Protocol of the Session on November 10, 2006

Auch das Vernichten von Unterlagen bereits nach zehn Jahren, wie es der TÜV bei der öffentlichen Anhörung erklärt hat, erhöht eben nicht gerade die Glaubwürdigkeit und Transparenz.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Wir wollen eine komplette Prüfung der bisherigen Genehmigungen, Testfahrtprotokolle und Überprüfungen des gesamten Testbetriebes unabhängig davon, wer gerade in Niedersachsen regiert hat. Wir lassen uns auch nicht unterstellen, dass wir nur Interesse an der Genehmigungspraxis unter der jetzigen Landesregierung hätten. Auch die Dokumentation früherer Unfälle und besonderer Vorkommnisse ist wichtig für die Einschätzung, ob die zuständige Landesbehörde, die Betreiber und der mit der Entwicklung der Betriebsvorschriften und gleichzeitig mit der Prüfung beauftragte TÜV alles Erforderliche und Mögliche unternommen haben, um nicht nur das System Transrapid, sondern auch die unverzichtbare Sicherheitstechnik mit- und weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Stellungnahmen der Beteiligten heißt es immer noch, die Sicherheit wurde nach den sogenannten anerkannten Regeln oder den üblichen Regeln der Technik beantragt und genehmigt. Gleichzeitig wurde die Transrapidtechnik jedoch weiterentwi

ckelt. Trotzdem wurde der Unfall nicht verhindert und ist leider geschehen.

Es stellt sich daher die Frage, ob auch die Regeln der Technik wirklich kontinuierlich für die Sicherheitssysteme weiterentwickelt worden sind.

Viertens. Aus den Fehlern lernen heißt, auch für die Zukunft dem Transrapid neue Chancen zu eröffnen. Heute wird plötzlich deutlich, dass viele Beteiligte und Sachverständige wesentliche Verbesserungsmöglichkeiten der Sicherheitstechnik als nötig und auch durchaus als möglich ansehen. Ein schlichtes „Weiter so!“ mit dem bisherigen Gefährdungspotenzial darf es nicht geben. Der Transrapid hat nur eine Zukunft, wenn die Menschen dieser Technik wieder vertrauen können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wie ist nun unser Erkenntnisstand hier im Parlament und im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr? - Am 29. September hat die Landesregierung durch den zuständigen Staatssekretär im Wirtschaftsausschuss offene Fragen teilweise beantwortet; einige Fragen blieben offen.

Am 11. Oktober fand eine erste Information durch den Minister im Parlament statt, wobei in der Fragestunde frühere Zwischenfälle nur teilweise zugestanden wurden.

Am 13. Oktober erfolgte eine weitere Information im Wirtschaftsausschuss durch den Minister, bei der weitere, aber bei weitem nicht alle der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr bekannten Vorkommnisse bestätigt wurden.

Das erfuhren wir dann erst aus den nachgeschobenen Pressemitteilungen des Ministeriums am nächsten Tag.

Auch die öffentliche Anhörung am 3. November ergab weitere, in der Dokumentation des Ministeriums nicht enthaltene Brandunfälle. Die offensichtlichen Widersprüche zwischen dem bayerischen Wirtschaftsminister Huber und Herrn Hirche über das angeblich vorhandene oder nicht vorhandene neue Sicherheitskonzept in München konnten bisher nicht geklärt werden.

Diese Art der Information und Aufklärung des Parlaments und der Öffentlichkeit durch das Ministerium und den verantwortlichen Minister ist völlig unzureichend.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In der Abfolge der Sitzungen zeigte sich der Minister wiederholt nicht umfassend informiert. Das lässt nur zwei Schlüsse zu: fehlende Informiertheit und/oder gezielte Desinformation. Selbst wenn wir vom Ersten ausgehen, zeigt das vor dem Hintergrund der Unfallkatastrophe ein erschreckendes unprofessionelles Management des Ministers.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Er hat seinen Laden anscheinend nicht im Griff.

Der Minister trägt aber die politische Verantwortung für alles, was in seinem Geschäftsbereich passiert, gleichgültig ob die Versäumnisse in einer nachgeordneten Behörde geschehen sind oder im Ministerium selbst. Fehlendes Wissen um die Entwicklung des Testbetriebes in Lathen und Laisserfaire gegenüber der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr zeigen die geringe Ernsthaftigkeit in der notwendigen engen Begleitung der Transrapidtechnik.

Auch die zunehmende Schwere der Unfälle in den Jahren 2004 und 2005 hat die Alarmlampen im Ministerium anscheinend nicht aufleuchten lassen. Gerade hier wäre es nötig gewesen, diesen Bereich in enger Aufsicht zu führen. Das hätte dann auch frühzeitig zu Konsequenzen für die Sicherheit auf der Teststrecke führen können, es hätte den schlimmen Unfall weniger wahrscheinlich gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die öffentliche Anhörung hat viele Fragen offengelassen, es gibt nicht geklärte Widersprüche, und neue Fragen stellen sich. Selbst das nachgereichte Ergebnisprotokoll über eine Besprechung am 22. Mai 2003 in Lathen über den Betrieb auf der TVE zeigt zwischen den Beteiligten weitere Widersprüche auf.

Häufig gewinnt man den Eindruck, bei der parlamentarischen Aufarbeitung wird nur so viel zugegeben, wie offensichtlich ohnehin bekannt ist.

Zur Farce wird jedoch eine Anhörung, wenn ein wichtiger Teil der geladenen Beteiligten nicht einmal erscheint; beim Eisenbahnbundesamt sogar mit dem Hinweis auf die Zuarbeit für die Staatsanwaltschaft.

Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen hat die DB Magnetbahn GmbH nun doch ihre Bereitschaft erklärt, in einer öffentlichen Ausschuss

sitzung Rede und Antwort zu stehen. Dies wird am 24. November stattfinden, und es ist zu hoffen, dass sie endlich zur Sachaufklärung beiträgt.

(Glocke der Präsidentin)

Das Eisenbahn-Bundesamt hingegen hat gestern noch einmal schriftlich erklärt, nicht aussagen zu können. Die Behörde begründet dies mit dem Geheimhaltungsbedürfnis des von der Magnetbahn GmbH zur Prüfung vorgelegten Sicherheitskonzeptes. Hier geht es jedoch um zwei völlig voneinander getrennte Dinge: um die strafrechtliche Aufarbeitung einerseits und um die politische Aufarbeitung des Themas andererseits.

Meine Damen und Herren, wir erwarten von der anstehenden Befragung der Magnetbahn GmbH die Erläuterung des im Planfeststellungsverfahrens geplanten Sicherheitskonzepts für die projektierte Strecke in München. Das gestern eingegangene schriftliche Angebot des Eisenbahn-Bundesamtes, schriftlich Fragen beantworten zu wollen, ist sehr eingeschränkt formuliert und wird meines Erachtens dem Aufklärungsbedürfnis des Parlaments nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, um die Einschränkungen der Aufarbeitung zeitlich möglichst schnell beenden zu können, sind dringend personelle Verstärkungen der ermittelnden Staatsanwaltschaft notwendig. Unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Jüttner hat Frau Ministerin Heister-Neumann bereits mit Schreiben vom 26. Oktober 2006 aufgefordert, die Staatsanwaltschaft Osnabrück zu verstärken. Eine Antwort haben wir auf dieses Schreiben noch nicht erhalten. Frau Ministerin, wie sieht Ihr Arbeits- und Zeitplan für die Ermittlungen der Staatsanwaltsschaft aus? Auch darauf wollen wir heute eine Antwort von Ihnen hören.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit der weiteren Aufarbeitung des Unfalls verbinden wir auch das Erzielen der notwendigen Erkenntnisse über die zu setzenden Bedingungen für den zukünftigen Testund Regelbetrieb in Deutschland. Wir erwarten eine zügige weitere Anhörung und Beratung der Ergebnisse aus den Berichten der Landesregierung und der beteiligten Institutionen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass die SPD-Fraktion der Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Einsetzung des 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses in den Ältestenrat zustimmen wird. Es wird in den nächsten Wochen bis zum DezemberPlenum vom Abschluss der Anhörung im Wirtschaftsausschuss, aber auch von den hoffentlich möglichst bald vorliegenden Ergebnissen der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen abhängen, ob wir eine abschließende Bewertung vornehmen können und ob die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses notwendig sein wird.

Wir erwarten bereits bei den Beratungen im Ältestenrat eine abschließende rechtliche Prüfung des Antrages durch den GBD, damit der Untersuchungsausschuss gegebenenfalls ohne weitere Verzögerungen im Dezember seine Arbeit aufnehmen kann.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die wichtigste Frage, nämlich die Frage danach, ob bereits heute eine automatische Sicherheitstechnologie vorhanden und anwendbar ist, die dem Betreiber nach den Regeln der Technik verbindlich hätte vorgegeben werden können, ist noch nicht beantwortet. Der Landtag wird diese Frage klären müssen; wenn nötig durch einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Will. - Für die FDPFraktion hat Herr Kollege Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der schreckliche Unfall des Transrapid hat uns alle partei- und fraktionenübergreifend stark getroffen. Unser aller Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen und unser Mitgefühl den Verletzten und allen, die betroffen waren und ehrenamtlich geholfen haben.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Fraktionen der CDU und der FDP begrüßen ausdrücklich das schnelle Handeln von Ministerpräsident Wulff und Walter Hirche, die direkt am Ort des Geschehens waren, und die sich hieraus

im Anschluss ergebende Arbeit des Ombudsmannes für die Betroffenen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich sind wir alle hier im Landtag auch in der Pflicht, im Interesse der Opfer, der Angehörigen und der gesamten Region im Emsland unseren Beitrag zur Aufklärung und Aufarbeitung und für die daraus resultierenden Konsequenzen für die Zukunft zu leisten. Deshalb ist es richtig, die angemessenen parlamentarischen Mittel einzusetzen und diese Aufklärungsarbeit zu initiieren. Genau so wie die SPD-Fraktion dies bisher in der Vergangenheit getan hat, ist es der richtige Weg.

Dieses schreckliche Unglück erfordert eine konsequente Sachaufklärung. Dieses schreckliche Unglück verbietet aber auch politischen Klamauk oder gar Profilierung für eine Grünen- Listenaufstellung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist unangemessen! - Werner Buß [SPD]: So etwas kann man sich ersparen!)

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben sich engagiert eingebracht. Die bereits jetzt vorliegenden Erkenntnisse, die wir, Herr Will, im Ausschuss gemeinsam erarbeitet haben, sind beachtlich. Ich möchte daher einmal die Zwischenbilanz der jetzigen Aufklärungsarbeit ziehen:

Erstens. Wir müssen die politische Aufarbeitung von der staatsanwaltschaftlichen Aufarbeitung sauber trennen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt strafrechtliches Verschulden. Diese Verfahren dürfen wir als Legislative nicht behindern. Wir können auch keine Weisungen zugunsten der politischen Aufklärung und zulasten der staatsanwaltschaftlichen Aufklärung geben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir stehen zur Gewaltenteilung. Das bedeutet, dass der Landtag auf die Staatsanwaltschaft warten muss.