Protocol of the Session on December 13, 2001

Die Landesregierung sieht die aktuelle Gewerbesteuerentwicklung mit Sorge und hat sich nicht zuletzt deswegen nach Kräften dafür eingesetzt, dass die Belastungen durch die Maßnahmen zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform in vertretbaren Grenzen gehalten werden. Die Vermeidung von Steuerausfällen hilft den Kommunen mehr als eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Der Bundesrat hat z. B. im Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz bereits die Angleichung der gewerbesteuerlichen an die körperschaftsteuerliche Organschaft mit der Folge der Entlastung für die Kommunen in Höhe von 1 Milliarde DM erreichen können.

Im Vermittlungsausschuss am 11. Dezember 2001 wurden weitere Verbesserungen beschlossen, nämlich die Wiedereinführung der Gewerbesteuerpflicht für Dividenden aus so genanntem Streubesitz, die Beibehaltung des Verbots des Betriebsausgabenabzugs im Zusammenhang mit steuerfreien Erträgen - nach § 8 Abs.1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes - und der Verzicht auf systemwidrige Neuregelungen bei der Grunderwerbsteuer.

Ich weise noch einmal auf den Artikel hin, den ich vorhin angesprochen habe. Ich möchte einmal mit zwei indirekt zitierten Positionsbeschreibungen mitteilen, wie unterschiedlich die Bewertungen dieser Entscheidung des Vermittlungsausschusses sind. Vertreter der Wirtschaft haben ausdrücklich moniert, dieser Vermittlungskompromiss sei viel zu stark auf die Interessen der Kommunen ausgerichtet. Eigentlich hätte man - so Vertreter von Siemens - auf die gesamten Korrekturen verzichten können. Vertreter des kommunalen Bereiches haben gesagt, die Entlastungen im Vergleich zur Ausgangsgesetzgebung seien zu gering. Das Fazit ist jedoch, dass der Kollege Poß aus dem Deutschen Bundestag die Entlastungseffekte für den gemeindlichen Teil mit 750 Millionen Euro beziffert. Das ist wohl ein relativ gutes Ergebnis angesichts der Beschlusslagen, die vorausgegangen waren, und der sehr kontroversen Positionierung

einiger Bundesländer bei ähnlich gelagerten Sachverhalten.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Das ist erschütterlich!)

- Auch die CDU-Vertreter haben zugestimmt, Herr Wulff; das möchte ich Ihnen einmal sagen.

Die Gewerbesteuereinnahmeminderungen im Jahre 2001, die sich im Übrigen auf die Gemeinden sehr unterschiedlich verteilen und insbesondere jene gewerbesteuerstärkeren Gemeinden treffen, die in den Vorjahren von stetigem Wachstum der Gewerbesteuereinnahmen profitierten, sind auf vielfältige Ursachen, insbesondere auf die konjunkturelle Entwicklung und bereits früher vorhandene steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und weniger auf das Steuersenkungsgesetz, zurückzuführen. Ich darf daran erinnern, dass zwei Stufen noch gar nicht in Kraft getreten sind. Insoweit widerlegen sie die Prognosen des Steuersenkungsgesetzes nicht und sind insbesondere nicht der Beweis, dass die vermuteten strukturellen Folgewirkungen auf die Verteilung des Aufkommens nicht auftreten werden.

(Zuruf von Möllring [CDU])

Demgemäß sind Bund und Länder aus vergleichbaren Ursachen ebenso durch erhebliche Steuerausfälle belastet. Die meisten Länder verfügen nicht über den finanziellen Spielraum, die Absenkung zu finanzieren. Mit Blick auf das Finanzierungsdefizit in den westdeutschen Ländern - das ist das Ergebnis des Finanzplanungsrates - ist das negative Wachstum von 6 Milliarden DM auf mindestens 20 Milliarden DM im Jahre 2001 und auf 17 Milliarden DM im Jahre 2002 zu beziffern. Im Vergleich dazu: Das Wachstum in den westdeutschen Kommunen beträgt rund 2 bis 3 Milliarden DM. Daran wird deutlich, dass eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage jedenfalls zu diesem Zeitpunkt für die Länder nur schwer zu verkraften und finanzierbar ist.

Bei einer Erholung der Konjunktur wird das - stark reagible - Aufkommen der Gewerbesteuer voraussichtlich rasch wieder aufholen. Die Wirkungen der Maßnahmen des Steuersenkungsgesetzes, aber auch der aktuell verhandelten, zum Teil ausdrücklich der Aufkommenssicherung bei den Kommunen dienenden steuerlichen Maßnahmen werden sich erst im Jahre 2002 zeigen. Von daher geben die aktuellen Einbrüche des Jahres 2001 keinen Anlass dazu, dem Vorschlag Bayerns entsprechend

die Gewerbesteuerumlage dauerhaft auf das Niveau vor Erlass des Steuersenkungsgesetzes zurückzufahren. Folgerichtig hat die Mehrheit der Bundesländer diesem Antrag nicht zugestimmt.

Eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage käme als Stärkung - das ist ein Nebeneffekt - der Finanzkraft vor allem gewerbesteuerstarken Kommunen zugute, während schwache Kommunen nur sehr wenig profitieren würden. Im Zuge des Länderfinanzausgleichs gäbe es einen Verlagerungseffekt mit der Folge, dass die finanzschwächeren Kommunen die finanzstärkeren - diese liegen tendenziell im Süden - finanzieren würden.

Zu Frage 3: Bis einschließlich 1989 setzten sich die Steuerverbundeinnahmen des kommunalen Finanzausgleiches aus dem Aufkommen des Landes aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer sowie den Einnahmen des Länderfinanzausgleichs zusammen. Mit der 9. Novelle des FAG vom 9. Dezember 1989 wurden die Steuerverbundeinnahmen auf die Einnahmen des Landes aus sämtlichen Steuern mit Ausnahme der zweckgebundenen Feuerschutzsteuer ausgeweitet. Zu diesen Steuereinnahmen traten noch die Einnahmen des Landes aus den Bundesergänzungszuweisungen, der Spielbankabgabe sowie der Förderabgabe hinzu. Insofern irrt die Fragestellerin - ich muss davon ausgehen, dass die Unterschreibende die Fragestellerin war; aber auch der Fragesteller, der die Frage hier vorgetragen hat, irrt -, wenn sie von einer Einbeziehung der Förderabgabe in den kommunalen Finanzausgleich erst ab Mitte der 90erJahre ausgeht. Das geschah also schon in 1989.

Dabei muss aber festgestellt werden, dass es 1989 nicht darum ging, den Kommunen zusätzliche Einnahmemöglichkeiten zu eröffnen. Die erhebliche Verbreiterung der Steuerverbundeinnahmen hatte zum Ziel, Einnahmeschwankungen bei einer einzelnen Einnahmeart auszugleichen und den Zufluss des kommunalen Finanzausgleichs zu verstetigen. Folgerichtig wurde die Steuerverbundquote mit der 9. KFA-Novelle deshalb von 22,27 % auf 17,5 % gesenkt.

Maßgeblich für die Höhe der Zuweisungen des kommunalen Finanzausgleichs ist nicht der Zeitpunkt der Entstehung oder Festsetzung der Steueroder Abgabeschuld, sondern das jährliche Aufkommen des Landes an den Steuerverbundeinnahmen; so § 1 Niedersächsisches Finanzausgleichsgesetz. Am Aufkommen der Steuer- oder

Abgabeeinnahmen, die seit 1990 zum Steuerverbund gehören, sind die Kommunen selbstverständlich auch dann beteiligt worden, wenn die Steuerabgabeschuld zum Teil erheblich vor diesem Zeitpunkt entstanden ist, der Anspruch des Landes aber erst später, z. B. durch Betriebsprüfungen oder Fahndungsmaßnahmen, realisiert werden konnte.

Es darf daher noch einmal auf die Thesen des Gutachtens von Herrn Prof. Dr. Wieland zum „Gegenwartsbezug des Länderfinanzausgleichs“ hingewiesen werden. Ich habe Ihnen dieses Gutachten im Zusammenhang mit der Diskussion um BEB zukommen lassen. Dieses Gutachten stellt auch die Position des Landes in der Auseinandersetzung des Landes über die Einbeziehung der FörderabgabenRückzahlungsverpflichtung in den Länderfinanzausgleich dar, die ursächlich zu dieser Dringlichen Anfrage geführt haben mag.

Professor Wieland führt darin u. a. aus:

Erstens. Das Finanzausgleich bringt in seinen Regelungen das Jährlichkeitsprinzip zum Ausdruck und legt für den Finanzausgleich das Kassenprinzip, also den Zuflussgrundsatz, fest.

Zweitens. Zum Aufkommen der bergrechtlichen Förderabgabe im Sinne von § 7 Abs. 2 FAG zählen nicht nur die positiven Erträge aus der Abgabe, sondern auch Rückzahlungen, und zwar unabhängig davon, ob die Saldierung zu einem positiven oder negativen Ergebnis führt.

Drittens. Der Finanzausgleich bezieht sich auf Zahlungsströme und nicht auf normative Zahlungspflichten. Er ist also solidarischer Beistand, gegenwartsbezogen und bezweckt keine Rückabwicklung vergangener Finanzbeziehungen.

Diese Thesen gelten auch für den kommunalen Finanzausgleich uneingeschränkt.

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass eine landesinterne Diskussion - dazu habe ich gestern während der Haushaltsdebatte sehr ausführlich geredet - von unseren Freunden in den anderen Bundesländern natürlich sorgfältig beobachtet wird. Die Ergebnisse, die wir hier erzielen, werden in den Verhandlungen, die wir mit den anderen Bundesländern führen, unterstützend oder behindernd gewertet werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die erste Zusatzfrage stellt der Kollege Golibrzuch.

Herr Minister, wie beurteilen Sie denn die Auffassung, dass die Einnahmeentwicklung bei den Steuerarten, von denen Länder und Kommunen profitieren, neuerdings weit hinter der Einnahmeentwicklung bei den Steuerarten zurückbleibt, von denen ausschließlich der Bund profitiert?

Herr Aller!

Ich habe soeben sehr ausführlich ausgeführt, wie die Steuerreform konzeptionell angelegt worden ist. Es gibt eine Reihe von Steuern, deren Aufkommen dem Bund zu 100 % zusteht, und es gibt Steuerarten, an deren Aufkommen er nur zum Teil beteiligt ist. Das eklatanteste Beispiel ist die Erhöhung der Tabaksteuer, die eine Steuer ausschließlich zugunsten des Bundes ist. Wenn Ihre Frage in diese Richtung zielt, gebe ich Ihnen durchaus Recht Diese Steuererhöhung ist kritisiert worden. Aber das ist ausgerechnet von einer rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht worden.

(Möllring [CDU]: Sie haben doch zu- gestimmt!)

- Sicher haben wir zugestimmt! Aber jetzt antworte ich dem Fragesteller, wenn Ihnen das recht ist.

(Möllring [CDU]: Aber Sie tun so, als wenn er Schuld hat! Sie haben Schuld! - Mientus [SPD]: Möllring kann sich melden!)

Zwischenrufe sind im Hause gestattet. - Aber bitte fahren Sie mit Ihren Ausführungen fort.

(Möllring [CDU]: Im Gegensatz zu Ihnen kann ich sogar eine Frage stel- len, ohne dass sie mir jemand aufge- schrieben hat! - Gegenrufe von der SPD)

- Meine Damen und Herren, der Minister hat das Wort und möchte antworten.

Das stimmt. - An dem Beispiel der Tabaksteuer wollte ich gerade deutlich machen, Herr Golibrzuch, dass der Bund aufgrund seiner gesetzgeberischen Kompetenz in der Lage ist, Änderungen bei Steuerarten, die für ihn von besonderem Nutzen sind, durchzusetzen.

Es ist unbestritten, dass die Steuerreform Effekte bewirkt hat, die die Steuergestaltungsmöglichkeiten verdeutlicht haben. Gestern hat z. B. der Kollege Hogrefe erklärt, dass die Effekte aus der Freistellung von Veräußerungsgewinnen von der Steuer auf die Wirtschaft durchschlagen und dadurch mittelbar die Länder und Kommunen betroffen sind.

Im Mittelpunkt der Diskussion - ich gehe davon aus, dass die Fragesteller weiterhin auf diesen Punkt abzielen - steht derzeit aber die tendenzielle Aushöhlung der Gewerbesteuer durch eine Reihe von Gesetzesinitiativen oder Sekundäreffekte aus anderen Steuerarten. Diese Komplexität des Steuerverbundes ist verantwortlich für die Ergebnisse, die Sie zutreffend dargestellt haben.

Herr Klein! Dann Herr Wenzel.

Herr Minister, am 6. Dezember hat der Finanzausschuss des Bundesrates mit den Stimmen Niedersachsens eine Erhöhung der Beteiligung der Kommunen an den Kosten des Fonds „Deutsche Einheit“ beschlossen. Welche Auswirkungen wird das auf die niedersächsischen Kommunen haben?

Bitte schön!

Sie wissen, dass wir im Zusammenhang mit der Diskussion über den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt II ein sehr komplexes Regelwerk verabschiedet haben, das die Interessen der Länder, der Kommunen, aber auch des Bundes berücksichtigt hat. Lassen Sie mich mit wenigen Bemerkungen verdeutlichen, worum es dabei im Kern ging.

Der erste, nach 2005 einsetzende neue Zeitabschnitt für den Länderfinanzausgleich und den

Solidarpakt II ist im Zusammenhang mit den Zahlungen, die noch für den Aufbau Ost zu leisten sind, verhandelt worden. Wir haben mit der Bundesregierung die Tilgungsstreckung und Übernahme der Kosten des Fonds „Deutsche Einheit“ durch den Bund verabredet, was ein gewaltiger Entlastungseffekt für die Länder und damit mittelbar auch für die Kommunen ist. Ich finde, dass diese Zusammenführung der verschiedenen Parameter und Elemente sachgerecht ist, weil sie beiden, Ländern und Kommunen, kurzfristig Entlastungseffekte bescheren wird und darüber hinaus das Ergebnis langfristig gesehen ein wichtiger Bestandteil für die einstimmige Verabschiedung des Länderfinanzausgleichs und des Solidarpakts II gewesen ist.

Es folgt Herr Wenzel. Dann spricht Herr Möllring.

Herr Minister, welche Vorstellungen bezüglich einer Gemeindefinanzreform verfolgt die Landesregierung aktuell mit Gesetzesinitiativen im Bundesrat?

Herr Minister!

Ich habe gestern und soeben darauf hingewiesen, dass in den jüngsten Verhandlungen des Vermittlungsausschusses die Frage, inwieweit Entlastungselemente auf die Gewerbesteuer durchschlagen, eine wichtige Rolle gespielt hat. Ich möchte meine Antwort in zwei Phasen trennen.

In der ersten Phase kommt es darauf an, die Kommunen dadurch zu entlasten, dass an der Gewerbesteuer nicht weiter herummanipuliert wird, um der Expertenkommission, die in der nächsten Legislaturperiode das Thema „Gemeindefinanzreform“ beraten und Lösungsvorschläge unterbreiten wird, nicht vorzugreifen. Die Gewerbesteuer wird in dem Zusammenhang die zentrale Bedeutung haben, weil sie mit einem Gesamtvolumen von über 50 Milliarden DM die zentrale Finanzierungsquelle der Kommunen in direkter Abhängigkeit zu Unternehmen ist. Sie kennen die Verfassungsvorgabe, dass die Kommunen auch künftig einen Anspruch auf eine unternehmensbezogene Besteuerung in

eigenem Hebungsrecht haben sollen. Alle diese Fragestellungen sollen von dieser gemeinsamen Expertenkommission vorbereitet und einer Lösung zugeführt werden.

Tendenziell - das ist hier im Landtag mehrfach deutlich gemacht worden - soll die folgende Zielrichtung verfolgt werden: Bevor es in den die Gewerbesteuer betreffenden Fragen keine befriedigende Lösung gibt, gibt es auch keine Zustimmung zur Abschaffung der Gewerbesteuer. Dieses zentrale Thema wird letztlich auch auf die bundeseinheitlichen Lösungsansätze ausstrahlen, die zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat verabredet werden müssen. Wir gehen in Niedersachsen davon aus, dass diese vorbereitende Diskussion in ganz enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt wird. Sie wissen, dass insbesondere mein Kollege Heiner Bartling, der Innenminister, und ich als Finanzminister diese Gespräche ständig mit den kommunalen Spitzenverbänden führen. Die Interessenlagen sind in diesem Punkt bei uns beiden identisch.

Herr Möllring! Dann Herr Schröder.