Protocol of the Session on June 6, 2007

- Bitte schön, so geht es doch. Ich erteile Ihnen zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch als Parlamentarische Geschäftsführerin bin ich natürlich etwas überfordert, wenn die amtierende Präsidentin mich auffordert, das Kurzinterventionsschild zu zeigen. Dann tue ich das natürlich, weil ich gelernt habe, dass das Präsidium immer recht hat.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Argumente werden nicht deswegen besser oder richtiger, weil sie hier vorn lautstark vorgetragen werden. Herr Minister Busemann, Sie haben hier verschiedene Punkte angesprochen. Ich kann in der Kürze der Zeit na

türlich nur auf einige antworten. Eines ist aber klar: Bei der Vereinheitlichung der Hilfesysteme, d. h. bei der Ausgestaltung des SGB II, waren wir gemeinsam am Start. Wir sind inzwischen so weit, dass wir offen sagen: Wir müssen darüber nachdenken, dass dieses System in verschiedenen Teilen nachbesserungsbedürftig ist.

(Bernd Althusmann [CDU]: In welcher Richtung denn? Sie wollen draufle- gen!)

- Natürlich. Das betrifft zum einen die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums. So wie derzeit geht es nicht. Herr Böhlke, Sie haben hier gesagt, die Leistungen seien erhöht worden. Die Erhöhung betrug 3 Euro! Wenn jemand 345 Euro im Monat zur Verfügung hat und vielleicht nur die Hälfte davon für etwas ausgibt, was mehrwertsteuerpflichtig ist, dann bedeutet das bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte für ihn eine zusätzliche Belastung von 5,10 Euro. Davon sind jetzt 3 Euro ausgeglichen worden. Meine Damen und Herren, so geht das nicht! Wir müssen darüber sprechen, dass hier in unserer Gesellschaft etwas schiefläuft.

Herr Busemann, Sie haben hier aufgezählt, wie viel Geld Sie im Schulsystem für die verschiedenen Maßnahmen ausgeben. Herr Böhlke hat uns hier einen ganzen Strauß von Maßnahmen aufgezählt. Hinterher habe ich gedacht: Vielleicht hat er im letzten Jahr ein Fahrrad repariert; denn das hätte eventuell noch geholfen. Das bezog sich nicht wirklich auf das, worüber wir hier reden. Das gilt auch für JUMP und alles Mögliche, worüber Sie hier sprechen. Es geht doch nicht nur darum, wie viel Geld man wofür ausgibt, sondern es geht vor allen Dingen darum, wo das Geld landet. Sie grenzen in Ihrem Schulsystem aus. Wenn Sie die Lehrkräfte in die Kitas stecken, dann fehlen sie doch in den Schulen für die Sprachförderung.

Frau Helmhold, Sie haben schon etwas mehr als zwei Minuten gesprochen. Bitte kommen Sie jetzt zum Ende!

Es fehlt doch an allen Ecken und Enden. Deswegen müssen wir weiter darüber sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Der Antrag soll federführend dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend dem Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung: Energiewirtschaft zukunftsfähig gestalten Kohlekraftwerke konterkarieren den Klimaschutz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3814

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollegen Janßen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einigen Woche stand ich kurz davor, der Bundeskanzlerin und dem Bundesumweltminister einen Aufnahmeantrag der Grünen zu schicken. Es war fast grüne Programmatik pur, die von Angela Merkel und Sigmar Gabriel verkündet wurde: mehr Energieeffizienz, ein Quantensprung bei den regenerativen Energien, Umbau der Kfz-Steuer nach CO2-Ausstoß und was da sonst noch alles erzählt wurde.

Kurze Zeit später kann man allerdings feststellen, dass wieder business as usual herrscht. Offenbar hat die Bundeskanzlerin nur ein Thema gesucht, mit dem sie sich als EU-Ratspräsidentin profilieren kann. Sobald die Kamerascheinwerfer aus sind, spielt der Klimaschutz keine Rolle mehr. Es geht wie bei manchem Soufflé im Ofen: Wenn man von weitem draufschaut, sieht es ganz nett aus, aber sobald man hineinpikt, kommt nichts heraus als heiße Luft.

Dass Herr Gabriel offenbar nach der Maxime „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Politik macht, wissen wir hier in Niedersachsen zur

Genüge. In Berlin hat sich daran anscheinend nicht viel geändert:

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

einerseits am Eisbären Knut herumtätscheln und sich medienwirksam als sein Patenonkel inszenieren und sich dann andererseits fast zeitgleich von der EU-Kommission zwingen lassen müssen, die Emissionszertifikate zumindest etwas zu reduzieren, u. a. auch deshalb, damit Knuts wilde Verwandte zukünftig noch eine Heimat finden. Das passt schlicht und ergreifend nicht zusammen und macht deutlich, wie ernst es der Bundesregierung insgesamt mit dem Klimaschutz ist.

Meine Damen und Herren, wenn die Planungen Wirklichkeit werden, bis 2018 in Deutschland bis zu 40 neue Steinkohlekraftwerke und sechs neue Braunkohlekraftwerke zu bauen, dann können wir die deutschen Klimaschutzziele, die CO2-Emissionen bis zum Jahre 2020 um 40 % zu reduzieren, vergessen. Dann werden nämlich die CO2-Emissionen im Energiesektor von heute 320 Millionen t auf 370 Millionen t ansteigen. So viel kann man in anderen Bereichen nicht einsparen, um das zu kompensieren - zumindest nicht mit Ihrer Politik, meine Damen und Herren.

Damit wird bis 2050 eine Struktur der Stromerzeugung zementiert, die von vorgestern ist und die mit Klimaschutz nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie können sich auch nicht hier hinstellen und sagen, Sie hätten nichts damit zu tun, schließlich seien das ja Planungen der Energiekonzerne. Nein, meine Damen und Herren, das ist das Ergebnis des Energiegipfels der Kanzlerin mit den großen Energiekonzernen. Den haben CDU und FDP auch hier im Landtag mit einem eigenen Antrag groß gefeiert. Und die Landesregierung, meine Damen und Herren, hilft fleißig mit, indem sie durch entsprechende Festsetzungen in der Landesraumordnung den Kohlekraftwerken den Weg ebnet.

Der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hat völlig recht, wenn er sagt: Wer heute noch Kohlekraftwerke baut, muss sich im Klaren sein, dass uns eine solche Politik langfristig teuer zu stehen kommt. - Deshalb sagen wir: Schließen Sie diese Dinger im Landes-Raumordnungsprogramm aus! Kohlekraftwerke ohne Kraft-Wärme-Kopplung und ohne heute noch nicht funktionsfähige CO2Abscheidung sind mit den Zielen der Raumord

nung in Bezug auf den Klimaschutz nicht vereinbar; denn im Raumordnungsprogramm ist der Klimaschutz als Ziel enthalten.

Meine Damen und Herren, wir müssen von Großkraftwerken wegkommen, die den größten Teil der Energie als Wärme ungenutzt in die Luft blasen oder in die Flüsse abgeben. Was wir brauchen, sind neben einem ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien und wirksamen Maßnahmen zur Energieeinsparung auch wirksame Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Das haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in Ihren ansonsten eher dürftigen Juister Thesen durchaus richtig erkannt. Nun handeln Sie bitte auch danach!

Für die Energieproduktion aus fossilen Quellen heißt das: Wir brauchen die Kraft-WärmeKopplung, weil damit der Wirkungsgrad, also der Anteil der wirklich genutzten Energie am Primärenergieeinsatz, gegenüber konventionellen Großkraftwerken - auch gegenüber modernen - mehr als verdoppelt wird. Das funktioniert zum einen nur in vergleichsweise kleinen Einheiten, weil Wärme sinnvollerweise nur über kurze Strecken transportieren kann. Zum anderen braucht man Abnehmer für diese Wärme. Man muss dann die Größe eines Kraftwerks auch am Wärmebedarf ausrichten und darf sie nicht, wie es in Dörpen augenscheinlich der Fall ist, völlig überdimensionieren.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie an dieser Stelle, was die Wärmenetze betrifft, nochmals an unseren Antrag erinnern, es den Kommunen durch eine Änderung der Niedersächsischen Bauordnung zu erleichtern, im Rahmen der Bauleitplanung die Nahwärmeversorgung voranzutreiben. Aber das haben Sie ja abgelehnt.

(Unruhe)

Herr Janßen, bitte warten Sie einen Augenblick! Auf der linken Seite ist es sehr laut. Der Kollege Lenz telefoniert, und es wird überall gesprochen. Ich bitte, das Reden jetzt einzustellen und zuzuhören.

Ich sage es noch einmal: Das ist völlig falsch, wenn man die Energieeffizienz voranbringen will. Darüber hinaus brauchen wir für die weitergehende Etablierung der Kraft-Wärme-Kopplung aber

auch vernünftige Fördermaßnahmen, die gezielt auf den Ausbau der Wärmenetzwerke hinwirken, z. B. durch den Einsatz von EFRE-Mitteln im Rahmen dessen, was wir heute Morgen diskutiert haben.

Herr Janßen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr?

Nein, keine Lust.

(Christian Dürr [FDP]: Nie von mir!)

- Das letzte Mal habe ich es zugelassen, diesmal nicht. - Meine Damen und Herren von der FDP, Sie tun immer so, als ob Sie viel von Wirtschaft verstünden. Aber offenbar sind Sie tatsächlich schon bei einfachen Lehrbuchweisheiten mit Ihrem Latein am Ende; denn eines ist doch klar: Wenn es richtig ist, was McKinsey und andere sagen, dass uns die eingesparte Tonne CO2 etwa 40 Euro kosten wird, dann sollte es doch auch Ihnen einleuchten, dass der Emissionshandel derzeit schlicht und ergreifend nicht funktionieren kann,

(Christian Dürr [FDP]: Ja, warum denn?)

weil Emissionszertifikate deutlich unterhalb dieses Preises gehandelt werden und kostenlos abgegeben werden.

(Christian Dürr [FDP]: Weil es viel- leicht zu viele Zertifikate gibt?)

Im Moment werden diese Zertifikate so gut wie verschenkt, weil sie nicht knapp genug sind. Deshalb sagen wir: Wir brauchen eine engere Begrenzung als die jetzt geplanten 453 Millionen t, und wir müssen 10 % davon - wie zulässig - auch versteigern, damit die Marktmechanismen hier endlich greifen können. Neue Kohlekraftwerke dürfen natürlich keine zusätzlichen CO2-Emissionszertifikate erhalten. Wir wollen schließlich keine Schmutztechnologie begünstigen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Anneliese Zachow [CDU]: Gilt das überall?)

- Das gilt zumindest überall hier in der Bundesrepublik.

(Anneliese Zachow [CDU] und Chris- tian Dürr [FDP]: Auch in Bremen?)

- Das müsste auch in Bremen gelten.

(Zurufe: Ah!)

- Das ist egal.

(Jörg Bode [FDP]: Heute keine Zei- tung gelesen? - Weitere Zurufe von der CDU und von der FDP)

Schließlich schlagen wir eine Begrenzung der CO2-Emissionen auf 365 g/kWh erzeugten Stroms im Bundes-Immissionsschutzgesetz vor. Das ist der durchschnittliche Ausstoß der bereits laufenden Gaskraftwerke. Das ist wahrlich keine Verhinderungspolitik, aber ein wichtiger Schritt, um eine verfehlte Energiepolitik für die nächsten Jahrzehnte zu verhindern.

Meine Damen und Herren, ich weiß wohl, dass der Ansatz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz in dieser Weise zu erweitern, durchaus innovativ ist. Aber wenn wir den Klimawandel begrenzen wollen, dann müssen wir neue Wege gehen: Mit den alten Rezepten schieben wir diesen Planeten schlicht und ergreifend in den Ofen.