Protocol of the Session on October 19, 2007

Ich will an dieser Stelle abschließend Folgendes sagen: Natürlich sind wir für faire Wettbewerbsbedingungen. Aber der Wettbewerb ist eben nicht fair organisiert. Wenn die Dienste der Post von der Mehrwertsteuer befreit sind - immerhin sind das 19 %, das ist in etwa auch der Unterschied in den Tarifen -, während die Privaten Mehrwertsteuer zahlen müssen, dann ist das nicht fair, und die Privaten werden bei ihren Tarifen auch diesen Nachteil berücksichtigen müssen. Das ist aber nur ein Punkt unter mehreren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie es doch zu, dass Florian Gerster mit seinem Versuch, die privaten Arbeitgeber zu sammeln und eine Tarifverständigung zu erreichen, in der Debatte weiterkommt. Dann werden wir erleben, dass auch das Thema Mindestlohn im Briefzustellbereich in einem vernünftigen Verfahren geregelt werden kann. Aber auf dem von Ihnen aufgezeigten Weg wird das nicht möglich sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile Ihnen anderthalb Minuten, Herrn Hagenah.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Hirche, Sie haben dem Haus nicht die reale Situation bei den Einkommen im Postdienstbereich beschrieben. Ich darf einige Kernzahlen aus einem, wie ich fand, guten zusammenfassenden Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zitieren, wonach die Einkommen für Postzusteller bei der Deutschen Post zwischen 11 und 16 Euro liegen. In diesem Artikel wurde auch deutlich, dass die Tarife der Mitbewerber zwischen 30 und 60 % unter diesen durchschnittlichen Einkommen bei der Post liegen. Da ist also noch viel Luft zu den 19 % Mehrwertsteuer, die die Post nicht zahlen muss, weil sie eben flächendeckend von der Zugspitze bis zur Hallig ausliefert, was die Privaten nicht tun. Die Mehrwertsteuerbefreiung für die Post ist also tatsächlich ein notwendiger Ausgleich, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Genau an dieser Stelle setzt der jetzt vereinbarte Tarifvertrag an. Wenn Sie das mit den bei der Post gezahlten Löhnen vergleichen, werden Sie feststellen, dass diese mindestens 19 % und zum Teil sogar noch deutlich mehr - wenn es bis zu 16 Euro geht - oberhalb dessen liegen, was jetzt als Mindestlohn zu zahlen ist. Das ist genau der Teil aus meinem Redebeitrag von vorhin. Jetzt ist man tatsächlich beim Effizienzwettbewerb auf dem Postdienstsektor und nicht bei einem Dumpingwettbewerb. Ich finde es unsäglich, wenn da im Augenblick Unternehmen unterwegs sind, die ihre Postzusteller mit fünf oder sechs Euro bezahlen. Das sind hier bei uns in Deutschland keine aus sich selbst heraus auskömmlichen Löhne.

Herr Hagenah, Ihre Redezeit ist längst abgelaufen.

Davon kann man nur mit ergänzender Ausstattung, mit Hartz IV, leben. Das darf nicht unterstützt werden. Dafür braucht man Mindestlöhne. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat sich Herr McAllister gemeldet. Sie haben noch knapp vier Minuten alte Redezeit. Ich denke, dass das ausreicht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil eine Aussage der Kollegin Hartmann so nicht im Raum stehen bleiben kann. Frau Hartmann hat in ihrem Redebeitrag sinngemäß behauptet, die SPD nehme auf unternehmerische Entscheidungen derjenigen Betriebe, an denen sie beteiligt ist, keinen Einfluss. Liebe Frau Hartmann, ich darf Ihnen die Publikation von Andreas Feser mit dem Titel „Der Genossen-Konzern, Parteivermögen und Pressebeteiligungen der SPD“ zur Lektüre empfehlen. Ich zitiere jetzt einmal Frau Wettig-Danielmeier - Ihnen hinreichend bekannt - aus einem Interview vom 15. März 2000:

„Die SPD nimmt in den Gesellschaften, an denen die Partei beteiligt ist, selbstverständlich Einfluss auf den Wirtschaftsplan und die Besetzung der Geschäftsführung.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Leider, liebe Kollegin Hartmann, liebe Öffentlichkeit, ist das ja kein Einzelfall, sondern wir haben hier jemanden, der sich zu diesem Thema vor inzwischen elf Jahren schon einmal ganz dezidiert eingelassen hat. Er heißt Wolfgang Jüttner. Ich zitiere aus dem Nord-Report vom 25. Juni 1996:

„Im SPD-Bezirk Hannover wird darüber hinaus auch Plogs mangelnder Einsatz für die Interessen des ‚Unternehmens SPD‘ im Madsack-Verlag beklagt. Die Bundespartei ist mit gut 25 % der größte Anteilseigner in Niedersachsens bedeutendstem Zeitungsverlag,“

Dann schreibt Herr Jüttner in einem Schreiben an Frau Wettig-Danielmeier weiter wörtlich - so hat es der Nord-Report zitiert:

„Ein Ärgernis ist dabei offensichtlich auch das Bild der SPDLandesregierung, das in der HAZ gezeichnet wird. ‚Wir wünschen uns eine kritische Berichterstattung und haben Kritik auszuhalten, zumal dann, wenn Stichwortgeber und/bzw. Verursacher aus unseren Reihen kommen. Schwer auszuhalten ist jedoch, wenn Teile von Redaktionen ihren journalistischen Arbeitsplatz verlassen und sich

‚in Politikgestaltung üben‘ oder politische Persönlichkeiten systematisch zu ignorieren und auch zu desavouieren versuchen‘, schreibt der Bezirkschef. Jüttner äußerte die Vermutung, dass die HAZ-Redaktion die ‚Toleranzgrenze ihres größten Gesellschafters testen‘ möchte.“

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

„Er erinnerte die Bundesschatzmeisterin daran, dass sie bei einer SPDinternen Debatte um den Verkauf von Parteivermögen das Argument des ‚Einfluss-Sicherns‘ angeführt hat. Das habe sich jetzt zu bewähren, findet Jüttner und fordert umgehende personelle Konsequenzen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit. Ihre jungen Mitstreiter müssen wissen, was Sie für eine Vergangenheit haben. Wir werden das auch immer wieder thematisieren. Es gibt bei den Zeitungen des Madsack-Verlages ganz engagierte Journalisten, die kritisch und unabhängig Bericht erstatten. Sie können schreiben, was Sie wollen. Es ist unerträglich, dass eine politische Partei meint, Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu können, weil angeblich Tolerenzgrenzen ausgetestet werden sollten. Das ist das falsche Verständnis der SPD von Medienfreiheit in diesem Land.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Frau Hartmann, ich wollte Ihnen das nur sagen, damit Sie wissen, auf was für eine Mannschaft Sie sich da eingelassen haben. - Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich Ihre Zeichensprache richtig verstanden habe, möchte jetzt nicht Frau Hartmann reden, sondern Herr Jüttner. Bitte schön, Herr Jüttner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen jetzt noch ordentlich Begeisterung für

das Wochenende mitgeben. Es ist doch immer wieder schön, wenn man die alten Klamotten vorgetragen bekommt, Herr McAllister.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Immer wieder aktuell! Immer wieder aktuell!)

Ich halte es für möglich, dass Herr McAllister hier eben korrekt zitiert hat.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Zuruf: Ja!)

- Ja. Ich habe in der Tat einen solchen Brief geschrieben. Heute aber geht es hier um etwas anderes. Es geht heute um Mindestlohn. Sie wollen ablenken. Das ist schon klar. Das hat Frau Hartmann eben deutlich gemacht. Darauf, Herr Hirche, werden wir in nächster Zeit immer wieder zurückkommen. Sie sind sich nicht einig. Das ist deutlich geworden. Herr Wulff erweckt den Eindruck, er sei für Mindestlohn. Herr Hirche aber will das auf keinen Fall. Dieses Spielchen machen Sie weiter. Wir werden Sie bei jeder Gelegenheit darauf ansprechen. Davon können Sie ausgehen.

(Beifall bei der SPD)

Das war das Thema heute.

Ich möchte Ihnen jetzt aber auch zu der anderen Bemerkung noch etwas sagen. Es war schon beeindruckend, wie Sie vorhin gegrölt haben, als Frau Hartmann geredet hat. Einmal unterstellt, es wäre mir - hätte ich es denn gewollt - geglückt, bei Madsack zu intervenieren, dann hätten Sie hier mit noch größerer Lautstärke rumgegrölt und gefragt, was das eigentlich für eine Art ist, in das wirtschaftliche Leben eines Unternehmens einzugreifen.

(Zurufe von der CDU)

Sie können gerne kritisieren - das steht Ihnen frei -, dass ich der Schatzmeisterin mitgeteilt habe, wen sie in den Aufsichtsrat schicken soll. Das aber ist unsere Geschichte, über die wir reden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich möchte den Damen und Herren von der CDU einmal sagen, dass Sie - egal, was man macht - immer eine Gelegenheit finden, sich darüber zu ereifern. Entweder hat man sich medienpolitisch falsch verhalten, oder man hat sich unternehmenspolitisch falsch verhalten. Wir gucken nicht hinter Ihre Kulissen, um zu sehen, was da alles los ist.

(David McAllister [CDU]: Wir haben keine Medienbeteiligung!)

- Achdujemine! - Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir mit den Unternehmen, an denen die SPD beteiligt ist, wirtschaftlich angemessen umgehen und dass Eingriffe in das operative Geschäft nicht stattfinden.

Im Übrigen möchte ich noch einmal auf Folgendes hinweisen, weil Sie ja so schlau sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Ja, Herr Biallas hat für ironischen Unterton noch nie Verständnis gehabt. Das ist in der Tat richtig. Das können Sie nicht ermessen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Weil ich immer ein ernsthafter Typ bin! Ich gehe ja zum Lachen in den Keller!)

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Das Unternehmen PIN, an dem auch Madsack beteiligt ist, wie Sie wissen, wird zu mehr als 70 % vom Springer-Verlag kontrolliert. Unsere Einwirkungsmöglichkeiten bei Springer liegen wahrscheinlich bei null. Ihre sind vielleicht besser.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich noch einmal Minister Hirche gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Hirche.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, Ihre Nervosität, die immer dann auftritt, wenn Herr McAllister hier zitiert, sollte nicht so weit führen, dass Sie versuchen, das, was fünf Minuten vorher gesagt worden ist, zu verdrehen. Lesen Sie das im Text - ich möchte es jetzt auch nicht überspitzen - bitte nach. Sie haben hier versucht zusammenzufassen, Herr Wulff sei für Mindestlöhne, während ich - wie Sie gesagt haben - auf keinen Fall dafür sei. Ich habe vorher aber etwas anderes gesagt. Ich habe mich darauf konzentriert, dass dieser Vorschlag für einen Mindestlohn auf eine Art und Weise zustande gekommen ist, die nicht den Markt abbildet, die nicht die Privaten einbezogen hat, sondern ausschließlich auf die Post und die Gründung eines Arbeitgeberverbandes von dort aus abstellt. Meine Damen und Herren, das alles

können Sie in dem Zeit-Artikel sehr schön nachlesen.

(Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD])

- Herr Möhrmann, ich möchte mir von Herrn Jüttner - obwohl er es nur fünf Minuten vorher hätte hören können - keine falschen Dinge unterjubeln lassen.