Protocol of the Session on January 24, 2007

(Sigrid Leuschner [SPD]: Nur Mittler!)

- Natürlich, nur Mittler. Eine ganz schlanke Verwaltung. Hier geht es nicht um das Abarbeiten normaler Verwaltungsaufträge. Nein, das, was die Regierungsvertretungen machen, ist Management. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Das kann auch bei der interkommunalen Zusammenarbeit eingesetzt werden.

Ein anderes Beispiel: Wenn Sie die Personalämter zusammenlegen wollen, wobei es auch noch rechtliche Hürden gibt, sollte auch das Know-how des Landesamtes für Bezüge und Versorgung mit eingebracht werden. Auch hier ist man Mittler und Ansprechpartner. Ganz wichtig für die interkommunale Zusammenarbeit sind z. B. aber auch das Landesdatennetz und gleiche Kommunikationsmöglichkeiten. Hier steht das IZN zur Verfügung. Auch in diesem Bereich ist man wieder Mittler.

Wenn dieser Prozess von der Landesregierung organisiert wird, wenn er aktiv angenommen wird und wenn mit den Kommunen Gespräche geführt werden, dann kann man in diesem Land an die Spitze der Bewegung geraten und muss nicht nur zur Kenntnis nehmen, dass diese interkommunale Zusammenarbeit in anderen Bundesländern erheblich besser läuft.

Jetzt noch ein Letztes zur finanziellen Förderung.

(Unruhe)

Herr Minister, einen Augenblick. - Damit jetzt alle auch das Letzte, was Sie sagen wollen, mitkriegen können, bitte ich darum, zuzuhören. - Bitte schön!

Wenn man hier von Anreizsystemen spricht und für die Braut etwas an finanziellen Mitteln zur Verfügung stellen will, meine Damen und Herren, muss

man sich darüber klar werden, dass man allein mit 300 000 Euro nicht alles bewerkstelligen kann.

Worum geht es nun konkret? - Wenn es zukunftsorientierte Modellprojekte gibt, sollen diese Projekte begleitet und finanziell gefördert werden. Das hat nichts mit Abfindungen und dergleichen zu tun. Nein, auch wir wollen durch Beratung die entstehenden Kosten mit abfedern. Das ist das, was wir erreichen wollen. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb sollten Sie, meine Damen und Herren, nicht immer nur Lippenbekenntnisse abgeben, sondern wir sollten an die Sache herangehen und die interkommunale Zusammenarbeit gemeinsam erreichen. Dann hätten wir viel für die kommunale Selbstverwaltung im Lande getan.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, der Abgeordnete Professor Dr. Lennartz hat noch eine Frage an Sie.

Herr Minister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zu dem steuerrechtlichen Thema noch kurz Stellung nehmen könnten, weil das von mehreren Zeitungen in dem Sinne, in dem ich es vorhin vorgetragen habe, als Problem dargestellt worden ist.

Ich bin Ihnen sehr dankbar. Das ist eine Anfrage, u. a. von Herrn Möhrmann. Aber ich nehme natürlich gerne schnell dazu Stellung. Im Detail werde ich es am Freitag darstellen können.

Wir haben hier ein Gesetz zur interkommunalen Zusammenarbeit - wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sogar einstimmig - verabschiedet. All die Punkte, die darin aufgegriffen worden sind, haben mit den steuerrechtlichen Fragen, die auch auf europäischer Ebene besprochen werden, nichts zu tun. Das heißt, in diesem Bereich gibt es überhaupt keine Behinderung. Wir werden insgesamt natürlich die Entwicklung abwarten müssen, was noch auf europäischer Ebene diskutiert wird. Es wird allerdings insgesamt darüber nachgedacht, ob die Steuerbefreiung der Kommunen in der Zukunft überhaupt noch gerechtfertigt ist. Wenn das fällt, hat das mit interkommunaler Zusammenarbeit

nichts zu tun. Also, auf der Grundlage der Gesetzgebung im Lande Niedersachsen gibt es keine Einschränkungen durch die steuerrechtlichen Diskussionen auf der europäischen Ebene.

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4.

Wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrates zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 5.

Der Antrag soll federführend in den Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend in den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer dem so zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Auch das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, damit Sie wissen, wann Sie nach der Mittagspause wieder hier sein sollen: Um 15.15 Uhr treffen wir uns hier wieder.

Unterbrechung der Sitzung: 13.22 Uhr.

Wiederbeginn der Sitzung: 15.16 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen unsere Sitzung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 15/3474

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Kollegen Jüttner von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Jüttner!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kinder sind der größte Schatz, über den unsere Ge

sellschaft verfügt. Sie erfreuen ihre Eltern, ihre Großeltern, uns alle. Letztlich sichern sie unsere Zukunft. Auch deshalb sind wir gut beraten, pfleglich mit ihnen umzugehen. An vielen Stellen wird dies auch praktiziert. Gleichwohl ist festzustellen: Unsere Gesellschaft und die Politik gehen jenseits von Sonntagsreden oft unbedacht mit ihnen um. Unsere Gesellschaft ist inzwischen vielfach kinderentwöhnt. Kinderbelange spielen in Planungs- und Entscheidungsprozessen oft nicht die Rolle, die ihnen zukommen müsste - nicht als besonders schutzbedürftige Menschen und nicht als Garanten für die Zukunft.

Ein Beispiel: Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung, heißt es in der Niedersächsischen Verfassung. Wir sind uns sicherlich darin einig, dass wir für die Wissensgesellschaft von morgen alle Potenziale ausschöpfen müssen. Wir dürfen und wollen niemanden zurücklassen. Deshalb gilt für uns: Das Portemonnaie der Eltern darf für die Chancen der Kinder nicht ausschlaggebend sein.

(Beifall bei der SPD)

Pisa hat es amtlich gemacht: Nicht nur, dass knapp 10 % der Kinder keinen Schulabschluss haben, schlimmer noch: Herkunft entscheidet fast immer über Zukunftschancen. Sag mir, was deine Eltern beruflich machen, und ich sage dir, was für dich drin ist.

Ich möchte an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1982 erinnern, des Inhalts, Kinder hätten hinzunehmen, dass die Eltern nur die Förderung leisten müssen, die ihren eigenen Lebensverhältnissen entspricht. - Das muss man sich einmal ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen.

Das stark ausgeprägte Grundrecht der Eltern könnte auch noch heute zu ähnlichen Ergebnissen führen, trotz der Gültigkeit der UN-Kinderrechtscharta in Deutschland. Für uns gilt: Wir brauchen ein eigenständiges Grundrecht für Kinder, ein Recht auf Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf Förderung nach ihren Anlagen und Fähigkeiten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dies schränkt Elternrechte nicht ein. Aber wir meinen: Im Konfliktfall muss Kindeswohl vor Elternrecht gehen. Im Zweifel müssen auch die Möglichkeiten der Eltern übergangen werden, man muss

über sie hinausgehen können, gerade im Gegensatz zu dem, was das Bundesverfassungsgericht 1982 als Rechtslage festgestellt hat. Im Zweifel müssen wir als Staat die Rahmenbedingungen für Kinderchancen optimieren, weil wir wissen, dass es für viele Elternhäuser soziale Grenzen gibt. Dabei ist auch für uns unstrittig: Die Eltern sind und bleiben die erste Adresse.

Wir haben aber auch zur Kenntnis zu nehmen: Immer weniger Eltern sind immer weniger dazu in der Lage, dieser Verantwortung allein gerecht zu werden, sei es, dass Kinder mit Migrationshintergrund einfach eine höhere Hürde vorfinden oder dass im Bereich von bildungsfernen Schichten das Thema drastisch unterschätzt wird. Aber - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - es gibt auch Entwicklungen, und zwar in dem, was wir „bürgerliche Elternhäuser“ nennen, bei denen geistige und mediale Verwahrlosung auf der Tagesordnung stehen und bei denen es überhaupt nicht mehr ausreicht, aus diesen Elternhäusern heraus die notwendigen Anstöße für eine umfassende Bildungspraxis zu gewährleisten.

Wir wissen: Der Begriff „Kindergarten“ ist in Deutschland erfunden worden und rund um die Welt gegangen. Aber, meine Damen und Herren, die Entwicklung in Deutschland stagniert. Inzwischen fließen nur noch 0,4 % der öffentlichen Ausgaben in den Bereich der vorschulischen Bildung. Wir fallen hinter alle anderen vergleichbaren Länder deutlich zurück. Der vorschulische Bereich ist der schwierigste und unbedienteste in der gesamten Bildungslandschaft, ein echter Schwachpunkt. Das gilt insbesondere für Niedersachsen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wie soll man der niedersächsischen Bevölkerung erklären, dass bei uns nur 2,9 % der unter Dreijährigen betreut werden? Ist das der Ausweis von Stärke? - Ich finde, das ist peinlich für diese Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Ist das das Thema?)

- Ja, das ist das Thema, meine Damen und Herren. Augenscheinlich haben Sie ein sehr verengtes Verständnis von dem, worüber wir gerade reden.

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich der Kindergartenplätze liegt Niedersachsen bei 80 %.

(Zuruf von der CDU: Eine glänzende Situation!)

- Eine glänzende Situation? Gucken Sie sich einmal den internationalen Vergleich an, dann bleibt Ihnen die Spucke weg!

(Beifall bei der SPD)

Die Situation hat sich in den letzten Jahren nicht verändert, und das trotz der öffentlichen Debatte darüber, wie bedeutsam dieser Teil des Bildungswesens für die Bildungsbiografie insgesamt ist.

Am dramatischsten ist noch immer die Situation, dass die Elterngeneration weitestgehend darüber entscheidet, wer welchen Bildungsweg einschlägt. Die neueste Studie auf Bundesebene macht deutlich: Kinder aus Haushalten, in denen die Eltern Abitur haben, werden viel eher in den Kindergarten geschickt. Sie bekommen sehr viel mehr Anregungen als Kinder aus Haushalten mit Migrationshintergrund oder aus Familien mit sozial schwachen Zusammenhängen, in denen beispielsweise der Hauptschulabschluss fehlt. Wir wissen doch, was das in der Konsequenz heißt: Vernachlässigte Frühförderung verstärkt die bereits vorhandene soziale Ungerechtigkeit im deutschen Bildungswesen. Wir wissen, dass viele Talente dadurch unentdeckt bleiben. Wir wissen, dass optimale Förderung auf diese Weise nicht gewährleistet ist und dass diese Defizite im späteren Bildungsweg nicht aufgeholt werden können, meine Damen und Herren.

Für uns gilt: Der vorschulische Bereich ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel. Wenn Kinder eine Entwicklungschance haben sollen und damit unsere Wissensgesellschaft eine Überlebenschance haben soll, dann ist eine signifikante Verbesserung der frühkindlichen Bildung in Deutschland und Niedersachsen unumgänglich. Das geht in der Tat nur dann, wenn man die Chancen der Kinder von der sozialen Situation der Erwachsenen abkoppelt. Wenn dort eine Barriere ist, müssen wir politisch dafür streiten, dass sie überwunden wird, meine Damen und Herren.