Protocol of the Session on July 10, 2007

Wir haben aber auch aus einem anderen Grund Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf. Diese Bedenken hatte übrigens auch der amtierende Innenminister, der uns im Januar-Plenum - auch

dies sollten Sie sich noch einmal aufmerksam anhören - im Rahmen einer Dringlichen Anfrage ausdrücklich versicherte - ich zitiere -:

„Die Berücksichtigung flächenbezogener Bedarfsindikatoren wird deshalb im Rahmen von komplizierten und aufwendigen Berechnungen fortlaufend umfassend untersucht. Es wird in diesem Zusammenhang auch untersucht, ob es stark ballungsraumbezogene Aufgaben gibt und inwieweit sich eine Berücksichtigung solcher Bereiche im kommunalen Finanzausgleich und eine gleichzeitige Berücksichtigung von flächenbezogenen Aufgaben gegeneinander aufheben würden.

Aktuelle Auswertungen lassen diesbezüglich noch kein sicheres Ergebnis zu.... Diese Diskussion wird sicherlich fortgesetzt werden. Eine Entscheidung in der Angelegenheit wird voraussichtlich aber nicht vor Ende März dieses Jahres nach Vorlage der finanzstatistischen Ergebnisse für das Jahr 2005 und anschließender Erstellung entsprechender Modellberechnungen möglich sein.“

Meine Damen und Herren, noch am 25. Januar hat der Innenminister gegenüber dem Parlament erklärt, dass eine Entscheidung erst nach sorgfältigen Modellrechnungen und frühestens Ende März möglich sei. Doch bereits am 6. Februar, also nur zehn Tage später, kündigte er umfangreiche Veränderungen des KFA an, insbesondere die ohne jede Modellrechnung par ordre du mufti vom Ministerpräsidenten befohlene Einführung eines Flächenfaktors.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war ei- ne klasse Pressekonferenz! - Glocke der Präsidentin)

- Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die SPDFraktion lehnt die Einführung eines Flächenfaktors nicht grundsätzlich ab, sofern es einen finanzmathematisch nachweisbaren Grund für die Einführung eines solchen Berechnungsfaktors gibt. Die uns vorliegenden Zahlen deuten insbesondere aufgrund der Entwicklung der Ausgaben im Ju

gendhilfebereich darauf hin, dass man über einen solchen Faktor durchaus nachdenken kann.

Was Sie hier gemacht haben, ist eine willkürliche Entscheidung, die auf keiner vernünftigen, belegbaren Grundlage beruht. Das ist neben dem Raubzug durch die kommunalen Kassen, den Sie uns vorgeworfen haben - Sie haben behauptet, Sie würden das rückgängig machen; das haben Sie aber nicht getan -, der Grund, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf den Kollegen Bartling hat Herr Kollege Althusmann das Wort. Sie haben eineinhalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, aber ich muss dennoch ein Zitat des ehemaligen Ministerpräsidenten Gabriel verwenden: Wer die ganze Wahrheit kennt, aber nur die halbe Wahrheit nennt, ist trotzdem ein ganzer Lügner. - So, wie Sie dies in Sachen Finanzpolitik gerade dargestellt haben, Herr Bartling, ist das an Unredlichkeit nun wahrlich nicht mehr zu überbieten. Die größten Raubritter in der finanzpolitischen Geschichte des Landes Niedersachsen, die einen Raubzug durch die kommunalen Kassen gemacht haben, sind ausweislich der Aussagen der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände die von der SPD und auch von den Grünen seit 1990 getragenen Landesregierungen gewesen.

Kommen wir einmal zu den Details: 1990 Neufestlegung des Steuerverbundes - Steuerverbundquote um 500 Millionen gesenkt -,

(Heinz Rolfes [CDU]: D-Mark!)

1991 Einführung eines ungerechtfertigten Solidarbeitrages von 131 Millionen, 1995 Herausnahme der Gewerbesteuerumlage und der Grunderwerbsteuer aus dem Steuerverbund, 1996 Kürzung um 500 Millionen DM durch das Haushaltsgesetz, 1997 Kürzung um 500 Millionen DM wiederum durch Haushaltsgesetz - Einheitsumlage von 497 Millionen -, 1998 Kürzung um 500 Millionen, 1999 Neufestlegung des Steuerverbundes. Meine Damen und Herren, Sie und Ihre Genossen sind diejenigen, die in der Vergangenheit die Ver

antwortung dafür trugen, dass die Kommunen in Niedersachsen am Krückstock gehen, aber niemand anderes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Infolge der Bundesratsinitiative Niedersachsens und Bayerns ist es gelungen, eine Entlastung der niedersächsischen Kommunen in einer Größenordnung von jährlich 250 bis 300 Millionen Euro durchzudrücken. - Herzlichen Dank. So viel zur Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Althusmann, die eineinhalb Minuten sind um. - Herr Kollege Bartling, Sie haben ebenfalls anderthalb Minuten für die Antwort.

Ich kann das etwas schlichter und kürzer machen. Wir haben in der Tat in den letzten Jahren, in denen wir die Regierung stellten, 500 Millionen DM aus dem kommunalen Finanzausgleich zugunsten der Landeskasse gestrichen und den Kommunen weggenommen.

(Zurufe von der CDU: Fortlaufend!)

Das ist vom Staatsgerichtshof als rechtmäßig anerkannt worden. Sie haben damals nichts anderes getan, als uns einen Raubzug durch die kommunalen Kassen vorzuwerfen und zu versprechen: Das machen wir rückgängig. Wir geben den Kommunen die 500 Millionen DM. - Keine D-Mark, kein Euro davon ist angekommen. Sie haben auf die Kürzung noch etwas draufgelegt: über 100 Millionen Euro weniger. Wenn Sie heute so wie Herr Rolfes den albernen Versuch machen zu behaupten, der kommunale Finanzausgleich sei größer als je zuvor, dann fragen Sie doch einmal, woher das kommt. Die Ursache liegt darin, dass die Steuereinnahmen in diesem Lande in einer Art und Weise gestiegen sind, die bestimmt nicht von Ihnen zu verantworten ist.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Professor Dr. Lennartz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem Vergangenheitsbewältigung in die eine und die andere Richtung betrieben worden ist, kehre ich zu dem Gesetzentwurf und zu der Begründung dafür, warum auch wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, zurück. Aber eine Nebenbemerkung auch in Richtung an Herrn Althusmann möchte ich noch loswerden. Ich halte die Terminologie „die Kommunen gehen am Krückstock“ für völlig deplatziert. Die Kommunen sind überschuldet. Ich finde, auch der Begriff „Raubzug durch die kommunalen Kassen“, der offensichtlich von Ihnen seinerzeit als Opposition gegen die damalige SPD-geführte Landesregierung verwendet worden ist, ist im Zusammenhang mit dem FAG völlig deplatziert. Herr Bartling hat den Begriff nach meinem Verständnis fälschlicherweise verwendet und den Ball zurückgespielt. Das sollte man nicht machen. Wir sprechen hier über das Verhältnis zwischen den Finanzen der Kommunen und den Finanzen des Landes.

Wir lehnen den Gesetzentwurf im Wesentlichen auch wegen der Einführung des Flächenfaktors und seiner speziellen Ausgestaltung ab. Gegen einen Demografiefaktor, wie Sie ihn einführen wollen, haben wir nichts, auch wenn der Begriff „Demografiefaktor“ angesichts des Tatbestandes, für den er verwendet wird, etwas Falsches suggeriert. Die Wahlmöglichkeit, entweder die Einwohnerzahl von vor fünf Jahren oder die aktuelle Einwohnerzahl als Maßstab zu nehmen, als Demografiefaktor zu bezeichnen, ist terminologisch falsch, weil das in die falsche Richtung weist.

Zum Flächenfaktor: Fakt ist, dass es um die Schülerbeförderungskosten und um die Kosten für die Straßen, die die Landkreise und auch die kreisfreien Städte vorhalten, geht. Sie hätten die Länge der Straßen metergenau als Maßstab nehmen können, und die Schülerbeförderungskosten sind bekannt. Sie haben sich aber für einen anderen Weg entschieden. Das halten wir für falsch. Im Ergebnis verlieren die kreisfreien Städte in Niedersachsen insgesamt 29,5 Millionen Euro durch die vorgesehene Regelung an die Landkreise. Zwölf Landkreise verlieren insgesamt 44 Millionen Euro, während die Gesamtsumme von 73,5 Millionen Euro bei 26 gewinnenden Landkreisen verbleibt. Das ist eine Schieflage.

Ich möchte in diesem Zusammenhang konkret auf die Region Hannover eingehen. Sie ist der stärkste Verlierer der Regelung, die Sie vorsehen. Sie verliert nämlich insgesamt ca. 30 Millionen Euro. Das ist auch im Vergleich zu den Verlusten, die andere dicht besiedelte Landkreise haben, ein so gravierender Verlust, dass man hier tatsächlich von Willkür sprechen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann nur sagen - damit komme ich auch zum Ende -: Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Ihr Reflex gegen die ungeliebte Region Hannover ist nur noch als irrational zu bezeichnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die FDP-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Rösler, der leider gerade nicht da ist - er war bis vor Kurzem Regionsabgeordneter -, entpuppt sich an dieser Stelle als willfährig gegenüber den Plänen, die die CDU geschmiedet hat, die Herr Wulff angesagt hat, die dann von der Landesregierung und Herrn Schünemann exekutiert werden und denen Sie jetzt zustimmen. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Bode das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bartling, als ich Ihren Redebeitrag gehört habe, habe ich etwas gestaunt. Es ist schon verwunderlich, wie Sie es als jemand, der sich als Minister oder in der Regierungsfraktion als Räuber an den kommunalen Haushalten betätigt hat, schaffen, sich hier hinzustellen und „Haltet den Dieb!“ zu schreien. Dieses Bubenstück ist an Dreistigkeit schon fast nicht mehr zu überbieten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Genauso spannend ist die Wahrnehmung, die Sie scheinbar von sämtlichen Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs haben, welche die SPD in der Zeit, in der sie Regierungsverantwortung getragen hat, durchgeführt hat. Sie scheinen davon überzeugt zu sein, dass alle diese Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs Meisterleistungen waren. Ich frage mich vor diesem Hin

tergrund natürlich: Warum sind alle Änderungen von fast allen Kommunen beklagt worden, und warum haben die Urteile des Staatsgerichtshofs sie kassiert?

Herr Bartling, Sie haben eine Wahrnehmung, die fast durch nichts zu rechtfertigen ist. Aber wir haben das bei Ihnen auch im Bereich der Innen- und Rechtspolitik erlebt. Auch für diesen Bereich haben Sie als Minister Verantwortung getragen. Nachdem Sie auf die Oppositionsbank zurückgekehrt sind, kommen Sie in jeder Plenardebatte hier nach vorn und stellen sich als Bürgerrechte-Paulus dar, vergessen dabei aber ganz, dass Paulus nach der Bibel früher anders hieß. Genauso haben Sie sich früher im Bereich der Bürgerrechte verhalten.

(Zuruf von Uwe Harden [SPD])

Wir haben eine Änderung des kommunalen Finanzausgleichs vorgenommen, weil es dafür eine sachliche Notwendigkeit gab. Wir haben festgestellt, dass die vergleichenden Berechnungen der Kosten von Kreisaufgaben und Gemeindeaufgaben in den Bereichen, die Herr Dr. Lennartz genannt hat, Anlass zu Änderungen gaben. Das sind die Schülerbeförderungskosten und die Kosten für die Straßenunterhaltung.

Ebenfalls haben wir festgestellt - wir haben es analysiert und untersucht -, wie man auch im kommunalen Finanzausgleich auf die demografische Entwicklung eingehen könnte. Wir haben ja gerade den Bericht der Enquete-Kommission debattiert, und wir sollten an die entsprechenden Schlussfolgerungen denken. Diese Maßnahmen haben wir umgesetzt.

Wir haben gleichzeitig die Verbundquote erhöht. Es ist übrigens das erste Mal in den letzten 30 Jahren, dass eine Landesregierung und die die Regierung tragenden Fraktionen die Verbundquote tatsächlich auch einmal erhöht haben. Das wird von den kommunalen Spitzenverbänden entsprechend begrüßt.

(Lachen bei der SPD - Uwe Harden [SPD]: Das ist dreist! - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das ist klasse!)

Zu allen anderen Maßnahmen, die wir in Bezug auf den kommunalen Finanzausgleich in dieser Legislaturperiode durchgeführt haben, Herr Jüttner, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Sie haben damals - Sie waren da ja in der Verantwortung - die Millionenbeträge, von denen wir ja schon

gehört haben, einfach weggenommen. Sie haben darüber hinaus sogar vorgeschrieben, wofür die zur Verfügung gestellten Mittel bei den Kommunen genutzt werden mussten, damit die Investitionsquoten erreicht wurden. Wir haben etwas anderes gemacht: Wir haben den Kommunen Entlastung verschafft. Wir haben sie in dem gleichen Volumen entlastet, und deshalb war die Absenkung der Steuerverbundquote, die wir durchgeführt haben, auch gerechtfertigt.

Wir werden uns weiter für unsere Kommunen einsetzen, und wir alle werden sehen, dass es dem Land, aber auch den Kommunen mit der CDU/FDP-Regierung deutlich besser geht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregierung Herr Minister Schünemann, bitte!