Protocol of the Session on September 18, 2003

Kultusminister Bernd B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Walter H i r c h e (FDP)

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n

Umweltminister Hans-Heinrich S a n d e r

Beginn: 9 Uhr.

Geburtstag hat heute der Abgeordnete Karsten Heineking; er wird 42 Jahre jung. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 13 - Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 19.40 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Von der Fraktion der SPD hat sich für heute Nachmittag ab 16 Uhr der Abgeordnete Gabriel entschuldigt.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 13: Dringliche Anfragen

Die Fraktion der FDP hat ihre Anfrage zurückgezogen, sodass noch zwei Dringliche Anfragen vorliegen.

Ich rufe auf

a) Hochschulplanung der Landesregierung Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/413

Dazu hat sich Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajić zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Nachtragshaushalt 2003 musste von den niedersächsischen Hochschulen ein Einsparvolumen von 20,5 Millionen Euro erbracht werden. Im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2004 hat die Landesregierung den Hochschulen weitere Einsparvorgaben in Höhe von 40,6 Millionen Euro auferlegt. Davon sollen 20 Millionen Euro nach dem so genannten Rasenmäherprinzip linear erbracht werden, 6 Millionen Euro von den Stiftungshochschulen „nachholend“ erwirtschaftet werden und die restlichen 14,6 Millionen Euro nach „strukturellen Erwägungen“ eingespart werden. Über diese sollen die Hochschulen in Zusammenarbeit mit dem MWK entscheiden. Ergebnis dieser Verhandlungen soll zudem ein „Zukunftsvertrag“ respektive ein „Hochschuloptimierungskonzept“ sein, das den Hochschulen nach Aussage von Wissenschaftsminister Stratmann mittelfristig weitere Kürzungen ersparen soll. Ministerpräsident Wulff kündigte daraufhin an, den „Vorschlag“ eines Zukunftsvertrages seines Ministers „sehr genau zu prüfen“.

Insgesamt werden die Kürzungen im Hochschuletat vonseiten des Ministeriums als „intelligentes und Struktur verbesserndes Sparen“ bezeichnet. Wörtlich sagte Minister Stratmann: „Im konstruktiven Dialog insbesondere mit unseren Universitäten und Fachhochschulen werden wir deren Leistungsfähigkeit verbessern, indem wir Ballast abwerfen.“ Bisher ist das hochschulpolitische Konzept der Landesregierung jedoch nicht öffentlich geworden. Stattdessen kursieren an den verschiedenen Hochschulstandorten Gerüchte über Stellenabbauvorhaben, mögliche Verlagerungen und Schließungen von Fachbereichen sowie Standorten und sorgen für erhebliche Unruhe unter den Beschäftigten und Studierenden. Darüber hinaus hat Wissenschaftsminister Stratmann allen in der Diskussion stehenden Standorten eine Bestandsgarantie bis 2004 gegeben, dabei aber stets darauf hingewiesen, dass dies keine „Ewigkeitsgarantie“ sei.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie sieht das hochschulpolitische Konzept der Landesregierung im Detail aus?

2. Welche Konsequenzen hat dieses Konzept im Detail für die einzelnen Standorte?

3. Wie viel „Ballast“ im Gegenwert von wie vielen Millionen Euro müssen die Hochschulen in welchem Zeitraum nach Ansicht der Landesregierung noch abwerfen, bis sie das Optimum ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben?

Die Antwort erteilt der Kultusminister. Herr Stratmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, wenn ich mir die Korrektur erlauben darf: Ich bin Kulturminister und für die Wissenschaft zuständig.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Heinen, zunächst möchte ich etwas richtig stellen: Den niedersächsischen Hochschulen muss, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2004, eine Einsparauflage - ich spreche eigentlich lieber von Kürzungsauflage - in Höhe von 40,6 Millionen Euro auferlegt werden, die - das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen alleine unter Strukturgesichtspunkten erbracht werden muss. Denn die Zeit der Kürzungen nach Art des Rasenmähers ist vorbei.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit würden großflächige Dauerschäden hervorgerufen. Wir würden flächendeckende Mittelmäßigkeit erzeugen. Die Verhandlungen mit den Hochschulen über die notwendigen strukturellen Eingriffe haben bereits Ende Juni 2003 in Einzelgesprächen mit allen Hochschulleitungen begonnen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Aufgrund der Ergebnisse und der Eckpunkte der mittelfristigen Finanzplanung werden seit Ende letzter Woche in einem sehr engen Zeitplan multilaterale Gespräche mit den Hochschulen zur Abstimmung über Fächerprofile geführt. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Konkrete Strukturmaßnahmen zeichnen sich aber bereits ab. Ich kann dem Verhandlungsergebnis nicht vorgreifen und muss deshalb heute auf eine Nennung von Einzelheiten verzichten.

Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer grundlegenden Neuordnung unseres Hochschulsystems. Diese ist nach meinem Dafürhalten auch

notwendig. Die vorgestern veröffentlichte OECDStudie bringt es einmal mehr zum Ausdruck: In Deutschland ist die Quote der Personen mit einem Hochschulabschluss im Beschäftigungssystem zu gering; mit knapp 20 % liegt sie weit unter dem Mittelwert vergleichbarer OECD-Länder.

(Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD])

- Ich komme gleich darauf. - Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass in den meisten OECD-Ländern weite Bereiche der hochqualifizierten Berufsausbildung, die bei uns, meine Damen und Herren, im dualen Berufsausbildungssystem stattfinden, Teil des Hochschulsystems sind.

(Beifall bei der CDU)

Das muss man immer wieder erwähnen, wenn man schlicht die Zahlen miteinander vergleicht. Das relativiert die Ergebnisse, wie alle Kundigen wissen. Man muss natürlich besonders aufhorchen, wenn die OECD-Studie zu dem Schluss kommt, dass die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes im Zusammenhang mit den Mängeln im Bildungssystem - in Schulen und Hochschulen - stehen. Das ist auch gestern bereits erwähnt worden und muss uns sehr zu denken geben.

Besonders auffällig ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Anteil an Absolventen langer Studiengänge hat, in den kürzeren und praxisorientierten Studiengängen aber trotz aller Leistungen der Fachhochschulen deutlich ins Hintertreffen geraten ist. In dieser Situation wäre es sicherlich hilfreich - ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt in diesem Hause auch niemanden, der das anders sieht -, mehr Geld für den Hochschulbereich zur Verfügung zu haben. Wie jeder von Ihnen weiß, können wir das aber nun einmal nicht zusätzlich zur Verfügung stellen. Das ist die Realität, die wir nicht negieren können. Wir könnten dann natürlich die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen kräftig ausbauen. Wir könnten Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung finanzieren. Es ist aber erstens sehr fraglich - das zeigen die Haushaltsberatungen -, ob mehr Geld zur Verfügung gestellt werden kann. Das ist in den kommenden Jahren mit Sicherheit nicht der Fall. Zweitens ist es aber auch fraglich, meine Damen und Herren, ob ausschließlich mehr Geld die unbestreitbaren Probleme lösen könnte.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Weniger natürlich!)

Hinzu kommt, dass die Zeiten anders sind. Anstatt mehr Mittel zu haben, müssen wir bei den Hochschulen mit weniger Geld auskommen und zugleich mehr leisten. Das Prinzip „Do more with less“ ist etwas, was nicht nur in Deutschland zurzeit auf der Tagesordnung steht.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Da habe ich bei OECD aber etwas anderes ge- lesen!)

- Dies ist eine Botschaft, liebe Kollegin Harms, die im internationalen Vergleich den Hochschulen überhaupt nicht unbekannt ist. Wir müssen kürzen, übrigens auch gerade im Interesse der jungen Generation, wenn wir unser Land zukunftsfähig machen wollen - im Hochschulbereich, wie bereits erwähnt, immerhin 40,6 Millionen Euro im kommenden Jahr, ob uns dies passt, ob uns dies gefällt oder nicht. Wir können die Realitäten nicht vom Tisch wischen.

Es ist immer sehr einfach - so auch gestern häufig geschehen -, nach mehr Geld zu rufen. Schwierig dagegen ist es, mit weniger Mitteln auszukommen und dabei das Hochschulsystem leistungsfähiger zu machen. So ist auch der Begriff vom „intelligenten Sparen“ oder „Sparen durch Gestalten“ zu verstehen. Auch das Abwerfen von Ballast muss darunter subsumiert werden. Ich komme darauf gleich zu sprechen.

Meine Damen und Herren, der Zwang zum Kürzen hat natürlich auch seine guten Seiten. Mehr und bessere Bildung bedeutet eben nicht automatisch auch mehr Geld. Reformdruck und Reformkraft wachsen durch Knappheit der Mittel enorm. Dies ist übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur eine theoretische Behauptung, sondern auch praktische Erfahrung, wenn wir etwa ins Ausland sehen. Die in Europa beispielhaften Hochschulen in den Niederlanden und in Finnland haben ihre Strukturveränderung im Gefolge dramatischer Kürzung der staatlichen Mittel vor 10 bis 15 Jahren erfolgreich vorgenommen.

Ich kann auch, an die Opposition gerichtet, Folgendes durchaus einräumen, lieber Herr Kollege Oppermann. Sie haben 13 Jahre lang die Verantwortung für Bildungs- und Wissenschaftspolitik in unserem Land getragen. Sie haben dabei - ich habe überhaupt kein Problem damit, das auch zuzugeben - nicht nur schlechte Ergebnisse vorzuweisen, etwa bei der Änderung der inneren Struk

tur der Hochschulen und der Stärkung ihrer Autonomie.

Ich will an dieser Stelle auch bekennen, dass ich versuchen werde, alles zu tun, um diesen Weg einer verstärkten Autonomie weiter voranzubringen, weiter damit voranzuschreiten. Ich bin nämlich der tiefen Überzeugung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass eine weitestgehende Autonomie unserer Hochschulen auch zu mehr Wettbewerb führt und dass mehr Wettbewerb immer auch zu mehr Qualität führt. Eine weiter gehende Autonomie kann natürlich nur dann funktionieren, wenn wir gleichzeitig den Mut zu mehr Entbürokratisierung haben.