Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Seeler, es wundert mich wirklich, mit welcher Oberflächlichkeit Sie über die Probleme der Schulen hinweggehen.
Ich habe angesichts einer solchen Problemsituation, wie sie an den Schulen besteht und wie sie uns von Eltern, Lehrern und Schülern geschildert wurde, noch nie erlebt, dass von der Regierungspartei in einer Haushaltsrede mit keinem Wort auf die Probleme eingegangen wird.
Meine Damen und Herren, diese Art und Weise des Umgangs mit der Schule ist verantwortungslos und unangemessen, und wir werden unseren Aufgaben als Parlament nicht gerecht, wenn wir so miteinander umgehen.
Sie wollen die Probleme nicht sehen. Das scheint die Politik der Landesregierung zu sein. Deswegen haben Sie auch fast das gesamte Vertrauen verloren, das Ihnen am Anfang entgegengebracht wurde.
Was ist das für eine großartige schulpolitische Partei gewesen mit einer großen Tradition, Frau Seeler, und was ist nun daraus geworden? - Ein Mischmasch, ein Zirkus, ein Schönreden der Probleme. So werden wir nicht weitermachen können. Wir müssen endlich eine Veränderung herbeiführen.
Das Vertrauen in die Landesregierung ist zutiefst gestört. Auch das Vertrauen in Sie, Frau Ministerin, ist zutiefst gestört; Frau Litfin hat vorhin darauf hingewiesen. Auch die Art und Weise, wie Sie mit Lehrerinnen und Lehrern und mit Eltern umgehen - nämlich diese dreiste Art und Weise der Bevormundung -, hat dazu geführt, dass das Vertrauen verloren gegangen ist. Dies hat zur Demotivation an unseren Schulen und zwar zur Demotivation derjenigen geführt, die Tag für Tag ihrer Arbeit nachgehen und mit Schülern bzw. mit Kindern auf langfristig angelegte Erziehungsziele hinarbeiten. Die nehmen Schaden durch eine solche Politik. Das liegt auch daran, meine Damen und Herren, dass Sie draußen anders reden, als Sie hier in Hannover handeln. Die Politik des Versprechens und des Nichteinhaltens führt dazu, dass die Leute kein Vertrauen mehr zu Ihnen haben. Das ist die Realität, meine Damen und Herren.
einen oder anderen Situation etwas getan wird, z. B. dass es zusätzliche Lehrerstellen gibt. Das war ja jahrelang nicht so. Das registrieren wir auch positiv. Ich sage Ihnen aber: Mit dieser realen Lehrereinstellung erreichen Sie keine Verbesserung, sondern - wenn überhaupt - halten Sie damit gerade einmal den schlechten Status quo. Hinzu kommt, dass Sie Stellen, die Sie vorher weggekürzt haben, z. B. im berufsbildenden Bereich, jetzt wieder hinzugeben. Das ist keine Verbesserung, sondern eine Festschreibung des schlechten Status quo.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren - das ist ja aufgrund Ihrer Statistik und der Statistik in anderen Bundesländern nachweisbar -: Trotz der vierten Bildungsoffensive in dieser Wahlperiode steht es an unseren Schulen schlecht. Bei einem Vergleich mit anderen Bundesländern stellt man fest - das ist leider die traurige Wahrheit -, dass in Niedersachsen der meiste Bildungsabbau betrieben worden ist. Diesen gab es in keinem anderen Bundesland. Das ist ein Skandal.
Frau Ministerin, ich habe das Kernproblem der niedersächsischen Bildungspolitik darin ausgemacht, dass Sie unsere Schulen vernachlässigen, indem Sie den Schulen immer mehr Verantwortung auferlegen, aber immer weniger Finanzmittel dafür zur Verfügung stellen. Hinzu kommt ein hoher Unterrichtsausfall trotz Reduzierung der Stundentafel, zu wenig Lehrerstellen bei steigenden Schülerzahlen, fehlende Qualitätsstandards für Schulleistungen, Hinnahme von deutlichen Qualitätsunterschieden zwischen den Schulen und zu anderen Bundesländern und eine Verdrängung des Erziehungsauftrages. Das ist die aktuelle Situation, über die Sie jedoch kein Wort verlieren.
Meine Damen und Herren, ich finde, dass endlich Schluss sein muss mit schönen Begriffen, mit denen Sie nur die wahre Situation verschleiern wollen. Was war denn das Modernisierungskonzept für berufsbildende Schulen? - Herr Lücht, Sie sind ja ein Fachmann. Man hat den Schulen 10 % des Unterrichtes weggerechnet mit der fatalen Folge, dass wir hinsichtlich der Ausbildungssituation im ländlichen Bereich große Probleme bekommen werden. Das ist leider die Realität.
Was ist denn aus der Verlässlichen Grundschule geworden? - Natürlich haben viele diese beantragt; allerdings nur, weil ihre anderen Schulen ausgeblutet worden wären, wenn sie diese nicht beantragt hätten. Es ist eine Abkehr von bewährten pädagogischen Konzepten, die bis jetzt erprobt worden und gut gelaufen sind. Frau Ministerin, Sie werden sich hiermit noch einiges einhandeln. Warum reden Sie nicht über die Probleme dieser Verlässlichen Grundschule? - Es ist doch nicht akzeptabel, dass Förderunterricht in den Pausen stattfindet. Wer will denn in den Pausen gefördert werden? Das ist doch ein Unsinn hoch drei!
Hinzu kommt, dass Sie keine Betreuungskräfte auf 630-DM-Basis und nicht genügend Vertretungslehrer bekommen werden. In einigen Bereichen geht es sicherlich, aber in vielen Bereichen gibt es Probleme. Dieses kann man ja auch den Presseberichten entnehmen. Diese Verlässliche Grundschule ist in manchen Bereichen zu einer verlassenen Schule geworden, meine Damen und Herren.
Auch bei dem Programm „Lernen unter einem Dach“ - Frau Litfin hat bereits darauf hingewiesen - gaukeln Sie Integration vor, schaffen aber neue Probleme in den Grundschulklassen, weil man in den großen Grundschulklassen mit zwei Förderstunden natürlich nicht behinderte Kinder fördern kann. Das muss doch jedem einleuchten, der sich mit Schulpolitik befasst.
Meine Damen und Herren, damit das einmal ganz deutlich wird, möchte ich Folgendes zum Schluss sagen: Ich habe hier ein aktuelles Zeugnis einer Hauptschulschülerin vorliegen.
- Ich habe es Ihnen gegeben, Frau Ministerin. Sie hätten mir ja antworten können. Vielleicht können Sie ja gleich etwas dazu sagen.
- Nein, ich bekomme immer die aktuellen Zeugnisse; dieses ist vom letzten Schuljahr, meine Damen und Herren. - In 5 von 13 Pflichtfächern konnte keine Zensur erteilt werden. Bei den Fächern Geschichte, Erdkunde, Physik und Chemie gibt es jeweils einen Verweis auf eine Bemerkung; das Fach Biologie wurde erst gar nicht erteilt -. Die
Bemerkung lautet, dass wegen langfristiger Erkrankung der Lehrkraft keine Zensur erteilt werden kann.
Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall, das ist die Realität. Jetzt sagen Sie diesem jungen Mädchen einmal, wie ihre Zukunft aussieht. Das ist ein Mädchen einer Hauptschule, die sich darauf vorbereitet, irgendwann in den Beruf einzusteigen. Kein einziges naturwissenschaftliches Fach wird unterrichtet, und die lapidare Bemerkung lautet: Wegen langfristiger Erkrankung einer Lehrkraft kann keine Zensur erteilt werden. - Dies, meine Damen und Herren, ist ein Skandal. Wir lassen die Schönrederei und die Manipulation bei der Unterrichtsversorgung nicht mehr länger durchgehen.
Meine Damen und Herren, warum will denn eigentlich kein Mensch mehr Schulleiter in diesem Lande werden? - Das ist so, weil Sie die Verantwortung auf die Schule übertragen, aber die Finanzmittel dafür nicht zur Verfügung stellen, und weil die Leute keine Lust haben, sich von der Bezirksregierung bevormunden zu lassen, wie es z. B. in Gifhorn geschehen ist.
Wenn man um die zentrale Bedeutung von Schulleiterinnen und Schulleitern weiß, dann muss es einen doch umtreiben. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben in den letzten elf Jahren regiert. Wir merken, dass die Luft bei Ihnen heraus ist. Deswegen kann ich nur sagen: Sie haben abgewirtschaftet - es tut mir leid, das sagen zu müssen, weil es um Kinder geht -, und aus diesem Grunde müssen Sie so schnell wie möglich aus der Regierungsverantwortung heraus.
sondern wir werden die reale und gute Schulpolitik in Niedersachsen, die wir bis jetzt schon gemacht haben, fortsetzen.
Es ist eindeutig, dass der Wunsch Vater Ihres Gedankens ist. Selbstverständlich, Herr Klare, werden wir uns den Problemen widmen, die es in der Schulpolitik gibt.
In allen Beiträgen, die es gestern und heute gegeben hat, ist deutlich geworden, dass für die SPD Bildung oberste Priorität hat.
Das ist keine oberflächliche Feststellung, sondern in diesem Haushalt wird alles diesem Ziel untergeordnet, denn die Investition in die Zukunft unserer Kinder ist unser Leitmotiv. Der Haushalt 2002/2003 ist eindeutig davon geprägt, dass wir Bildung in den Mittelpunkt stellen. Das haben wir auch vorher schon getan, und zwar bereits vor der PISA-Studie, indem wir mit der Bildungsoffensive, die wir in diesem Jahr eingeleitet haben, ein 100Millionen-DM-Programm für Bildung und Qualifizierung vorgelegt haben. Das setzen wir mit diesem Haushalt um.