Protocol of the Session on February 14, 2002

Meine Vermutung, unsere Vermutung ist, dass diese Ministerin ohnehin sagt: Wir geben in altbekannter Weise Broschüren für die Sprachförderung heraus. Wir machen irgendwelche Kurse. Wir machen auch Messen, Veranstaltungen dazu. Denn theoretisch herüberzubringen, dass etwas notwendig ist, ist für Sie viel einfacher und vor allem Kosten sparender, als diejenigen zu unterstützen, die es in der Praxis nötig haben, nämlich die Kinder.

Nein, meine Damen und Herren, wir brauchen keine Broschüren, wir brauchen keine Messen, wir brauchen keine Veranstaltungen. Wir brauchen ganz einfach ein ganzheitliches Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungskonzept.

(Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der GRÜNEN)

Ich hoffe, dass wir uns da in der Ausschussberatung einig werden. Die Kollegen von der SPD haben das angezweifelt und warten jetzt darauf.

Wir haben seitens der CDU eine Anhörung beantragt, weil wir das Thema forcieren wollen, weil Sie sich einfach nicht mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander setzen. Für nächsten Dienstag haben wir die Anhörung beantragt. Dann kommen die Wissenschaftler. Dann werden Sie zu hören bekommen: Schon lange vor der Schulzeit werden grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht neu!)

- Das müssen Sie doch einmal den Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihren Fachexperten, deutlich machen, aber doch nicht mir.

Unsere Forderung beruht auf Folgendem: Für die Zukunft lernt man im Kindergarten und gerade vor der Schule, gerade in dieser Zeit. Das ist für die Kinder eine ideale Bildungszeit. Hier haben Kinder Zeit für Irrtümer. Sie haben Zeit für entsprechende Wiederholung. Ich weiß nicht, ob Sie in letzter Zeit mal im Kindergarten gewesen sind.

(Plaue [SPD]: Mit wem reden Sie ei- gentlich da vorn? Sie reden doch wie der Blinde von der Farbe!)

Gerade in einzelnen, wenigen Projekten, die z. B. in Bayern, in Baden-Württemberg umgesetzt werden, werden Sie sehen, dass Kinder in Projekten selbst lernen.

(Plaue [SPD]: Ich lasse mich doch nicht von einer Theoretikerin anma- chen! - Gegenruf von Frau Pawelski [CDU]: Nun aber mal Luft anhalten!)

- Dem Anschein nach kriegen Sie es nicht ganz geregelt. Dann will ich mal eines sagen. Die neueste Hirnforschung sagt, Herr Plaue: Erkläre mir, und ich vergesse. Wahrscheinlich hat man Ihnen viel erklärt. - Zeige mir, und ich erinnere. Lass es mich tun, und ich verstehe. Genau nach diesem Motto gilt es, sich für unsere Kinder einzusetzen. Genau nach diesem Motto gilt es auch, dass wir in den Kindergärten dafür sorgen,

(Lachen bei der SPD)

dass tatsächlich erklärt, gezeigt und getan wird.

Unsere zweite Forderung lautet deswegen ganz automatisch, dass die Ausbildung der Erzieherinnen und der Erzieher entsprechend ausgerichtet werden muss.

Die dritte Forderung - das hat ja Bündnis 90/Die Grünen, Frau Janssen-Kucz, von uns übernommen - betrifft die Zusammenarbeit zwischen der Grundschule und dem Kindergarten. Sie haben das im November noch abgetan und gesagt - ich zitiere -: „Das ist die Vorbereitung auf die Turboschule à la CDU.“ Und jetzt übernehmen Sie es. Danke, dass Sie jetzt zu der Erkenntnis gekommen sind, dass genau unser Ansatz der Richtige ist, dass wir Kinder nicht verschulen wollen, dass wir Kinder nicht verkopfen wollen, aber dass wir uns in dem Moment die Erkenntnisse zu Nutze machen müssen und dass wir den Übergang vom Kindergarten zur Schule entsprechend regeln wollen.

Nicht nur hier haben Sie eine Kehrtwende gemacht. Sie haben zusätzlich in den zweiten Antrag die Sprachförderung eingebaut. Das begrüßen wir seitens der CDU, das unterstützen wir. Ich habe es deutlich gemacht.

Aber vor diesem Hintergrund sind die 250 000 Euro, Frau Ministerin, viel zu wenig, Sie müssen in dem Moment auch eines sehen: Ohne die Eltern einzubinden, ist auch die Sprachförderung gleich Null. Sie müssen in diesem Zusammenhang auch wissen, dass etwa 24 % der Eltern Beratungsbedarf haben, in Wirklichkeit aber nur 5 % tatsächlich entsprechende Beratung in Anspruch nehmen.

(Plaue [SPD]: Das mag ja sein! Aber 90 % der CDU-Abgeordneten sind be- ratungsresistent! Das ist viel schlim- mer!)

Gerade da bieten aber die Kindertagesstätten gute Möglichkeiten, gerade da kann Elternbildung stattfinden. Gerade da ist es notwendig, auch für die Zukunft entsprechende Investitionen vorzunehmen.

Leider ist die SPD bisher zu wenig präventiv orientiert gewesen, Sie reagieren meistens erst dann, wenn es schon zu spät ist.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch nicht! - Gegenruf von der CDU: Dann reagieren Sie doch mal!)

Deswegen hoffen wir, dass Sie sich unserem Antrag vom November anschließen werden. Wir gehen davon aus, dass in dem Moment auch der Bildungsauftrag tatsächlich in Angriff genommen wird.

Nur eines gehört auch dazu. Schauen wir uns hier im Hause um. Jetzt sind beide Ministerinnen anwesend; die eine ist zuständig für Bildung und die andere für den Kita-Bereich. Auch das macht die Schizophrenie deutlich. Wenn es künftig in Niedersachsen vernünftig mit dem Bildungsauftrag in Kitas gehen soll, dann ist es erforderlich, dass wir gerade diesen Bereich aus dem Sozialministerium dem Kultusministerium zuschlagen.

(Beifall bei der CDU)

Vor allem aber ist eines wichtig, Frau Ministerin Trauernicht. Sie müssen sich von Ihrer Politik verabschieden, ständig Sprüche zu machen, ständig große Sprünge machen zu wollen. Mit leerem Beutel helfen Sie im Moment weder den Eltern noch vor allen Dingen den Kindern.

Abschließend noch eines. Die Abkürzung Kita stand für uns immer für „Kindertagesstätten“ und nicht für „Kontinuierliche Inkompetenz in der Amtszeit der Ministerin Trauernicht“.

(Beifall bei der CDU – Oh! bei der SPD)

Herr Kollege Mühe hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Vockert, Sie hätten Ihre weisen Sprüche, die Sie hier vorgetragen haben, noch um einen ergänzen können. Sie hätten auch noch sagen können: Wasch mich, aber mach mich nicht nass.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Das ist genau die Methode, mit der Sie hier vorgehen. Schauen Sie sich einmal Ihren Haushaltsantrag an. Wenn Sie im November die Bildungsarbeit im Kindertagesstättenbereich einfordern und sagen, das Land solle dafür einstehen, dann hätten Sie in Ihrem Haushaltsantrag Mittel dafür fordern sollen. Das haben Sie aber nicht getan.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Leere Menge! Null Mark für die Kommunen und null Mark für den Bildungsauftrag in den Kindertagesstätten.

(Plaue [SPD]: Das tut weh!)

Bei den Grünen sieht es nicht besser aus. Auch Sie haben für diesen Bereich nichts eingesetzt.

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Ja, das muss ich einmal sagen. - Stattdessen fordern Sie in Ihrem Antrag einen Rechtsanspruch für alle Kinder von einem Jahr bis zwölf Jahren auf einen Kindergartenplatz bzw. eine Ganztagsbetreuung. Ich habe deutlich gemacht - die CDU damals auch -, dass das nicht zu bezahlen ist.

Zum Bildungsjahr möchte ich Folgendes sagen: Wir reden über 120 bis 150 Millionen DM zusätzlicher Mittel, wenn wir die Kindergartenplätze für Kinder im fünften Lebensjahr als Bildungsjahr kostenfrei zur Verfügung stellen. Sie müssen einmal einen Vorschlag machen, wie Sie das finanzieren wollen. Den Kommunen wollen Sie es ja nicht aufbürden. Wer soll das finanzieren?

(Frau Vockert [CDU]: Unsere Vor- schläge lehnen Sie sowieso immer ab!)

Meine Damen und Herren, Frau Vockert hat uns vehement vorgeworfen, wir würden uns zu wenig um die Kindertagesstätten und den Bildungsauftrag kümmern.

(Beifall bei der CDU - Jahn [CDU]: Das ist so!)

Ich möchte einmal den Status quo von 1990 darstellen:

(Busemann [CDU]: Ach du lieber Himmel!)

155 000 Kindergartenplätze und 240 000 Kinder. 85 000 fehlende Kindertagesplätze in Niedersachsen; das hatten Sie zu verantworten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das haben die Kommunen um- gesetzt!)

Herr Kollege Mühe, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte das zu Ende ausführen. - Sie hatten zu verantworten, dass wir damals eine Versorgung von 58 % hatten, dass wir kein Kindertagesstättengesetz hatten, dass die pädagogischen Rahmenbedingungen für die Einrichtungen katastrophal waren, dass Bildungsauftrag, Erziehungsauftrag

(Beifall bei der SPD)

und Betreuungsauftrag nicht ordentlich formuliert waren und dass damals mehrere tausend Helferinnen und Helfer in den Einrichtungen waren, die keine Ausbildung hatten.

(Plaue [SPD]: So ist es!)