Protocol of the Session on July 10, 2007

Immer weiter gehen die Anmeldezahlen an den Hauptschulen in den Keller: landesweit von 23 % im Regierungsantrittsjahr 2003 auf 14,6 % im letzten Jahr. In den Städten Hannover, Wolfsburg, Braunschweig und Oldenburg liegt der Hauptschulanteil längst bei unter 10 % und sinkt weiter. Der Elternwille, Herr Busemann, geht eindeutig weg von der Hauptschule.

Auch die Realschule gerät langsam in einen Abwärtstrend. Galt Niedersachsen 2003 noch als Realschulland, so ist die Realschule inzwischen mit 5 % Abstand hinter die Gymnasien zurückgefallen.

Der Elternwille ist völlig eindeutig, meine Damen und Herren: Eltern wollen ihr Kind auf eine Schule schicken, an der die Wege zu einem höheren Bildungsabschluss offengehalten werden. Das sind unter den heutigen Gegebenheiten Gesamtschule und Gymnasium. Der bessere Weg wäre eine gemeinsame Schule: neun Jahre gemeinsam, wie wir es mit unserer Neuen Schule wollen.

Schulen, die in eine Bildungssackgasse führen, werden hingegen von den Eltern abgelehnt.

(Glocke des Präsidenten)

In Niedersachsen wollen weder CDU noch FDP dies wahrhaben. In anderen Bundesländern hat selbst die CDU die Zeichen der Zeit erkannt. Ich erinnere an Hamburg, wo die Hauptschule abgeschafft wird. In Berlin ist man inzwischen auch auf diesen Kurs eingeschwenkt. In Schleswig-Holstein, Herr Busemann, lässt Ihre Partei, die CDU, inzwischen die Gemeinschaftsschulen zu. Dort gibt es bereits über 30 Anträge auf Einrichtung von Gemeinschaftsschulen, häufig aus CDU-geführten Kommunen. Auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind es oft CDU-Bürgermeis

ter, die sich gegen ihre Landesregierung für gemeinsame Schulen einsetzen.

Herr Busemann, Sie laufen Gefahr, bundesweit den Anschluss zu verpassen. Nach der Landtagswahl in Niedersachsen - da muss ich keine Prophetin sein - werden auch Sie in der CDU über eine neue Schulpolitik nachdenken müssen. Aber ich fürchte, dann wird es zu spät sein; denn dann werden Sie wohl nicht mehr Kultusminister sein, Herr Busemann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Lachen von Jörg Bode [FDP])

Das Wort hat Herr Kollege Klare.

(David McAllister [CDU]: Kalle, jetzt aber!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Korter, Sie versuchen jetzt, eine regelrechte Kampagne zu Elternwille und Einheitsschule zu führen. Die große Mehrheit lehnt diese aber Diskussion ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen von Ursula Helmhold [GRÜ- NE])

Die Menschen haben angesichts der wirklichen Herausforderungen, denen sich unsere Schulen im Moment zu stellen haben, die Nase absolut voll von den ständigen Schulstrukturdebatten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Die Men- schen melden ihre Kinder doch an Schulen an!)

So, wie Sie diese Debatte anlegen, ist sie absolut rückwärts gewandt und deswegen ohne Nutzen. Würden Sie die Eltern einmal so aufklären, die einen Schulplatz an einer Gesamtschule haben wollen, wie wir es machen werden, dann würden sie möglicherweise auch anders denken.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was soll das denn heißen?)

Ich sage Ihnen: Die Zeichen der Zeit in der Schulpolitik stehen auf mehr Qualität, mehr Eigenverantwortung und neue Inhalte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns darum kümmern, wie Eltern- und Schülermitbestimmung organisiert wird. Wir müssen uns über individuelle Förderung unterhalten, aber mit Sicherheit keine neuen Schulstrukturdebatten führen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD und den Grünen - Bernd Althus- mann [CDU]: Wir haben vernünftig zugehört, Herr Präsident!)

Wenn Sie dann den Elternwillen für sich reklamieren, dann kann ich nur sagen, dass Sie es sich zu einfach machen. Die CDU hat vor der letzten Landtagswahl sehr klare Aussagen gemacht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Herr Klare, was ist denn mit den Fakten? Göttin- gen 2 %!)

Wir wollten ein differenziertes Schulangebot, wir wollten das gegliederte Schulsystem weiterentwickeln, wir wollten die Qualität weiterentwickeln. Aber wir haben den Menschen auch sehr klar gesagt: Mit der CDU wird es keine weiteren Einheitsschulen in diesem Lande geben.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Aber die Menschen wollen sie doch überall!)

Die übergroße Mehrheit der Menschen in unserem Lande hat uns vor allen Dingen deswegen gewählt. Es war breiter Elternwille in diesem Lande, auf den wir uns heute in besonderer Weise berufen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Was die Einheitsschule anbetrifft, kann ich Ihnen auch für die nächste Wahlperiode schon voraussagen, dass wir uns weiterhin auf diesen Elternwillen berufen werden. In diesem Lande wollen die Eltern keine weitere Einheitsschule. Eindeutiger kann dies doch nicht belegt werden. Wenn Sie ganz genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass sich die Eltern für ihre Schulen einsetzen, für ihre Gymnasien, für ihre Realschulen, für ihre Hauptschulen und auch für ihre Förderschulen, vor allem durch Elternvereine und Sponsorengruppen. Es sind Hunderttausende in diesem Lande; sie wollen nicht, dass ihre Schulen durch Einheitsschulen kaputt gemacht werden.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Vielmehr wollen sie die Weiterentwicklung ihrer Schulen unterstützen. Sie sollten auch diesen Elternwillen zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren.

Jeder weiß: Wenn SPD und Grüne ihre Konzepte, die unterschiedlich, aber eindeutig und klar sind, umsetzen, wird es in Niedersachsen kein Nebeneinander von Einheitsschulen und Schulen des gegliederten Schulsystems geben können.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Überlassen Sie doch den Eltern einmal die Ent- scheidung! Herr Klare, fürchten Sie sich vor den Eltern? Fürchten Sie sich vor der Entscheidung der Eltern?)

- Ich sage gleich etwas dazu; Sie bekommen gleich eine Antwort auf die Frage.

Wenn Sie Ihr Einheitsschulmodell umsetzen - -

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, daran zu denken, dass hier auch einige Schulklassen sitzen.

Wenn Sie Ihr Einheitsschulmodell umsetzen würden, würden unsere Gymnasien, unsere Realschulen, unsere Hauptschulen und unsere Förderschulen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Lehrkräfte weitestgehend identifizieren, zu ganz großen Teilen aufgelöst. Das ist Ihr Umgang mit hunderttausendfach geäußertem Elternwillen. Das lassen wir nicht zu.

(Beifall bei der CDU)

Denken Sie einmal das zu Ende, was Sie immer in schönen Worten darzustellen versuchen: Wenn Rot-Grün den Weg beschreiten könnte, den Sie angekündigt haben, dann würde Niedersachsen ein Land ohne Gymnasien und ohne Realschulen werden. Das können Sie doch nicht wirklich wollen, und davon können Sie auch niemanden überzeugen.

(Beifall bei der CDU - Walter Meinhold [SPD]: Wovon reden Sie eigentlich?)

Das Verbot der Einrichtung neuer Gesamtschulen ist Wille des Gesetzgebers. Das haben wir hier beschlossen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie haben das beschlossen, wir nicht!)

- Wir haben das hier mit Mehrheit beschlossen. Deswegen gilt das. Das ist die gesetzliche Vorgabe für den Minister.

Aber es gibt kein Erweiterungsverbot für die Gesamtschulen. Das ist das, worüber ich mit Ihnen und auch den Eltern gern reden möchte. An fast allen Integrierten Gesamtschulen könnten in ganz erheblichem Umfang Kapazitäten geschaffen werden, wenn die Schulen auf die mögliche Achtzügigkeit aufgestockt würden. Nehmen Sie einmal die IGS Franzsches Feld. Dieses Beispiel stand kürzlich in der Zeitung. Wenn diese Schule auf Achtzügigkeit aufgestockt würde, könnten dort doppelt so viele Schüler unterrichtet werden wie jetzt.

(Beifall bei der CDU)

Mir hat noch niemand erklären können, warum die Integrierten Gesamtschulen nicht achtzügig werden wollen, wie es das Gesetz zulässt.

(Zuruf von der CDU: Weil die klein und fein bleiben wollen!)

Ich möchte das gern wissen. Allerdings kann ich mir das denken: Wir wollen hübsch überschaubar bleiben, wir wollen es uns nicht antun, immer größer zu werden; mit all den Problemen, die das mit sich bringen könnte. Lasst doch die Gymnasien und die Realschulen groß werden. Wir wollen hübsch überschaubar bleiben.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Integrierten Gesamtschulen haben auch eine Verantwortung gegenüber den Eltern, die ihre Kinder dort anmelden. Die Schulträger und die Schulen selbst werden so, wie sie es jetzt machen, ihrer Verantwortung gegenüber den Kindern, die dort angemeldet werden, nicht gerecht.

Wir werden in der nächsten Wahlperiode natürlich Antworten auch auf Schulstrukturfragen finden - Frau Korter, Sie haben das angedeutet -, aber doch mit einem ganz klaren Ziel. Es geht darum, Schulstandorte zu erhalten, aber ganz bestimmt nicht darum, wie dies mit der Einrichtung von Einheitsschulen geschähe, Schulstandorte kaputt zu

machen. Das wäre die Folge Ihrer Politik. Ich kann Ihnen nur raten, diese Schulstrukturdiskussion so nicht weiter zu führen, wie Sie dies bislang getan haben. Die große Mehrheit der Eltern will das nicht. Hunderttausende stehen für das gegliederte Schulsystem. Die Eltern wollen über Inhalte reden. Sie erwarten Antworten auf die Frage, wie die Qualität von Schule besser werden soll. Das sind die Herausforderungen der nächsten Jahre, denen wir uns stellen werden. Wir werden jedenfalls rückwärtsgewandte Debatten mit Ihnen nicht weiter führen.