Protocol of the Session on February 15, 2002

Meine Damen und Herren, ganz anders die jetzige Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Mit dem Steuersenkungsgesetz wurde die größte Steuerentlastung der Nachkriegszeit auf den Weg gebracht. Das Entlastungsvolumen im Rahmen der Steuerreform betrug alleine im Jahre 2001 45 Milliarden DM. Von dieser Entlastung haben im Wesentlichen die Arbeitnehmer, die Familien und die Wirtschaft profitiert, bei der Wirtschaft ganz besonders der Mittelstand.

(Heineking [CDU]: Die Konzerne, nicht der Mittelstand!)

- Herr Heineking, Sie wissen, dass Ihr Zwischenruf falsch ist!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU - Heineking [CDU]: Der Zwischenruf war richtig!)

Die Mittelstandsfreundlichkeit dieser Steuerreform zeigt sich insbesondere in der Tatsache, dass nach der Neuregelung die Personenunternehmen ihre Gewerbesteuerschuld von der Einkommensteuerschuld abziehen können. Das bedeutet ganz konkret: Der Mittelstand wird nicht mehr mit der Gewerbesteuer belastet. Aber für die Kommunen ist diese Quelle erhalten geblieben. Das ist eine Leistung, die die CDU/CSU in 16 Jahren Regierungsverantwortung nicht einmal ansatzweise zustande gebracht hat.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, mit einem Missverständnis muss ich an dieser Stelle auch einmal aufräumen: Das, worüber wir heute im Zusammenhang mit allen Anträgen debattieren, nämlich die dramatischen Einbrüche bei der Gewerbesteuer, hat mit der Steuerreform nichts zu tun. Vielmehr haben sich die Ölpreisexplosion, die deutliche Abkühlung der amerikanischen Wirtschaft, die Krisen in Japan, in der Türkei und in Argentinien, quasi in allen Teilen der Welt, ganz deutlich auf die Weltwirtschaft und wegen der starken Exportorientierung der deutschen Wirtschaft auch bei uns ausgewirkt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was ist denn das für eine Theorie?)

Die Gewerbesteuerausfälle sind in erster Linie auf die konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen. Es besteht allerdings kein Grund dafür, die derzeit bei den Kommunen zu verzeichnenden Einnahmeausfälle zu verharmlosen. Die Schere zwischen den verfügbaren Einnahmen und den bestehenden Ausgabeverpflichtungen, die sich aus gesetzlichen Pflichtaufgaben ergeben, geht weit auseinander. Sowohl im Bereich der sozialen Sicherung über das BSHG als auch in noch stärker steigendem Maße im Bereich der Leistungen der Jugendpflege ergeben sich von Jahr zu Jahr beachtliche Steigerungen, die die Kommunen stark belasten.

Wegen der schleppenden Konjunktur fehlen Impulse vom Arbeitsmarkt, die zu einem Absenken der Leistungsverpflichtungen in der Sozialhilfe, vor allem bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, beitragen könnten. Insbesondere sind die steigenden Leistungen für die betreuungs- und erziehungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes - Herr Kollege Mühe hat gestern darauf hingewiesen - ein deutliches Anzeichen für gesellschaftliche Veränderungen, etwa durch unvollständige Familienstrukturen, sinkende Erziehungsfähigkeit von Eltern oder Personensorgeberechtigten und eine Verschärfung der sozialen Probleme, wie wir sie tagtäglich in unseren Kommunen, also zu Hause, erleben. Dies erfordert zunehmend den Einsatz kommunaler Mittel im Bereich der Hilfen zur Erziehung, um die Probleme zu mildern oder zu beheben.

Es stimmt auch, dass der Aufwand der Kommunen für die Betreuung und Erziehung von Kindern in Kindertageseinrichtungen gewachsen ist. Die Kommunen können zwar durchaus mit Stolz darauf verweisen, dass sie die ihnen gesetzlich auferlegte Verpflichtung zur Erfüllung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz eingelöst haben. Der finanzielle Aufwand der Kommunen für dieses Tätigkeitsfeld, nämlich die Finanzierung von Tageseinrichtungen in eigener oder fremder Trägerschaft, ist in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen. Die insbesondere im Sozialbereich ungebremste Ausgabenentwicklung bei rückläufigen kommunalen Einnahmen ist mit ein Hauptgrund für die sich verschärfende Finanzlage der Kommunen. Vor diesem Hintergrund ist den Interessen der Kommunen nicht durch bestenfalls gut gemeinte, aber nicht durchfinanzierte bzw.

nicht finanzierbare Sofortmaßnahmen, sondern nur durch eine Gemeindefinanzreform gedient.

Aus diesem Grunde begrüßen wir die Absicht der Bundesregierung, noch in dieser Legislaturperiode eine Kommission zur Vorbereitung einer umfassenden Gemeindefinanzreform einzuberufen. Wir sind der Landesregierung dafür dankbar, dass sie die Arbeit dieser Kommission mit konstruktiven Vorschlägen unterstützen will. Ziel muss es sein, die gegenwärtigen Probleme auf dem Gebiet der Kommunalfinanzen einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Lösung zuzuführen.

Ein weiterer Grund für die derzeit zu verzeichnenden Einnahmeausfälle bei den Kommunen sind die Unternehmensumstrukturierungen, die im letzten Jahr verstärkt unter Ausnutzung bereits länger bestehender Regelungen im Steuerrecht stattgefunden haben. Bei diesen Regelungen handelt es sich nicht um neue Regelungen des Steuersenkungsgesetzes der rot-grünen Bundesregierung; darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen.

Wir begrüßen es sehr, dass sich die Landesregierung im Verbund mit anderen Landesregierungen im Bundesrat für eine ausreichende Berücksichtigung kommunaler Belange bei der Verteilung der Unternehmenssteuern eingesetzt hat.

Ebenfalls ist es gelungen, die Regelungen für Organschaften bei Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer so anzugleichen, dass bei den Kommunen Mehreinnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro anfallen werden. Andere Steuerschlupflöcher bei der so genannten Mehr-Mütter-Organschaft sind durch Länderinitiativen geschlossen worden, was zu zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 331 Millionen Euro geführt hat. Hierdurch ist verhindert worden, dass die Gemeinden bereits vereinnahmte Gewerbesteuer aus ihren Kassen zurückzahlen mussten. Unter dem Strich sind in diesen Beratungen Verbesserungen zugunsten der Kommunen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erreicht worden.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen. Im Bund haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen unter Mitwirkung unserer Landesregierung nicht zugelassen, dass die Versicherungswirtschaft Gewinne und Verluste aus verschiedenen Sparten miteinander verrechnen kann. Dieses Steuerschlupfloch ist von vornherein geschlossen worden. Dagegen hat sich die CDU/CSU im Bundestag ausgesprochen.

Interessant war meiner Meinung nach die Diskussion beim vorherigen Tagesordnungspunkt. Wenn ich den Kollegen Althusmann richtig verstanden habe, dann hat er ein Vorziehen der Steuerreform gefordert. Das sind Forderungen, die meines Wissens weder im Bund noch von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt werden bzw. unterstützt werden können.

Die derzeitige finanzielle Situation der Kommunen ist kein hausgemachtes niedersächsisches Problem. Auch der Staatsgerichtshof hat mit seinem Urteil vom 16. Mai dem Land einen aufgabengerechten Finanzausgleich bescheinigt, der die gebotene finanzielle Mindestausstattung der Kommunen in unserem Land gewährleistet. Dieses Urteil ist daher - das wird es auch zukünftig sein - Orientierungsrahmen. Es bestätigt, dass den Kommunen nicht mit Anträgen im Hauruckverfahren geholfen werden kann, vor allem nicht mit Anträgen, bei denen von vorne bis hinten eine solide Finanzierung fehlt.

Wir haben die finanzielle Entwicklung der Kommunen im Blick. Ich möchte noch einmal betonen: Die Sorge der Kommunen, was die Entwicklung ihrer Haushalte angeht, ist unstreitig. Daher muss es unsere Aufgabe sein, den Kommunen durch eine Gemeindefinanzreform wieder finanzpolitischen Spielraum zu geben.

Die CDU fordert in ihrem Antrag einmal mehr, die Summe der Bedarfszuweisungen in angemessenem Umfang zu erhöhen. Was angemessen ist, sagt sie jedoch nicht. Wie das finanziert werden soll, sagt sie ebenfalls nicht.

Nicht in Vergessenheit geraten ist auch, dass die Gewerbesteuer als wichtigste Steuereinnahmequelle der Kommunen von der Regierung Kohl schrittweise zulasten der Kommunen ausgehöhlt worden ist. Dass die Gewerbesteuereinnahmen in den einzelnen Kommunen ständig Schwankungen ausgesetzt sind, sollte uns allen auch klar sein.

Meine Damen und Herren, es bedarf einer länderund parteiübergreifenden Unterstützung, um die kommunalen Interessen wirksam und nachhaltig durchsetzen zu können. Wir sind bereit, diese schwere Initiative parteiübergreifender Zusammenarbeit zu regeln, und haben deshalb den Ihnen vorliegenden Antrag eingereicht.

Der Grund für die derzeit zu beobachtende kommunale Finanzmisere ist vor allen Dingen - darauf habe ich hingewiesen - der konjunkturbedingte

Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen. Das Gewerbesteueraufkommen ist 2001 deutlich hinter dem Vorjahresergebnis zurückgeblieben. Ziel muss es sein, den Kommunen eine Einnahmequelle zu erschließen, die nicht in dem Maße konjunkturabhängig ist, wie es leider die Gewerbesteuer ist.

Einigkeit dürfte zwischen allen in diesem Hause vertretenen Parteien auch darin bestehen - ich habe am Anfang meiner Rede darauf hingewiesen -, dass hinsichtlich der Sozialhilfekosten bzw. der Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit eine Lösung gefunden werden muss, die zu einer Entlastung der Kommunen führen wird.

Lassen Sie mich zusammenfassend festhalten: Der CDU-Antrag mit dem Titel „Rücknahme der erhöhten Gewerbesteuerumlage“ unter Tagesordnungspunkt 38 ist schon deshalb kein seriöser Beitrag für einen Weg aus der gegenwärtigen Finanznotlage der Kommunen, weil er keine Aussagen dazu trifft, wie die dadurch entstehenden Einnahmeverluste ausgeglichen werden sollen. Auch ändert ein Herumdoktern an der Gewerbesteuerumlage nichts an der grundsätzlichen Konjunkturabhängigkeit dieser Einnahmequelle.

Den CDU-Antrag zur Kostenerstattungspflicht des Landes unter Tagesordnungspunkt 39 hatten wir bereits vor drei Wochen im Januar-Plenum. Er ist wohl deshalb so schnell wieder auf die Tagesordnung gekommen, weil Finanzminister Aller im Januar-Plenum bereits ausführlich dargelegt hat, dass es aufgrund einer Verkettung ungünstiger Umstände vereinzelt zu Verzögerungen gekommen ist, aber dass dieser Antrag im Prinzip erledigt ist.

Damit sind wir beim dritten CDU-Antrag unter Tagesordnungspunkt 41. Es scheint in der CDU in der letzten Zeit Mode zu sein, Sofortprogramme zu fordern, ohne dass sich hinter diesen Programmen ein Konzept erkennen lässt. Sie fordern wieder einmal - ich erwähnte es bereits - eine Erhöhung der Bedarfszuweisungen. Ich brauche darauf nicht mehr einzugehen; ich habe das bereits gesagt. Jede Anregung zu einer Erhöhung der Bedarfszuweisungen, die nicht gleichzeitig mit einem soliden Finanzierungsvorschlag verbunden ist, stellt sich schon aus diesem Grunde als finanzpolitisch unredlich heraus.

Es muss klar sein: Auch von den Ergebnissen der Gemeindefinanzreformkommission dürfen keine Wunderdinge erwartet werden, aber es muss eine transparentere und vor allen Dingen weniger von

der Konjunktur abhängige Einnahmequelle der Kommunen geregelt werden. Es wird jedoch nicht darum gehen, mehr Geld zu verteilen. Nicht nur die Landeskassen, auch die Bundeskassen sind leer. CDU/CSU haben 16 Jahre lang nichts anderes gemacht, als die Bundesschulden auf 1,6 Billionen DM zu erhöhen, wodurch der Bundeshaushalt jährlich mit 41 Milliarden Euro belastet ist.

(Möllring [CDU]: Wer hat denn den Blauen Brief gekriegt?)

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund haben wir in unserem Entschließungsantrag deutlich darauf hingewiesen, dass eine Aufgabenkritik unvermeidlich sein wird.

Ich biete allen hier vertretenen Parteien an, auf der Grundlage unseres Antrages einen gemeinsamen Weg aus der Krise der Kommunen zu finden. Arbeiten Sie alle mit, und versuchen Sie vor allem nicht, mit den Ideen von gestern die Politik von heute zu gestalten! Das hilft den Kommunen nicht und ist zum Scheitern verurteilt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Schünemann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Adam, wenn Sie einmal von Ihrem Konzept aufgesehen hätten, dann hätten Sie gesehen, dass Sie es während Ihrer langen Rede geschafft haben, dass sich die Reihen in Ihrer Fraktion nun wirklich fast gelichtet haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben nach Ihrer Rede jetzt eindeutig die Mehrheit. Herr Adam, mit dem, der Ihnen das aufgeschrieben hat, würde ich heute Nachmittag wirklich mal ins Gericht gehen. Es ist wirklich nicht zu glauben, was Sie da gesagt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Ich kann auch verstehen, dass der Ministerpräsident schon seit zwei Tagen fast nicht mehr auf der Regierungsbank Platz nimmt, weil er es wahrscheinlich gar nicht mehr ertragen kann, sondern nur noch in der letzten Reihe. Herr Ministerpräsident, das ist unglaublich.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: So etwas Selbstgefälliges habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

- Herr Plaue, die Kommunen befinden sich wirklich in einer finanziell schwierigen und Besorgnis erregenden Situation.

(Beifall bei der CDU)

Herr Plaue, die Journalisten titeln: „Pleitegeier kreist über Städten und Gemeinden“, „Volle Kraft voraus in den Untergang“, „Einnahmen sind drastisch gesunken“, „Kommunen vor dem Finanzkollaps“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwölf Jahre lang sind Sie an der Regierung.

(Plaue [SPD]: Ach! - Zuruf von der SPD: Das bleibt auch so!)

Durch Ihr Handeln haben Sie es geschafft, dass die Kommunen mittlerweile vor dem finanziellen Ruin stehen. Das müssen Sie sich anschauen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zu- ruf von Plaue [SPD])

- Herr Plaue, ich glaube es nicht nur, ich kann es Ihnen sogar beweisen. In keinem anderen Bundesland hat man so in die kommunalen Kassen gegriffen, wie Sie es in zwölf Jahren gemacht haben.

(Beifall bei der CDU)