Protocol of the Session on December 13, 2001

Noch eine Aufgabe, die die Landesregierung nicht erfüllt, ist, den Fortbildungs- und Beratungsbedarf durch entsprechende Angebote zu befriedigen, die den Schulen bei ihrer Qualitätsentwicklung und bei der Qualitätsentwicklung des Unterrichtes tatsächlich weiterhelfen.

Die Ignoranz und Arroganz der Kultusministerin gegenüber ihren eigenen Lehrkräften schadet nicht nur den Schulen und damit den Kindern, sondern auch dem Landeshaushalt. Im Oktober ist berichtet

worden, dass die Zahl der Lehrkräfte in Niedersachsen, die wegen Dienstunfähigkeit frühzeitig pensioniert werden mussten, einen neuen Rekordstand erreicht hat. Das Land zahlt dafür jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Kultusministerin hat aber kein wirksames Konzept, wie sie dieser Entwicklung gegensteuern will.

Die 500 000 Euro, die sie jetzt für den Arbeitsschutz an Schulen bereitstellen will, haben nur eine Alibifunktion und reichen nicht einmal aus, um die seit Jahren bestehenden gesetzlichen Arbeitsschutzverpflichtungen, die das Ministerium nie erfüllt hat, zu erfüllen. Auch dafür fordern wir mehr Geld. Wir wollen 5 Millionen Euro für den Arbeits- und Gesundheitsschutz einsetzen, damit endlich wirksame Programme gegen die vorzeitige Dienstunfähigkeit und auch gegen den hohen Krankenstand an den Schulen aufgelegt werden können. Dieses Geld würde sich für das Land auf mittlere Sicht rentieren. Denn es ist preiswerter, Lehrer und Lehrerinnen bis zur Beendigung ihrer normalen Dienstzeit in den Schulen zu halten und sie für Unterricht zu bezahlen, anstatt sie vorzeitig in Pension zu schicken und weiter bezahlen zu müssen. Denn wir alle wissen ja: Das kommt aus dem Landeshaushalt. Es gibt keinen Sparstrumpf für Pensionen, der irgendwo unter dem Tisch liegt und aus dem dann gezahlt wird.

Die Kultusministerin stellt die Schule gerne als einen Betrieb und sich selbst als moderne Betriebsleiterin dar. Wenn sie wirklich Erfolg haben will, dann muss sie endlich lernen, dass man den Betrieb Schule nicht mit dem Rohrstock leiten kann. Dann muss sie endlich lernen, die eigenen Fähigkeiten, die Motivation der Lehrer und Lehrerinnen, der Schüler und Schülerinnen zu aktivieren und zu fördern. Ich fürchte, bis dahin ist noch ein langer Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat die Abgeordnete Seeler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Litfin, am Anfang sind Sie ja gut gestartet. Aber dann sind Sie leider doch wieder in das übliche Oppositionsverhalten verfallen.

(Busemann [CDU]: Sagen Sie uns lieber, was Sie meinen!)

Das zeigt sich darin: Opposition ist die Kunst, etwas zu versprechen, was die Regierung nicht halten kann.

(Klare [CDU]: Das macht ihr schon ganz allein! - Busemann [CDU]: Jetzt sagen Sie uns, was Sie nicht alles halten! Das ist ja spannender!)

Wir müssen das natürlich anders machen. Wir versprechen nämlich nur das, was wir halten können.

(Ontijd [CDU]: Jetzt haben Sie sich aber versprochen!)

Bildungspolitik ist, wie in den vergangenen Jahren, so auch in diesem Jahr, Schwerpunkt unserer Landespolitik, was sich auch bei der Aufstellung dieses Haushalts widerspiegelt. Weil schon vor PISA einige Schwächen unseres Bildungssystems erkennbar waren, haben wir mit unserer Bildungsoffensive schon die richtigen Weichen für Niedersachsen gestellt.

(Busemann [CDU]: Ihr wart sozusa- gen Hellseher!)

Mehr Stellen für die Unterrichtsversorgung, mehr Mittel für Betreuung und Vertretung, mehr Mittel für die Förderung in den Klassen 5 und 6, mehr Stunden für den naturwissenschaftlichen Unterricht, mehr Mittel für die Ganztagsschulen - um nur einige Punkte unserer Bildungsoffensive zu nennen.

Mit dem Doppelhaushalt 2002/2003 werden dafür jährlich 100 Millionen DM für die niedersächsischen Schulen bereitgestellt. Damit steigern wir in nur drei Jahren unseren Bildungsetat um mehr als 310 Millionen DM.

(Frau Vockert [CDU]: Bei wie viel Schülern mehr?)

Meine Damen und Herren, in allen Bereichen - seien es die Schulen oder die Hochschulen - geben wir mehr Entscheidungsfreiheit und auch mehr Verantwortung an die vor Ort handelnden Personen. Im Hochschulbereich haben wir mit dem Innovationspakt II, der zwischen der Landesregierung und der Landeshochschulkonferenz geschlossen wurde, für die Hochschulen mehr Planungssicherheit geschaffen. Die Hochschulen erhalten mit diesem Entwurf jährlich rund 25 Millionen Euro zusätzlich. Auch wenn die Hochschulen im vergangenen Jahr diesen Betrag einmalig zur Haus

haltskonsolidierung abführen mussten, erhalten sie den Betrag nun zurück und für die nächsten Jahre Planungssicherheit. Diese Planungssicherheit ist eine wesentliche Voraussetzung für die nächsten Reformschritte an den Universitäten und Fachhochschulen. Mit dem neuen NHG werden wir die vor einigen Jahren begonnene Wende von der input- zur outputorientierten, leistungsorientierten Finanzierung vollziehen.

Weitere Ziele sind die Qualitätssicherung in der Lehre, der Ausbau der Autonomie und der Nachwuchsförderung. Ein wesentliches Element dabei ist die Einführung der Juniorprofessur, die als neue Personalkategorie in das neue NHG eingeführt wird. Bereits in der vergangenen Woche hat in Niedersachsen die bundesweit erste Juniorprofessorin im Fachbereich Chemie der Universität Göttingen die Arbeit aufgenommen.

Ich möchte darüber hinaus noch drei weitere Bereiche nennen, die für die Modernität und Innovation der niedersächsischen Hochschulpolitik stehen.

(Fischer [CDU]: Da ist der Wissen- schaftsminister schnell rausgelaufen!)

Erstens die Eliteförderung. Mit Hilfe der wissenschaftlichen Kommission haben wir die Graduiertenförderung konsequent zu einer Eliteförderung, die diesen Namen auch wirklich verdient, weiterentwickelt. Insgesamt stehen hierfür für die Jahre 2002 und 2003 rund 7,2 Millionen Euro bzw. 8,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Zweitens ein schnelleres Studium durch Intensivstudiengänge. Zum gerade beginnenden Wintersemester wird die Zahl der Intensivstudiengänge von derzeit drei auf 15 steigen. Für die Erprobungsphase sind dafür jährlich mehr als 1 Million Euro vorgesehen.

Drittens. Für uns gilt immer noch der Satz: Frauenförderung ist Hochschulreform. Deshalb begrüße ich Programme wie das Hochschulwissenschaftsprogramm und das Dorothea-Erxleben-Programm.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fischer?

Nein danke.

(Fischer [CDU]: Ich wollte nur wis- sen, ob der Wissenschaftsminister nicht dabei sein sollte!)

Deshalb begrüße ich es, dass das Hochschulwissenschaftsprogramm und das Dorothea-Erxleben-Programm ihre Wirkung entfalten. Das zeigt sich in der kontinuierlichen Steigerung der Promotionen von Frauen auf fast 33 % und der Habilitationen auf 21,4 % sowie einer stetigen Zunahme der Neuberufungen von Frauen auf Professuren. Ihr Anteil betrug 1999 an Universitäten 16,8 % und an Fachhochschulen 19 %. Es geht also mit der Frauenquote stetig aufwärts.

Allein diese wenigen Ausschnitte aus dem umfangreichen Haushalt des Wissenschaftsministeriums zeigen, dass Niedersachsen dabei ist, die Hochschulen für die Erfordernisse der Zukunft umzustrukturieren. Wie exzellent und erfolgreich unsere Hochschulpolitik ist, zeigen die neusten Zahlen der Studienanfänger und Studienanfängerinnen, die im laufenden Wintersemester um 9,8 % gestiegen sind. Mit dieser Steigerung liegt Niedersachsen übrigens zwei Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.

Bei den Lehramtsstudenten beträgt die Steigerungsrate sogar 15 %. Das Ansehen des Lehrerberufs kann also doch nicht so schlecht sein, Herr Busemann.

Jetzt komme ich zum Schulbereich. Bei uns gehören nämlich sowohl der Hochschul- als auch der Schulbereich zum Bildungsbereich. Auch in den Schulen haben wir wichtige innovative Schritte eingeleitet. Deswegen haben wir schon zu Beginn der Legislaturperiode mit der Qualitätsdebatte begonnen und die Bildungsoffensive, von der ich vorhin bereits gesprochen habe, gestartet.

Wie anfangs schon gesagt, stellen wir dafür 310 Millionen DM zusätzlich bereit. Die PISAStudie hat nach TIMSS und dem DIPF-Gutachten gezeigt, wie unausweichlich eine umfassende Schulreform ist, wenn wir den Anschluss an andere Länder nicht verlieren wollen. Dabei ist Geld allerdings nicht alles; das hat Frau Litfin auch bestätigt. Es ist allerdings auch falsch, was die CDU-Fraktion gesagt hat. Es geht nicht darum, Fakten, Fakten, Fakten auswendig zu lernen. Es geht auch nicht darum, Druck durch die Zensuren auszuüben. Im Gegenteil: Nach den Untersuchungsergebnissen müssen wir vor allen Dingen unsere Lernkultur infrage stellen,

(Zuruf von Oestmann [CDU])

in der das Auswendiglernen von Fakten und Formeln im Vordergrund steht. Dies reicht nämlich offensichtlich für die Bewältigung realer Problemstellungen nicht aus.

(Zuruf von Frau Vockert [CDU])

Nein, Schule muss heute Lernsituationen herstellen, in denen Schüler Lösungswege allein oder mit Hilfe von anderen Schülerinnen und Schülern oder des Lehrers erarbeiten können.

(Busemann [CDU]: Aber die Grund- fertigkeiten müssen doch erst mal sit- zen!)

Außerdem muss eigenständiges Denken verstärkt und gelernt werden, damit die Kinder dieses Wissen und diese Verfahrungsweisen auf reale Problemstellungen bezogen anwenden können. Dafür ist in unseren Schulen die Qualitätssteigerung durch eine veränderte Aus- und Fortbildung von Lehrkräften wichtig, um die Methodik und Didaktik des Unterrichts ebenso wie die Diagnosefähigkeit der Lehrkräfte zu verbessern, damit sie die Schwierigkeiten der Kinder, aber auch ihre Stärken rechtzeitig erkennen und die Kinder entsprechend fördern können. Auch dies hat die TIMSS-Studie gezeigt.

Mit der Erhöhung des erziehungswissenschaftlichen Anteils bei der Lehrerausbildung und auch der Präsenztage, die zur Weiterbildung der Lehrkräfte dienen sollen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Wir halten es bei der Schuldiskussion in der jetzigen Zeit so: Es gibt noch viel zu tun, also lassen Sie es uns anpacken. Die Bildungsoffensive bietet uns dafür das finanzielle Fundament. Mit 2 100 zusätzlichen Stellen werden wir die Unterrichtsversorgung verbessern. Hinzu kommen die über 1 000 Stellen für die Verlässliche Grundschule und dann auch noch 157 Millionen DM für Vertretungs- und Betreuungskräfte.

Übrigens haben die Eltern, Lehrkräfte und Schulträger die Chancen der VGS erkannt. Deshalb sind seit dem Start vor drei Jahren schon mehr als 1 100 der rund 1 800 Grundschulen Verlässliche Grundschulen geworden. Es gibt kein Reformprojekt, das so schnell flächendeckend umgesetzt wurde.

Auch für das Fördern und Fordern in den Jahrgängen 5 und 6 gibt es mehr Mittel, nämlich 30 Millionen DM.

Auch hoch begabte Kinder sollen eine angemessene Förderung bekommen. Auch dafür werden Mittel - nämlich 5,2 Millionen DM - zur Verfügung gestellt.

Wichtig ist uns vor allem der Ausbau des Ganztagsschulnetzes. Aus familienpolitischen Gründen, vor allem aber auch aus ausbildungspolitischen Gründen ist dieser Ausbau unausweichbar. 70 Millionen DM jährlich setzen wir in den nächsten Jahren dafür ein. Zwar wird vom Philologen- und auch vom Realschullehrerverband heftige Kritik daran geübt, weil wir prioritär verbundene Haupt- und Realschulen als Ganztagsschulen ausbauen wollen. Aber auch hier zeigt die PISA-Studie, dass dieser Ansatz richtig ist. Denn gerade dort gibt es viele Immigrantenkinder und Kinder aus bildungsferneren Schichten, die eine intensive Förderung besonders benötigen.

(Zuruf von Frau Körtner [CDU])

Diese sollen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Deshalb ist diese Prioritätensetzung nicht nur vertretbar, sondern sozial- und bildungspolitisch geradezu unausweichlich.

Summa summarum eröffnet der vorgelegte Haushalt neue Chance, und wir werden sie nutzen.

(Beifall bei der SPD)