Protocol of the Session on June 6, 2007

Meine Damen und Herren, ich weiß wohl, dass der Ansatz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz in dieser Weise zu erweitern, durchaus innovativ ist. Aber wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen, dann müssen wir neue Wege gehen: Mit den alten Rezepten schieben wir diesen Planeten schlicht und ergreifend in den Ofen.

Wenn Sie glauben, dass Sie bessere Rezepte zum Erreichen der Klimaschutzziele haben, dann lassen Sie es uns wissen, damit wir ernsthaft darüber reden können. Dann sagen Sie aber einmal, wie Sie es konkret machen wollen. So allgemeine Aussagen wie in Ihrer Juister Erklärung bringen den Klimaschutz in Niedersachsen nicht weiter. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Dürr hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön, Herr Dürr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Janßen, wir haben vorhin ja festgestellt, dass Bremen erstens nicht nur zu Deutschland gehört, sondern dass dort offensichtlich auch grüne Programmatik gelten soll. Können Sie mir dann erklären - ich habe die tageszeitung von heute, dem 6. Juni 2007, gelesen -, warum es dort unter der Überschrift „Verrat und Querschüsse“ heißt:

„Weservertiefung, Kohlekraftwerk, Hochschul-Kürzung - all dem hat die Bremer Grünen-Spitze längst zugestimmt.“

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Bitte schön, Herr Janßen, Sie haben die Gelegenheit zu antworten.

(Karsten Behr [CDU]: Wenn es um die Macht geht, werden die Vorsätze über Bord geworfen!)

Herr Dürr, haben Sie etwas Geduld. Ich weiß ja, dass Sie ansonsten der tageszeitung besonderen Glauben schenken. Haben Sie etwas Geduld, bis die Koalitionsverhandlungen in Bremen abgeschlossen sind. Da werden viele Zwischenergebnisse kolportiert, die mit der Wahrheit nichts zu tun haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Kollege Karsten Behr für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Janßen, es hat ja nun lange gedauert, bis der von den Grünen auf Bundesebene ausgerufene Feldzug gegen Kohlekraftwerke nun auch Niedersachsen erreicht hat. Vielleicht hat es so lange gedauert, weil Sie selbst wissen, dass Ihr Antrag eigentlich Unsinn ist, oder weil Sie wissen, dass Ihr Antrag an Populismus kaum zu überbieten ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich will daher auch nur auf den Kern Ihres Antrages eingehen, der da heißt: keine neuen Kohlekraftwerke in Niedersachsen! - Ich will klar feststellen: Dieser Antrag der Grünen schadet den Interessen unseres Landes, meine Damen und Herren.

Der Ersatzbedarf in Europa im Energiebereich wird für die nächsten 20 Jahre auf 200 000 MW geschätzt. Der Zusatzbedarf in den nächsten

20 Jahren wird auf 100 000 MW geschätzt. Das heißt, insgesamt wird neue Kraftwerksleistung im Umfang von ungefähr 300 000 MW benötigt. Das ist die Situation, vor der wir stehen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Eine Zwi- schenfrage!)

Herr Kollege Behr, gestatten Sie - -

Nein, Frau Präsidentin, es tut mir leid, das lasse ich nicht zu. - Das ist die Situation, vor der wir stehen. Gleichzeitig soll der Ausstieg aus der Kernenergie nicht infrage gestellt werden.

Meine Damen und Herren, erst vor ein paar Tagen hat die Internationale Energieagentur die Bundesrepublik Deutschland erneut aufgefordert - gerade vor dem Hintergrund des Klimaschutzes -, ihren Ausstieg aus der Kernenergie zu überdenken. Ferner konnte bislang noch niemand die Frage klar beantworten, wie wir die CO2-Ziele ohne Kernenergie erreichen wollen. Wenn der Ausstieg erfolgen soll, dann ist ein Zuwachs bei der Nutzung fossiler Energieträger zwingend. Die Grund- und Mittellast ist in einem Industrieland wie Deutschland anders nicht darstellbar.

Meine Damen und Herren von den Grünen, in Ihrem Antrag propagieren Sie die stärkere Nutzung von Gas.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Mehr Fan- tasie für Visionen, Herr Behr!)

Das ist zwar mit einem geringeren CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde verbunden - das ist richtig -, Gas ist aber viel zu wertvoll, um für die Verstromung genutzt zu werden. Die Vorräte sind für eine umfassende und langfristige Nutzung viel zu gering. Deutschland darf sich als Industriestaat nicht in strategische Abhängigkeiten begeben. Diese Message sollte mittlerweile auch bei den Grünen angekommen sein.

(Zustimmung bei der FDP)

Herr Kollege Wenzel, es mag ja sein, dass Sie eine stärkere Abhängigkeit von Russland befürworten. Wir tun das nicht. Wir haben schon immer auf einen Energiemix gesetzt.

Meine Damen und Herren, wir müssen auch dafür sorgen, dass die Energiepreise in Deutschland auf einem einigermaßen verträglichen Niveau bleiben. Zu wenig Wettbewerb und staatliche Eingriffe haben dazu geführt, dass energieintensive Betriebe Deutschland verlassen haben. Die Energiepreise sind bei uns einfach zu hoch. Ich weiß, wovon ich rede: Die Energiekosten waren mit ein Grund, warum die Aluminiumproduktion der Firma Hydro in Stade beendet wurde. Das ist nur ein Beispiel von vielen in Deutschland.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Dann sind das die falschen Adressaten, Herr Behr!)

Kohle dagegen ist günstig, und wir haben Reserven für die nächsten 200 Jahre - mindestens. Mit Elektra Belle - Stichwort „Wettbewerb“ - hat ein neuer Teilnehmer den deutschen Markt entdeckt. Das wird von den etablierten Energieunternehmen wahrgenommen. Elektra Belle plant, mehrere Kohlekraftwerke in Deutschland, insbesondere in Norddeutschland, zu errichten. Fakt ist: Zur Sicherstellung der Grund- und Mittellast werden wir um neue, moderne Kohlekraftwerke nicht herumkommen.

Im Übrigen dient das der Reduzierung des CO2Ausstoßes. Alte Kohlekraftwerke - das ist heute Morgen schon angesprochen worden -, haben einen Wirkungsgrad von ungefähr 32 %. Moderne Kraftwerke kommen auf 46 bis 48 %. Das heißt: 50 % mehr Effizienz, 50 % weniger CO2-Ausstoß. Für die Zukunft wird ein Wirkungsgrad von 50 bis 55 % angestrebt. Das ist durch weitere technische Verbesserungen und den Einsatz der GuD-Technik durchaus zu erreichen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund müssen wir überlegen, wo Neubauten entstehen sollen und wie wir damit umgehen. Die folgenden Fragen sind zu klären: Wo ist die benötigte Netzinfrastruktur vorhanden? Wie kann man Kohlekraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung und GuD-Technik sinnvoll kombinieren? Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Kraft-Wärme-Kopplung nicht überall sinnvoll und effizient darstellbar ist. Es ist wichtig, zu klären, wo Dampf und Wärme abgenommen werden können. An welchen Standorten werden Dampf und Wärme gebraucht? Auch unter diesem Gesichtspunkt kommen in erster Linie Industriestandorte infrage. Ich nenne den Standort Stade mit den Firmen Aluminium Oxid Stade GmbH, Airbus und Dow. Ich will noch einmal dar

auf hinweisen, dass die Firma Dow Chemical am Standort Stade der größte einzelne Stromverbraucher Deutschlands ist. Er benötigt auch viel Dampf und Wärme. Unsere Kraftwerke müssen da gebaut werden, wo Energie, wo Dampf und Wärme gebraucht werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen uns ferner Gedanken darüber machen, wo die Transportkosten gering sind und eine effiziente Logistik auf die Beine gestellt werden kann. Auch unter diesen Gesichtspunkten kommen in erster Linie die Küstenstandorte infrage.

Wir haben viel über die Frage der CO2-Abscheidung gesprochen. Die Experten sagen uns, dass das technisch frühestens 2020 zu realisieren sein wird. Wenn das kommt, sind in erster Linie die Standorte im Norden interessant. Der Standort Stade beispielsweise verfügt über eine Reihe von Salzkavernen, wo das CO2 gespeichert werden kann.

Viel spricht also für neue Kraftwerke in Niedersachsen. Ich sage es noch einmal: Der Antrag der Grünen ist nicht im Interesse unseres Landes.

In dem Antrag sprechen Sie auch das Thema Windenergie - Offshore-Windparks - an. Genau dafür brauchen wir konventionelle Kraftwerke. Nur mit konventionellen Kohlekraftwerken lässt sich die Netznutzung optimieren. Nur so kann die Einspeisung der Windenergie verbessert werden. Sie wissen, dass die Speicherung von Windenergie ein Thema ist, über das seit langem diskutiert wird. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass wir bei einer Speicherung mit einem Verlust von ungefähr 80 % zu rechnen haben. Daher ist es wichtig, dass der anfallende Windstrom direkt eingespeist wird. Im Mittellastbereich brauchen wir Steinkohlekraftwerke, damit die Netzauslastung sichergestellt werden kann. So können wir vorrangig CO2-freien Strom der Windkraftanlagen einspeisen. Um die CO2Vorteile der Windenergie ausschöpfen zu können, brauchen wir also moderne Kohlekraftwerke.

Diesen Argumenten werden auch Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, sich nicht verschließen können. Wir brauchen ein schlüssiges Konzept für die Netznutzung, für den Netzausbau und die Darstellung von Kraftwerkskapazitäten. Am Ende wird das auch der Windenergie in Niedersachsen nutzen.

Ich hoffe, dass Ihr Antrag wirklich nur dem Populismus geschuldet ist. Wenn Sie das, was Sie aufgeschrieben haben, wirklich ernst meinen, sind Sie aus meiner Sicht sowohl fachlich als auch politisch nicht ernst zu nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt möchte der Kollege Janßen eine Kurzintervention machen. - Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie müssen den Antrag schon genau lesen. Darin steht nämlich nicht, dass wir Kohlekraftwerke generell und grundsätzlich ablehnen. Schauen Sie sich den Punkt 1 und den Punkt 4 an, und verbinden Sie das miteinander.

Es ist schlicht und ergreifend eine intelligentere Energiewirtschaft gefragt, das heißt, Kraft-WärmeKopplung dort, wo immer es möglich ist, einzusetzen; denn Kraft-Wärme-Kopplung kommt im Gegensatz zu dem, was Sie gerade ausgeführt haben - Sie sprachen von konventionell 50 % -, auf einen Wirkungsgrad von bis zu 90 %. Von daher sollte man diese Technik, wo immer möglich, auch anwenden.

Noch eine Bemerkung zur Windkraft, obwohl ich gar nichts zur Windkraft gesagt habe. Das ist ein Punkt, der dafür spricht, statt Kohlekraftwerken Gaskraftwerke einzusetzen. Im Mittellastbetrieb sind sie nämlich viel schneller regelbar. Wir brauchen eine schnelle Regelungstechnik, um Lastspitzen auszugleichen, wenn wir keine andere Möglichkeit finden, die Anlagen grundlastfähig zu gestalten. Darüber haben wir heute Morgen schon diskutiert.

Dieser Antrag ist insofern nicht negativ für Niedersachsen, sondern zukunftsweisend. Ich empfehle Ihnen, sich die vier Punkte sehr genau durchzulesen und zu überlegen, ob Sie damit nicht doch etwas anfangen können. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe nicht, dass Herr Behr darauf reagieren möchte. - Ich komme zum nächsten Redner. Das

ist Herr Kollege Dehde für die SPD-Fraktion. - Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Behr, die Bedarfszahlen, die Sie hier zum Besten gegeben haben, führten bei mir zu der Frage, ob Ihnen die Marketingabteilung von E.ON das, was Sie hier vorgetragen haben, aufgeschrieben hat.

(Widerspruch bei der CDU)

An dieser Stelle müssen wir miteinander eines feststellen: Wer die Zahlen so plump fortschreibt, insbesondere zum Verbrauch fossiler Brennstoffe solche Theorien aufstellt und in die Öffentlichkeit bringt, der richtet seine Energiepolitik nicht auf die Zukunft aus, sondern meint, dass man die Fehler der Vergangenheit nur fortschreiben muss, um Antworten auf die Probleme der Energieversorgung zu bekommen. Ich bin der Auffassung, dass das nicht der richtige Weg ist.