Protocol of the Session on November 9, 2006

Die jetzige Lage führt nach meinen Erfahrungen und Erkenntnissen eher dazu, dass Träger die Auszubildendenvergütungen absenken, um die Preise in den Pflegeheimen stabil halten zu können. Bitte, ziehen Sie doch aus Ihrer eigenen Antwort die Konsequenz, nach dem Vorbild BadenWürttembergs die Umlage in Niedersachsen wieder einzuführen. Das hatte dort u. a. zur Folge, dass vermehrt auch ambulante Dienste ausbilden. Selbst die FDP in Baden-Württemberg hat ihren

lang anhaltenden Widerstand dagegen aufgegeben.

Wenn 267 junge Menschen, die gern ausgebildet werden möchten, dies mangels Ausbildungsplätzen nicht können, dann wäre aus meiner Sicht der nach dem Bundesgesetz geforderte Mangel an Ausbildungsplätzen bzw. die Vermeidung eines zukünftig eintretenden Mangels an Fachkräften festzustellen. Es ist höchste Zeit zu handeln, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Eine menschenwürdige, an den fachlichen Erkenntnissen orientierte Pflege ist davon abhängig, dass es qualifizierte Pflegekräfte in ausreichender Zahl gibt. Mit gutem Grund ist bislang eine durchschnittliche Fachkraftquote von 50 % festgelegt. In immerhin rund 10 % der Einrichtungen - das kann man in den Qualitätsberichten des Medizinischen Dienstes immer wieder nachlesen - wird diese Quote nicht eingehalten. Übrigens hält das Kuratorium Deutsche Altershilfe im Interesse einer qualifizierten Pflege eine Fachkraftquote von sogar 60 % für erforderlich, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Es gab immer wieder Versuche im Bundesrat, die Fachkraftquote zu senken. Auch wenn Sie in Ihrer Antwort beteuern, derzeit keine Überlegungen zur Senkung der Fachkraftquote in Niedersachsen durchzuführen, bin ich an dieser Stelle doch hochgradig alarmiert. Nicht nur gibt mir die Verwendung des Wörtchens „derzeit“ zu denken, besonders gefährlich fand ich auch die Einlassung der Sozialministerin in der Münsterländischen Tageszeitung vom 27. Juli 2006. „Mehr Ungelernte in der Pflege“ - lautete die Überschrift. Die Sozialministerin lässt sich im Text darüber aus:

„... verwies sie doch darauf, dass nach der Föderalismusreform das Heimgesetz Ländersache sei und die Fachquote unter 50 % sinken könne. In den USA würden längst mehr ungelernte Arbeitskräfte in der Krankenund Altenpflege tätig.“

Mir wird allerdings angst und bange, wenn ich das lese. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn wir hier eine deutliche Aussage für die Beibehaltung der unbedingt notwendigen Fachkraftquote für eine qualifizierte Pflege hören würden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Niedersächsische Landesregierung ist dafür zuständig, auch zukünftig eine qualifizierte Versorgung im Bereich der Pflege in Niedersachsen zu sichern. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie darauf verweisen, dass Kostenträger und Leistungserbringer die Verantwortung für die Sicherstellung des erforderlichen Bedarfs an Pflegekräften jetzt und für die Zukunft hätten. Mit Appellen werden Sie im Zweifel nicht viel erreichen. Wir erwarten mehr von Ihnen, z. B. dass Sie endlich die Umlagefinanzierung wieder einführen und damit wenigstens Gerechtigkeit ins Finanzierungsproblem bringen und zunächst mehr Ausbildungsplätze ermöglichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Groskurt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal danke an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Anfrage zur Altenpflegeausbildung in Niedersachsen. Außerdem möchte ich mich beim Kultusministerium für die ausführliche und aufschlussreiche Antwort bedanken, wobei ich die Einbindung des Sozialministeriums für sinnvoll gehalten hätte.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das stimmt!)

Die Antwort macht allerdings sehr deutlich, dass noch großer Handlungsbedarf besteht und dass Änderungen dringend notwendig sind. Einige dieser Antworten will ich hier noch einmal nennen, woraus sich auch wieder Fragen ergeben.

Erst einmal kann ich nicht nachvollziehen, warum die Zahl der Bewerbungen der Schülerinnen und Schüler nicht beziffert werden kann. Im Zeitalter der elektronischen Datenerfassung ist doch davon auszugehen, dass Bewerbungen erfasst werden und dann mit einem Knopfdruck die Anzahl festgestellt werden kann. Ich fände es sehr hilfreich, zu wissen, wie groß das Interesse an einer Altenpflegeausbildung ist, damit überschaubar ist, ob dem

wachsenden Bedarf an Pflegebedürftigen genügend Ausbildungswillige gegenüberstehen und ob für diesen Beruf besonders geworben werden muss.

Nachdenklich hat mich Ihre Aussage zu den erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen gegenüber der Zahl der Schülerinnen und Schüler gemacht. Nach Ihrer Darstellung bestanden im Jahr 2005 von 1 836 Schülerinnen und Schülern nur 1 304 ihre Prüfung. Daraus ergeben sich für mich sofort weitere Fragen: Wird die Ausbildung qualifiziert genug durchgeführt? Sind die Praktikumsstellen überfordert? Wie ist die Erfolgsquote zu erhöhen?

In Ihrer Antwort haben Sie weiter die Schülerentwicklung für den Bildungsgang der Altenpflege und der Altenpflegehilfe aufgelistet. Hieraus ist klar erkennbar, dass die Schülerzahlen der Altenpflege sinken und die Schülerzahlen der Altenpflegehilfe steigen. Meiner Meinung nach besteht hier die Gefahr eines Pflegequalitätsverlustes. Das hat nichts mit den Personen, die sich für diesen Beruf entscheiden, zu tun, sondern mit der Ausbildungszeit. Eine dreijährige Ausbildung vermittelt logischerweise umfassendere Kenntnisse als eine einjährige Ausbildung. Hier sollte darauf hingewirkt werden, dass die dreijährige Ausbildung zur Altenpflege verstärkt angeboten und angenommen werden kann.

Auch Ihre Antwort auf die Frage, wie viele Bewerberinnen und Bewerber aufgrund nicht vorhandener Praxisplätze abgewiesen werden, hat mich erschreckt, genau wie auch Frau Helmhold. Bei einer Gesamtzahl der 1 836 Auszubildenden 267 Bewerberinnen und Bewerber ohne Praxisplatz zu lassen - das ist einfach eine viel zu hohe Quote.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit positivem Erstaunen verstehe ich Ihre Antwort zu den Kosten der Ausbildung für die Pflegeeinrichtungen so, dass auch Sie die Notwendigkeit einer gewissen Art des Umlageverfahrens sehen - das hat ebenfalls Frau Helmhold erkannt und noch einmal ausdrücklich betont -, da die nichtausbildenden Pflegeeinrichtungen keine Ausbildungskosten tragen. Dadurch haben sie Wettbewerbsvorteile. Sie sagen hier endlich einmal klar und deutlich, durch die proportionale Verteilung der Kosten für die Ausbildungsvergütung auf alle Pflegeeinrichtungen und Heime für alte Menschen

unabhängig davon, ob dort Abschnitte der praktischen Ausbildung durchgeführt werden, wäre hinsichtlich der Ausbildungskosten Wettbewerbsneutralität hergestellt. Das ist genau das, was Frau Helmhold eben schon betont hat. Dabei kann ich Ihnen ausnahmsweise einmal voll und ganz zustimmen und verweise auf unseren Antrag „Altenpflegeausbildung in Not - Umlagefinanzierung wieder einführen!“, der im Plenum am 22. Juni beraten wurde. Sie müssten sich nicht einmal etwas Neues ausdenken, sondern bräuchten unseren Antrag einfach nur noch einmal einzubringen, den wir dann gemeinsam beraten könnten.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, nach § 25 des Altenpflegegesetzes ist die Landesregierung ermächtigt, ein Ausgleichsverfahren einzurichten, wenn es erforderlich ist, einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern oder zu beseitigen. Den Mangel zu definieren, kann doch insofern kein Problem sein, als dass auch hier eine Quote festgelegt werden könnte, prozentual ausgerichtet an der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung.

Ihre große Gelassenheit bei der dargestellten Aufstellung über die Höhe der Schulgelder kann ich nicht teilen. Das Hauptanliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der SPD-Fraktion war und ist, kein Schulgeld für Altenpflegeberufe zu erheben. Die SPD-Fraktion fordert die Landesregierung auf, die Schulgeldfreiheit wiederherzustellen. Das muss doch gemeinsamer politischer Wille sein!

(Beifall bei der SPD)

Es darf nicht sein, dass die jungen Menschen für ihre Ausbildung auch noch Geld mitbringen müssen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Sehr wahr! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie schlau man doch werden kann, wenn man in der Opposition ist! - Gegenruf von Werner Buß [SPD]: Vielleicht lassen Sie sie erst einmal reden!)

- Wenn man zuhört, keine Frage, Herr Klare.

Nun zur Fachkraftquote. Ihre Antwort sollte bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht beruhigend wirken. Das tut sie aber ganz und gar nicht. Sie geben in Ihrer Antwort zu, dass die Fachkraftquote

nicht in allen Heimen eingehalten wird. Sie drücken es sehr verharmlosend aus, und zwar mit den Worten, dass dort, wo das nicht der Fall sei, die Heime aber dicht an der Vorgabe lägen. Ihre Aussage in diesem Zusammenhang, dass derzeit keine Überlegungen zur Planung oder Senkung der Fachkraftquote in Niedersachsen bestehen, ist auch nicht gerade dazu angetan, die Beurteilung vertrauensvoll in Ihre Hände zu legen.

(Beifall bei der SPD)

Allein der Gedanke daran ist doch wohl angesichts des im Landespflegeberichts mehr als deutlich benannten steigenden Bedarfs an Pflege fast unanständig zu nennen.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf Sie daran erinnern, dass die Landesregierung im Rahmen der Rechtsaufsicht nach dem Heimrecht auf die Festlegung der Fachkraftquote hinzuwirken hat.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das lässt sich nicht wegdelegieren!)

- So ist es. - Sie führen aus, dass Ihre Prüfungen Stichprobenprüfungen sind. Hieran schließen sich sofort die Fragen an: Wie häufig erfolgen diese Stichprobenprüfungen, und in welchem Abstand wiederholen Sie die Prüfungen, wenn Sie feststellen, dass die Fachkraftquote nicht eingehalten wird?

Leider ist aus Ihren Antworten immer wieder zu entnehmen, dass Sie den Landespflegebericht nicht wirklich ernst nehmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Mit Ihrer Aussage, dass die Schlussfolgerungen im Landespflegebericht auf einer Reihe von Annahmen beruhen würden und Sie nicht absehen könnten, inwieweit die langfristigen Prognosen im Landespflegebericht durch die weiteren nicht absehbaren Entwicklungen an Verlässlichkeit verlieren, stellen Sie den Bericht infrage und nehmen ihm seine Kompetenz und Ernsthaftigkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist sehr bedauerlich und gefährlich. Es ist einmal deswegen gefährlich, weil dem erwiesenen demografischen Wandel zu spät Rechnung getragen wird

(Zustimmung von Monika Wörmer- Zimmermann [SPD])

und Sie dadurch ein Unterangebot produzieren. Es ist zum anderen deshalb gefährlich, da dieses unzureichende Pflegeangebot die Menschen trifft, die wehrlos und dringend auf Pflege angewiesen sind.

Mein Fazit: Ihre Antwort widerspricht dem Gesamttenor, den Sie vermitteln wollen, dass alles in Ordnung sei. Es ist viel zu viel nicht in Ordnung, und hier muss die Landesregierung handeln, damit die Pflegesituation in Niedersachsen nicht im Chaos endet.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Landespflegebericht ist ein gutes Instrument, um den notwendigen Handlungsbedarf zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren. Nutzen Sie dieses Instrument, und legen Sie es nicht nach dem Motto „Schön, dass wir darüber gesprochen haben“ mit ruhigem Gewissen unter das Kopfkissen in dem Irrglauben, dass sich die notwendige Arbeit von allein erledigt! Dahin gehört er nicht. Wir werden ihn immer wieder herausholen und unsere Forderungen artikulieren. Ich möchte das, was Frau Helmhold gesagt hat, noch verstärken: Es ist nicht nur höchste Zeit, sondern es ist dringend notwendig, dass Sie sofort handeln. - Danke schön.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Kohlenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst ein Hinweis an Sie, Frau Groskurt. Sie können sich sicher sein: Den Landespflegebericht nehmen wir sehr, sehr ernst.