Protocol of the Session on December 7, 2006

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsklausur der Koalitionsfraktionen muss an einem sehr heißen Novembertag stattgefunden haben, an dem der Horizont durch eine Fata Morgana verschwommen war, Herr Hoppenbrock.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Anders ist das, was Sie uns vorgelegt haben, tatsächlich nicht zu erklären. Was Sie hier vorlegen, ist nicht mehr Wirtschaftspolitik der ruhigen Hand; das ist tatsächlich Wirtschaftspolitik der ruhenden Hände.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wenige, das noch getan wird, verbessert die wirtschaftliche Lage im Verhältnis zur bundesweiten Entwicklung nicht. Niedersachsen fällt immer weiter ab, und das bei sinkenden Arbeitslosen

zahlen auch noch im November. So viel Glück hatte keine Landesregierung in den letzten sechs Jahren.

Dennoch werden die wirtschaftspolitischen Probleme des Landes im Vergleich zur Entwicklung im Rest der Republik immer offenkundiger. Die einseitige Abhängigkeit von nur einer stark konjunkturabhängigen Branche im Industriebereich wird immer stärker deutlich. Das geringe Qualifikationsniveau und die hohe Jugendarbeitslosigkeit bleiben signifikant.

Was setzen Sie nun aktuell dagegen? - Einige Beispiele: Die wichtige Tourismusbranche zum Beispiel überzieht Ihr Ministerium, Herr Minister Hirche, gerade mit sogenannten Leuchtturmprojekten, deren Nutzen für uns mehr als fraglich ist. Die mit vielen Millionen geförderte „Erlebniswelt Renaissance“ im Weserbergland kommt einfach nicht vom Start weg. Die Insolvenz droht quasi wöchentlich neu. Investoren-Großprojekte wie die Bavaria-Alm im Harz oder der Snow Dome in der Heide verschlingen unnötigerweise Steuermillionen, während doch eigentlich die Privaten an diesen günstigen Standorten durchaus selber und allein hätten investieren können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das Land fördert damit sogar noch die inhaltliche Entkernung von zwei unserer wichtigsten Tourismusregionen. Ich sage nur: Bavaria-Alm mitten im Harz.

(Ministerpräsident Christian Wulff: Gucken Sie sich mal an, was da jetzt los ist!)

- Ich weiß, dass Sie das eröffnet haben, Herr Ministerpräsident. Dennoch war es ein Fehler, sich diese Entkernung der eigenen Marke Harz mit der Bavaria-Alm so bieten zu lassen und das dann auch noch zu fördern.

(Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, anstatt mit Ihrer einflussreichen Position als zweitgrößter Anteilseigner beim größten deutschen Automobilunternehmen konstruktiv mit den anderen Akteuren an der weiteren Wettbewerbsverbesserung der hiesigen VW-Standorte mitzuwirken, leistet sich diese Landesregierung dort nun schon seit mehr als einem Jahr einen kontraproduktiven Machtkampf, der sich nicht an inhaltlichen Kontroversen,

sondern offenkundig nur an persönlichen Animositäten festmacht.

Auf die mittelstandsfeindliche Politik von Ihnen, Herr Ministerpräsident Wulff und Herr Wirtschaftsminister Hirche, will ich nur mit einigen Stichworten eingehen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Viel mehr haben Sie dazu nicht!)

Während Sie die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 % durch den Bund zugelassen haben, verweigern Sie sich hier, dem Angebot der EU zu folgen und verminderte Mehrwertsteuersätze für weite Teile der von Privaten beauftragten Handwerksleistungen einzuführen. Mit der von Ihnen gewollten Ladenöffnung rund um die Uhr können die großen Unternehmen den Mittelstand in unserem Land noch enger in Restreservate des Einzelhandels zurückdrängen. Mit dem geplanten Einstieg in Factory Outlet Center auf der grünen Wiese werden Niedersachsens Innenstädte endgültig absterben. - Das ist Mittelstandspolitik von CDU und FDP.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie verpassen mit diesem Haushalt erneut, die negative Bilanz der von Ihnen getragenen Landesregierung zu korrigieren. Sie erweisen sich immer mehr als Teil des Problems, nicht als Teil der Lösung. Ihnen fehlt z. B. die Kraft, das kontraproduktive Nebeneinander bei der Qualifizierung und Arbeitsmarktverwaltung zwischen Wirtschaftsministerium, Sozialministerium und Kultusministerium endlich zugunsten der vielen jungen Menschen, die Arbeit und Ausbildung suchen, und zugunsten der immer noch viel zu vielen Arbeitslosen bei uns zusammenzuführen. Es muss dort endlich mehr Transparenz hergestellt werden, damit mehr und gezielter eingegriffen und gefördert werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Kombilohnmodell verfehlt die Zielgruppe, und Ihr Programm „Stufe 2“ wird auch nur schleppend abgerufen. Ihnen fehlt der Mut, das Durcheinander zwischen Wirtschaftsministerium, Landwirtschaftsministerium und Umweltministerium bei der Wirtschaftsförderung endlich zu stoppen. Sie nehmen weiter in Kauf, dass dort gegeneinander oder im besten Falle nebeneinander her gearbeitet wird.

Dass der permanent seine eigentlichen Aufgaben vernachlässigende Umweltminister, der gerade durch Abwesenheit glänzt, - -

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wie bitte? - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Da ist er!)

- Ah! Der Platz ist unvermutet. Ich entschuldige mich. Sie sind im Raum. Danke schön! Dann passt es ja.

- - - große Teile seiner Fördertöpfe regelmäßig verfallen lässt, nehmen Sie allenfalls bei der Haushaltsaufstellung zur Kenntnis, aber nicht etwa als Ärgernis, um das abzustellen, sondern als willkommene Einsparung durch Haushaltsreste. Sie haben sich damit abgefunden, dass Wirtschaftsförderung in Niedersachsen laut Landesrechnungshof immer noch durch große Anteile von Mitnahmeeffekten weitgehend verpufft und die NBank ebenso wie die TourismusMarketing Niedersachsen die notwendigen Kompetenzbündelungen und Effizienzevaluationen für alle Förderbereiche, für die sie inhaltlich eigentlich zuständig wären, tatsächlich nicht wahrnehmen können.

Wir wollen Schluss machen mit solchen festgefahrenen, unproduktiven Strukturen. Alle Fördermittel, die nicht durch sinnvolle institutionelle Förderungen gebunden sind, wollen wir für die nächsten fünf Jahre in einem Klimaschutz- und Innovationsfonds bündeln. Unabhängige Fachleute sollen über die Effizienz und Qualität der eingereichten Förderprojekte mit entscheiden, damit Ressortdenken und politische Gefälligkeitsförderung ausgeschlossen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zusammen mit dem noch viel größeren Betrag der ebenso zu strukturierenden EU-Fördermittel könnte Niedersachsen mit dieser klaren Schwerpunktsetzung in den kommenden Jahren vom Nachzügler zum innovativen Vorreiter bei der bundesdeutschen Wirtschaftsentwicklung werden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wäre schön!)

Wenn Sie aber das EU-Geld für Standardaufgaben wie Straßenbau, Deichbau oder Gemeindeentwässerung vergeuden, gelingt das sicherlich nicht.

(Zuruf von der CDU: Was haben Sie denn gegen Deichbau, Herr Hage- nah?)

- Das ist eine Standardaufgabe, die aus dem normalen Haushalt gefördert werden muss. Deswegen gibt uns die EU keine Fördergelder. Da bin ich absolut sicher.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Deichbau als Klimaschutz!)

Den dringend notwendigen Schwerpunkt für eine bessere Bildung und Qualifikation in Niedersachsen darf die Wirtschaftspolitik aus unserer Sicht nicht allein der jährlichen Haushaltsarithmetik überlassen, wie CDU und FDP das machen. Wir schlagen aus fiskalischen und ordnungspolitischen Gründen die Veräußerung der Anteile an den Flughäfen Hannover und Braunschweig vor, um mit den erlösten und den eingesparten Mitteln den ersten Grundstock für einen zusätzlichen Bildungsförderfonds in Niedersachsen zu legen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist keine Quersubventionierung der Haushaltsbereiche, sondern wohlverstandenes Eigeninteresse grüner Wirtschaftspolitik. Denn ohne mehr qualifizierten Nachwuchs ist wirtschaftliche Dynamik für Niedersachsen nicht zu erreichen.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Nur wenn echte Schwerpunkte bei Zukunftsthemen gesetzt werden und in Qualifizierung investiert wird, kommt Niedersachsen von der Nachzüglerposition weg und bei der wirtschaftlichen Entwicklung nach vorn. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion spricht nun die Abgeordnete König.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! So viel wirtschaftlichen Unverstand habe ich schon lange nicht mehr gehört. Die Planwirtschaft ist ja fast nichts dagegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dabei haben wir heute eine Premiere zu feiern. Zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode können wir einen Haushalt verabschieden, der nicht von

wirtschaftlicher Stagnation und schwachen Einnahmen gekennzeichnet ist, sondern von wirtschaftlichem Aufschwung.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Viele Regierungen kennen in einer solchen Situation nur eines: alle Sparbemühungen vergessen und mit beiden Händen aus dem Vollen schöpfen. Wer sich die Haushalte der alten Landesregierung ansieht, die auch in Jahren mit hohem Wirtschaftswachstum die Schuldenaufnahme nur leicht oder gar nicht gesenkt hat, weiß, wovon ich rede.

(Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Die Fraktionen von CDU und FDP aber legen einen Haushalt vor, der wie in den Jahren zuvor die Grundsätze der Konsolidierung und der Schwerpunktsetzung berücksichtigt. Die Schwerpunkte unserer Politik liegen weiterhin in der Verkehrsinfrastruktur, Innovation und Wirtschaftsförderung sowie dem Arbeitsmarkt. Hier bündeln wir unsere Mittel. Denn gerade in Zeiten der Konsolidierung ist es wichtig, die knapper werdenden Mittel möglichst effizient einzusetzen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist ein Logistikstandort. Daher sind wir dringend auf eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Diese gilt es zu erhalten und auszubauen. Dies gilt besonders für Landesstraßen. In den letzten Jahren hatten wir keine andere Wahl, als hier tiefe Einschnitte zu machen. Dass wir diesen niedrigen Stand nur kurz durchhalten können, liegt auf der Hand. Anderenfalls würden die notwendigen Investitionen so sehr steigen, dass sie die heutigen Einsparungen nicht nur auffräßen, sondern sogar ins Minus umkehrten. Daher bin ich sehr erleichtert, dass wir die Ausgaben für den Straßenbau mit 11 Millionen Euro deutlich erhöht haben.