Protocol of the Session on December 7, 2006

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu dem Bereich

Justiz

Dazu hat sich die Abgeordnete Bockmann von der SPD-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Enttäuschung machte sich im Land Niedersachsen breit, als sich die Justizministerin im September dieses Jahres endgültig aus der Verantwortung für die Justiz in diesem Land verabschieden wollte. In einem Gespräch mit der Hildesheimer Zeitung hat sie zugegeben, nicht vorrangig die Interessen der Justiz zu vertreten. Sie sehe sich nicht in erster Linie als Interessenvertreterin der Justiz, sondern als Interessenvertreterin der Bürger, wird Frau Heister-Neumann zitiert. Das ist doch absurd, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Als Nächstes leistet der Finanzminister den Offenbarungseid, dass er sich nicht als Hüter der Finanzen sieht, und dann kommt womöglich auch noch der Niedersächsische Ministerpräsident und räumt ein, dass er sich in Wahrheit gar nicht für Niedersachsen interessiert.

(David McAllister [CDU]: Wie bitte? - Weitere Zurufe von der CDU)

Wer, wenn nicht Sie, soll eigentlich die Interessen der Justiz am Kabinettstisch vertreten? Wollen Sie das wirklich dem Finanzminister überlassen?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Der Niedersächsische Richterbund ist jedenfalls schwer enttäuscht. „Wenn die Justizministerin die Interessen der Justiz nicht vertrete, wer denn dann?“, fragt der Vorsitzende des Richterbundes völlig desillusioniert in einer Pressemitteilung vom 4. September:

„Eine Justiz, die auch wegen unzureichender personeller Ausstattung an die Wand fahre, könne ein funktionierendes, effizientes Rechtswesen nicht mehr gewährleisten. Dass Reformen gegen massive Einwände von Verbänden und Fachleuten umgesetzt würden, sei schlimm genug.... Aber wenn die Ministerin zwischen Vertretung von Justiz und Bürgerinteressen unterscheidet, unterstellt sie, dass die Forderungen der Richter und Staatsanwälte nur im eigenen Sinne gewe

sen seien. Eine solche Einstellung passt ganz und gar nicht zu dem enormen Einsatz, den die Kollegen leisten, um den Bürgern eine gut funktionierende Justiz zu erhalten.‘“

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Heister-Neumann, wie enttäuscht muss die Justiz eigentlich von Ihnen sein, wenn sie solche Pressemitteilungen veröffentlicht?

Mit unserem Änderungsantrag zum Einzelplan 11 haben wir unsere Alternativen auf den Tisch gelegt. Wir setzen eindeutige Schwerpunkte: Wir stärken die Arbeitsfähigkeit der Justiz. Wir schaffen zusätzliche Stellen, z. B. in der Arbeitsgerichtsbarkeit und in der Strafjustiz. Wir setzen uns für Stellenhebungen ein. Wir haben ein klares Gegenkonzept zur bürgerfeindlichen Abschaffung des bürgerfreundlichen Widerspruchsverfahrens.

Wir setzen auf Prävention und Opferhilfe und nicht zuletzt auch auf diejenigen, die von der amtierenden Landesregierung gänzlich aufgegeben worden sind. Wir sind für eine personelle Verstärkung der Bewährungshilfe, um die Resozialisierung derjenigen zu verbessern, die bereits Kontakt mit der niedersächsischen Strafjustiz hatten.

Kurz gesagt: Unsere Alternativen berücksichtigen die Interessen der Menschen in Niedersachsen weit mehr, als dies CDU und FDP zu tun bereit sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Gestatten Sie mir, dies an drei Beispielen deutlich zu machen.

Anders als die Landesregierung sind wir der Auffassung, dass nicht nur die Finanzgerichtsbarkeit, sondern auch die Arbeitsgerichtsbarkeit stellenmäßig verstärkt werden muss.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Leistungsfähigkeit der niedersächsischen Arbeitsgerichte muss im Interesse der Wirtschaft und ebenso der Beschäftigten erhalten bleiben. Wir haben immerhin nach wie vor bundesweit die höchste Pro-Kopf-Belastung in der ersten und zweiten Instanz. So sind z. B. in Osnabrück immer noch mehr als 800 Verfahren pro Richter bzw. Richterin pro Jahr zu bewältigen. Hinzukommen 400 angekündigte Klageeingänge bei der Firma Karmann und 200 weitere bei der Firma Artland.

Vergleichbare Arbeitsgerichte in anderen Ländern erhalten eine Stellenverstärkung und erleben nicht - wie hier in den letzten Jahren geschehen - einen Stellenabbau.

Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag vertritt die Auffassung, dass die Arbeitnehmer in Osnabrück und im ganzen Land ein schnelles Recht auf Klarheit haben. Damit unterscheiden wir uns ganz wesentlich von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stellen die notwendigen Mittel zur Verfügung, um einen der gravierendsten Missstände in der niedersächsischen Justiz endlich zu beseitigen. Es fehlt Personal in der Strafjustiz. Die Wirkung der vom Innenminister propagierten Polizeiverstärkung, die ja durch den Stellenabbau innerhalb der Polizeiverwaltung kompensiert wird, verpufft natürlich endgültig, wenn die Justiz nicht das nötige Personal hat, um die Fälle weiter zu verfolgen.

Die Bekämpfung von Terrorismus und der wachsenden Gewaltbereitschaft der Rechtsextremen bedarf eines Zusammenwirkens aller an der Strafverfolgung beteiligten Kräfte. Damit die Aufstockung der Polizei nicht zum Eigentor wird, brauchen wir zusätzliche Staatsanwälte und Richter. Mehr Polizisten tragen geradezu zwangsläufig zu einer erhöhten Aufklärungsquote bei. Wäre es anders, wären sie überflüssig.

„Ohne ausreichendes Personal bei den Staatsanwaltschaften können die Fälle nicht mit der gebotenen Beschleunigung und Effektivität bearbeitet werden. ‚Die Kollegen und Kolleginnen bei Staatsanwaltschaft und Gericht haben mit der gegenwärtigen Personalausstattung keine Chance, der dann auflaufenden Verfahren Herr zu werden‘“,

erklärte der Niedersächsische Richterbund im Oktober 2006.

„Schon jetzt müssen immer mehr Verfahren mit sogenannten Verfahrensabsprachen beendet werden. Dies führt dazu, dass der Hühnerdieb die volle Härte des Gesetzes spürt, während gut verteidigte Straftäter aus der organisierten Schwerkriminalität erheblichen Strafnachlass erhalten.

‚Solche Folgen können vor den Bürgern nicht verantwortet werden‘“.

Sie schaden dem Rechtsstaat.

(Zustimmung bei der SPD)

Doch was tut die Justizministerin? Sie fordert eine gesetzliche Regelung per Bundesratsinitiative, per JUMIKO-Initiative, um damit im Klartext eine Ausweitung von Prozessabsprachen zu ermöglichen, anstatt sich dafür stark zu machen, dass genügend Personal vorhanden ist, um alle Strafverfahren mit gleicher Intensität zu betreiben.

Ich sage ganz deutlich: Mit der SPD ist eine solche Zweiklassenjustiz nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Oder etwa nicht, Frau Ministerin?

Schließlich muss ich auf die Abschaffung der Widerspruchsverfahren eingehen. Ich stelle fest, dass die Landesregierung mit dem Haushaltsbegleitgesetz den ersten Schritt zur Wiedereinführung des Widerspruchsverfahrens gemacht hat, den wir schon seit fast zwei Jahren vehement gefordert haben. Es ist schade, dass jetzt nur der Bereich der Rundfunkgebühren mit einem Widerspruchsverfahren ausgestattet wird. Weitere Rechtsgebiete müssen schleunigst folgen.

Ich begrüße allerdings ausdrücklich, dass es bei der Landesregierung im Vergleich zum Vorjahr einen gewissen Erkenntnisfortschritt gegeben hat. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass letztes Jahr vonseiten der CDU der explosionsartige Anstieg der Verfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit vehement geleugnet wurde.

Jetzt scheint sich zumindest im Kreise der Rechtspolitiker ein Sinneswandel abzuzeichnen, den wir selbstverständlich konstruktiv begleiten werden. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag Stellen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung gestellt. Aber eines ist klar: Das wäre nicht notwendig gewesen, wenn CDU und FDP das Widerspruchsverfahren nicht abgeschafft hätten. Hier wird also quasi Geld zum Fenster hinausgeschmissen.

So viel zu unseren Alternativen. Alles andere können Sie in unserem Änderungsantrag nachlesen.

Bevor meine Kollegin Frau Müller auf den Bereich des Justizvollzuges übergeht, möchte ich noch einen Punkt ansprechen, den ich für bezeichnend halte. Ich habe zur Vorbereitung auf meine Rede die Pressemitteilungen des Justizministeriums des laufenden Jahres durchgesehen. Man sollte annehmen, dass die Pressestelle der Ministerin Wert darauf legt, ihre Ressortleitung in besonders gutem Licht zu zeichnen und die politischen Erfolge besonders hervorzuheben. Ich stelle fest: Das Einzige, was die amtierende Justizministerin im laufenden Haushaltsjahr für sich als Erfolg verbucht hat, ist die Ergreifung eines entflohenen Gefangenen.

Frau Ministerin, ich will Ihnen Ihre Leistungen wahrlich nicht madig machen. Aber aus meiner Sicht wäre es eine noch größere Leistung gewesen, wenn Sie den Gefangenen gar nicht erst hätten entkommen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Wir für unseren Teil haben eine andere Vorstellung von erfolgreicher Justizpolitik. Unsere diesbezüglichen Alternativen liegen Ihnen vor. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Dr. Biester hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist stets eine Freude, den Einzelplan 11 - Justizministerium - dem Landtag vorstellen zu dürfen, Angriffe der Opposition zurückzuweisen - wenn es denn berechtigte Angriffe gäbe; es gibt sie jedoch nicht und unsere Vorschläge zu begründen.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Jahr, bei den Beratungen des Haushaltsplans 2007 ist es sogar eine ganz besondere Freude, weil wir es trotz Beachtung der Sparnotwendigkeiten in den Haushalten aller Ministerien geschafft haben, deutliche Schwerpunkte im Bereich der Justiz zu setzen. Diese Schwerpunkte will ich kurz ansprechen.

Das Erste, was uns ganz wichtig war, nämlich die Stellenhebungen, erreichen natürlich auch den Bereich der Justiz. Wir werden 228 Stellenhebungen haben, davon 26 im Strafvollzug. Das betrifft den Bereich von A 6 bis maximal A 13; der ganz überwiegende Teil betrifft Stellen im mittleren und