Protocol of the Session on December 12, 2001

(Möllring [CDU]: Das steht doch drin!)

Das bedeutet, Herr Möllring: Sie haben das gesamte Finanzkonstrukt der Landesregierung übernommen und dann mit einem Fliegenschissantrag - mehr ist das nicht - eigene Akzente setzen wollen auf der Basis - -

Herr Minister Aller, ich bitte Sie, diese Bemerkung zurückzunehmen. Sie ist sehr unparlamentarisch.

(Zurufe von der SPD und von der CDU - Mühe [SPD]: Sag „Fliegen- dreck“!)

Ich nehme den Begriff zurück. - Der Sachverhalt, den ich beschreibe, ist dargestellt, nämlich dass Sie auf der Basis des Regierungsantrages und des Antrages der SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht

haben und nichts, aber auch gar nichts hinzugesteuert haben. Und nun kommen Ihrerseits abenteuerliche Finanzierungsvorschläge, und zwar bezüglich des Förderzinses und der Finanzierung der Lehrerpersonalkosten, die Sie für fünf Monate ausfinanziert haben. Sie müssten deshalb den Haushalt 2003 abkoppeln, weil Sie nicht darstellen können, dass Sie auch in 2003 diese Lehrkräfte weiter bezahlen müssen. Das ist der eigentliche Grund, Herr Möllring. Das merkt doch jeder.

(Beifall bei der SPD - Mühe [SPD]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, es wird interessant, wenn man beobachtet, wie sich Niedersachsen auf der Berliner Bühne darstellt und wie das, was hier beraten wird, in Berlin durchgesetzt und beschlossen wird. Der Niedersächsische Ministerpräsident ist seit vorgestern Vorsitzender des Vermittlungsausschusses. Er hat in einer ersten Beratungsrunde ein Ergebnis erzielt, das vermutlich nicht vorauszusehen war. Ich beglückwünsche Sie dazu, denn ich war zwei Tage lang an den Vorbereitungen beteiligt. Wir haben uns auf der Fachministerebene mit den CDU-regierten Ländern nicht einigen können. Aus diesem Grunde ist das Ergebnis so erstaunlich gut. Es werden Akzente in der Mittelstandsförderung in der Größenordnung von 1 Milliarde DM gesetzt, weil wir im Bereich der Reinvestitionsrücklage gemeinsam eine Lösung gefunden haben, die eine Obergrenze bei zweijähriger Übertragungsfrist einzieht. Wir haben es hinbekommen, dass die Neuregelungen zur Erleichterung des Generationsübergangs durchgesetzt werden konnten. Nicht aus dem Auge verloren haben wir - das ist sehr wichtig -, dass wir die Kommunen entlasten müssen, insbesondere hinsichtlich der Gewerbesteuer. Hier haben wir in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung einige Verbesserungen durchsetzen können. Das zeichnet Stärke im Landesinteresse aus, Herr Möllring. Wer gegen die selbst gestellte Bundesregierung im Interesse des Landes Niedersachsen und seiner Kommunen Veränderungen durchsetzt und z. B. die Grunderwerbsteuer, die gekürzt werden soll, wieder zurückholt, der ist auch im Vermittlungsausschuss und im gemeinsamen Gesetzgebungsverfahren stark. Das sind die Dinge, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin gerne bereit, noch zwei Sätze zur BEBErblast aus der Zeit Albrechts zu sagen. Es ist chic,

die Vergangenheit wegzudiskutieren, wenn sie einem nicht passt. Die Realität ist mit wenigen Zahlen ganz einfach dargestellt. Die AlbrechtRegierung hat in der Zeit von 1980 bis 1989 8,5 Milliarden DM netto aus der Förderzins- und aus der Förderabgabe vereinnahmt. Sie hat in der gleichen Zeit 23,9 Milliarden DM zusätzliche Schulden gemacht. Wenn man das addiert, kommt man auf einen Betrag von 32,4 Milliarden DM zusätzlich generiertes Geld für Landespolitik.

(Möllring [CDU]: Jetzt noch die Per- sonalausgaben oben drauf!)

Zur gleichen Zeit betrug die Kreditfinanzierungsquote des Landeshaushalts 12,5 %. Die Zahl muss man sich merken. Dagegen ist in der Zeit von 1990 bis 1999 der Förderzins insgesamt mit netto 330 Millionen DM im Landeshaushalt verbucht worden. Dagegen stehen 28,1 Milliarden DM, insgesamt also 28,4 Milliarden DM. Saldiert und gegenübergestellt hat Albrecht also mit Förderzins und Nettokreditaufnahme rund 4 Milliarden DM mehr zur Verfügung gehabt als wir, und wir finanzieren den Haushalt mit 7,6 % Kreditfinanzierungsquote durch.

(Beifall bei der SPD)

7,6 % Kreditfinanzierungsquote gegen 12,5 % das ist die Realität, an der wir uns messen lassen.

Rechnet man noch weiter, gibt es eine ganz beachtliche Zahl.

(Schurreit [SPD]: Herr Möllring, selbst Ihnen verschlägt es die Spra- che!)

Hätte Albrecht den Förderzins zur Nettokreditaufnahmesenkung benutzt, hätten wir 13 Milliarden DM weniger Schulden im Landeshaushalt, und es ginge uns relativ gut. Ich meine, man kann diese Diskussion natürlich ad absurdum führen. Aber diese Fakten wird man nicht wegbekommen.

Herr Möllring, Sie reden immer von Vorsorge. Die einzige und sinnvolle Vorsorge wäre es gewesen, in der Zeit, als das Geld geflossen ist, die Nettokreditaufnahme zu begrenzen, um die spätere Belastung der nachfolgenden Generationen in Grenzen zu halten. Das ist der eine Punkt.

(Möllring [CDU]: Warum macht man das nicht?)

Der andere Punkt ist das Thema Revision. Wir haben sehr lange mit uns gerungen, ob wir in die Revision gehen. Nun sitzen ja auch in der Fraktion der CDU genug Juristen. Es ist offensichtlich so, dass bei solchen Einzelfallentscheidungen - das ist eine Präzedenzentscheidung - die Zulassung von Revisionen selten, wenn nicht niemals erfolgt, denn ein solches Verfahren hat es noch nicht gegeben. Sie ist aber ausdrücklich zugelassen worden, und dann muss man verantwortlich entscheiden, ob man in die Revision geht oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Zur Debatte standen Landesmittel in Höhe von 1,8 Milliarden DM.

(Möllring [CDU]: Jetzt sind es 2,5 Milliarden DM!)

Diese Landesregierung - auch die für Finanzen und Wirtschaft zuständigen Ministerien - hatte entschlossen, in die Revision zu gehen, weil sie eine reale Chance gesehen hatte, diese 1,8 Milliarden DM für das Land und für die Ländergemeinschaft zu erhalten. Das war die Botschaft der Revision. Dafür haben wir gestritten und uns anwaltlich verstärkt. Wir haben vor Gericht nicht obsiegt. Es ist aber unstrittig, dass das ein Thema für den Länderfinanzausgleich ist. Deshalb werden wir mit aller Macht versuchen, diese Lösung durchzusetzen.

Ich sage Ihnen, Herr Möllring, Herr Golibrzuch und allen denen, die sich zu diesem Thema zu Wort melden, nur eines: In keinem Landtag der anderen Länder sitzt eine Opposition, die strategisch so massiv gegen die eigenen Landesinteressen arbeitet, wie Sie das tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe noch keinen Bayern gesehen, ich habe noch keinen Hamburger gesehen und keinen Bremer gesehen, der sich so verhält wie Sie. Ich habe bei den Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich, bei dem wir für Niedersachsen ein hervorragendes Ergebnis erstritten haben, elf Länder zusammengehalten. Wir haben aus der Sicht der finanzschwächeren Länder sehr wohl auch über unseren Schatten springen müssen. Aber das, was Sie hier vollführen, würde in jedem anderen Bundesland vom Wähler bestraft, und so wird es auch in Niedersachsen sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass dieser Haushalt in mehrfacher Hinsicht ein Investitionshaushalt ist, der konjunkturpolitisch Anschubwirkung entfalten und das Land Niedersachsen in zentralen Feldern nach vorne bringen wird. Der Doppelhaushalt wird im Jahre 2002 22 Milliarden Euro und im Jahre 2003 22,5 Milliarden Euro, also insgesamt 44,5 Milliarden Euro beinhalten. Jeweils 12,5 Milliarden Euro der eben genannten Summen sind nach unserem Verständnis im weitesten Sinne für investive Maßnahmen bestimmt. Sie sind klassisch investiv gemäß Landeshaushaltsordnung und Verfassung, aber investiv auch ganz im Sinne des Verständnisses von Herrn Golibrzuch, der vorhin gesagt hat - geklautes Zitat -: Nicht nur in Beton und Steine investieren, sondern auch in die Köpfe investieren.

Wir haben vor einem halben Jahr erklärt, dass wir investieren wollten, um davon langfristig zu profitieren. Deshalb ist es richtig, einmal die Eckdaten der Schwerpunkte zu nennen, um deutlich zu machen, wo die Landesregierung das Land nach vorne bringen wird.

Einer dieser Schwerpunkte ist der Bereich Schule, für den wir 3,5 Milliarden Euro in 2002 und 3,6 Milliarden Euro in 2003 bereitgestellt haben. Für die Hochschulen haben wir 1,9 und 1,8 Milliarden Euro bereitgestellt. Für die innere Sicherheit und die Justiz haben wir 2,0 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für Wirtschaft und Technologie sind jeweils 1,6 Milliarden Euro bereitgestellt worden. Der soziale Bereich schlägt mit jeweils 2,2 Milliarden Euro zu Buche.

Das Entscheidende ist, dass wir durch die Verabschiedung eines Doppelhaushaltes die Möglichkeit eröffnen, diese Investitionen über beide Haushaltsjahre in den Wirtschaftskreislauf zu lenken und schnell verfügbar zu machen. Ein Abkoppeln des Haushaltes 2003 würde gewissermaßen die Investitionschancen halbieren und wäre daher ein kontraproduktives Konjunkturprogramm. Meine Damen und Herren von der Opposition, Herr Wulff, das wollen wir nicht. Wir wollen ohne vorgezogene Steuerreform und ohne kreditfinanzierte Investitionsprogramme die Mittel in den soeben dargestellten Größenordnungen bereitstellen. Bezogen auf den Wohnungsbau sind das dann eben zweimal 570 Millionen Euro und nicht nur einmal 570 Millionen Euro. Dahinter stehen dann auch die Aufträge, die das Land vergibt. Das ist der Ansatz, das ist die Botschaft, die wir an die Wirtschaft und an die entsprechenden Destinatäre aussenden.

Wenn ich von Investitionen in die Köpfe spreche, dann meine ich damit Investitionen in Bildung. Heute Morgen ist viel über PISA geredet worden. Ich fand es beachtlich, dass heute Morgen einige schon die Kritik über das, was war, üben konnten, obwohl sie dieses Schulsystem selbst durchlaufen haben. Man hätte ja Zweifel daran haben können, dass Sie schlau genug geworden sind, PISA überhaupt zu verstehen. Aber immerhin: PISA konnte als Argument für die Vergangenheit und für die Zukunft genutzt werden.

Meine Damen und Herren, entscheidend ist, dass diese Landesregierung die Bildungspolitik vor der Veröffentlichung der PISA-Studie zur absoluten Priorität erklärt hat. Es war der Ministerpräsident, der den Diskussionsprozess durch verschiedene Initiativen in Gang gesetzt hat. Das Entscheidende in dieser Debatte ist meines Erachtens, dass wir lernen, dass es nicht nach dem schlanken CDU-Muster ging „Weg mit der Orientierungsstufe, und dann ist die Schullandschaft wieder in Ordnung“ - das ist ein Irrglaube, meine Damen und Herren -, sondern dass wir Schulstrukturmaßnahmen mit schulischen Inhalten kombiniert haben.

(Rolfes [CDU]: Herr Minister, das ist eine Sprechblasen-Rede, die Sie hier halten!)

Meine Damen und Herren, ich darf noch daran erinnern, wie auch Sie, Herr Rolfes, gegen die Verlässliche Grundschule als einen Ansatz polemisiert haben, der heute durch PISA alle Mal abgedeckt ist.

(Beifall bei der SPD - Rolfes [CDU]: Ich? - Zuruf von Möllring [CDU])

Ich kann mich daran erinnern, wie Sie dagegen polemisiert haben, dass wir Ganztagsunterricht gefordert haben, und wie Sie hinterher auf beide fahrenden Züge aufgesprungen sind. Ich weiß, dass Sie inzwischen Lehrkräfte einstellen wollen, aber nicht bezahlen wollen. Wir haben ihre Einstellung durchfinanziert. Wir wollten 1 000 Lehrer zur Einführung der Verlässlichen Grundschule, 500 Stellen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung und weitere 600 Stellen in 2001/2002. Dann werden wir die inhaltlichen Komponenten in den Vordergrund stellen, weil wir diese konsequente Investition in die Köpfe tätigen, indem wir nämlich jetzt schon entschieden haben, dass der naturwissenschaftliche Unterricht verstärkt werden wird - vor PISA. Wir haben gesagt, dass wir die Begabten

förderung voranbringen wollen - vor PISA. Wir haben die Ganztagsangebote, wie eben deutlich gemacht, proklamiert, bevor PISA auf dem Tisch gelegen hat. Außerdem haben wir entschieden, die Förderstunden auch im sozialpädagogischen Bereich voranzutreiben. Wir haben einen weiteren Akzent gesetzt, der Ihnen ebenfalls wehgetan hat, weil er aufgrund partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit der Wirtschaft nicht nur aus Landesmitteln finanziert wird. Ich rede von N21. Wir haben also Umstrukturierungsmaßnahmen in den Diskussionsprozess eingebracht. Wir haben die finanziellen Ressourcen geschöpft, die wir benötigen, um Lehrkräfte und schulpolitische Inhalte finanzieren zu können, und wir haben durch N21 den Weg in einer Art und Weise beschritten, die Sie wahrscheinlich ärgert, zu der Sie in Wirklichkeit aber keine Alternative haben.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass daraus, wie Herr Mühe deutlich gemacht hat, ein rundes Bild wird. Wir haben Akzente in der Kindergartenpolitik gesetzt.

(Widerspruch bei der CDU)

Das war einer der Gründe, weshalb Albrecht vor zehn Jahren abgewählt worden ist. Er wurde abgewählt, weil die Kindergartenpolitik in Niedersachsen damals am Boden gelegen hat.

(Beifall bei der SPD)

Das Programm zur Einrichtung von 80 000 Kindergartenplätzen, die wir ganz im Sinne von PISA in zehn Jahren sukzessive in Größenordnungen von 1,34 Milliarden DM im personellen und 296 Millionen DM im investiven Bereich gefördert haben, lassen wir nicht in Vergessenheit geraten, weil es durch PISA neue und besondere Aktualität gewonnen hat. Wegen PISA fühlen wir uns in unserem Vorgehen ausdrücklich bestätigt.

Meine Damen und Herren, zur inneren Sicherheit ist genug gesagt worden. Aber auch hier geht es im Wesentlichen nicht darum, die Millionenbeträge gegeneinander aufzurechen. Es ist vielmehr deutlich geworden, dass mein Kollege Bartling als Innenminister eben nicht nur niedersächsische Sicherheitspolitik betrieben und in enger Abstimmung mit den Experten aus dem Sicherheitsbereich dafür gesorgt hat, dass die Aufklärungsquoten in Niedersachsen trotz relativ schwacher Personalausstattung sukzessive sinken. Trotz relativ schwacher Personalausstattung sinken die Aufklärungsquoten.

(Adam (SPD): Steigen!)

- Steigende Aufklärungsquoten bei sinkendem Personal!

(Möllring (CDU): Das war schon richtig so!)

Das hat etwas damit zu tun, dass die Polizeireform zu wirken beginnt. Wir setzen bei der Polizei nämlich nicht nur auf Masse, sondern auch auf Klasse. Es ist richtig, wenn für die Polizei zusätzliches Personal bereitgestellt wird. Wir wollen, dass das, was sich an kriminellen Dingen im Bereich der Steuerpolitik abspielt, durch zusätzliches Personal in den Finanzämtern und durch Spezialkräfte bekämpft wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun darstellen, wie Niedersachsens Investitionsquote im Vergleich zu den Investitionsquoten anderer Bundesländer dasteht. Die Diskussion darüber bereitet bekanntlich immer viel Spaß. Es ist gut, dass man im Zeitalter der neuen Technik sehr leicht über den Tellerrand schauen kann. Ich kann Ihnen sagen, dass die niedersächsische Investitionsquote seit 2001 von 9,6 - ohne die EXPO, projiziert auf 2005 - minimal auf 9,3 % abgesenkt wird. Hinter dieser Quote stehen aber harte Facts, die sich sowohl in der Wirtschaftsförderung als auch in vielen Projekten niederschlagen, die wir im Bereich der klassischen Investitionen ausweisen. Wenn wir diesen Abwärtstrend, der in Niedersachsen zu beklagen ist - wir freuen uns auch nicht darüber -, mit der Entwicklung in anderen Ländern vergleichen, dann stellen wir fest, dass Hessen, ein zugegebenermaßen reiches Land, von 10,0 % kommend bei 8,8 % landen wird, dass NordrheinWestfalen von 9,4 % kommend bei 8,4 %, Schleswig-Holstein von 10,0 % kommend bei 8,5 % landen wird und selbst im Superland Bayern die Investitionsquote von 16,9 % auf 15,6 % sinken wird.