Ich will an dieser Stelle auch bekennen, dass ich versuchen werde, alles zu tun, um diesen Weg einer verstärkten Autonomie weiter voranzubringen, weiter damit voranzuschreiten. Ich bin nämlich der tiefen Überzeugung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass eine weitestgehende Autonomie unserer Hochschulen auch zu mehr Wettbewerb führt und dass mehr Wettbewerb immer auch zu mehr Qualität führt. Eine weiter gehende Autonomie kann natürlich nur dann funktionieren, wenn wir gleichzeitig den Mut zu mehr Entbürokratisierung haben.
Ich will auch Folgendes sagen. Es hat mich einigermaßen erschüttert - Kollege Oppermann, Sie werden das ähnlich sehen wie ich -, was geschieht, wenn es etwa um das Auswahlrecht der Hochschulen geht. Sie wissen, dass wir in der Kultusministerkonferenz nach vielen Jahren zu einem Ergebnis gekommen sind, indem alle einstimmig gesagt haben, es sollen zwei Modelle sein, zwischen denen die Länder auszuwählen haben. Wir haben uns für das Modell 1 entschieden, nämlich 50-prozentiges Auswahlrecht. Dass dann an einer solchen Stelle die Kollegin Bulmahn in Berlin erneut blockiert, verfassungsrechtliche Bedenken vorschiebt und quasi einen einstimmigen Beschluss der KMK, der letztlich auch zu mehr Autonomie an den Hochschulen führen soll, erneut unterminiert, kann ich überhaupt nicht begreifen. Das zeigt, dass in Berlin immer noch zu viel Ideologie im Hintergrund ist.
Sie haben aber auch in der Hochschulfinanzierung und auch etwa beim Ausbau der Fachhochschulen durchaus richtige Wege beschritten. Auch das will ich an dieser Stelle sagen. Ich bin dankbar dafür, dass wir heute, gerade wenn es um die Optimierung unserer Hochschullandschaft geht, darauf zurückgreifen können, bei der Qualitätsbeurteilung durch die Einrichtung der ZeWA und der Wissenschaftlichen Kommission einen richtigen Schritt in die richtige Richtung getan zu haben. Das ist im bundesweiten Vergleich nach wie vor vorzeigbar. Ich glaube, es gehört auch dazu, dass man es an dieser Stelle einmal so sagt. Wir wollen diesen Weg weiter gehen. Wir werden insbesondere, was die Frage der Autonomie und was die Frage des Qualitätsmanagements anbelangt, weitere Schritte in diese Richtung gehen, die auch notwendig sind.
Vor den wirklich notwendigen Strukturentscheidungen - das will ich allerdings auch sagen - haben Sie sich in den letzten 13 Jahren im Wesentlichen gedrückt. Das ist nicht einfach, meine Damen und Herren; das merke ich jetzt natürlich jeden Tag. Ich kann hinkommen, wohin ich will - gestern Abend war das auch der Fall -, ich treffe auf Leute, die Angst haben, die zu vermeintlich Betroffenen gehören und die natürlich ihren Protest formulieren. Das ist menschlich alles nachvollziehbar. Das mache ich niemandem zum Vorwurf. Ich weiß auch, dass wir Menschen, auch wir Politiker, dazu neigen, Probleme so lange vor uns herzuschieben, bis es eben nicht mehr anders geht, weil die Lösung von Problemen, soweit sie mit Strukturentscheidungen verbunden ist, häufig auch zu Ärger führt; und keiner von uns hat gerne Ärger.
In den 13 Jahren, in denen Sie für die Bildungspolitik verantwortlich waren, haben Sie sich vor diesen Entscheidungen gedrückt. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich schon vor fünf Jahren zusammengesetzt und gefragt hätte: Wie soll denn unsere Hochschullandschaft bei weniger werdenden Mitteln, bei weniger werdenden Ressourcen z. B. in fünf Jahren aussehen? Es war abzusehen, dass die Grenzen der staatlichen Hochschulfinanzierung schnell erreicht werden würden.
Mein Amtsvorgänger hat an ihn gerichtete Fragen zur Strukturänderung, Umschichtung vor Beginn des Generationswechsels in bestimmten Fällen mit „weiter so“ beantwortet. Er hat deshalb der Mehrzahl der Professorenstellen auf Dauer wieder zu einer Besetzung verholfen. Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir heute in vielen Bereichen einen geringeren Spielraum, weil junge Professoren diese Stelle 15 bis 20 Jahre ausfüllen und wir nunmehr in diesen Bereichen weniger Flexibilität zur Verfügung haben. Das waren verpasste Chancen der Profilschärfung der niedersächsischen Hochschulen. Wir müssen sie jetzt vornehmen, wo immer dies möglich ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf die neueste OECD-Studie zurückkommen. Warum ist denn der Akademikeranteil in Deutschland so gering? - Wir haben lange Studiengänge mit langen Studienzeiten und entsprechend alte Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Die hohen Abbrecherquoten sprechen für sich, die hohen Fachwechselquoten übrigens auch. Das Hochschulsystem hat sich immer noch nicht darauf eingestellt, dass inzwischen mehr als ein Drittel eines Altersjahrganges ein Hochschulstudium aufnimmt.
Längst noch nicht alle Hochschulen haben leider realisiert, dass mehr als 80 % auch der Studierenden an Universitäten eine gut strukturierte und hoch qualifizierte Berufsausbildung erwarten.
Was wir somit dringend brauchen - da waren die Vorgängerregierungen nicht besonders reformfreudig -, ist der Mut zu einer zügigen flächendeckenden Studienstrukturreform.
Die Erwartungen der jungen Menschen an ihre berufliche Ausbildung sind so unterschiedlich, meine Damen und Herren, wie ihre individuellen Lebensentwürfe. Wenn sich früher jemand dazu entschloss, Ingenieur zu werden, dann wusste er - meistens waren es ja Männer -, dass er in ca. fünf Jahren seinen Abschluss und dann sein Leben lang eine hoch dotierte Position, meistens sogar in ein und demselben Unternehmen, haben würde. Damit war man dann durchaus zufrieden.
Heute ist dies völlig anders. Ich brauche das hier nicht besonders zu erläutern. So unterschiedlich und mannigfaltig sich heute die Qualifikationsanforderungen der Arbeitswelt stellen und übrigens verändern, so unterschiedlich sind auch die Wünsche der jungen Menschen an ihre berufliche Ausbildung, also auch an ihre Hochschulausbildung. Hier die gebotene Vielfalt nicht geschaffen zu haben, darin liegt ein Versäumnis der Hochschulpolitik in der Vergangenheit,
Hierzu einige dringende Anforderungen. Heute und morgen tagt in Berlin die Zweite BolognaFolgekonferenz. Auf den so genannten BolognaProzess haben sich 1999 29 europäische Länder verständigt. Inzwischen wirken 33 Staaten mit. Alle haben vereinbart - und das in enger Zusammenarbeit mit den Hochschulen -, bis zum Jahre 2010 einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Darin soll durch die gegenseitige Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen über ein Leistungspunktesystem - European Credit Transfer System ECTS - die Strukturierung des Studiums durch Module, die inhaltliche Beschreibung des Studiums und eine entsprechende Qualitätssicherung über Evaluation und Akkreditierung von Studiengängen die Mobilität der Studierenden, aber auch der Lehrenden gesichert und gefördert wer
den. Auf dem Weg sollen die europäischen Hochschulen in die Lage versetzt werden, den Erwartungen der Wissenschaft, der Studienbewerberinnen und -bewerber, aber auch des Arbeitsmarktes besser entsprechen zu können.
Um der künftigen Rolle Niedersachsens in dem vergrößerten, zusammenwachsenden Europa gerecht zu werden, meine Damen und Herren, ist eine zügige Umstellung des gesamten Studienangebotes auf die Bachelor-Master-Struktur ein Gebot der Stunde. Das haben wir uns mit allem Nachdruck vorgenommen. Der Bachelor nach drei bis vier Jahren muss für die meisten Studierenden der Regelabschluss werden. Das entspricht auch den Erwartungen der jungen Menschen. Nach einer Berufsphase, aber auch im Zuge von lebensbegleitendem Lernen müssen danach Zusatzqualifikationen erworben werden können. Deshalb müssen sich die Hochschulen auf dem Weiterbildungsmarkt engagieren. Damit ist es, wie nationale und internationale Beispiele zeigen, auch möglich, Geld zu verdienen.
Warum geschah das bisher nur so wenig? - Offenbar gab es zu wenig Anreize bei uns in Niedersachsen und in der Bundesrepublik Deutschland. Strukturreform in den Hochschulen heißt auch, nicht alle Hochschulen können allen Fächern Bachelor- und Master- und eventuell auch Promotionsstudiengänge anbieten. Aufgrund der Differenzierung der Wissenschaften und der Kosten für Wissenschaft ist bereits seit geraumer Zeit weltweit keine Universität mehr in der Lage, alle Fächer in allen ihren Ausdifferenzierungen in sich zu vereinigen. Das gilt selbstverständlich auch für die niedersächsischen Universitäten. Profilschärfung durch Schwerpunktbildung und Arbeitsteilung einerseits und fächer- und hochschulübergreifende Kooperationen andererseits sind dringend gefordert. Das heißt, meine Damen und Herren, Profilbildung in den Bereichen, in denen die Hochschulen wirklich gut sind: Stärken stärken, Schwächen abbauen, weil wir uns die Schwächen nicht mehr leisten können. Das ist das, was wir damit meinen, wenn wir von „Ballast abwerfen“ sprechen.
Die Hochschulpolitik der vergangenen Jahre hat auch zu viel Mittelmaß geführt. Zu wenige Bereiche konnten sich exzellent entwickeln. Wo sind die wirklich herausragenden Leuchttürme? - Sicherlich, es gibt sie in der Forschung, es gibt sie vor allem in Göttingen,
das sich in den letzten fünf Jahren über so manches an zusätzlichen Drittmitteln freuen konnte, übrigens auch außerhalb des Wettbewerbs. Aber es gibt sie auch in Braunschweig, es gibt sie in Hannover, in Osnabrück und in Oldenburg und an anderen universitären Standorten.
Ich halte die niedersächsische Hochschullandschaft nach wie vor für eine Hochschullandschaft, die sich sehen lassen kann. Auch daran will ich überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen. Aber eines ist unstreitig, und das zeigen die Rankings der letzten Monate: Wir sind nicht besser, sondern wir sind schlechter geworden, und deshalb müssen wir wieder besser werden.
Wir wollen mehr Spitzenleistungen. Dazu müssen wir in Zeiten knapper Mittel eben auch Ballast abwerfen. Das heißt, wir müssen Schwerpunkte setzen und uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Ich weiß, dass das leichter gesagt als getan ist, denn es bedeutet abzubauen, es bedeutet Verzichtplanung zu betreiben, Studiengänge zu zerschlagen oder zu schließen, sofern sie nicht wettbewerbsfähig sind. Wettbewerber sind aber nicht nur die jeweils anderen Hochschulen des Landes, sondern es sind die international aufgestellten Hochschulen, es ist die internationale wissenschaftliche Konkurrenz.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch die drei Fragen, die Sie uns in der Dringlichen Anfrage gestellt haben, in aller Kürze aus heutiger Sicht beantworten:
Erstens. Das hochschulpolitische Konzept der Landesregierung habe ich in Grundzügen dargelegt, soweit es der zeitliche Rahmen erlaubt.
Zweitens. Seine Konkretisierung wird derzeit mit den Hochschulleitungen ausgehandelt. Hierbei wurde Vertraulichkeit vereinbart. Ich bitte um Nachsicht; es ist zumindest mein Stil und mein Prinzip, dass ich mich daran halte, wenn man Vertraulichkeit vereinbart. Welche Konsequenzen sich daraus für die einzelnen Standorte ergeben, wird das Gesamtkonzept zeigen. Da die Hochschulen in
ihrem Kooperationsverhalten aber durchaus unterschiedlich sind - das räume ich ein - und zum Teil nicht bereit oder in der Lage zu sein scheinen, den sich durch den parlamentarischen Ablauf der Haushaltsberatungen ergebenden Zeitplan einzuhalten oder mitzugehen, kann ich natürlich nicht ausschließen, dass letztlich als Ergebnis auch Vorschläge zu Strukturveränderungen oder Stellenkürzungen vorliegen werden, die nicht mit den Hochschulen im Konsens erarbeitet werden konnten.
Drittens. Wer zu Beginn dieses Umstrukturierungsprozesses behaupten würde, bereits abschließend das Optimum definieren zu können, wie in Ihrer Anfrage gefragt, verkennte nach meinem Dafürhalten eindeutig die Zeitachse, auf der sich Hochschulen und Wissenschaft entwickeln. Optimierung ist ein dynamischer Prozess, der nicht mit Beginn des Haushaltsjahres 2004 aufhört, sondern diesen Prozess müssen wir ständig mit allem Nachdruck begleiten. Ich sage an dieser Stelle außerordentlich deutlich, dass sich derjenige, der meint, er könne sich auf vermeintlicher Optimierung, auf vermeintlichen Erfolgen ausruhen, so wie es in der Vergangenheit häufig geschehen ist, zukünftig getäuscht hat. Wir werden und wir müssen stärker auf das achten, was sozusagen unter Leistung zu subsumieren ist. Ohne dieses Qualitätsmanagement, ohne ständiges Benchmarking zwischen den handelnden Akteuren werden wir in allen Bereichen, insbesondere aber im Bereich unserer Hochschulen und unserer Wissenschaftslandschaft, künftig nicht wirklich erfolgreich agieren können.
Sobald die strukturellen Überlegungen mit den Hochschulen zu einem vorläufigen Abschluss gelangt sind, werde ich die Landesregierung und selbstverständlich das Parlament darüber informieren. Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass wir uns bei allen inhaltlichen Unterschieden, die wir sicherlich haben, zumindest in einem einig sind - ich glaube, das hat der gestrige Tag, vielleicht auch unterschiedlich in der Ausformung, deutlich gemacht -: Der Glaube, dass wir mit der Forderung, schlicht und einfach mehr Geld zur Verfügung zu stellen, die Probleme in den Griff kriegen würden, ist ein Glaube, der mit der Realität nichts mehr zu tun hat. - Wenn wir uns in dieser Frage einig wären, dann hätten wir einen gewaltigen Schritt in eine Richtung getan, die es uns erlaubte, gemeinsam über die notwendigen Strukturverände
Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich diesbezüglich keineswegs dogmatisch bin, sondern allen vernünftigen Vorschlägen offen gegenüberstehe. Ich würde mich darüber freuen, wenn wir in einen solchen echten Diskurs einträten und uns nicht ständig mit der schlichten Forderung, es müsste mehr Geld her, gegenseitig das Leben schwer machten.
Dies verkennt schlicht und einfach die Realität. Ob uns das passt oder nicht: So ist das eben. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Minister, vielleicht ist es möglich, dass man dann, wenn man selbst an der Regierung ist, das vermeidet, was man in der letzten Legislaturperiode an der Regierung kritisiert hat. Sie haben fast ein Drittel der gesamten Redezeit der Dringlichen Anfragen benutzt. Es liegt in Ihrem Ermessen, darüber nachzudenken, ob man die Fragen kürzer beantworten kann. Ich persönlich empfinde es als nicht fair gegenüber dem Parlament, wenn Ihre Ausführungen so viel Zeit in Anspruch nehmen.
Herr Ministerpräsident Wulff, Sie haben - so kann man es jedenfalls der Presse von heute entnehmen - Ihre Entscheidung zum Fachhochschulstandort Goslar noch offen gelassen. Meine Frage: Von welchen Kriterien wollen Sie eine endgültige Entscheidung in dieser Frage abhängig machen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens. Die Fragen sind deshalb kompliziert, weil 50prozentige Mittel des Bundes voraussetzen, dass der Wissenschaftsrat eine positive Stellungnahme abgibt. Die Kriterien des Wissenschaftsrates sind hoch; das wissen alle. Zweitens ist bisher Grundlage einer Ausbauplanung am Standort Goslar gewesen, dass sich der Senat der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel/Wolfsburg/Salzgitter für eine Verlagerung eines Fachbereiches von Wolfenbüttel nach Goslar ausgesprochen hatte, nachdem die Planung des Fachbereiches Bioengineering aus dem Jahre 2001 verworfen wurde. Dieser Senatsbeschluss hat momentan keine Bestandskraft, sodass die Probleme größer geworden sind.
Drittens zieht sich der Bund aus der Hochschulfinanzierung zurück. Frau Harms, Ihre grüne Bundestagsfraktion wird bei der Verabschiedung des Bundeshaushaltes gefordert sein, zu entscheiden, ob man die Mittel für den Hochschulausbau in Deutschland, aus der sich der Bund jetzt einseitig zurückzieht, tatsächlich von 1,1 Milliarden Euro auf erheblich unter 1 Milliarde Euro verringern will.