Protocol of the Session on February 15, 2002

Das kann man bedauern, das kann man aber auch hinnehmen. Auf jeden Fall ist es gültig. Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, die steuerliche

Berücksichtigung des Erziehungsbedarfs für alle Eltern gleichermaßen neu zu regeln, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht.

Da gab es als Alternativen entweder die Abschaffung des Haushaltsfreibetrages für die Nichtverheirateten oder die Gewährung des Haushaltsfreibetrages für alle. Im Effekt wäre es dasselbe, nämlich eine Nivellierung. Keine Alternative war die Beibehaltung der Ungleichbehandlung wie bisher, eben weil vom Verfassungsgericht verboten. Enddatum war der 31. Dezember 2001. Dem ist gefolgt worden. Die Regelung ist: Abschaffung des Haushaltsfreibetrages in Stufen, um das Ganze in Stufen abzumildern, bis 2005.

Das war aber nicht das Einzige, was im Steuergesetz geregelt ist, sondern es hat daneben eine Reihe familien- und kinderfördernder Maßnahmen gegeben, nämlich Verbesserung der Leistung für alle Kinder, Erhöhung des Kindergeldes. Ich lasse die Beträge aus. Sie kennen sie alle. Es ist übrigens die dritte Erhöhung in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

- Ja, darauf schauen Sie bestimmt neidisch, weil Ihre Bundesregierung das in dieser Form nicht zustande gebracht hat.

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Das war ja auch eine Versagerregie- rung!)

Daneben Erhöhung des Kinderfreibetrages, Erhöhung des Freibetrages für Erziehung, Betreuung und Ausbildung. Der Gesamtfreibetrag liegt bei knapp 11 200 DM oder knapp 7 500 Euro. Weiter wird die Absetzbarkeit von erwerbsbedingten Betreuungskosten als außergewöhnliche Belastung und für Volljährige, die auswärts untergebracht sind, ein Sonderbedarf von 924 Euro anerkannt.

Mit dieser Regelung haben wir das Ziel erreicht, dass sich die Schere zwischen Kindergeld und höchstmöglichem Steuerfreibetrag nicht weiter öffnet. Es ist bei 152 DM geblieben, so wie es vorher war. Wirkung ist aber: Der Förderanteil des Kindergeldes gegenüber den bisherigen Verhältnissen ist ausgebaut worden. Die Schere wird sich schließen, wenn im Zuge des weiteren Vollzugs der Steuerreform der Spitzensteuersatz sinkt. Die Erhöhung des Kindergeldes für erste und zweite Kinder kommt gerade gering Verdienenden zugute.

Denn der Steuerfreibetrag nützt manchem nichts, weil er oder sie keine Steuern zahlt.

Genau in diese Richtung werden wir weiter arbeiten. Ziel muss es sein, eine vom Einkommen unabhängige Förderung von Kindern zu erreichen. Dem Staat muss jedes Kind gleich viel wert sein.

Unser Ziel sind weitere Verbesserungen für Eltern mit Kindern, egal ob verheiratet oder nicht, über Kindergeld, über Steuerrecht und besonders über verbesserte Betreuungsmöglichkeiten. Auch das ist ja gerade für Alleinerziehende besonders wichtig. Wir sind auf dem Wege: Ganztagsangebote in Kindergärten, die Verlässliche Grundschule, Hortplätze im weiteren Vollzug der Schulreform, die Verlässlichkeit in der neuen Förderstufe und Ganztagsangebote im Sekundarbereich. Das alles kommt auch oder in ganz besonderem Maße Alleinerziehenden zugute.

Das haben wir auf den Weg gebracht, und daran werden wir weiter arbeiten zum Nutzen der Alleinerziehenden. Ich bin gespannt, welche Möglichkeiten es im Zuge der Beratungen auf Ihrer Seite geben wird, den Spruch des Verfassungsgerichts auszuhebeln. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Golibrzuch, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung hat wesentliche Verbesserungen für Familien durchgesetzt. Dazu gehören die Erhöhung des Kindergeldes, die Erhöhung des Grundfreibetrages, die Absenkung des Eingangssteuersatzes. Es ist bedauerlich, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dazu geführt haben, dass ein Teil dieser Erleichterungen, die natürlich auch Alleinerziehenden zugute kommen sollten, durch die teilweise Kappung des Haushaltsfreibetrages mehr oder weniger aufgefressen wird. Um es deutlich zu sagen: Hätte es diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gegeben, dann wäre sicherlich niemand auf die Idee gekommen, den Haushaltsfreibetrag anzutasten.

Weil nun aber diese Vorgabe im Raum steht, haben wir es immerhin innerhalb der Bundesregierung erreicht - es gab ja auch Verfassungsrechtler,

die das in einem Schwung streichen wollten -, dass das Ganze stufenweise vorgenommen wird. Wir streiten aber weiter. Wir streiten in Berlin auch mit der SPD um die Frage, welche Absetzbarkeit - -

(Zuruf)

- Natürlich, Frau Scheel hat da eine ganz eindeutige Position vertreten. Wir wollen eine Stufenlösung, die eine Besserstellung auch von Alleinerziehenden in der Familienförderung erreicht. Wir wollen eine steuerliche Abziehbarkeit von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten im laufenden Jahr ab 1 000 Euro. Wir wollen sie im Jahre 2003 ab 500 Euro. Wir wollen sie im Jahre 2005 ab dem ersten Euro. Das ist die Position, die die Grünen innerhalb und außerhalb der Bundesregierung vertreten.

Die finanziellen Folgen - ich glaube, das ist eine Möglichkeit, die Kappung des Haushaltsfreibetrages aufzufangen - wollen wir ausgleichen durch eine Begrenzung des steuerlichen Vorteils des Ehegattensplittings. Wir wollen ein Bruttoeinkommen von addiert 50 000 Euro als Kappungsgrenze anlegen. Wir wollen daraus einerseits finanzieren die steuerliche Besserstellung von Alleinerziehenden und andererseits auch eine Kindergrundsicherung. Ich meine, dass das eine ganz moderne Form von Familienpolitik ist. Das mag Ihnen gefallen oder nicht. Aber wir werden im Bundestag dafür eintreten. Wir werden in der Bundesregierung dafür eintreten. Wir werden natürlich auch hier im Landtag dafür eintreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Aller, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte zeigt wieder einmal, dass der Wahlkampf näherrückt und dass die Wahltermine offensichtlich manchen Antrag auslösen, der normalerweise nicht gestellt würde. Wir haben innerhalb weniger Wochen mehrfach das Thema Ehegattensplitting diskutiert. Insofern bin ich dem Kollegen Golibrzuch dankbar, dass er wenigstens für seine Fraktion einen Gegenfinanzierungsvorschlag für mögliche Verbesserungen im Bereich der Unterstützung von Alleinerziehenden gemacht hat. Der passt aber leider nicht zusammen mit dem Antrag der CDU-Fraktion, die gegen die Ehegattensplit

tingfinanzierung ist, aber gleichwohl diesen Status erhalten will und heute mit der Gruppe der Alleinerziehenden und mit den schrecklichen Auswirkungen einer Politik der Regierung Kohl argumentiert.

Das Problem liegt doch im Wesentlichen darin, Frau Vogelsang, dass Sie 16 Jahre lang einen Familienleistungsausgleich verschleppt und die Entscheidung auf das Bundesverfassungsgericht geschoben haben,

(Meinhold [SPD]: So ist es!)

womit Richter entscheiden mussten, was Sie politisch nicht hinbekommen haben. Das ist die Ausgangsposition.

(Beifall bei der SPD - Meinhold [SPD]: Die hören noch nicht einmal zu!)

Es ist schlichtweg noch nicht so lange her, dass die Menschen das vergessen hätten. Was sie in Erinnerung behalten werden, ist, dass wir unmittelbar nach dem Regierungswechsel eine Summe von ungefähr 20 Milliarden DM bewegen mussten, um den Familienleistungsausgleich insgesamt im Volumen aufzufüllen, um damit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Die Ökosteuer kostet allein in diesem Jahr 11 Milliarden DM!)

und die Ungereimtheiten aus der Vergangenheit auszuräumen. Ein zentraler Punkt war das Kindergeld, das in der Tat beim Kind ansetzt und nicht bei der Situation in der Familie. Drei Erhöhungen innerhalb ganz kurzer Frist um insgesamt 80 DM ist ein Punkt, den man nicht aus der Diskussion herausnehmen kann. Dahinter steht ein enormes Volumen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Ökosteuer, Versicherungssteuer, Tabaksteuer!)

Das kommt bei Familien mit Kindern an. Das ist die eigentliche Leistung, die erst einmal in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Das hat nämlich nichts mit allein erziehend oder verheiratet zu tun.

Der zweite Punkt - das hat Herr Lestin deutlich angesprochen - sind die verschiedenen und neuen Gewichtungen von Erziehungsgeld und ähnlichen Dingen, z. B. Kinderfreibetrag, Freibetrag für

Betreuung und Erziehung oder Kinderbetreuungskosten. Das könnte man Ihnen natürlich in Mark und Pfennig oder in Euro darstellen, wenn Sie es brauchen. Sie würden dann feststellen, dass das Nahekommen an die gesetzlichen Vorgaben oder an den Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts nahezu vollkommen gelungen ist. Nur hinsichtlich der Übergangsregelung stellen wir uns quer zum Bundesverfassungsgericht. Normalerweise hätte die Regelung sofort greifen müssen. Die Politik hat jedoch gegengehalten und sozusagen die weiche Landung organisiert.

Ihre Politik, bis zur Wahl jeder Zielgruppe ein Versprechen zu machen, ohne zu sagen, welche Wirkungen dahinter stehen und was es kostet, ist mit dem Antrag, den Sie heute gestellt haben, wirklich auf die Spitze getrieben worden. Sie sagen: Wir wissen genau, was wir wollen. Wir sagen euch aber nicht, wie wir es machen. Schon gar nicht sagen wir, was es kostet und wer es bezahlen soll.

Diese Politik, Frau Vogelsang, dürfen Sie in jeder Sitzung bis zur Wahl, bis zum 22. September, und auch bis zur Landtagswahl machen. Wir werden Ihnen aber immer wieder die gleiche Frage stellen, nämlich: Warum haben Sie es nicht gemacht, als Sie es konnten? Stattdessen lassen Sie sich vom Gericht verdonnern, den Familien endlich das zu geben, was ihnen zusteht. Jetzt bedauern Sie den Zustand, den Sie selber kreiert haben,

(Beifall bei der SPD)

und verlangen von denen, die es korrigiert haben, Besserstellung und höhere Ausgaben sowie die Rücknahme von Kreditaufnahme und Steuersenkungen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Sie müssen etwas zu den allein Erziehenden sagen!)

Zum Schluss dieser Veranstaltung, Herr Wulff, sage ich Folgendes: So, wie Sie bei sich im Zimmer eine Schuldenuhr ticken haben, die Ihnen offensichtlich irgendwelche Genüsse bereitet

(Zuruf von der CDU: Wie bitte?)

- „Genüsse“, habe ich gesagt -, werden wir alle Anträge, die Sie einbringen, in Mark und Pfennig

(Möllring [CDU]: Besser in Euro!)

untereinander schreiben. Für die Kommunen wollen Sie 650 Millionen DM ausgeben, ohne in Ihrem Haushaltsantrag einen Pfennig dafür bereitzustellen. Die Funktion der Veranstaltungen, die Sie derzeit produzieren, ist nichts anderes, als nach außen Aktivitäten zu dokumentieren. In diesem konkreten Fall sind Sie jedoch nicht einmal in der Lage zu beschreiben, was Sie wirklich wollen, geschweige denn zu beschreiben, was es kostet. Damit ist das als blanke Wahlkampfstrategie entlarvt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Vogelsang hat noch einmal um das Wort gebeten. - Bitte schön, Frau Vogelsang!

Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht uns in keiner Weise darum, irgendetwas aufzurechnen, vorwärts, rückwärts, seitwärts, wie immer Sie das wollen.

(Zurufe von der SPD)

Ich möchte Ihnen eines sagen: Sie sollen erkennen, dass die von der Bundesregierung gewählte Lösung der Aufgabe, die ihr vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben wurde - ich gestehe ein: Als Vorsitzende der Frauen-Union hätte ich es lieber gesehen, wenn es damals nicht dazu gekommen wäre, sondern wenn unsere Politik das vorher geschafft hätte -, zu einem ganz enormen Nachteil für die Schwächsten in unserer Gesellschaft geführt hat. Es muss doch eine Möglichkeit und einen Weg geben, denen zu helfen. Es kann doch nicht sein, dass Sie jetzt versuchen, Ihre Politik auf dem Rücken der Benachteiligten, der Schwächsten zu betreiben.