Protocol of the Session on June 26, 2003

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der SPD ablehnen möchte, den bitte ich jetzt ums Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann ist der Ausschussempfehlung so gefolgt worden.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 38: Einzige (abschließende) Beratung: Veräußerung von Vermögensgegenständen im Hafen Brake - Antrag der Landesregierung - Drs. 15/212 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 15/265

Meine Damen und Herren, bevor Sie den Raum verlassen, beachten Sie bitte Folgendes: Über den Punkt wird ohne Besprechung gleich abgestimmt. Darauf haben sich die Fraktionen verständigt. Bitte haben Sie noch drei Minuten Geduld.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen in der Drucksache 265 lautet auf Zustimmung. Im Ältestenrat - das habe ich gerade gesagt - waren sich die Fraktionen darin einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich sehe keinen Widerspruch, ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich ums Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie einstimmig der Beschlussempfehlung des Ausschusses Folge geleistet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 39: Erste Beratung: Staatsmodernisierung in Niedersachsen: Auflösung der Bezirksregierungen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/171

Zur Einbringung und gleichzeitig zur Besprechung erteile ich dem Kollegen Professor Dr. Lennartz das Wort.

Professor Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜNE) :

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stellen diesen Antrag zur Staatsmodernisierung - wir verwenden diesen Begriff lieber als den Begriff „Verwaltungsmodernisierung“, weil es eigentlich um mehr geht als um die Modernisierung der Verwaltungen -, erstens um die Bedeutung des Themas zu unterstreichen, zweitens um zu einem Schub für das Thema beizutragen, um zugleich aber auch durch unser Argumentieren eventuelle Fehlentwicklungen möglichst von vornherein vermeiden zu helfen.

Zum Stand der Verwaltungs- und Staatsreform in Niedersachsen hatte die frühere SPD-Landesregierung in ihrer Bilanz ihrer Aktivitäten zum Ende der vergangenen Wahlperiode festgestellt, dass insbesondere die Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft noch nicht gelungen sei. Insoweit ist die Beschlussfassung der Koalitionsfraktionen, die Konzentration staatlicher Aufgaben auf die Kernaufgaben anzugehen, zu begrüßen und in der Sache konsequent.

Notwendiger Bestandteil des Vorgehens ist eine flächendeckende Aufgabenkritik, die in den Aufgabenverzicht, eine Privatisierung und eine Kommunalisierung dann noch verbleibender Aufgaben einmünden soll. Verbunden mit diesem Prozess ist die Erklärung der Landesregierung, die Bezirksregierungen und einige Landesämter ersatzlos abschaffen zu wollen und stattdessen wenige so genannte Kompetenz-Center - gemeint sind wahrscheinlich Landesämter - errichten zu wollen.

Schaut man in andere Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland, dann stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Während Bayern eisern an seinen Bezirksregierungen festhält und BadenWürttemberg unter einer CDU-FDP-Koalition soeben beschlossen hat, die kommunale Ebene und die Bezirksregierungsebene durch Integration ver

schiedenster staatlicher Ämter zu stärken, nachdem Nordrhein-Westfalen 1999 die Bezirksregierungsebene ebenfalls durch die Integration verschiedener staatlicher Ämter gestärkt hat, geht Niedersachsen insoweit einen einsamen Weg im Konzert der Flächenländer. Auch die vorherige hessische Landesregierung aus CDU und FDP hatte die Abschaffung der Bezirksregierungen beschlossen und ist von diesem Beschluss zurückgewichen; das hat sie dann nicht getan.

Konzeptionell ist der Weg der Niedersächsischen Landesregierung und der Mehrheitsfraktionen also ungewöhnlich. Aber das heißt noch nicht, dass er nicht auch möglich wäre. Für unsere Begriffe ist das Ziel nur in einem mittelfristigen Zeitraum und unter bestimmten Vorbedingungen sinnvoll erreichbar. Das Prinzip, von dem aus man die Auflösung der Bezirksregierungen nur denken kann, ist, dass öffentliche Aufgabenerledigung in erster Linie kommunal, also ortsnah, zu erfolgen hat, dass die Aufgabenerledigung erst in zweiter Linie staatlich oder privat wahrgenommen werden kann. Die Aufgaben der Mittelbehörden können, soweit noch notwendig und soweit nicht zwingend staatliche Aufgabenerledigung durch die Niedersächsische Verfassung vorgeschrieben ist - ich nenne das Stichwort „Fachaufsicht“ -, nach unserer Auffassung erst dann kommunalisiert werden, wenn die kommunale Ebene flächendeckend entsprechend aufnahmefähig ist.

Der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Herr Haack, hat soeben diese Einschätzung bestätigt, als er sagte, dass die meisten Landkreise schon jetzt mit der Aufgabenwahrnehmung im übertragenen Wirkungskreis ausgelastet, wenn nicht überfordert seien.

Die kommunale Landschaft in Niedersachsen ist, was ihre Größe und die Leistungsfähigkeit der Landkreise angeht, sehr heterogen. Wir halten eine Homogenisierung beispielsweise durch verstärkte Kooperation in verschiedenen Formen bis hin zu Neuzuschnitten auf freiwilliger Basis für sinnvoll und notwendig. Es mag Regionsbildungen geben, es mag Zweckverbände geben, es mag einfache vertragliche Kooperationsformen zwischen Landkreisen geben - all das sind Instrumente zum Erreichen des Ziels.

Solange dieser Prozess noch nicht abgeschlossen oder zumindest erheblich weiter vorangekommen ist, verlangt regionale Koordinierung eine Restzu

ständigkeit jetziger Bezirksregierungen. Ob der Name darüber steht oder nicht, ist nachrangig.

Demgegenüber plant die Landesregierung nach Abschaffung der Bezirksregierungen eine Aufgabenerledigung dessen, was nicht kommunal oder privat wahrzunehmen sein wird, in zentralen Landesämtern. Die kommunalen Spitzenverbände, der Städtetag und der Landkreistag, stehen einer solchen Auffanglösung zu Recht reserviert gegenüber, wenn sie Bedenken gegen das Prinzip der Aufgabenwahrnehmung in Landesämtern formulieren. Statt der Wahrnehmung in zentralen Landesämtern favorisieren wir die mittelfristige Restzuständigkeit von Bezirksregierungen für die Kernaufgaben regionaler Koordinierung. Ich nenne beispielhaft folgende Aufgabenbereiche: Raumordnung, Landesplanung, Bauleitplanung, Energiesicherung, Grundwasserschutz und Wasserversorgung, Naturschutz, Unterricht und Erziehung, Abfallwirtschaft, Ausländerrecht und Kommunalaufsicht. Dieser Katalog ist beispielhaft gemeint und ist nicht abschließend. Er beschreibt für meine Begriffe den Kernbestand von Aufgaben, die jeweils regional zu koordinieren sind und für deren Erledigung sich die Bezirksregierungen mittelfristig, also für eine Übergangszeit, anbieten. Gleichzeitig würde die Umsetzung dieses Vorschlags eine massive Aufgabenreduzierung bei den jetzigen Bezirksregierungen bedeuten und zu einem entsprechend verminderten Personalbedarf führen. Natürlich wird es auch weiterhin eine Fachaufsicht über die kommunale Ebene im übertragenen Wirkungskreis geben müssen. Das sieht Artikel 57 Abs. 5 der Niedersächsischen Verfassung vor. Daraus leitet sich natürlich nicht zwingend die Existenz von Bezirksregierungen ab. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Ross-Luttmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lennartz, wir freuen uns über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich freue mich vor allem, Herr Lennartz, dass Sie als ehemaliger Regierungspräsident diesen Antrag eingebracht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als neu gewähltes Mitglied im Niedersächsischen Landtag habe ich mir ausdrucken lassen, wie viele Anträge in den letzten Legislaturperioden zu diesem Thema eingebracht worden sind. Eine riesige Flut Papier wurde ausgespuckt. Auf der einen Seite hat es mich gefreut, dass die Verwaltungsreform einen so breiten Raum eingenommen hat, zeigt das doch, wie wichtig und ernst dieses Thema im Landtag genommen wird. Auf der anderen Seite aber hat es mich erschreckt, dass trotz der fachlich auf hohem Niveau geführten Debatten von der alten Landesregierung so wenig Spürbares für die Bürger umgesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ach du jemine! Wer hat dir das denn aufge- schrieben? - Gegenruf von Dr. Philipp Rösler [FDP]: Jemand ganz Schlau- es!)

Die neue Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, die Verwaltungsreform zügig anzugehen. Ein Bestandteil dieser Verwaltungsreform wird die Auflösung der Bezirksregierungen sein. Als ersten wichtigen und richtigen Schritt hat die Landesregierung daher die Positionen der Regierungspräsidenten nicht wieder besetzt. Über einen weiteren Aufgabenbereich - über den ersten Aufgabenbereich Agrar - haben wir heute Morgen schon ausführlich debattiert.

Herr Minister Schünemann hat bereits am 26. März 2003 den Ausschuss für Inneres und Sport über seine Arbeitsschwerpunkte unterrichtet und die Verwaltungsreform als einen wesentlichen Schwerpunkt seiner Tätigkeit genannt. Als Ziel hat er formuliert: Voraussetzung für ein Gelingen der Verwaltungsreform ist, dass jedes staatliche Handeln einer strengen Aufgabenkritik zu unterziehen ist. - Aufgabenabbau, meine Damen und Herren, ist Allgemeingut jeder Reformdiskussion - eine Binsenweisheit. Es wurde auch in diesem Bereich schon viel über eine Einschränkung der Normenflut diskutiert. Doch welche Erfolge haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, erzielt? - Der Bürger erstickt in der Bürokratie.

(Heike Bockmann [SPD]: Schreiben Sie doch das EU-Recht ab!)

Firmen werden in ihren Gestaltungsspielräumen eingeengt. Wir haben es gestern gehört - unser Fraktionsvorsitzender McAllister hat es gesagt -:

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das wird wohl richtig sein, wenn er das sagt!)

Wir haben das ehrgeizige Ziel, ein Drittel aller Vorschriften abzubauen. - Frau Leuschner, Sie können es mir glauben: Wir werden das entschlossen angehen. Alle staatlichen Aufgaben kommen auf den Prüfstand.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ross-Luttmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jüttner?

Der Aufgabenkritik folgt die Prüfung, welche Aufgaben wir privatisieren können und welche unbedingt von einer staatlichen Stelle erledigt werden müssen. Wenn das Ergebnis privatisieren lautet, dann müssen und werden wir auch den Mut haben, zu privatisieren. Dieser Phase schließt sich die Phase an, in der wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden, den Landkreisen und den Kommunen überlegen werden, welche Aufgaben die Landkreise und Kommunen übernehmen können. Die ersten Überlegungen von den Kommunen sind eingegangen. Es ist von unseren Kommunen mit Erleichterung aufgenommen worden, dass wir a) die Dinge mit den Kommunen gemeinsam angehen wollen und dass wir b) ein weitreichendes Konnexitätsprinzip, verbunden mit dem Konsultationsprinzip, in der Niedersächsischen Verfassung verankern werden. Wenn diese Grundlagen geschaffen worden sind, dann gibt es - davon bin ich überzeugt - auch die Bereitschaft bei den Kommunen, Aufgaben zu übernehmen.

Danach werden und müssen wir uns sehr genau die Bereiche ansehen, die nicht privatisiert oder kommunalisiert werden können. Am Ende werden wir Einsparpotenziale erarbeitet haben und 6 000 Stellen einsparen können.

(Heike Bockmann [SPD]: Was ist mit den Mitarbeitern?)

Eine erfolgreich durchgeführte Verwaltungsreform muss Gewinner auf allen Ebenen haben: für den Bürger weniger Bürokratie, ein schlanker Staat, mehr Aufgabenerledigung in der Fläche, Einsparmöglichkeiten - auch für das Land -, um einen Beitrag dazu zu leisten, den von unserer Vorgängerregierung hinterlassenen desolaten Haushalt ein wenig sanieren zu können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ausdrücklich danken möchte ich Herrn Innenminister Schünemann, dass er die Verwaltungsreform nicht nur umsichtig vorbereitet, sondern auch zügig umsetzt. Ich möchte ihm besonders dafür danken, dass er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden als wichtigsten Bestandteil für eine erfolgreich verlaufende Reform sieht, mit denen er diese Reform gemeinsam aktiv erarbeiten wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heike Bockmann [SPD]: Warum werden schon Teilbereiche herausgeb- rochen?)

Mit uns wird es keine Geschichte verpasster Chancen, frustrierter Mitarbeiter und gescheiterter Kommissionen geben, sondern die zügige Umsetzung einer Staatsmodernisierung über Herrn Sonderstaatssekretär Meyerding. Herr Meyerding hat von Anfang an konstruktiv den engen Dialog mit dem Innenausschuss gesucht. Nach der Sommerpause wird er diesen Dialog mit uns fortsetzen. Ihr Antrag, Herr Kollege Lennartz, greift wesentliche Aussagen auf, die schon bei der CDU im Wahlprogramm und bei den Fraktionen der CDU und der FDP in der Koalitionsvereinbarung stehen. Allerdings glauben wir nicht, Herr Lennartz, dass eine Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene zwingend die Regionsbildung voraussetzt. Mit neuen Regionsbildungen können wir uns daher nicht anfreunden. Wir wollen vielmehr die Kommunen vor Ort stärken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen und beantrage, zusätzlich den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum als mitberatenden Ausschuss aufzunehmen, da der Antrag umfassende Staatsmodernisierung betrifft und damit auch die geplante Umstrukturierung im Agrarbereich umfasst. - Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Wort hat die Kollegin Frau Leuschner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ross-Luttmann, ich teile Ihre Euphorie in der Sache nicht, weil aus unserer Sicht auf dem Weg der Verwaltungsreform eine ganze Menge zu kritisieren ist.

Herr Professor Lennartz, als ich Ihren Antrag zum ersten Mal gelesen habe, hat sich mir nicht erschlossen, wo Sie eigentlich genau hinwollen. Das ist durch Ihren Redebeitrag auch nicht deutlicher geworden. Sie begrüßen in Ihrem Antrag die Entscheidung der Landesregierung, der Abschaffung der Bezirksregierungen eine Aufgabenkritik voranzustellen. Die Freude der CDU, darin mit Ihnen übereinzustimmen, war hier im Plenarsaal deutlich.

Entgegen Ihrer Darstellung hat die Landesregierung aber die Abschaffung der Bezirksregierung beschlossen, ohne eine sorgfältige Überprüfung möglicher Handlungsalternativen vorgenommen zu haben.