Protocol of the Session on November 14, 2007

(Beifall bei der SPD)

Wir reden über einen ungewöhnlichen Vorfall, über ein Unternehmen, für das es extra ein Gesetz gibt, meine Damen und Herren. Das hat historische Ursachen.

Volkswagen ist während des Faschismus mit beschlagnahmten Mitteln aus Gewerkschaftsvermögen aufgebaut worden. Volkswagen ist nach 1945 auf der Basis ungeklärter Eigentumsverhältnisse durch die Beschäftigten aufgebaut worden, und es hat bis 1959/60 gedauert, bis ein schwieriges Verfahren zu Ende gebracht werden konnte. Leider - so sage ich im Rückblick - ist damals nicht der gewerkschaftliche Vorschlag befolgt worden, aus Volkswagen eine Stiftung zu machen. Wenn das geschehen wäre, hätten wir die Probleme nicht, über die wir gegenwärtig reden.

(Beifall bei der SPD)

Man hat sich damals verständigt, eine Satzung und ein Gesetz zu machen. Zweierlei sollte gewährleistet bleiben, nämlich für das Land ein überproportional starker Einfluss und besonders ausgiebige Mitwirkungsrechte der Beschäftigten gerade wegen der Vorgeschichte, meine Damen und Herren.

Volkswagen ist in den letzten Jahrzehnten nicht trotz der Mitbestimmung, sondern - wie ich glau

be - wegen der Mitbestimmung zur Erfolgsgeschichte geworden, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Natürlich hat das den Marktradikalen in Deutschland und in Europa nie gepasst - das wissen wir -, und es ist ihnen leider ein Teilerfolg gelungen.

Selbstverständlich ist klar, dass die Entscheidung des EuGH zu akzeptieren ist. Sie ist der Erfolg dieser Marktradikalen, meine Damen und Herren. Aber ich sage gleichzeitig, es gibt überhaupt keine Veranlassung zu Verzagtheit, sondern der Kampf um Volkswagen, für die Qualität der Produkte und für die Mitbestimmung des Landes und der Beschäftigten wird weiter gekämpft - auf jeden Fall

durch uns. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei gilt es drei Dinge im Auge zu behalten, nämlich erstens die Mitwirkungsrechte des Landes auf jeden Fall zu sichern. Bei allem Respekt vor der Firma Porsche - ich habe das heute auch gelesen, meine Damen und Herren -, die Belange von Porsche sind nicht automatisch mit den Belangen des Landes Niedersachsen und der Beschäftigten in Niedersachsen identisch.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Deshalb haben wir kritisiert, dass vor eineinhalb Jahren die Möglichkeiten des Zukaufs nicht genutzt worden sind, und deshalb wollen wir weiter darauf drängen, dass auf jeden Fall - je nachdem, wie sich die Eignerstruktur entwickelt - die Mitwirkungsrechte des Landes auf Hauptversammlungen gewährleistet sind. Das haben wir in unseren Antrag geschrieben. Das ist aus Landessicht auch unabdingbar.

Wenn der Wirtschaftsrat der CDU und die niedersächsische FDP das anders sehen, dann überrascht uns das nicht, findet aber unseren schärfsten Widerstand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite, worauf ich hinweisen will: Wir haben Jahre erlebt,

(Glocke des Präsidenten)

in denen sich der Eigner Niedersachsen mit Teilen des Managements, des Aufsichtsrats und der Inte

ressenvertretung gerieben hat. Das muss endlich zu Ende sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Als dritter Punkt steht in unserem Antrag: Wir wollen, dass das Volkswagengesetz europarechtskonform weiterentwickelt wird. Das heißt, dass gegen die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat keine Entscheidungen über Verlagerungen von Produktionsstandorten getroffen werden. Das sehen wir, Herr Dinkla, wie Sie auch. Aber wir gehen einen Schritt weiter: Wir plädieren dafür, dass im VWGesetz auch der Firmensitz in Niedersachsen verankert wird. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich steht das Land Niedersachsen zu VW. Das wird heute wahrscheinlich sogar die FDP zu diesem von der CDU-Fraktion zur Aktuellen Stunde vorgelegten Antrag zu Protokoll geben. Aber wieso steht das für die CDU überhaupt infrage, sodass Sie heute diese Debatte auf die Tagesordnung gesetzt haben?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das Urteil des EuGH hat diesbezüglich zumindest überhaupt keine Zweifel gestreut.

Es gibt aber einige andere Gründe, die Sie wahrscheinlich dazu gebracht haben. Dabei geht es zunächst um Ihren Koalitionspartner, Herr Dinkla, Herr McAllister, dessen offenes Werben für den Verkauf des Landesanteils an VW hier heute offenbar medienwirksam in die Schranken gewiesen werden soll. Herr Rösler und Herr Hirche lassen sich aber sicherlich nicht davon abhalten, zumindest außerhalb dieses Hauses, weiter daran festzuhalten.

Für die Wählerinnen und Wähler ist doch klar: Wer 2008 eine weitere Machtoption für Schwarz-Gelb ermöglicht, muss damit rechnen, dass die VWAnteile den Privatisierungsgelüsten der FDP zum Opfer fallen.

(Zuruf von der CDU: Quatsch!)

Diese Flanke bleibt offen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Noch wichtiger ist heute für die CDU aber wohl das schnelle Übertünchen der Stimmen aus ihren eigenen Reihen, Herr Dinkla, die sich für einen Anteilsverkauf ausgesprochen haben. Astrid Hamker, immerhin die Landesvorsitzende Ihres CDU-Wirtschaftsrates, wurde Ende Oktober in der Presse zitiert:

„Mit dem Wegfall der Sonderstellung im Unternehmen ist die Notwendigkeit eines eigenen Aktienpaketes für Land nicht mehr gegeben.“

Diesen Misston aus Ihrer Partei, Herr Dinkla, bekommen Sie auch mit der heutigen Debatte nicht weg.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Damit aber nicht genug. Den größten Korrekturbedarf bei der öffentlichen Selbstdarstellung zu VW hat letztlich Ministerpräsident Wulff selbst. Mit seinem Versuch, in die Fußstapfen des „Autokanzlers“ zu treten und dabei eine persönliche Fehde mit Herrn Piëch anzufachen, ist er gründlich auf die Nase gefallen.

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

Sein Verhältnis zur grauen Eminenz im Hintergrund ist durch sein plumpes Agieren jetzt ebenso zerrüttet wie das zum Betriebsrat. Niedersachsen sitzt mit diesem Ministerpräsidenten bei VW nur am Katzentisch, und das nicht erst seit dem Urteil des EuGH.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Unsinn!)

Auch ohne 75 % Eigentumsanteil kann Herr Wiedeking für Porsche bei VW schon fast ungeniert durchregieren.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Glauben Sie eigentlich alles, was Sie sagen?)

Ich erinnere nur an Ihre Karmann-Blamage, Herr Wulff. Da sind Sie, ausweislich eines detaillierten Artikels in der WirtschaftsWoche, schon vor Monaten von Herrn Wiedeking im Aufsichtsrat ausge

bremst worden, als Sie sich dem Vernehmen nach bei VW für Karmann-Aufträge einsetzen wollten. Vor diesem Hintergrund sind Ihre markigen Aufforderungen in den vergangenen Wochen an die deutsche Automobilindustrie, Verantwortung für

den Erhalt der exzellenten Facharbeiterkompetenz bei Karmann zu übernehmen, in Wahrheit nur Pfeifen im Walde, Aufforderungen an sich selbst.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie sehr Ihr Verhältnis zu Herrn Wiedeking schon dem vom Koch zum Kellner nahe ist, zeigt ein Artikel der Financial Times von gestern. Dort heißt es, Porsche schiebe die Machtübernahme bei VW mit der Umsetzung seiner 50-%-Option aus politischen Gründen noch ein wenig auf; denn Ministerpräsident Wulff solle nicht vor der Landtagswahl düpiert werden. - Ich sage Ihnen: Respekt auf Augenhöhe hört sich anders an.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind wohl die wahren Gründe, warum wir auf Wunsch der CDU jetzt in der Aktuellen Stunde und nicht erst anlässlich des Antrages der SPD-Fraktion morgen Abend darüber reden, dass Niedersachsen zu VW steht. Wir haben bei uns sehr gründlich diskutiert und uns klar gegen die Versuchung „Anteilsverkauf à la FDP und zumindest auch Teilen der CDU“ entschieden.

Stärker, als dies bei anderen Landesbeteiligungen der Fall ist, ist die Automobilindustrie in einem sehr heftigen Standortwettbewerb auch innerhalb der Konzerne. Ein Verkauf der Landesbeteiligung wäre ein falsches Signal, das nicht ohne negative Folgen für die niedersächsischen Arbeitsplätze bleiben würde.