Insbesondere dieser Bewertung, aber auch weiteren Ergebnissen und Bewertungen im Detail haben sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht anschließen können. Vielmehr haben sie einen eigenen, von dem Bericht des Ausschusses abweichenden Bericht erarbeitet, der sich in seinem das Verfahren beschreibenden Teil nur in einzelnen Ergänzungen vom Bericht des Ausschusses unterscheidet, im Übrigen den Text des Berichtes übernimmt, hingegen in seiner gesamten Würdigung des Untersuchungsergebnisses zu der Auffassung gelangt, dass das niedersächsische Wirtschaftsministerium die ihm obliegende Aufgabe der Fachaufsicht über die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr offensichtlich nur unzureichend wahrgenommen habe. Mängel bei der Überwachung der Einhaltung der Betriebsvorschrift in Lathen durch den TÜV fielen als Organisationsverschulden auf das Land zurück. Das Land habe seine Pflicht zur Gefahrenabwehr nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen. Hieraus folge, dass der Ministerpräsident den Wirtschaftsminister Hirche zu entlassen habe. Dem bisherigen Betreiber sei wegen offenkundig gewordener Unzuverlässigkeit keine neue Betriebsgenehmigung zu erteilen. Die Prüfung der Einhaltung der Betriebsgenehmigung sei dem Eisenbahn-Bundesamt zu übertragen, und die Organisationsstruktur, die Kontrolle, die technischen Vor
gaben und die Betriebsvorschriften müssten überarbeitet und korrigiert werden. Schließlich üben SPD und Bündnis 90/Die Grünen an der Ausschusswürdigung des Untersuchungsergebnisses Kritik.
Ich gehe davon aus, dass diese unterschiedlichen Standpunkte in der anschließenden Debatte von den Sprechern der Fraktionen noch einmal herausgearbeitet werden, wobei ich davon ausgehe, dass diese Debatte wie die gesamte Untersuchungstätigkeit des Untersuchungsausschusses verantwortungsvoll unter dem Eindruck der nicht zu verdrängenden Bilder des Unglückes auf der Teststrecke am 22. September 2006 erfolgen wird. Die Ausschussmitglieder jedenfalls waren nach dem Ansehen und Anhören der multimedialen Ablaufdarstellung unter Verwendung der originalen Sprachaufzeichnungen, welche die Staatsanwaltschaft hatte erstellen lassen, außerordentlich bewegt und vom Ablauf der an eine griechische Tragödie erinnernden Zwangsläufigkeit des Aufpralles nach der versehentlichen Freigabe der Strecke für das Transrapid-Fahrzeug durch die Fahrdienstleiter tief betroffen.
Letztlich, so die Ermittlungsergebnisse, war Ursache des Unfalls die Verkettung der menschlichen Fehlentscheidungen durch Betriebsleiter und Fahrer des Transrapid-Fahrzeuges, dazu die fehlende Setzung der Fahrwegsperre.
Ich danke zum Schluss meiner Ausführungen den Mitarbeitern des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, insbesondere den Herren Winkelmann und Dr. Kannengießer, für ihre sachkundige Begleitung des Ausschusses, ihren Rat und ihre rechtsgutachterliche Stellungnahme, insbesondere aber für das rasche Erstellen des Entwurfes des Abschlussberichtes noch am 26. Juli und damit die Ermöglichung der Erörterung des Berichtes bereits in diesem Plenum. Herzlichen Dank!
Der Dank des Ausschusses und mein persönlicher Dank gelten ebenfalls den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, namentlich Herrn Dr. Enste und Frau Lütjering, für die rasche und gekonnte Umsetzung der Beschlüsse des Ausschusses und die Vorbereitung und Nachbereitung der Ausschusssitzungen. Herzlichen Dank!
Mein Dank als Vorsitzender gilt schließlich den Mitgliedern des Ausschusses sowie den stellvertretenden Mitgliedern und den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der zweiten Reihe, die mit erheblichem Zeitaufwand, akribischem Aktenstudium und stets sachorientierten, regelmäßig auch sachkundigen Beiträgen die Ausschussarbeit gefördert haben.
Dass die politische Bewertung auf der Ziellinie der Ausschussarbeit nicht übereinstimmend war, liegt in der Natur parlamentarischer Auseinandersetzung.
Der Abschlussbericht des 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses enthält eine Fülle von Detailergebnissen. Er verdient sorgfältige Lektüre. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als Erstes dem Landtag ausdrücklich für den nun neun Monate zurückliegenden einmütigen Beschluss zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Ursachen des Transrapid-Unfalls in Lathen danken. Ich glaube, die Ausschussarbeit hat - das haben wir eben im Vortrag des Ausschussvorsitzenden schon hören können - einen erheblichen Beitrag zur Aufklärung der vermeidbaren Ursachen und Hintergründe des Unglücks erbracht. Auch wenn nicht alle Ausschussmitglieder bereit waren, alle Erkenntnisse für ihre eigene Meinungsbildung zu berücksichtigen, so liegen Ihnen und der Öffentlichkeit zumindest mit dem erweiterten Bericht von SPD und Grünen nun viele Fakten vor, die, wenn denn Konsequenzen daraus gezogen werden, helfen können, dass sich ein derartiges Unglück nicht wiederholen wird.
Zunächst aber auch von mir ein kleiner Rückblick auf die Entstehung dieses Untersuchungsausschusses. Herr Noack hat ja schon einiges angedeutet. Nach dem Schock über das Ausmaß des Unglücks offenbarte sich zunächst eine erhebliche Unkenntnis in der Landesverwaltung über die tatsächlichen Verhältnisse auf der Teststrecke. Ständig mussten Darstellungen korrigiert und ergänzt
werden. Dies gipfelte nach vier Wochen in der Ankündigung des nach Versuchsanlagengesetz in Lathen zuständigen Wirtschaftsministers Hirche, er werde wegen unzureichender Informationspolitik und schleppender Aufarbeitung früherer Geschehnisse auf der Versuchsstrecke eine Sonderprüfung des Rechnungshofes in der ihm unterstellten Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr durchführen lassen.
Es folgten dann mehrere Sitzungen des Verkehrsausschusses bis in die späten Abendstunden mit dem Bemühen um Aufklärung, aber wenig Erkenntnisfortschritten, bis dieser Weg abrupt mit der Aussageverweigerung durch TÜV-Mitarbeiter endete. Es half nur noch ein anderes, verbindlicheres Befragen, eine verbindliche Form, ein Untersuchungsausschuss.
Erst mit Beginn der Arbeit des 19. PUA hier in Niedersachsen, nach dem Einblick in die Ermittlungsakten und vor allen Dingen nach dem Besuch in Lathen wurden die konkreteren Zusammenhänge und tatsächlichen Ursachen des Unglücksherganges erkennbar. Schnell kamen CDU und FDP trotz auch damals schon vorhandener deutlicher anderer Hinweise zu dem Zwischenergebnis, das sie bis heute vertreten: unerklärliches menschliches Versagen und sonst nichts.
Zu der Zeit Ihres Zwischenberichtes, Herr Bode, Herr Dinkla, ermittelte die Staatsanwaltschaft auch noch vorrangig gegen die beiden Leitstandsmitarbeiter des Unglückstages. Aber wo stehen wir denn heute? - Inzwischen liegt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vor. Den Medien war zu entnehmen, dass nun keine strafrechtliche Verantwortlichkeit des zweiten Leitstandsmitarbeiters mehr gesehen wird. Für diesen Vorwurf fehle ein detaillierter, verbindlicher Aufgabenkatalog. Zudem bestand aufgrund der Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes nicht die Möglichkeit, die einzelnen Arbeitsschritte des federführenden ersten Mitarbeiters überhaupt zu kontrollieren. Das haben wir alle bei unserer Besichtigung des Leitstandes sofort gesehen, und wir haben nicht verstehen können, wie dann trotzdem von einer Absicherung nach dem Vieraugenprinzip ausgegangen werden konnte.
Ich frage deshalb heute CDU und FDP: Wie kann dieser Aufgabenkatalog fehlen und die Kontrolle sich schon allein räumlich ausschließen, wenn, wie Sie meinen, der TÜV und die Landesbehörde ihre Arbeit in der Vergangenheit ordentlich gemacht
haben? - Minister Hirche und die TÜV-Mitarbeiter haben doch bei allen Befragungen im Untersuchungsausschuss immer betont, Lathen sei sicher, weil das Vieraugenprinzip der gegenseitigen Kontrolle bei der manuellen Sicherheitsarchitektur mit Blocksperre das garantieren würde. Jetzt bescheinigen Ihnen das Gutachten des EisenbahnBundesamtes und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, dass diese Sicherheit überhaupt nicht existent war. Sie bleiben trotzdem bei ihrer bisherigen Bewertung? Wieso haben das die Gutachter des Landes, die in Ihrem Namen, Herr Minister Hirche, die Aufgabe der Kontrolle der Einhaltung der Betriebsvorschriften in Lathen zugewiesen bekommen haben, nicht vor dem Unfall bemerkt? Uns fiel das doch sofort auf, als wir im Leitstand waren.
Ich kann Ihnen dazu einige Hinweise geben. Wir haben es hier nämlich mit genau dem fatalen Tunnelblick der Fachleute zu tun, wie er in einer der Fragen des Untersuchungsauftrages benannt wird. Durch die zu lange Beschäftigung mit dem immer gleichen Thema ohne Kontrolle von außen wird irgendwann an manchen deutlich erkennbaren Risiken einfach vorbeigeguckt.
Deswegen wechselt man Gutachter. Es gilt dann auch nicht Ihre Ausrede: Hinterher ist man immer schlauer. - Es war einfach zu offensichtlich für alle Außenstehenden, dass dieses Vorbeigucken mit menschlichem Versagen nichts zu tun hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Anklage der Staatsanwaltschaft geht aber noch deutlich weiter und konterkariert Ihre Behauptung vom allein unerklärlichen menschlichen Versagen damit völlig. Wie den Medien zu entnehmen war, wirft die Anklagebehörde dem ehemaligen und dem aktuellen Betriebsleiter der Anlage in Lathen vor, für wichtige Betriebsabläufe trotz erkennbarer Gefährdung keine verbindlichen Regeln aufgestellt zu haben, um Kollisionen zu verhindern. Ihnen wird damit für die IABG ein Organisationsverschulden vorgeworfen. Obwohl nach kontroverser Diskussion von TÜV und Land im Sommer 2005 gegenüber den Führungskräften in Lathen klargestellt worden war, dass beim Betrieb von mehreren Fahrzeugen auf der Strecke eine Fahrwegsperre zwingend einzulegen ist, haben die Betriebsleiter der IABG über Monate und Jahre versäumt, dafür betriebsinterne Regeln zu erlassen. Mit ihrem Wis
sen, mit dem Wissen der Betriebsleiter, wurde immer wieder regelwidrig gehandelt. Die IABG behauptet in ihren schriftlichen Stellungnahmen noch bis heute, die Fahrwegsperre wäre nicht zwingend notwendig.
Dieses fortwährende unverantwortliche Unterlassen bei Sicherheitsvorgaben führt Ihre Sicht der Dinge ad absurdum, Herr Bode, Herr Dinkla, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wieso ist denn nicht sofort aufgeflogen, dass nicht entsprechend gehandelt wurde? Wieso ist nicht aufgeflogen, dass die Vorgaben fehlten? Die Betriebsabläufe und die Einhaltung der Betriebsvorschriften sind noch sechs Wochen vor dem Unfall vom TÜV überprüft worden. Dabei soll auch regelmäßig der interne Vorschriftenstand geprüft worden sein. Wieso fiel denen nicht auf, dass etwas fehlte? Warum hat denn das Land, dessen zuständiger Mitarbeiter genau wusste, dass die Betriebsleiter in Lathen eine andere - unhaltbar fahrlässige - Meinung zum Einlegen der Blocksperre haben als die Genehmigungsbehörde, nicht auf eine genaue Prüfung gerade dieses Sachverhalts gedrungen? Warum haben die TÜV-Mitarbeiter, die von dem Konflikt mit der Betriebsleitung in Lathen wegen der Blocksperre ebenso Kenntnis hatten, nicht gerade deshalb an dieser Stelle genauer hingeguckt? Sie hatten den Auftrag.
Ich sage Ihnen, warum das Unfassbare hier einfach passiert ist. Die Leute haben sich gegenseitig lange gekannt, gestützt und vertraut.
Herr Abgeordneter Hagenah, einen Augenblick bitte! - Meine Damen und Herren, ich glaube, dies ist ein so ernstes Thema, dass es sich für Zwischenrufe nicht eignet. Alle Fraktionen haben die Möglichkeit, hier am Rednerpult ihre Position darzustellen. Herr Nacke, auch Sie, der Sie heute Geburtstag haben, bekommen kein Geburtstagsgeschenk dafür, dass Sie immer dazwischenrufen. Bitte halten Sie sich zurück!
Die Leute haben sich gegenseitig lange gekannt, gestützt und vertraut. Sie seien sehr sorgfältig, so sagten sie alle gegenseitig übereinander bei den verschiedenen Befragungen im Untersuchungs
ausschuss. Sie waren so „sorgfältig“, dass es zu diesem dramatischen Unfall kommen konnte. Nicht nur der Tunnelblick hatte sich in den vielen Jahren der Zusammenarbeit und der Wechselbäder, des Auf und Nieder bei der Magnettechnik - geht es weiter mit dieser Technik oder nicht? - verfestigt. Die Beschäftigung von allen, die vor Ort arbeiteten, hing von dieser Technik ab, sowohl die Beschäftigung der Kontrolleure als auch die der Kontrollierten. Aufgrund dessen ist offenbar auch eine Art Korpsgeist entstanden, der in einer gefahrengeneigten Anlage und bei deren Genehmigung und Kontrolle nun wirklich keinen Platz haben darf.
Die Kontrolleure und die Genehmigungsbehörde haben den Dissens gekannt, aber nichts unternommen, um etwas zu ändern. Sie hätten feststellen müssen, dass hier regelmäßig gegen zwingende Sicherheitsvorschriften verstoßen wurde, wenn sie ihre Arbeit ordentlich gemacht hätten. Die fahrlässigen Versäumnisse und das Organisationsverschulden der Betriebsleiter in Lathen fallen damit 1 : 1 auf den TÜV und die Landesverwaltung zurück. Dies belegen die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses sehr klar, zumindest wie sie im Abschlussbericht in der Zusammenstellung von SPD und Grünen dokumentiert sind. Die Ausschussmehrheit hat dazu ihre Augen und Ohren aber fest verschlossen, weil es ihr offensichtlich an dem Willen fehlt, die Probleme auf der Teststrecke wirklich schonungslos auch gegenüber den eigenen Leuten festzustellen und zu beheben.
Die frühen Hinweise von der Bahn und vom Eisenbahn-Bundesamt aus dem Jahre 2003, die Forderungen der Mitarbeiter in Lathen nach einer automatischen Sicherheitstechnik auch für die Werkstattfahrzeuge nach dem Glatteisunfall im Jahre 2004 und schließlich die punktgenaue Kritik des DB-Revisionsberichtes aus dem Jahre 2005, der auch der Landesbehörde vorlag, wurden als Warnungen alle nicht beachtet. Man hat sich eben gegenseitig vertraut.
Es ist doch für die Öffentlichkeit klar ersichtlich, dass CDU und FDP diese Fakten nur deshalb nicht in ihren Bericht aufnehmen konnten, weil damit ihre pauschale Unschuldsbekundung gegenüber Minister Hirche und der Landesverwaltung nicht mehr haltbar wäre. Um diese Legende aufrechtzuerhalten, versuchen Sie, mit den Aussagen einiger Zeugen vom Eisenbahn-Bundesamt, der DB und dem TÜV, die aus unterschiedlichen Gründen bei der Befragung im Untersuchungssauschuss vieles nicht mehr so gemeint haben wollten, wie sie es
vorher geschrieben hatten, diese Aktenbelege unglaubwürdig und irrelevant erscheinen zu lassen: Das ist Schnee von gestern. - Offenbar haben Sie völlig verdrängt, dass die TÜV-Leute zunächst gar nichts mehr sagen wollten, als wir sie im Ausschuss befragt haben, bevor es den Untersuchungsausschuss gab, sondern nur noch schriftlich antworten wollten und dass die Bahn einigen Leuten zunächst überhaupt keine Aussagegenehmigung geben wollte. Das sollte auch Ihnen zu denken geben. Was haben die Unternehmen im Verfahren für Interessen? Was haben sie zu verbergen? Unter welchem Druck standen die Zeugen bei ihren Aussagen? Dazu geben die Akten eine Menge Antworten.
Die von CDU und FDP betriebene Verleugnung von schriftlichen Belegen und Eingeständnissen wird z. B. auch beim Ausblenden einer dpaMeldung mit zitierten Forderungen von Mitarbeitern in Lathen betreffend ein automatisches Sicherungssystem für die Werkstattwagen deutlich. Diese Aussagen werden doch nicht dadurch irrelevant, Herr Bode, dass der zitierte Dr. Schwarz sie bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss nicht mehr wahrhaben wollte. Die belegten Aussagen - so dokumentiert es unser Bericht - sind viel zu konkret und differenziert, als dass hier ein Missverständnis - etwa dass etwas falsch gehört wurde - vorliegen könnte. Nein, diese Aussagen hätten andere als die bisher Beschuldigten zusätzlich belastet und wurden von Ihnen deshalb aus dem Mehrheitsbericht herausgedrückt.
Genauso haben Sie auch bezüglich der komplizierten rechtlichen Materie verfahren. Im Mehrheitsbericht wurden nur solche Rechtspositionen von Ihnen zugelassen, die Ihre Haltung stützen, wohl wissend, dass es daneben auch wohlbegründete gegenteilige Rechtsauslegungen gibt. Es ist allgemein bekannt, dass man, wenn man zwei Juristen einen Auftrag für ein rechtliches Gutachten gibt, schnell drei verschiedene Antworten bekommen kann. Gerichte entscheiden in gleich gelagerten Fällen nicht immer gleich. - Das kommt einigen hier sicher bekannt vor.
Das waren nämlich die Worte von Minister Hirche vorgestern zu den Rechtsgutachten beim JadeWeserPort. Mit diesem Zitat hatte er an jenem Abend recht. Das gilt hier in diesem Fall natürlich auch.
Bezüglich der Verantwortlichkeiten des Landes für die Versuchsanlage und bezüglich der Zulässigkeit des Besucherverkehrs kommen wir rechtlich nämlich zu ganz anderen Ergebnissen als CDU und FDP. Minister Hirche und das Wirtschaftsministerium haben nicht etwa mehr gemacht, als rechtlich geboten war, sondern sie haben das, wozu sie verpflichtet waren, nicht sorgfältig genug gemacht. Der niedersächsische Wirtschaftsminister hat aber offenbar bis heute nicht erkannt, dass die in seiner Verantwortung wahrzunehmenden Aufgaben nach dem Versuchsanlagengesetz Aufgaben der Gefahrenabwehr sind. Er und seine Mitarbeiter haben sich um die Versuchsanlage nur im einzelbetrieblichen Interesse oder aus dem Blickwinkel der Standortpolitik gekümmert. Nur so ist zu erklären, dass auch nicht gehandelt wurde, als die Kritik an Missständen im Jahre 2005 im Wirtschaftsministerium aktenkundig geworden war. Spätestens dann hätte man erkennen müssen, dass die Aufgaben der Gefahrenabwehr allein schon vom Zeitumfang her nur unzureichend wahrgenommen werden konnten. Eine Überwachungspflicht hatte das Land auf jeden Fall aufgrund der Eröffnung einer Gefahrenquelle. Wenn der Transrapid als Teststrecke gilt und dennoch unbeteiligte Personen gegen Entgelt befördert werden dürfen, muss hierin eine Gefahrenquelle gesehen und Vorsorge getroffen werden, Herr Minister.
Das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat auch die ihm obliegende Aufgabe der Fachaufsicht über das Niedersächsische Landesamt für Straßenbau und Verkehr offensichtlich nur unzureichend wahrgenommen. Es war fahrlässig, sich bei der Prüfung der Einhaltung der Betriebsgenehmigung - insbesondere nach den mehrfachen Hinweisen von außen auf mögliche Sicherheitslücken - über Jahrzehnte nur auf die von den Betreibern in Lathen bezahlten TÜV-Arge-Mitarbeiter zu verlassen.
Der entscheidende Unterschied zwischen den Fehlhandlungen unter Minister Hirche und denen seiner Vorgänger ist, dass zu keiner Zeit zuvor so massive und vielfache Bedenken und Anwürfe von verschiedenen Seiten hinsichtlich der Sicherheit auf der Teststrecke im Ministerium bekannt geworden sind wie in seiner Amtsperiode.
Wir sehen deswegen Herr Minister Hirche voll in der politischen Verantwortung für die fortwährende Desinformation der Öffentlichkeit und des Landtages, für die mangelnde Stringenz und Aufsicht in seinem Haus, aber vor allen Dingen für die fehlen
de Kontrolle und Distanz seiner Mitarbeiter gegenüber dem TÜV und der IABG in Lathen. Dies begründet unsere Forderung nach seinem Rücktritt. Wenn Sie Ihre Aufgabe und den Verfassungsauftrag ernst nehmen würden, hätten Sie schon selbst die Konsequenzen gezogen, Herr Minister Hirche.
Zu dem ergänzenden Antrag von SPD und Grünen, der diese Forderungen enthält, beantragen wir sofortige Abstimmung. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser Beratung endet die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der wegen des Unglücks am 22. September des vergangenen Jahres auf der Transrapid-Versuchsanlage in Lathen auf Betreiben der Opposition eingesetzt werden musste. Diese Aufklärung des Unglücks waren wir den 22 Todesopfern, den Überlebenden und den Angehörigen schuldig. Allerdings sage ich auch: Der Untersuchungsausschuss war auch deswegen erforderlich, damit die Transrapid-Technologie nicht pauschal in Misskredit gerät.
Das Hauptverfahren gegen die strafrechtlich Verantwortlichen wird folgen. Bei den Ergebnissen unserer Arbeit geht es um die politische Verantwortung. Auch die Ergebnisse der geplanten Sicherheitskonferenz müssen in eine neue Betriebsvorschrift einfließen. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Testbetriebs in Lathen.