Protocol of the Session on January 23, 2002

Auch wir unterstützen die Forderung, dass der Bund Verantwortung im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfelasten übernehmen möge. Einen ganz speziellen Vorschlag haben wir für den Bereich der Krankenhilfe. Würden die Sozialhilfeempfänger in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen, würden damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen würde dies ganz wesentlich die Kommunen entlasten. Zum anderen würde die gesamtstaatliche Belastung der öffentlichen Hand dadurch reduziert, dass die Krankenkassen hier vernünftige Abrechnungen vornähmen.

Herr Kollege Klein, auch ich muss jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und Sie bitten, Ihre Rede zu beenden.

Ich verweise außerdem noch auf die Möglichkeit, etwas im Zusammenhang mit dem Zuwanderungsgesetz zu unternehmen, und will mit meinem letzten Satz darauf hinweisen, dass es im Moment im Grunde zweitrangig ist, wie und mit welchen Instrumenten man den Kommunen hilft. Wichtig ist nur, dass man anfängt, ihnen zu helfen. Auf dieser Bühne hat das Land eine Hauptrolle zu übernehmen. Bis jetzt hält sich die Landesregierung aber als Statist zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Meine Damen und Herren, bevor ich Herrn Minister Aller das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass die Fraktionen - bis auf die SPD-Fraktion – ihre Redezeit ausgeschöpft haben. Nachdem der Minister gesprochen hat, besteht aber für die Fraktionen der CDU und der Grünen die Möglichkeit, zusätzliche Redezeit zu beantragen. Sollte das der Fall sein, würde ich beiden Fraktionen noch einmal fünf Minuten Redezeit einräumen. – Bitte schön, Herr Minister.

(Möllring [CDU]: Er kann auch ver- zichten! – Frau Elsner-Solar [SPD]: Er geht keinem Gefecht aus dem Weg!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank für den Hinweis auf die zusätzliche Redezeit. Ich glaube, es kann gar nicht genug über die finanzielle Situation geredet werden.

Herr Minister, nur damit das klar ist: Die für die Landesregierung vorgesehene Redezeit ist ebenfalls bereits überschritten. Wir haben eine Geschäftsordnung, an die wir uns auch halten. Nur deshalb habe ich das gesagt.

Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass wir hier einen Komplex diskutieren, der sich für die Kommunen, für die Länder und für den Bund sehr wohl dafür eignet, nach Schubladen sortiert Argumente für die Besserstellung der jeweiligen Ebene herauszuarbeiten. Wer dies tut, wird in der gesamtstaatlichen Diskussion nicht wesentlich weiterkommen. Die Verschuldungsdebatte hat deutlich gemacht, wie die finanzwirtschaftlichen Hebel ineinanderwirken und die Zahnräder letztendlich dazu führen, dass auf allen drei Ebenen vernünftige Politik gemacht werden kann. Das heißt, wir reden hier über vertikale und über horizontale Verteilung auch in Niedersachsen. Das ist zumindest bei der CDU-Opposition in letzter Zeit häufig unter die Räder gekommen. Ich darf daran erinnern, dass, wenn es bei der Debatte um die Finanzausstattung der Kommunen konkret wurde, die CDU sehr lange von der Legende gelebt hat, dass den Kommunen angeblich 500 Millionen DM vorenthalten

worden seien. Die CDU-Fraktion ist auf der anderen Seite aber nie in der Lage gewesen, in Haushaltsanträgen Vorschläge für eine solide Finanzierung vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Urteil zum kommunalen Finanzausgleich hat dann endgültig Schluss mit dieser Veranstaltung gemacht, weil nämlich erkannt worden ist, dass eine solche Art der Lasten- und Kostenverteilung nicht funktioniert. Man muss schon, wenn man Forderungen stellt, dafür immer auch Deckungsvorschläge unterbreiten. Dort, wo die CDU zusätzlich zu dem, was zur allgemeinen Situation der Kommunen gesagt worden ist, konkret geworden ist, hat sie - in einem Papier, das öffentlich geworden ist - Vorschläge unterbreitet und gesagt - das ist eben noch einmal betont worden - die Bedarfszuweisungen müssten um mindestens 100 Millionen DM erhöht werden. Für eine Erhöhung der Bedarfszuweisungen müsste aber ein Deckungsvorschlag gemacht werden. Das Gleiche gilt für die Forderung, die Gewerbesteuerumlage zu senken. Ich nenne Ihnen gern die beiden Zahlen. Eine Senkung der Gewerbesteuerumlage würde 84 Millionen Euro im Jahre 2002 sowie 138 Millionen Euro im Jahr 2003 zu Lasten des Landeshaushalts bedeuten. Wer die Antwort nach einem Deckungsvorschlag nicht gleich mitgeliefert, hat überhaupt keine Antwort auf das Problem gegeben, meine Damen und Herren von der CDU. Deshalb nehme ich das auch nicht besonders ernst.

Worum wir, mein Kollege Heiner Bartling und ich, uns wirklich Sorgen machen, ist die Gesamtentwicklung der öffentlichen Haushalte und - daraus abgeleitet - die Frage nach der Aufgabenstellung für die Kommunen. Im Prinzip sind wir alle uns zumindest verbal - einig: Das Konnexitätsprinzip muss stärker durchtragen, damit Aufgabe und Finanzierung der Aufgabe miteinander einhergehen.

Im Grundsatz sind wir uns ebenfalls darin einig - ich habe keine Probleme, darauf hinzuweisen -, die zentralen Fragen der kommunalen Finanzausstattung in der Expertenkommission, auf die insbesondere wir aus Niedersachsen drängen, voranzutreiben. Wir wissen, dass sich die Expertenkommission auf wenige, aber wirksame Felder konzentrieren muss. Wir reden über den Gewerbesteuerblock innerhalb der öffentlichen Finanzen in einer Größenordnung von rund 50 Milliarden (plus). Wer dies herausbrechen will, muss schon eine gute Antwort haben, um etwas Gleichwertiges

zu finden, mit dem den Kommunen verfassungskonform die garantierte Finanzausstattung gewährt wird - angeknüpft an die lokalen Bedingungen -, ihnen ein lokales Heberecht garantiert und dafür gesorgt wird, dass die Unternehmensbezogenheit erhalten bleibt.

Auch wir sind dafür, dass Sozialhilfe, Langzeitarbeitslosigkeit und Grundsicherung in einem Kontext diskutiert und die entsprechenden Mittel weitergeleitet werden. Das Thema der Konnexität habe ich bereits angesprochen.

Wenn gesagt wird, die Landesregierung habe in den letzten Wochen, Monaten und Jahren nicht agiert, dann darf ich darauf hinweisen, dass durch die Intervention der niedersächsischen Landesregierung - im Bundestag verabschiedet, nachdem im Vermittlungsausschuss hart gerungen worden ist allein in der letzten Runde, die wir gemeinsam entwickelt haben, 773 000 000 Euro an Plus für die Kommunen erkämpft worden sind; und zwar - das sage ich ausdrücklich - gegen eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung. Außerdem sind weitere Einbrüche im kommunalen Bereich verhindert worden, indem verhindert worden ist, dass weitergehende Forderungen der Oppositionsparteien im Bund umgesetzt wurden. Das ist die Realität. Sie passt nicht ganz in das Bild der CDU-Opposition. Das tut mir Leid.

Ich mache Ihnen aber ein Angebot. Wenn es uns gelingt, in der Analyse eine einigermaßen gleichwertige Position zu entwickeln, dann müssen alle Parteien zusammenarbeiten, wenn es darum geht, die kommunale Ebene finanziell so auszustatten, dass sich die Finanzausstattung zukunftsfähig und nachhaltig im Verhältnis zu den Aufgaben darstellt. Wir sind vom Grundsatz dazu bereit, Herr Schünemann. Man darf aber nicht aus jeder Arbeitsgruppe, die gebildet wird, um an dieser Stelle konkret etwas zu tun, herausgehen. Vielmehr müssen Sie auch wieder einmal hineinkommen.

(Beifall bei der SPD - Adam [SPD]: Schünemann will ja! Wulff will nicht!)

Herr Kollege Möllring hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie müssen auch schon mal Butter bei die Fische geben. Ich erinnere nur einmal an den Bericht über Ihren Staatssekretär Zitzelsberger, der den Großkonzernen über das Instrument der Organschaft nicht nur die Körperschaftsteuer in Milliardenhöhe hat erstatten lassen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Natürlich ist das richtig. Er selbst hat gesagt, so etwas tun deutsche Firmen nicht. - Der ist ja nicht blöde. Wenn ich 600 Millionen DM vom Staat zurückkriegen kann, dann mache ich eine Steuererklärung, sodass ich diese 600 Millionen DM auch tatsächlich kriege. Andernfalls müsste ich ja meinen Steuerberater auf Schadenersatz verklagen. Wo leben wir denn?

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer für die Kommunen greift erst im nächsten Jahr. In Duisburg und Bonn zahlt die Telekom jetzt schon keine Gewerbesteuer mehr, weil sie über das Instrument der Organschaft entsprechend verrechnen und sich entsprechende Verluste an die verschiedenen Orte zuweisen kann.

Sie haben hier über die 500 Millionen DM gesprochen. Wir haben hier entsprechende Vorschläge unterbreitet. Außerdem haben Sie den Kommunen das Geld, das ihnen nach Ihrem eigenen Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich zugestanden hat, über ein Haushaltsbegleitgesetz hinterher immer wieder weggenommen. Der Staatsgerichtshof hat gesagt, dass dies gesetzwidrig gewesen sei. Deshalb haben unsere Kommunen die höchsten Kassenkredite; das sind die höchsten Überziehungen von Girokonten, die es überhaupt gibt.

Nun kommt Herr Bartling mit einer Idee, die zwar nicht neu, aber dennoch gut ist. Herr Albrecht hat das Gleiche schon einmal gemacht. Damals war Niedersachsen CDU-regiert, und auch in Bonn regierte die CDU zusammen mit der FDP. Seinerzeit hat sich der Niedersächsische Ministerpräsident durchgesetzt und eine Beteiligung für die niedersächsischen Kommunen haben wollen. Das hat man dann aber nicht gemacht. - Ja, Herr Innenstaatssekretär, wenn Sie darüber lachen, dann sollten Sie zurücktreten und nicht die Kommunen im Ministerium vertreten.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das ist nicht richtig! Er hat sich nicht durchgesetzt!)

Natürlich ist es Herrn Albrecht nicht gelungen, den Bund an den Sozialhilfekosten zu beteiligen. Dafür ist aber die Strukturhilfe geschaffen worden. Wie das Geld, das nach Niedersachsen kommt, heißt, ist mir doch völlig egal. Hauptsache ist doch, dass nach Niedersachsen Geld kommt.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Nein, das ist die Unwahrheit, Herr Kollege! Das ist der Punkt!)

- Selbst wenn es „Plaue-Geld“ hieße, würde ich sagen: Gebt es den Kommunen! Auch das würden die ertragen. Hauptsache, die kriegen einen Ausgleich.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen auch noch Folgendes sagen: Wir haben im Haushaltsausschuss Mehreinnahmen und Minderausgaben in Höhe von 150 Millionen Euro vorgeschlagen. Sie haben damals nur eine einzige unserer Positionen kritisiert. Im Ergebnis wären aber immer noch Einsparungen in Höhe von 145 Millionen Euro möglich gewesen. Diesen Betrag hätten wir hier gemeinsam beschließen können. Ich möchte nur einmal Wilhelmshaven beispielhaft erwähnen. Interessant ist doch, Herr Kollege Adam, dass Sie den höchsten Zuschuss, die höchste Bedarfszuweisung im ganzen Land kassieren, dann hier aber sagen, die Bedarfszuweisungen müssten nicht erhöht werden.

(Adam [SPD]: Sprechen Sie doch mal mit Dr. Biester, und erzählen Sie nicht so einen Blödsinn! Sie müssen einmal mit Ihren Fraktionsleuten sprechen!)

- Ich missgönne Ihnen dies als Wilhelmshavener doch nicht. Sie dürfen aber nicht erst dick abkassieren, dann aber sagen: Nachdem ich es bekommen habe, müssen es die anderen nicht mehr bekommen. Es mag vielleicht sozialdemokratisch sein, wie Sie gehandelt haben, es ist aber auch unsozial.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Das ist ja interessant! Ich bin ge- spannt, was Herr Dr. Biester dazu zu Hause sagt! Herr Kollege, Sie reiten sich immer weiter rein!)

Ich bin ja dafür, dass Kommunen wie Wilhelmshaven geholfen wird. Es kann aber nicht angehen, dass nur einige Kommunen willkürlich bedient werden, andere aber nicht. Deshalb haben wir hier für eine Erhöhung plädiert. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Adam [SPD]: Oh Gott! Das ist ja interessant!)

Herr Minister Aller, Sie haben das Wort. Jetzt gilt wieder § 71 unserer Geschäftsordnung. Das heißt, die CDU wird nach Ihrer Einlassung erneut die Möglichkeit haben, zusätzliche Redezeit einzufordern. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich sofort zu Wort gemeldet, weil ich nicht zulassen kann, dass Herr Möllring in dieser Art Legendenbildung am Stück und in Fortsetzungsromanen betreibt. Der Antrag zu den Haushaltsplanberatungen, den er soeben angesprochen hat, ist aufgrund von Fakten außer Kraft gesetzt worden. Er war nicht durchfinanziert.

(Möllring [CDU]: Natürlich! Er war durchfinanziert!)

Selbst wenn man ihn akzeptiert hätte, Herr Möllring, hätten Sie die von Ihnen eingestellten und aus dem gleichen Titel finanzierten Lehrkräfte wieder entlassen müssen, um das Geld auf die Kommunen umzuswitchen.

Die Bevölkerung muss wissen, wie Sie Ihre Haushalte konstruieren, wie Sie die Summen hin- und herschieben und aus der gleichen Haushaltsstelle - je nach dem, wie Sie es brauchen - alles Mögliche bezahlen wollen. Jede Mark bzw. jeden Euro kann man aber nur einmal ausgeben. Das gilt auch für die CDU.

(Beifall bei der SPD)

Bezüglich der Gewerbesteuer zitiere ich jetzt einmal die finanzpolische Sprecherin der Union, Frau Gerda Hasselfeldt. Sie hat gesagt:

„In der Union gibt es ein breites Meinungsspektrum, das von Korrektur bis Abschaffung der Gewerbesteuer reicht.“

Darüber diskutieren Sie noch. Die CDU in Niedersachsen hat ein Papier vorgelegt, in dem - wenn ich es richtig interpretiere - die Revitalisierung der Gewerbesteuer im klassischem Sinne gefordert wird. Das ist ein Papier von Herrn Wulff. Ich könnte Ihnen das auch vorlesen, aber Sie haben es ja selbst vorliegen.

Mir geht es nur um eine Frage, Herr Möllring: Haben Sie das Angebot angenommen, mit uns gemeinsam über die kommunalen Finanzen und auch über solche Fragen zu reden, die in der CDU sehr kontrovers diskutiert werden, bezüglich deren wir aber eine Meinungsbildung brauchen, um sie über den Bundestag und den Bundesrat durchzutragen und um ihnen zu einer Mehrheit zu verhelfen, die den Kommunen eine ausreichende und zukunftssichere Finanzierungsbasis bringt?

„Revitalisierung der Gewerbesteuer“ hat der Ministerpräsident kürzlich in Umrissen wie folgt definiert: Es geht nicht nur darum, den Konzernen bei der Ausfinanzierung von Kommunen ihren gerechten Anteil zukommen zu lassen, sondern man muss sich auch Gedanken darüber machen, ob diejenigen, die sukzessive aus der Gewerbesteuer herausgegangen sind, nun wieder hereingeholt werden müssen und ob diejenigen, die nie Gewerbesteuer gezahlt haben, in Zukunft auch Gewerbesteuer zahlen müssen.

Wenn ich Sie so richtig interpretiert habe, dann hat Herr Wulff wirklich etwas Neues gesagt. Das wäre interessant; denn das hebt sich von 15 Jahren Politik in Bonn ganz entscheidend ab. Mir liegt hier eine Liste von Änderungen im Bereich der Gewerbesteuergesetzgebung vor, mit denen nichts anderes erreicht worden ist als eine schrittweise Erosion der Gewerbesteuer zulasten der Kommunen unter Kohl als Kanzler.

(Beifall bei der SPD)

Das ist die Basis, auf der wir diskutieren. Wenn Sie diese Liste haben wollen, kann ich sie Ihnen überreichen.