe auch einmal benannt werden. Bis heute werden die realen Kosten der Nutzung der Atomkraft nämlich nicht benannt. Genau aus diesem Grund würde ich mir wünschen, dass Sie die Dinge einmal klar benennen und nicht

immer nur mit Ihrem Energiemix kommen und ansonsten den Herrn von E.ON bitten, ob er nicht vielleicht doch mal eben ein neues Kraftwerk bauen könnte. Er hat Ihnen ja klar gesagt: Das brauchen wir überhaupt nicht. Letztendlich sind genügend Kapazitäten am Markt. Insofern haben Sie sich auch an dieser Stelle eine klare Abfuhr geholt.

Die letzte Minute meiner Redezeit möchte ich ausdrücklich für die FDP-Fraktion verwenden, weil meiner Meinung nach danach, was wir von der FDP-Fraktion immer an Freiheitsaspekten hören, den Menschen ihre Freiheit wiederzugeben - -

(Beifall bei der FDP)

- Es ist schön, dass gerade Sie von der FDPFraktion an dieser Stelle applaudieren. - Ich habe mich anlässlich Ihres Besuches in der Region Gorleben, in Lüchow-Dannenberg, gefragt, ob Sie eigentlich mit Ihren örtlichen FDP-Mitgliedern einmal über Ihren Freiheitsbegriff gesprochen haben.

(Zuruf von der FDP: Ja, intensiv!)

Ich habe insbesondere die permanente Beobachtung des Anwesens Ihres stellvertretenden FDPLandrates vor Augen, der in Lüchow-Dannenberg - übrigens auch mit meiner Stimme - gewählt worden ist. Mit ihm sollten Sie sich einmal über Freiheit unterhalten, über die Frage, wie er sich tatsächlich fühlt, und sich nicht nur über die prächtige Organisation verschiedener Maßnahmen freuen. Gehen Sie einmal zu den Menschen, die über Jahre und Jahrzehnte mit der Atomkraft im Kampf zu tun haben, und unterhalten Sie sich einmal mit denen über Freiheitsbegriffe! Ich meine, dann würden Sie hier solche Reden nicht mehr halten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank Herr Kollege. - Herr Dr. Rösler hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Harms, meiner Meinung nach ist das, was die Grünen in Stade veranstaltet haben, an Peinlichkeit und Zynismus kaum noch zu überbieten.

(Beifall bei der FDP)

Da sieht man sehr deutlich, wie Sie mit den Sorgen, Ängsten und Nöten der Menschen z. B. in Stade umgegangen sind. Das können Sie ganz toll feiern; Herr Trittin kann das ja sehr schön. Aber er drückt sich beispielweise vor einem niedersächsischen Symposium, um z. B. die Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland zu diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Daran erkennt man doch ganz klar seine inhaltliche Botschaft. Ich komme jetzt zur Sache, um Ihnen das einmal klar zu machen: Er hat ja gar nicht selbst das Atomkraftwerk abgeschaltet. Entschieden hat einzig und allein E.ON nur aufgrund wirtschaftlicher Kriterien. Sie haben gesagt, dass es sich nicht mehr rechnet. Die gute Nachricht - ich meine, das hätten Sie Ihren Wählern auch gleich mitteilen können - ist ja, dass die Restlaufzeit von Stade auf andere Atomkraftwerke übertragen wurde und somit die Kernenergie in Deutschland länger nutzbar bleibt. Ich hoffe, Sie haben das Ihren Wählern rechtzeitig mitgegeben.

(Beifall bei der FDP)

Meiner Meinung nach haben Sie eigentlich, was viel schlimmer ist, überhaupt kein Energiekonzept. Wo steht denn Ihr Konzept? Ich höre immer nur Herrn Clement, der sagt, wir bräuchten saubere Kohlekraftwerke! Wunderbar, das können wir unterstreichen. Wie er das machen will, das verrät er uns nicht. Ich höre immer Herrn Trittin, der seine Utopie von 50 % regenerativer Energien bis 2050 hat; wahrscheinlich muss man bei ihm 20 - 50 sagen. Aber wie er das erreichen will und welche Energieform tatsächlich die Kernenergie klimaneutral ersetzen soll, das scheint er uns zu verheimlichen. Er scheint es zu wissen, er möchte es uns aber nicht preisgeben.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen kann ich Sie nur auffordern, daran mitzuarbeiten, was wir als Ziel klar formuliert haben: Solange es keine echte Alternative gibt - Sie kennen auch die Prozentzahlen, was regenerative Energien momentan leisten können und was nicht -, sind wir auf einen technologieoffenen Energiemix angewiesen. Wir brauchen Kohle, Gas, Erdöl, genauso wie erneuerbare Energien, aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, sichere Atomkraftwerke.

Es war meines Wissens nach die SPD, die ursprünglich die Idee hatte, überhaupt in Deutschland Atomkraft mit dem Argument „Billiger Strom für alle“ zu nutzen. Das war damals Ihr Ziel, um letztlich die Kernenergie in Deutschland hoffähig zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum Schluss zu der Frage nach Freiheit. „Freiheit“ heißt für uns „Freiheit und Verantwortung“. Sie alle sitzen da - mein Alter wurde ja schon angesprochen - und haben sehr gut und sehr lange mit der Kernenergie gelebt. Ihnen muss doch klar sein, dass natürlich daraus Abfälle entstehen. Ich frage Sie: Wie wollen Sie - auch im Interesse der nachfolgenden Generationen - eigentlich mit den Abfällen umgehen? Sie sagen nur, was nicht geht, aber Sie sind überhaupt nicht dazu bereit, an einer Lösung mitzuarbeiten und eine Lösung für nachfolgende Generationen zu finden. „Freiheit“ heißt für uns „Freiheit durch Verantwortung“, und vor dieser Verantwortung scheinen sich SPD und Grüne an dieser Stelle zu drücken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Frau Harms, Sie haben noch eine Redezeit von bis zu einer Minute und 20 Sekunden. Bitte schön!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit wir wissen, worüber wir reden, wenn wir über die Strombranche reden: Der Konzern E.ON hat gestern bekannt gegeben, dass das Rekordbetriebsergebnis des Vorjahres - 3 Milliarden Euro im laufenden Jahr übertroffen werden wird. Wenn wir über Verantwortung am Energiestandort Stade reden, dann möchte ich das nicht tun, ohne auch die Verantwortung des Unternehmens, das dort mit hohem Risiko Rekordgewinne erwirtschaftet hat, zu thematisieren.

Herr Kollege Rösler, wir Grünen haben seit Jahren konsequent auf diesen Abschalttermin aufmerksam gemacht und ein neues energiewirtschaftliches Konzept für den Energiestandort Stade eingefordert. E.ON hat sich jeder Diskussion über die Zukunft des Energiestandortes verweigert. Ich halte das für falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meiner Meinung nach sind Sie noch nicht lange genug in diesem Landtag, um beurteilen zu können, ob wir ein energiewirtschaftliches Alternativkonzept haben oder nicht. Deswegen will ich Ihnen das nachsehen. Ich empfehle Ihnen aber, die Studie „Energie 2010“ zu lesen: rationelle Energieproduktion, effiziente Energienutzung und - als dritte Säule - konsequente Förderung der regenerativen Energien. Das ist - Sie können das detailliert nachlesen - unser Konzept für die Energiewirtschaft der Zukunft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt liegen tatsächlich keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe damit die Aktuelle Stunde, und wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 2: 6. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben Drs. 15/550

Es liegen dazu keine Änderungsanträge vor. Wortmeldungen sehe ich auch nicht. Meine Damen und Herren, wir kommen also zur Abstimmung.

Wer den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Damit haben wir den Tagesordnungspunkt „Eingaben“ für diesen Tagungsabschnitt abschließend behandelt. Die für Freitag vorgesehene Behandlung der strittigen Eingaben entfällt, da kein Änderungsantrag vorliegt; das ist logisch.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Deichgesetzes und des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/360 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/555

Die Empfehlung des Ausschusses lautet auf Annahme mit Änderungen.

Berichterstatter ist der Kollege Behr. Er hat das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der federführende Umweltausschuss schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf mit einigen Änderungen anzunehmen. Diese Empfehlung ist im Umweltausschuss einstimmig erfolgt, genauso wie das auch in den mitberatenden Ausschüssen geschehen ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich anmerken, dass der Landtag deutlich gemacht hat, dass er - wenn es die Situation erfordert - einen eingebrachten Gesetzentwurf sehr zügig beraten und dann darüber beschließen kann. Das möchte ich positiv hervorheben.

Meine Damen und Herren, die Änderung des Deichgesetzes ist durch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg erforderlich geworden. Diese hat der Erhebung von Beiträgen zur Unterhaltung der Deiche im Gebiet zwischen Elbe und Weser teilweise die Grundlage entzogen. Es war daher notwendig, im Deichgesetz eine weitere Kategorie von Deichen, nämlich Schutzdeiche, einzuführen. Schutzdeiche sind Deiche oberhalb eines Sperrwerks; sie dienen nicht dem Schutz vor Sturmfluten, sondern schützen vor dem Hochwasser, welches durch das Sperrwerk aufgestaut wird. Diese Änderung betrifft hauptsächlich § 2 Abs. 4 und § 7 Abs. 1 Satz 2. Damit ist dann allerdings eine ganze Reihe von Folgeänderungen in dem gesamten Deichgesetz verbunden. Hierzu schlägt Ihnen der Ausschuss lediglich einige redaktionelle Änderungen und Klarstellungen vor, die ich nicht näher erläutern möchte.