Protocol of the Session on March 8, 2007

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angesichts dieses kritischen Befundes bleibt doch die Frage, was oder wer die Landesregierung und mittlerweile auch die Regierungen von drei weiteren Bundesländern eigentlich dazu getrieben hat, diese Versuche vom Zaun zu brechen. Zu Ende gedacht, fördert Minister Hirche damit ja nicht freiere Straßen, sondern nimmt sogar deren zusätzliche Verstopfung sowie noch mehr unbezahlbare Ausbau- und Neubauzwänge für die öffentliche Hand billigend in Kauf. Macht er das vielleicht sogar bewusst und absichtlich, um Druck für noch mehr Straßenbau zu erzeugen, oder hat er schlicht der Lkw-Herstellerlobby, die für ihre neuen teuren Hightech-Produkte nach Absatzmärkten sucht, und den großen Spediteuren nachgegeben, die sich

Wettbewerbsvorteile gegenüber den weniger liquiden Mittelständlern und ausländischen Billigkonkurrenten sichern wollen? Auf jeden Fall kämpft Minister Hirche hier für die Freiheit weniger auf Kosten der Allgemeinheit. Das ist jedoch ein sehr einseitiger Freiheitsbegriff, wie ihn die FDP hier im Niedersächsischen Landtag allerdings inzwischen häufiger kultiviert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Feldversuch mit Monster-Lkw muss wegen erwiesener Sinnlosigkeit und Gefährdung des allgemeinen Straßenverkehrs mit sofortiger Wirkung eingestellt werden. Jeder Weiterbetrieb erhöht gegen alle Vernunft den Druck aus Industrie und Ausland auf eine Zulassung der Monstertrucks in Deutschland und verhindert letztendlich notwendige Investitionen in wichtige Projekte des kombinierten Verkehrs. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Rühl. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Sehr verehrter Herr Hagenah! Für die anderen: Sie sind länger, sie sind schwerer, sie sind neu und somit auch umstritten, vor allen Dingen natürlich bei den Grünen. Alles, was neu ist, ist da erst einmal umstritten.

(Beifall bei der CDU)

Die XXL-Lkw, die sogenannten Gigaliner - ich würde sie übrigens viel lieber „EuroCombi“ nennen; ich denke, das ist angenehmer -, sind gut 25 m lang und erreichen ein Gewicht von bis zu 60 t. Wir prüfen hier in diesem Versuch die 40-t-Variante. Herr Hagenah, zwischen 40 und 60 gibt es einen Unterschied von 20. Dies zu begreifen, fällt euch schwer; ich weiß es.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie transportieren 40 statt 26 t und bieten Platz für bis zu 52 statt 34 Europaletten. Damit einhergehend ergibt sich eine entsprechende Minimierung des Schadstoffausstoßes - das ist uns gestern als erwiesen vorgestellt worden - sowie eine Senkung der Transportkosten. Derzeit laufen auch in NRW

und in Baden-Württemberg Versuche mit diesem EuroCombi. Bei uns in Niedersachsen wurden in einem zeitlich begrenzten Versuch drei Einzelfahrzeuge, beschränkt auf 40 t, auf festgelegte Routen geschickt.

Bevor Sie vom Bündnis 90/Die Grünen eine Vorverurteilung vornehmen, wie Sie es bei neuen Sachen immer machen, sollten Sie den Abschluss und die Auswertung dieser Versuche abwarten. Herr Hagenah, wenn Sie alles so genau wissen, wie Sie es eben beschrieben haben, dann haben Sie doch alle Zeit und Ruhe, diese Ergebnisse abzuwarten.

(Beifall bei der CDU)

Dann werden wir sehen, wer recht hat, und können wir darüber reden. Selbst wenn sich herausstellt, dass durch die Erlaubnis des langen Lkw eine Verkehrsverlagerung hin zur Straße stattfindet, wie Sie neuerdings behaupten, wäre dies nach meinem Dafürhalten kein Grund für ein generelles Verbot. Eine Regulierung des Verkehrsaufkommens wäre z. B. durch fiskalische Maßnahmen oder Straßenausbau sehr wohl möglich. Man könnte es wenigstens einmal in Betracht ziehen, nachdem wir Ergebnisse aus dem Versuch haben.

Für den bundesdeutschen Straßengüterverkehr erwarten Experten bis 2015 eine Zunahme um mehr als 70 %, für den Güternahverkehr eine Steigerung von rund 25 %. Auf EU-Ebene prognostizieren die Experten bis 2010 einen Zuwachs von rund 40 %. Da das Straßennetz aber nicht im gleichen Maße wie das Verkehrsaufkommen wächst - das wissen Sie auch -, müssen eben neue Lösungen entwickelt werden. Damit wir auch in Zukunft den Verkehr bewältigen können, bleibt uns eigentlich nur, die Straße ganz einfach besser zu nutzen. Auch Schweden - nicht nur Holland - zeigt uns, wie man vorgehen kann. Sogar in meiner Nähe, in Bremen, gibt es ein gutes praktisches Beispiel für Sondersituationen und Sondergenehmigungen. Ich habe Ihnen das übrigens alles mitgebracht - ich kann das jetzt nicht mehr aufzählen -; ich sage Ihnen nachher, wo und wie das läuft.

Wir werden eine Gleichwertigkeit aller Verkehrsträger sicherstellen und wissen Ihre allgemeine Blockade der Innovationen im Straßenverkehr im Hinblick auf unsere moderne Verkehrspolitik in Niedersachsen zu verhindern. Wir wollen die Erkenntnisse unseres Versuchsprojekts abwarten.

Wir wollen es auswerten. Danach möchten wir für Niedersachsen eine Ausrichtung finden, die dem entspricht.

Darum lehnen wir Ihren Antrag ab. Hier werden keine Versuche abgebrochen, bevor nicht Ergebnisse vorliegen. Wir wollen diese Ergebnisse - Sie nicht, das ist mir klar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin König. Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schwarze Schafe im Speditionsgewerbe - das ist ja sehr interessant, da werden wir sicherlich eine ganze Menge auf deutschen Straßen erleben. Machen wir doch gleich die Bahn frei für Polen, Litauer und Niederländer,

(Gerd Will [SPD]: Belgier!)

die in dieser Beziehung nämlich gar keine Probleme haben. Dann fahren die Deutschen demnächst gar nicht mehr, und die Straßen sehen dann bestimmt viel besser aus, Herr Hagenah.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von den GRÜNEN: Was ist das denn für eine Polemik?)

Dieser Antrag der Fraktion der Grünen verfehlt wieder einmal - wir kennen das - weitestgehend das Thema. In dem Antrag ist ausschließlich von den Gefahren die Rede, die von 60 t schweren Lkw ausgehen. Dass es bei uns aber gar keine Fahrzeuge mit diesem Gewicht gibt, scheint Sie überhaupt nicht zu interessieren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Schon die Bezeichnungen „Gigaliner“, „XXLer“ und „Monstertrucks“ zeigen die Haltung, die Sie einnehmen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber „Gi- galiner“ nennen Sie doch das Ding!)

In den Niederlanden heißen diese Fahrzeuge schlicht und ergreifend „ÖkoCombis“.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und dann sind sie besser, wenn sie einen anderen Namen haben?)

Entsprechend ist auch die Haltung der Menschen dort zu dieser Technologie. Ein EuroCombi, wie er in Niedersachsen zugelassen ist, ist noch nicht einmal mit diesen Fahrzeugen zu vergleichen, wiegt er doch gerade einmal so viel wie ein herkömmlicher Lkw. Er verteilt lediglich sein Gewicht auf mehr Achsen und stellt damit, wenn überhaupt, eine Entlastung der Straßen dar.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Hagenah, ich weiß nicht, ob Sie mathematisch auf dem richtigen Dampfer sind. Denn wenn man 40 t auf acht Achsen verteilt, dann sind das nur 5 t pro Achse. Bei einem herkömmlichen Lkw mit 34 bis 40 t sind es 7 oder 8 t auf einer Achse. Wodurch wird die Straße also mehr belastet?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe noch keine Studie gelesen, in der Probleme mit 40 t schweren Lkw festgestellt wurden. Das gilt auch für die immer wieder zitierte BAStStudie. Es geht den Spediteuren weniger darum, mehr Gewicht zu laden, sondern vielmehr um das zusätzliche Volumen. In Niedersachsen hat eine Spedition auch schon einmal normale Lkws mit 44 t gefahren, ohne dass sich jemand großartig darüber aufgeregt hat. Seit langer Zeit gibt es auch entsprechende Transporte zwischen Hamburg und Lübeck; darüber hat sich auch noch niemand aufgeregt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Enno Hagenah [GRÜNE]: Der Steuer- zahler zahlt!)

Auch die Länge von 25 m - also gut 6 m mehr als bisher - wird immer wieder als mögliche Gefahrenquelle genannt. Ungewöhnlich ist diese Länge heute aber schon längst nicht mehr. Viele Holztransporter sind länger. Auch um Windkraftanlagen zu transportieren, sind Lkw mit Überlänge nötig. Und bisher hat noch niemand behauptet, dass Windkraft eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellt.

Natürlich gibt es auch Straßen, die für einen EuroCombi einfach zu klein und zu eng sind. Jede Strecke muss aber einzeln betrachtet werden. Im Übrigen gibt es auch heute schon Strecken, die für

normale Lkw nicht geeignet sind. Was soll das also?

EuroCombis sind übrigens wesentlich wendiger, als sie aussehen. Einige kommen dank lenkbarer Hinterachsen selbst durch die kleinsten Kreisverkehre. Auch das sollten Sie einmal berücksichtigen. Davon abgesehen hat niemand vor, die Fahrzeuge in die Innenstädte fahren zu lassen.

Von Kritikern wird immer wieder gerne angeführt, der EuroCombi sei eine Gefahr für den Kombiverkehr - Sie haben das ja eben ausgeführt - und führe zu einer Verlagerung des Verkehrs auf die Straße. Die von der UIRR erstellte Studie wird zwar oft erwähnt, ist aber immer noch nicht veröffentlicht. Warum das so ist, kann man nur vermuten. Tatsache ist, dass der Güterverkehr in Deutschland boomt: mindestens 60 % Wachstum bis 2015. Auch der Güterverkehr auf der Schiene wächst schnell: ca. 11 % allein in 2006. Das ist ein Rekordergebnis. Richtig ist aber auch, dass das Schienennetz bereits heute seine Kapazitätsgrenzen erreicht hat. Wie soll denn die Bahn die restlichen 60 % noch aufnehmen? Können Sie mir das einmal erklären?

(Marie-Luise Hemme [SPD]: Auf dem Wasser!)

Meinen Sie, wir sollten am besten nicht mehr transportieren?

Im Hinblick auf diesen Zuwachs müssen wir uns doch in irgendeiner Form bewegen. Der EuroCombi wird also herkömmliche Lkw ersetzen, anstatt eine Konkurrenz auf der Schiene zu sein. Ferner ist damit - wir haben es eben schon gehört - eine Verringerung des CO2-Ausstoßes verbunden.

(Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Übrigens fährt eine Reihe von EuroCombis zwischen Güterverladezentren, um flexibel auf Lastspitzen reagieren zu können. Eine Kombination verschiedener Systeme ist also möglich und gewollt. Die Speditionen suchen Flexibilität. Denn bei einem plötzlich auftretenden Bedarf ist es einfacher, einen Hänger anzuhängen, als einen zweiten Lkw zu organisieren. Die direkten Kosteneinsparungen für die Speditionen sind dagegen nicht so bedeutend. Immerhin gilt es, Fahrer auszubilden und neue Fahrzeuge zu beschaffen.

Wie die Vor- und Nachteile letztendlich im Detail aussehen werden und auf welchen Strecken die

Fahrzeuge gut eingesetzt werden können, versuchen wir im Moment durch dieses Pilotprojekt herauszufinden. Diesen Test jetzt abzubrechen, kann nur fordern, wer keine Ergebnisse will, sondern nur seine Vorurteile bestätigt sehen will.

(Glocke der Präsidentin)

Wir suchen vielmehr eine europäische Lösung. Unsere Nachbarn lassen bereits EuroCombis zu. Wir werden diese an der Grenze nicht aufhalten können.