Nehmen Sie die Haushaltslage. Bei der letzten Haushaltsdebatte ist unter dem frenetischen Beifall der Koalitionsfraktionen verkündet worden, was man alles Positives zur sächlichen Ausstattung der Polizei tue. Ergebnis: Im Oktober 2006 mussten 17 Millionen Euro nachbewilligt werden, damit die Polizei funktionsfähig bleibt.
Angesichts dieser Realitäten wäre ich in diesem Jahr bei den Versprechungen etwas zurückhaltender. Die glaubt Ihnen innerhalb der Polizei sowieso niemand mehr.
Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen draußen, die das Polizeigeschäft nicht aus der Innenschau kennen, ebenfalls in den Genuss der ganzen Wahrheit kommen. Wir haben uns eine Aufstellung darüber geben lassen, an welchen Stellen die einzelnen Ministerien im laufenden Haushaltsjahr eigentlich die globale Minderausgabe erwirtschaftet haben. 8,9 Millionen Euro wurden im Innenministerium jedes Jahr eingespart, indem Mittel nicht ausgegeben werden, die der Haushaltsgesetzgeber - also wir - zur Verfügung gestellt hat. Es ist interessant, in welchen Bereichen der Innenminister diese Minderausgabe erwirtschaftet hat. Ich lese Ihnen einmal die Liste auszugsweise
vor: kriminaltechnisches Gerät, z. B. Dienst-Kfz für Spezialeinheiten, Aus- und Fortbildung, Waffen, Munition, technisches Gerät, Fernmeldewesen, Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Überall hier hat der Innenminister gespart. Für mich passt das nicht zusammen, meine Damen und Herren. Im letzten Jahr haben Sie sich dafür auf die Schulter geklopft, wie viel Geld Sie angeblich für die innere Sicherheit zur Verfügung stellen. Jetzt erfahren wir, dass Sie das Geld gar nicht ausgegeben, sondern still und heimlich an den Finanzminister abgeliefert haben.
Meine Damen und Herren, während an Dingen, die ich durchaus für wichtig halte - ich habe eben Beispiele genannt -, gespart wird, wird das Geld an anderen Stellen mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen, weil dies politisch so gewollt ist. Etwa 1 Million Euro ist im Haushalt des Innenministeriums für den Umzug infolge der Herabstufung der Fachhochschule Hildesheim zu einer Polizeiakademie versteckt worden. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich mit dem Umzug nach Nienburg nicht allzu sehr beeilen. Wenn wir ab 2008 wieder etwas zu sagen haben,
Ich verspreche ja nicht, alles rückgängig zu machen. Aber ein solches Ding würde ich sofort rückgängig machen. Das sage ich Ihnen.
Während in den anderen Ländern der genau gegenläufige Trend zu beobachten ist - sogar der Bund hat kürzlich seine Polizeiführungsakademie zur Deutschen Hochschule der Polizei ausgebaut -, wird in Niedersachsen die qualitativ hochwertige Ausbildung zerschlagen und auf eine polizeiinterne Kaderschmiede in Berufsakademien gesetzt. Das ist pure Geldverschwendung, die auch noch zu einer qualitativen Verschlechterung der Polizeiausbildung führen wird. Meine Damen und Herren, wir stehen nach wie vor für eine gute Ausbildung und für eine gute Bezahlung der niedersächsischen Polizei!
Zu dieser guten Bezahlung gehört auch eine amtsangemessene Besoldung. Wir schlagen in unserem Änderungsantrag zum Haushalt deshalb ein Stellenhebungsmodell vor, das im Gegensatz zum Modell der Regierungsfraktionen weitestgehend nicht von der Polizei selbst erwirtschaftet werden muss. Bei uns heißt es nicht „Kaltes Wasser und feuchter Händedruck“, sondern wir statten die Polizei so aus, dass es sowohl für warmes Wasser als auch für ein realistisches, solides Stellenhebungsprogramm, das auf mehrere Jahre angelegt ist, ausreicht.
Meine Damen und Herren, wir stellen uns einer weiteren Notwendigkeit: Wir stellen 4,8 Millionen Euro zusätzlich für den Angestelltenbereich in der Landespolizei zur Verfügung. Hintergrund dafür ist, dass die angeblich zusätzlich eingestellten Polizeibeamtinnen und -beamten gar nicht zusätzlich sind. In nahezu jeder Polizeiinspektion mussten für jeden zusätzlichen Beamten zwei bis drei Angestellte nach Hause gehen. Nehmen wir z. B. die Polizeiinspektion Stade. Herr Möhrmann hat die Landesregierung gefragt; das ist auch so beantwortet worden. Dort waren am 1. Oktober 2004 249 Vollzugsbeamte beschäftigt. Zwei Jahre später, am 1. Oktober 2006, waren es 254, also fünf Stellen mehr. Doch gleichzeitig wurde das Verwaltungspersonal von 77,5 auf 54 Stellen reduziert. Das ist ein Rückgang um 23,5 Stellen. Die fünf Vollzugsbeamten können die Arbeit, die die 23 Angestellten bislang erledigt haben, aber nicht annähernd auffangen. Die zwangsläufige Folge ist, dass immer mehr Vollzugspolizei mit Verwaltungstätigkeit belastet wird und nicht auf der Straße zur Verfügung steht, wie es der Innenminister uns immer wieder weismachen will.
De facto hat diese Landesregierung keineswegs für Personalvermehrung, sondern für einen empfindlichen Stellenabbau bei der Polizei gesorgt. Meine Damen und Herren, das kann aus unserer Sicht nicht weitergehen. Wir stellen daher 120 zusätzliche Stellen - das sind 4,8 Millionen Euro zur Verfügung, damit der Polizeivollzugsdienst wieder genügend Zeit hat, um auf den Straßen Niedersachsens für Sicherheit zu sorgen. Wir sorgen mit den 120 zusätzlichen Stellen dafür, dass das Vollzugspersonal von Verwaltungstätigkeiten frei wird.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung will im kommenden Jahr 425 000 Euro für Gutachten zum Thema Verwaltungsreform ausgeben. Das sind 408 000 Euro mehr als im laufenden Jahr. Ich kann mir gut vorstellen, dass es viel Geld kostet, bis sich ein Sachverständiger dazu bereit erklärt, den Murks, den Sie „Verwaltungsmodernisierung“ nennen, für gelungen zu erklären.
Ich habe das Gefühl, hier wird auf kollektiven Gedächtnisverlust gesetzt. Es ist noch nicht lange her, da gefiel sich Herr Wulff in der Rolle, seinem Amtsvorgänger in dem einen oder anderen Fall zweifelhafte Gutachtenvergabe zu unterstellen. Wenn ich mir diesen Haushalt anschaue, dann habe ich den Eindruck, dass Herr Wulff die Regierung mit den teuersten Gutachten stellen wird.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle stellt sich eine zentrale Frage: Wozu sollen weitere Gutachten in Auftrag gegeben werden, wenn die Landesregierung die vorhandenen Gutachten nicht einmal zur Kenntnis nimmt? Wie viel Papier soll noch ungelesen in irgendwelchen Regierungsschubladen verschwinden, bis bei Ihnen die Einsicht angekommen ist, dass Sie mit Ihrer Verwaltungsmodernisierung in eine Sackgasse gefahren sind?
Es ist doch kein Zufall, dass sich die Europäische Union bei der Fördermittelvergabe noch immer an den Grenzen der Regierungsbezirke orientiert. In Niedersachsen wurden die regionalen Strukturen zerschlagen, und jetzt sollen teuere Sachverständige im Nachhinein einen Persilschein dafür ausstellen. Das halte ich für abenteuerlich, meine Damen und Herren!
Ein weiteres Stück aus dem Tollhaus ist der Umgang der Landesregierung mit der kommunalen Ebene. Ich rede insbesondere von der 2004 beschlossenen Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs, durch die den Kommunen bis 2008 Finanzausgleichsmittel in Höhe von 642 Millionen Euro vorenthalten werden. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg wird demnächst über die kommunale Klage entscheiden. Ich verspreche mir interes
sante Aussagen zu der Frage, inwieweit die Herren Wulff und Möllring die kommunale Ebene als Reservekasse missbrauchen dürfen.
Die Rechnung ist doch ganz einfach, meine Damen und Herren: Da eine große Zahl von kommunalen Gebietskörperschaften bereits heute keine ausgeglichenen Haushalte vorlegen kann, führt dieser Eingriff des Landes zu einer weiteren Inanspruchnahme von Überziehungskrediten durch die Städte, Gemeinden und Landkreise. Der Finanzminister behauptet, er würde die Kreditaufnahme absenken, doch die Kommunen müssen die Schulden für ihn aufnehmen. Fakt ist, dass die kommunale Ebene in keinem anderen Bundesland derart in die Verschuldung getrieben wird wie in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, die Kommunen kritisieren völlig zu Recht, dass sich die Herren Wulff und Möllring keinen Überblick darüber verschafft haben, ob die Finanzlage der kommunalen Gebietskörperschaften mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung die Weiterführung des Eingriffs zulässt. Die Landesregierung hat sich bei ihrer Beurteilung für den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich im Jahr 2005 und bei der jetzigen Fortschreibung im Jahr 2007 allein an ihrer Sicht einer Verteilungssymmetrie orientiert.
Am 30. Juni 2006, meine Damen und Herren, betrugen die Kassenkredite der Kommunen fast 4,7 Milliarden Euro. Wertet man die Kassenkredite als einen Indikator für die fehlende finanzielle Mindestausstattung der kommunalen Gebietskörperschaften, dann sprechen diese Zahlen eine sehr deutliche Sprache. Die Kassenkredite bedeuten nichts anderes, als dass die kommunalen Gebietskörperschaften vermehrt ihre Ausgaben für Soziales, Schule und Personal über unzulässige Kreditaufnahme finanzieren.
Meine Damen und Herren, da der Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich eine solche Katastrophe für die Kommunen ist, komme ich jetzt zu dem Bereich Katastrophenschutz. Den Haushaltstitel „Katastrophenschutz“ hat die Landesregierung trotz Hochwasser planmäßig ausgetrocknet. Wir meinen, dass es an der Zeit ist, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Wir beantragen deshalb ein deutliches Bekenntnis des Landes zur Funktionsfähigkeit des Katastrophenschutzes in Niedersach
sen. Mit unserem Änderungsantrag wollen wir zusätzliche Mittel z. B. für die DLRG bereitstellen. Wir wollen darüber hinaus den Ansatz für den Erwerb von Geräten im Bereich des Katastrophenschutzes auf eine drei viertel Million hochsetzen, sodass insgesamt 1,5 Millionen Euro Landesmittel für den Katastrophenschutz zur Verfügung stehen. Wir halten eine solche Reaktion des Landes u. a. deshalb für erforderlich, weil sich die Hochwasserkatastrophen, die wir vor Kurzem noch für Jahrhundertereignisse hielten, offenbar in immer kürzerer Abfolge zu ereignen scheinen.
Das Land muss auch auf die veränderte Bevölkerungsschutzstrategie des Bundes reagieren, weil sich der Bund völlig aus dem Erwerb von Katastrophenschutzfahrzeugen herausziehen will. Da Katastrophenschutz Ländersache ist, steht das Land hier gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern und auch gegenüber den Hilfsorganisationen in der Pflicht. Wir stellen uns dieser Herausforderung. Ich stelle fest, dass der vom amtierenden Innenminister vorgelegte Haushalt dies nicht tut.
Meine Damen und Herren, es ist noch nicht lange her, da haben die Regierungsfraktionen - dies hat schon gestern bei der Generalaussprache eine Rolle gespielt - den Teufel an die Wand gemalt. Es hieß, ein Sportstättensanierungsprogramm sei nicht zu finanzieren, es sei viel zu teuer; da solle bloß niemand denjenigen auf den Leim gehen, die etwas anderes behaupteten. Heute stelle ich fest, dass sich in den Regierungsfraktionen zwischenzeitlich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben scheint, dass unser Sportstättensanierungsprogramm von damals gar nicht so schlecht war.
Warum sonst wollen Sie jetzt ein Sanierungsprogramm light auflegen? Ich nenne Ihren Vorschlag ein „Sanierungsprogramm light“, weil die Finanzierung um die Hälfte hinter dem zurückbleibt, was wir beantragen, und weil auch die Laufzeit nur halb so lang ist, wie wir es für erforderlich halten. Offenbar hat man jedoch in den Regierungsfraktionen beschlossen, dass es nach drei Jahren extremer Sportkürzungen jetzt Zeit für eine Wiederannäherung ist. Ein Schelm, der die bevorstehende Landtagswahl als wahren Grund dieser Wandlung von den Sportförderungskürzern zu den Sportstättensanierern vermutet! Ich bin mir sicher, dass der Sport sehr genau erkennen wird, wer über die
gesamte Dauer einer Legislaturperiode verlässlicher Partner ist und wer erst dann die Sportförderung für sich entdeckt, wenn die VIP-Tribünen sanierungsbedürftig werden. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns, meine Damen und Herren.
Ich habe mir erlaubt, einiges von dem zu kritisieren, was Sie vorgelegt haben, und habe auch ein paar Alternativen aufgezeigt. Dennoch möchte ich meinen vorweihnachtlichen Beitrag hier nicht unversöhnlich ausklingen lassen. Deshalb mache ich mir gerne die Worte zu eigen, mit denen Herr Schünemann seine bislang letzte Haushaltsrede als Oppositionsinnenpolitiker beendet hatte. Hören Sie gut zu - ich zitiere Herrn Schünemann -:
„Herr Innenminister, Sie sind weder im Bereich der inneren Sicherheit jemand, der sich für die Polizeibeamten einsetzt, noch sind Sie ein vernünftiger Kommunalminister; denn sonst würden Sie die Kommunen nicht so im Regen stehen lassen. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es wirklich an der Zeit, dass wir spätestens in 14 Monaten eine andere Regierung bekommen. Es ist überfällig, dass wir auch einen anderen Innenminister bekommen."