Protocol of the Session on January 25, 2007

Zu Frage 2: Statistisch erfassbar sind die Schülerinnen und Schüler mit einem dualen Ausbildungsplatz, die aus allgemeinbildenden Schulen als

Neuzugänge direkt in die Berufsschule und das kooperative BGJ gegangen sind.

Im Zeitraum von 1996 bis 2005 hat sich der prozentuale Anteil derjenigen, die ohne Abschluss, mit Abschluss Förderschule Lernen und mit Hauptschulabschluss an der Gesamtzahl der neu in die Berufsschule und das kooperative BGJ eingetretenen Schülerinnen und Schüler wie folgt entwickelt:

Der Anteil der Schülerneuzugänge ohne Abschluss ist von 3,4 % auf 1,6 % zurückgegangen, der Anteil der Neuzugänge mit dem Abschluss Förderschule Lernen ist geringfügig von 1,0 % auf 0,9 % gefallen und der Anteil der Schülerneuzugänge mit Hauptschulabschluss hat von 28,2 % auf 22,4 % abgenommen.

Zu Frage 3: In der Vorbemerkung habe ich dargestellt, dass das genannte Projekt nur eines von vielen ist, um die Abschlussquote zu erhöhen. Entsprechend investiert die Landesregierung bereits jetzt erhebliche Mittel über die finanziellen Aufwendungen für dieses Projekt hinaus. Die Bereitstellung noch darüber hinausgehender finanzieller Mittel und Ressourcen bleibt der Entwicklung der Haushaltslage vorbehalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordneten Wenzel.

Herr Minister Busemann, Ihre Erfolgsmeldungen hier sind schlicht ein Pfeifen im Walde. Das hat offenbar auch die Bundesbildungsministerin Schavan erkannt, die jetzt wesentlich anspruchsvollere Ziele setzt. Sie haben uns hier vor einem Jahr bereits einmal mit falschen Erfolgsmeldungen hinters Licht geführt.

(Widerspruch bei der CDU)

Damals haben sie von einem Anteil von 7,5 % gesprochen, was Sie hinterher korrigieren mussten. Meine Damen und Herren, auch bei Ihnen im eigenen Lager wachsen ja die Zweifel. Wir brauchen hier keine Pseudoerfolgsmeldungen, sondern wir brauchen bei den Schulabbrechern Zahlen, die deutlich gegen null gehen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ist das jetzt eine Rede oder eine Frage?)

Von daher und auch vor dem Hintergrund der Zahlen, die Sie hier vorgelegt haben, frage ich Sie, Herr Busemann: Was wollen Sie ernsthaft tun? Wie wollen Sie die Zahl der Schulabbrecher im dreigliedrigen System bei den Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien - die für die Gymnasien hier genannte Zahl von 0 % ist eine Farce, weil die Gymnasien die Schulabbrecher gewissermaßen immer nach unten durchschieben; Sie müssten die Zahlen der drei Schultypen zusammenrechnen substanziell herunterdrücken, sodass die Kinder auch wirklich eine Chance haben und nicht, wie jetzt, in das Leben geschickt werden, ohne dass sie eine Chance haben, später auch einen Beruf zu finden?

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Haben Sie nicht zu- gehört?)

Für die Landesregierung hat Herr Minister Busemann das Wort.

Herr Präsident! Herr Kollege Wenzel, ich versuche, Ihre Ansprache jetzt einmal substanziell als Frage zu interpretieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen: Meine ausführliche Antwort ist getreu der von Ihnen gestellten Frage erfolgt. Sie haben nach dem prozentualen Anteil im Bereich der Gymnasien gefragt. Wenn dieser Anteil 0,0 % beträgt, so muss ich Ihnen dies hier pflichtgemäß berichten. Wenn das nicht in Ihr Weltbild passt, kann ich Ihnen doch nicht andere Zahlen liefern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Peinlich!)

- Das ist in der Tat etwas peinlich. - Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Antwort, die Sie gleich auch schriftlich ausgehändigt bekommen, wirklich genau lesen. Darin wird genau und getreu der Fragestellung mit Prozentangaben dargestellt, was wo los ist.

Sie haben Frau Schavan ins Gespräch gebracht. Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass diese Landesregierung bereits, als sie 2003 angetreten ist, also vor knapp vier Jahren, Hand

lungsbedarf in Sachen Nichtabschlussquote gesehen und sich das Ziel gesetzt hat, die Quote zu halbieren. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Eine Nichtabschlussquote von 0,0 % ist Fantasterei; auch Sie wissen, dass das nicht erreichbar ist. Wir wollten bereits in den wenigen Jahren auf die Halbierung der Nichtabschlussquote hinarbeiten. Die Ergebnisse sind gar nicht so schlecht, wie meine Antwort eben gezeigt hat und wie sich möglicherweise auch noch in dieser Fragestunde ergeben wird.

Frau Schavan ist jetzt, vier Jahre später, sozusagen auf die niedersächsische Grundrichtung eingeschwenkt. Dadurch sehen wir unsere Politik bestätigt. Sie werden in den letzten Wochen vernommen haben, dass nicht nur der Niedersächsische Kultusminister, sondern auch die Kultusminister der anderen 15 Bundesländer gesagt haben: Zuständigkeit hin oder her, wenn die Bundespolitik meint, ein bisschen Hilfe aus Berlin wäre gut, damit wir die Nichtabschlussquote auf die Hälfte senken können, dann sind wir unisono dabei und tun unser Bestes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Helmhold.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich ziehe zurück!)

Frau Helmhold zieht ihre Frage zurück.

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Steiner.

Herr Minister, das Entscheidende sind für uns die Konsequenzen, die man aus den immer noch verheerenden Zahlen zieht.

(Zuruf von der CDU: Frage!)

Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss sind auf dem Arbeitsmarkt besonders chancenlos.

(Zuruf von der CDU: Frage!)

Frau Steiner, einen Augenblick, bitte! - Wer auch hier immer wieder „Frage“ ruft, der kennt die neue Geschäftsordnung nicht. Danach hat man jetzt

eine Minute Zeit für eine Vorbemerkung, bevor man zu der Frage kommt. - Frau Steiner, bitte!

Von den Schulabgängerinnen und Schulabgängern, die nicht mehr als einen Hauptschulabschluss erlangt haben, bekam in 2004 nur noch eine Minderheit einen Ausbildungsplatz. Das hängt natürlich mit dem Etikett zusammen, das die Hauptschulen haben. Egal, ob sie dieses Etikett zu Recht oder zu Unrecht haben: Die Ausgrenzung der Schülerinnen und Schüler, die aus dem Hauptschulzweig kommen, ist verheerend.

Vor diesem Hintergrund möchte ich eine grundsätzliche Frage stellen. In Hamburg ist man kurz davor, Haupt- und Realschulen zusammenzulegen und nur noch über die speziellen Formen zu diskutieren. Warum geben Sie nicht zu, dass auch Sie bereits darüber diskutieren - nur sagen tun Sie es noch nicht -, im Falle eines Wahlsiegs - den wir noch sehr infrage stellen - Haupt- und Realschulen zusammenzulegen?

Für die Landesregierung antwortet der Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns in der Beurteilung einig, dass die Zahl derjenigen Schülerinnen und Schüler, die die Schule abbrechen, und insbesondere derjenigen, die sie ohne Abschluss verlassen, einig.

In den 1990er-Jahren haben in Niedersachsen rund 10 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die Schulen ohne Abschluss verlassen, nachdem sie ihre Schulpflicht erfüllt hatten. Das war für sie eine Art Eintrittskarte in die Sozialhilfebedürftigkeit, in den Empfang von Transferleistungen, in mangelnde Ausbildungsfähigkeit und Ausbildungsreife.

Ich habe in meiner Regierungserklärung zum Antritt dieser Landesregierung, am 4. März 2003, das Ziel postuliert, dass wir innerhalb kürzester Frist die Zahl der Schulabbrecher und der Schüler ohne Abschluss halbieren wollen, weil wir die Quote von 10 %, die Sie uns hinterlassen hatten - das muss man auch einmal so deutlich sagen -, als absolut skandalös betrachtet haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Seitdem geht die Zahl der Schulabbrecher auch kontinuierlich zurück. Wir haben erste Erfolge zu verzeichnen. Aber man muss dazu sehr deutlich sagen, dass die Halbierung der Zahl der Schulabbrecher nicht innerhalb weniger Jahre zu erreichen ist; denn die Ursachen für die hohen Schulabbrecherzahlen - z. B. Schulmüdigkeit oder Distanz zu Schule und Schulbetrieb - werden oft schon in den ersten Lebensjahren gelegt.

Die ersten Schüler, die bereits vor der Einschulung in die Grundschule Sprachförderung genossen haben - etwas, was Sie über Jahre vernachlässigt haben -, werden die Hauptschulen in Niedersachsen erst in einigen Jahren verlassen. Diese Hauptschüler werden gut ausgebildet sein, guten und ausreichenden Unterricht genossen haben und mit Kernkompetenzen in Mathematik, Deutsch und Sozialverhalten ausgestattet sein. Das werden vor allem Migrantenkinder sein, Kinder, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin neulich in einer Hauptschule gewesen, in die die Kreisverwaltung all die Schüler einschult, die mit 15, 16 oder 17 Jahren nach Deutschland kommen, ohne ein Wort der deutschen Sprache zu beherrschen. Diese Schüler werden eingeschult, weil sie selbstverständlich die Schulpflicht erfüllen müssen. Diese Schüler unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichster Religion und unterschiedlichster Sprache werden in Deutschland zusammen beschult bzw. überhaupt erst einmal an Bildung herangeführt. Dass in solchen Schulen die Zahl derjenigen, die sie dann ohne Abschluss verlassen, nicht ohne Weiteres innerhalb kürzester Frist reduziert werden kann, wird nun wirklich jeder einsehen, der sich ein bisschen in der Praxis auskennt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich halte es für erforderlich, dass das Parlament etwas differenziert. Auf der einen Seite sollten wir die Debatte über die Schulorganisation führen. Dazu kann ich nur sagen: Es gibt exzellente Gesamtschulen in Niedersachsen, in denen hoch motiviert gearbeitet wird, und es gibt Schulen im gegliederten Bildungswesen, die große Defizite haben. So unterschiedlich, wie das Leben ist, so unterschiedlich ist auch die Bildungslandschaft.

Der Streit darüber, was das grundständige Modell sein sollte, sollte geführt werden. Dabei haben wir eine andere Auffassung als die Grünen oder die SPD. Sie wollen die Gesamtschulschlachten der Vergangenheit führen, an denen wir uns nicht beteiligen wollen, weil wir uns aus unserer Sicht für das Richtige entschieden haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber auf der anderen Seite müssen Sie endlich aufhören, ständig die Hauptschule und damit die Schülerinnen und Schüler und Lehrer an der Hauptschule zu diffamieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Handwerk tritt gemeinsam mit dem Kultusminister fortlaufend für die Hauptschule ein. Erst kürzlich hat es auf einer Pressekonferenz gesagt, dass es eine ganze Reihe von gut motivierten Hauptschülerinnen und Hautschülern bekommt, die gut vorbereitet auf die Berufe sind, für die freie Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Im Bereich der Handwerkskammer Hannover stehen Hunderte von unbesetzten Ausbildungsstellen zur Verfügung, mit denen man beispielsweise Hauptschülern Perspektiven bieten möchte. Man könnte zu diesem Thema durchaus auch einmal eine Regierungserklärung abgeben.