Protocol of the Session on February 14, 2002

(Beifall bei den GRÜNEN - Mühe [SPD]: Sie beginnt zu Hause bei den Eltern, aber nicht bei der Schulpoli- tik!)

Aber Kindertagesstätten sollen Kinder nicht nur für die Schule fit machen, sondern ihnen auch Rüstzeug für ihr späteres Leben mitgeben. Wir wollen aus den Kindergartenkindern keine frühen Schüler machen. Es kann nicht um Lesen und reines Faktenlernen gehen. Das ist auch durch die PISAStudie sehr deutlich geworden. Es geht um die Suche nach dem: „Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm.“

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Es geht darum, der kindlichen Neugier Futter zu geben und gezielte Anregungen für eigenes Lernen zu bieten. Die Lernfreude der Kinder soll gefördert werden. Sie sollen erleben können, selbst wirken zu können. Sie sollen lernen, mit Krisen, Grenzerfahrungen und Normen umzugehen. Dazu müssen ihnen Lernstrategien vermittelt werden, die sie ihr ganzes Leben lang nutzen können. Bildungskonzepte der Kitas müssen hierfür grundlegend weiterentwickelt werden. Es soll altersangemessenes, spielerisches, forschendes und experimentierendes Lernen unterstützt werden. Gefördert werden sollen mehr als bisher die motorische, musische, emotionale, soziale und kognitive Entwicklung der Kinder. Wir brauchen vielfältige Anregungen, die nicht allein von den Kita-Erzieherinnen kommen können, sondern für die auch externe Professionen in die Kitas geholt werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die qualifizierte pädagogische Beratung der Eltern gehört mit zum Angebot einer Kindertagesstätte. Um Entwicklungsprobleme von Kindern frühzeitig zu erkennen, müssen die Kita-Erzieherinnen systematisch diagnostische Kompetenzen erwerben. Wir brauchen ein umfassendes Kompetenzzentrum Kita.

Im letzten Kindergartenjahr soll die Grundlage für Lernen in der Schule geschaffen werden. Dafür wollen wir, wie in dem Antrag skizziert, ein Bildungsjahr für Kinder mit Lernangeboten einführen, die dem Lernbedürfnis der Kinder in diesem Alter entsprechen. Dieses Bildungsjahr für Kinder soll noch einmal gezielt die Chancen aller Kinder verbessern. Entwicklungsrückstände und Sprachkenntnisse sollen deutlich verbessert werden. An dieser Stelle greifen wir eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz von Anfang Dezember auf, die auf Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im Vorschulalter hinge

wiesen und diese Aufgabe als vorrangig bezeichnet hat.

Sprachförderung, die erst in der Schule angeboten wird, kommt häufig zu spät. Ich glaube, das wissen alle, die Einblick in den Grundschulbereich haben. Sprach- und Sprechförderung muss es für alle Kindergartenkinder geben. Nur durch gemeinsames Erleben und eine gemeinsame Erfahrungswelt ist die Grundlage für eine ausreichende Sprach- und Sprechförderung zu schaffen. Immer mehr Kinder haben Probleme in ihrer Sprachentwicklung. Das ist keineswegs nur ein Problem von Migrantenkindern. Sprachförderung findet im Rahmen interkultureller Erziehung und damit für alle Kinder statt.

Im Bildungsjahr für Kinder soll der Kindergarten intensiv mit der Grundschule zusammenarbeiten. In einer Mischung aus freien Aktivitäten und Lernprojekten sollen die kindliche Neugier unterstützt und ein altersangemessenes Lernen gefördert werden. Die Angebote müssen in enger Zusammenarbeit konzipiert und umgesetzt werden. Bis jetzt haben wir nur einen Erlass, der in der Praxis nicht sehr gut funktioniert.

Als Bildungsangebot muss das Bildungsjahr für Kinder kostenfrei sein. Spätestens mit diesem Angebot sollen auch die Kinder aus eher bildungsfernen Familien erreicht werden, die leider noch zu wenig in den Kindergarten geschickt werden. Uns ist klar: Die zusätzlichen Kosten muss das Land übernehmen. Damit erkennt das Land endlich die Bestrebungen der Kommunen im Elementarbereich an, und es macht ein akzeptables Angebot für ein Bildungsjahr für Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer Veränderungen will, muss motivieren, aber auch mitfinanzieren. Wir haben die Chance, für die Einführung des Bildungsjahres für Kinder Ressourcen zu nutzen, die durch das Auslaufen der Vorklassen frei werden. Auch Ressourcen für den Schulkindergarten können in das Bildungsjahr eingebracht werden.

PISA hat erneut deutlich gemacht, dass es wenig bringt, immer mehr sechsjährige Kinder vom Schulbesuch zurückzustellen und für ein Jahr in den Schulkindergarten oder zurück in den Kindergarten zu schicken. Mit dem Bildungsjahr für Kinder wollen wir die Kinder ein Jahr früher gezielt fördern. Auf keinen Fall jedoch dürfen die Schulkindergärten ersatzlos gestrichen werden, wie es das Kultusministerium zurzeit plant. Das umwer

fende Argument des Kultusministeriums lautet: Schulkindergärten gibt es nicht überall. Also braucht es sie gar nicht zu geben. – Die Vorschulen laufen aus. Auch Schulkindergärten sollen zur Disposition gestellt werden. Wir bieten die Alternative. Das Bildungsjahr für Kinder ist der Ansatz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei den Schulkindergärten will das Land offenkundig wieder einmal Kosten auf die Kommunen abschieben.

(Busemann [CDU]. Genauso ist es! So sind die!)

Natürlich ist es billiger, die Kinder, die nicht schulfähig sind, einfach zurück in die Kitas zu schicken. Diese Absicht zeigt wieder einmal mehr die Konzeptionslosigkeit der Landesregierung, sie zeigt, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Anstatt alles abzuschaffen, sollten wir anfangen, das Bildungsjahr für Kinder als Modellprojekt an die Projekte anzukoppeln, die laufen. Wir müssen nicht immer bei Null anfangen. Das Land ist in Zugzwang. Das Land muss ein Angebot machen. Es reicht allerdings nicht, den Kitas nur zu sagen, was sie zukünftig alles anders und besser machen sollen. Das Land muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kindertagesstätten ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können. Wir brauchen externe Unterstützungsstrukturen für die fachliche Anleitung, Beratung und Fortbildung. In den Kitas muss eine Qualitätsentwicklung stattfinden, und es muss auch institutionalisiert werden. Viele Kitas haben schon angefangen. Aber es werden dringend zusätzliche Angebote zur Qualifizierung der Fachberaterinnen und Leiterinnen benötigt.

Auch bei der Qualifikation der Erzieherinnen gibt es großen Handlungsbedarf. Die Ausbildung von Erzieherinnen in Deutschland ist im EU-Vergleich die anspruchloseste. Die EU-Kommission hat schon einen „blauen Brief“ nach Berlin geschickt, der öffentlich leider totgeschwiegen wird. In den meisten Ländern Europas werden Erzieherinnen an Fachhochschulen ausgebildet, in manchen sogar gemeinsam mit Grundschullehrkräften. Ich vermute, dann funktioniert auch die Kooperation zwischen Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen besser. Nur in Deutschland befindet sich die Aus

bildung noch auf Fachschulniveau. Wenn wir den Bildungs- und Erziehungsauftrag ernst nehmen, dann reicht die Qualifikation so nicht aus.

Wir schlagen vor, dass duale Modellstudiengänge entwickelt werden, um mittelfristig alle KitaGruppenleiterinnen an Fachhochschulen ausbilden zu können. Bis dahin muss die Ausbildung an den Fachschulen dringend verbessert werden. In Emden gibt es bereits Bestrebungen, einen Lehrstuhl für Elementarpädagogik einzurichten. Wenn es nicht bei Sonntagsreden und Wahlkampfgetöse vonseiten der SPD bleiben soll,

(Unruhe bei der SPD)

dann kann ich nur sagen: Gerade im Kindertagesstättenbereich gibt es eine Menge zu tun. Wir würden die Landesregierung unterstützen, wenn sie endlich handeln würde, anstatt immer nur anzukündigen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Vockert. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was hier heute passiert, ist schon etwas merkwürdig; denn, liebe Meta Janßen-Kucz, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, die CDU-Landtagsfraktion hat im November 2001 einen Antrag eingebracht, Thema: Bildungsauftrag in Kindertagesstätten stärken.

Damals, im November - das ist noch gar nicht lange her -, haben wir von Bündnis 90/Die Grünen nur Herumgemäkele gehört. Der Kollege Mühe von der SPD hat damals gesagt: So ein Blödsinn. All das gibt es schon.

(Wernstedt [SPD]: Das hat er nicht! So etwas sagt er nie!)

- Das können Sie nachlesen! Er hat im November gesagt: Das, was die CDU fordert, gibt es alles schon.

Wir haben im November 2001 drei Forderungen aufgestellt, die heute alle aufgewärmt werden:

Erstens haben wir gesagt, dass wir ein ganzheitliches Konzept brauchen, ein Konzept, bei dem es nicht nur um Betreuung und Erziehung, sondern auch um Bildung geht.

Zweitens haben wir eine Zusammenarbeit von Kindergärten und Grundschulen gefordert.

(Zuruf von Wernstedt [SPD])

Herr Wernstedt, gerade wo Sie einen Zwischenruf gemacht haben, dass Sie es waren, der dann auch noch sagt: "Schade, dass wir die Vorklassen abgeschafft haben", kann ich nur sagen: Das finde ich eine tolle Erkenntnis. Sie hätten jetzt die Zeit, jetzt die Chance zu sagen: Diese Entscheidung nehmen wir seitens der SPD zurück.

(Beifall bei der CDU)

Unsere dritte Forderung, die wir im November gestellt haben: Es ist natürlich unumgänglich, dass wir die Erzieherinnen-, die Erzieherausbildung dementsprechend anpassen müssen.

Das sind also die Forderungen, die wir im November seitens der CDU-Fraktion eingebracht haben.

Ich freue mich darüber, wenn jetzt Bündnis 90/Die Grünen, wenn Sie, Meta Janssen-Kucz, jetzt mit auf unseren Bildungszug in Kindertagesstätten aufspringen. Ich freue mich auch darüber, dass in dem Moment zumindest die SPD-Ministerin - bei der Landesregierung weiß ich es noch nicht und auch bei der SPD-Fraktion weiß ich es noch nicht -, dass zumindest Frau Ministerin Trauernicht sagt: Wir müssen hier doch ein bisschen mehr tun. Das heißt, Sie springen auch mit auf unseren Zug auf. Und das ist insofern auch schon gut. Der Ansatz ist zumindest richtig.

Nur eines, Frau Ministerin Trauernicht: Weil Sie in der Verantwortung stehen, darf ich Ihnen diese Frage nicht nur stellen oder dürfen wir sie Ihnen nicht nur stellen, diese Frage müssen Sie sich nicht nur gefallen lassen - Sie sind hier in der Verantwortung -,

(Plaue [SPD]: Das ist gut so, Frau Kollegin!)

sondern Sie müssen die Frage auch beantworten: Wo und an welcher Stelle setzen Sie die Euros ein, die wir dafür brauchen?

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen jetzt: Klar, das ist in dem Moment alles sinnvoll, und jetzt machen wir auch mit beim Bildungsauftrag. Wir machen auch mit bei Sprachförderung. Wir machen auch mit bei Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Kindergarten; obwohl sonst gesagt worden ist, das gebe es schon. Ganz toll! Jetzt springen Sie mit auf. Gut. Aber Sie sagen nicht, wie Sie es finanzieren wollen. Sie haben es weder bei der Haushaltsberatung gesagt noch haben Sie es jetzt vorgetragen.

Einen einzigen Punkt bringen Sie ein, nämlich insgesamt 250 000 Euro, die Sie jetzt für die Sprachförderung zusammengekratzt haben. Meine Damen und Herren, da sagt die Ministerin selber, es gibt pro Jahrgang 7 000 Ausländerkinder und mindestens 4 000 deutsche Kinder mit einem Förderbedarf. Wenn wir das einmal hochrechnen, sind das Pi mal Daumen 30 000, 33 000 Kinder, die einen Bedarf an Sprachförderung haben. Dafür kratzt die Ministerin 250 000 Euro zusammen. Rechnen Sie das einmal um: Das sind noch nicht einmal 8 Euro pro Kind und Jahr für die Förderung.

(Zuruf von der CDU: Ungeheuerlich!)

Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund Sprachförderung tatsächlich umsetzen?

(Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der GRÜNEN)

Meine Vermutung, unsere Vermutung ist, dass diese Ministerin ohnehin sagt: Wir geben in altbekannter Weise Broschüren für die Sprachförderung heraus. Wir machen irgendwelche Kurse. Wir machen auch Messen, Veranstaltungen dazu. Denn theoretisch herüberzubringen, dass etwas notwendig ist, ist für Sie viel einfacher und vor allem Kosten sparender, als diejenigen zu unterstützen, die es in der Praxis nötig haben, nämlich die Kinder.