Protocol of the Session on November 15, 2001

Wir haben in Niedersachsen leider eine Regierung, die alle diese negativen Entscheidungen mitgetragen und damit gegen die Interessen der Arbeitnehmer und der mittelständischen Wirtschaft in Niedersachsen gehandelt hat. Die Unternehmerverbände haben deshalb auch festgestellt: Bei allen wesentlichen Themen auf Bundesebene hat uns Gabriel nicht unterstützt oder in letzter Minute einen Rückzieher gemacht.

Die Lage am Arbeitsmarkt ist in Niedersachsen noch schlechter als in den übrigen westdeutschen Bundesländern. Wir haben im ersten Halbjahr lediglich ein Wachstum von 0,5 % gehabt. Das ist deutlich weniger als in allen anderen westdeutschen Bundesländern. Wir befinden uns also nicht in einem Aufholprozess, wie uns manchmal weisgemacht wird, sondern es ist leider so, dass sich die Schere zu den starken Bundesländern immer weiter öffnet, und zwar zulasten Niedersachsens und zugunsten der starken, insbesondere der südlichen Bundesländer einschließlich Hessen. Wir haben leider die zweithöchste Arbeitslosigkeit in Westdeutschland. Bei den Insolvenzen haben wir ein Plus von 30 % - das ist mehr als der Durchschnitt - zu verzeichnen. In Deutschland sind es auch 19 %. Aber die Zahl bei uns ist fast doppelt so hoch.

Insbesondere die Bauwirtschaft befindet sich in einer schweren Krise. Beim Umsatz ist ein Minus von 14 % zu verzeichnen. Die Zahl der Baugenehmigungen geht um 7 % zurück. Die Entwicklung beim Tiefbau hält sich einigermaßen, aber auf ausgesprochen niedrigem Niveau. Der Anstieg bei den Insolvenzen beträgt 33 %. Allein im Baubereich werden 11 000 Arbeitsplätze abgebaut.

Die Bauwirtschaft ist besonderen Belastungen ausgesetzt. Die öffentlichen Investitionen werden gekürzt. Die Eigenheimzulage ist abgebaut worden. Es sind Kürzungen beim Wohnungs- und Städtebau vorgenommen worden. Wir brauchen uns nur den Haushalt 2002/2003 anzuschauen. Zu der Verlängerung der Abschreibungsfristen hatte ich schon etwas gesagt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Deshalb braucht Niedersachsen eine Mittelstandsund Investitionsoffensive für Innovation, Wachstum und Arbeitsplätze. Wir brauchen eine Vorfahrt für Investitionen. Die Investitionsquote im niedersächsischen Landeshaushalt befindet sich mit 9,6 % auf dem niedrigsten Stand der Geschichte. Sonst lag sie immer bei über 10 %, was auch noch nicht bedeutend ist; denn der Umfang unseres Haushalts liegt bei etwa 40 Milliarden DM, während das Haushaltsvolumen in Bayern rund 60 Milliarden DM beträgt. Daher sind 10 % in Bayern 6 Milliarden DM, und bei uns sind es eben nur 4 Milliarden DM. Das muss man auch einmal sehen. Die Investitionsquote allein ist daher nur bedingt aussagekräftig. Aber die niedersächsische Regierung hat es geschafft, dass wir die schlechteste Investitionsquote haben.

Niedersachsen hat einen erheblichen Nachholbedarf bei Infrastrukturmaßnahmen. Rund 45 % unserer Landesstraßen haben mittlere bis schwere Schäden. Daran zeigt sich, dass es falsch war, Anfang der 90er-Jahre das Straßenbauprogramm radikal zurückzuführen

(Beifall bei der CDU)

und aus dem Bundesverkehrswegeplan völlig auszusteigen. Das mag zwar schöne ökologische und grüne Träumerei sein. Für die Infrastruktur des Landes entsteht dadurch ein erheblicher Schaden.

(Frau Steiner [GRÜNE]: Investitionen in die Bahn bringen keine Arbeits- plätze?)

- Durch Investitionen in die Bahn könnten in erheblichem Umfang Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn die Bahn es denn schaffen würde, die vorhandenen Mittel auch in Niedersachsen einzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Das Problem besteht ja gerade darin, Frau Kollegin, dass es nicht gelungen ist, die dankenswerterweise bereitgestellten Investitionsmittel tatsächlich für Baumaßnahmen einzusetzen. Was nützt es denn, wenn ein Riesenprogramm aufgelegt wird, Mittel bereitgestellt werden, aber niemand in der Lage ist, diese Mittel in Aufträge umzuwandeln? Damit wird doch kein Arbeitsplatz geschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Daran möchte ich gleich das nächste Beispiel anschließen. Wir haben in diesem Jahr - ich glaube, erstmalig - bei der Krankenhaussanierung den Fall, dass das Land den Kommunen 120 Millionen DM zurückzahlt. Das ist für die Kommunen ja schön. Aber bei den Kommunen gibt es eine Krankenhausumlage, damit nach und nach alle Krankenhäuser saniert bzw. auf den neuesten Stand gebracht werden können. Der Baubedarf in diesem Bereich beläuft sich aktuell auf mehr als 2 Milliarden DM. Dass man es in einer solchen Situation nicht schafft, 120 Millionen DM in den Markt zu bekommen, ist auf die völlig verkorkste Politik dieser Landesregierung zurückzuführen.

(Groth [SPD]: Kann es sein, dass die Kommunen das nicht abgenommen haben? Vielleicht sind Sie nicht ganz im Bilde!)

- Die Kommunen haben das durchaus abgenommen. Ich will Ihnen aber sagen, woran es lag: Es lag daran, dass eine Ministerin meinte, sie müsse in Hannover etwas Gutes tun, und dem NordstadtKrankenhaus Mittel zugewiesen hat, obwohl es dort noch keine Planungsunterlagen gab.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe nichts gegen Hannover und auch nichts gegen das Nordstadt-Krankenhaus. Aber ich habe etwas dagegen, wenn man aus falsch verstandenem Patriotismus oder weil man jemanden kennt, der in der Stadt Hannover Verantwortung trägt, gegen den Rat der Experten Krankenhausmittel zuweist, die dann zurückgegeben werden müssen, weil kei

ne Planungsunterlagen vorhanden sind und daher überhaupt nicht gebaut werden kann.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Sie betreiben Legendenbil- dung!)

Dies hat dazu geführt, dass an anderer Stelle nicht gebaut werden konnte, weil keine entsprechenden Mittel bewilligt worden waren; das ist Fakt. Die 120 Millionen DM hätten durchaus geholfen.

Im Interesse der Bauwirtschaft müssen die im Haushalt ausgewiesenen Investitionen voll ausgeschöpft werden. Wir sollten auch versuchen, die Investitionsmaßnahmen des Landes, z. B. bei Landesstraßen und im Hochbau, vorzuziehen. Das ist nichts Ungewöhnliches. Gestern kam im Haushaltsausschuss wieder eine Vorlage auf den Tisch, die vorsah, Personaleinstellungen vorzuziehen. Was bei Personaleinstellungen möglich ist, muss doch auch bei Investitionsmaßnahmen möglich sein.

(Beifall bei der CDU)

Unser Immobilienbesitz muss dafür eingesetzt werden, an anderer Stelle Baumaßnahmen durchzuführen. Das Immobilienmanagement beginnt ja mit der Arbeit. Aber es müsste an dieser Stelle noch mehr getan werden. Wir müssen dringend überlegen, ob wir in Niedersachsen nicht - wie in anderen Bundesländern auch - eine kommunale Vorfinanzierung von Landesstraßen durchführen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Emsländer finanzieren sogar eine Autobahn vor. Wir müssen offensiver die Möglichkeit der privaten Finanzierung öffentlicher Infrastruktur auch im Straßenbau nutzen. Das jedoch, was der Bundesverkehrsminister jetzt vorhat, nämlich Autobahnen in großen Losen privat vorfinanzieren zu lassen, wird die heimische Wirtschaft nicht schaffen. Wenn wir das tun, dann werden wir es wahrscheinlich erleben, dass ausländische Baukonzerne hier die Aufträge wegfischen. Daher muss es bei uns so gestaltet werden, dass unsere Bauindustrie, unsere Handwerker, unser Mittelstand eine faire Chance erhalten, mitzubieten und nicht wegen der Größe von vornherein ausgeschlossen sind.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung muss endlich etwas zur Bekämpfung der Krise in der Bauwirtschaft und im Bauhandwerk tun. Unsere Vorschläge - als Bei

spiel sei die steuerliche Absetzbarkeit von Bauhandwerkerrechnungen genannt - liegen vor. Bisher hat die Landesregierung nicht gehandelt. Wir haben ein so genanntes Bündnis für Arbeit und Arbeitsmarktpolitik. Dies kommt aber nicht voran, weil sich der Ministerpräsident lediglich als Moderator und nicht Initiator versteht. Die CDU-Landtagsfraktion beantragt deshalb die Einsetzung eines ad-hoc-Ausschusses „Impulse für Mittelstand, Investitionen und Beschäftigung“, um das Parlament, also uns alle, die gewählten Vertreter der Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens, zuständig zu machen und gleichzeitig zu zeigen, dass wir für diesen krisengeschüttelten Teil der Wirtschaft, nämlich die Bauwirtschaft, die Verantwortung übernehmen wollen. Das Parlament muss das Heft des Handelns in die Hand nehmen.

Ich beantrage für diesen Punkt sofortige Abstimmung.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab möchte ich zur CDU-Fraktion Folgendes sagen: Ich glaube, alle Fraktionen im Landtag nehmen die Lage in der Bauwirtschaft bzw. am Arbeitsmarkt in Niedersachsen sehr ernst. Das haben die Fraktionen dadurch dokumentiert, dass sie in den vergangenen Monaten entsprechende Anträge eingebracht haben. Allein die Entschlussfreude scheint mir ein bisschen zu gering entwickelt zu sein. Zumindest im Wirtschaftsausschuss ruhen einige unserer Initiativen bereits seit mehr als einem Jahr und warten darauf, auch von der CDU-Fraktion entsprechend zügig beraten zu werden.

(Zuruf von der CDU: Wer hat denn die Mehrheit?)

Angesichts der zugespitzten Lage scheint der Union aus dem konservativen Instrumentarium der Wirtschaftspolitik nichts mehr einzufallen. Jetzt schwenkt sie sogar auf Notprogramme, auf Konjunkturprogramme à la Keynes um, allerdings ohne die entsprechenden Finanzierungsvorschläge mitzuliefern. Wir wissen doch inzwischen alle, dass in dieser Schlichtheit weder das eine, die Angebotspolitik, noch das andere funktioniert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllring?

Nein; denn ich habe - im Gegensatz zu Ihnen - nur eine kurze Redezeit.

(Zuruf von der CDU: Das ist gut so! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wenn man heute über eine Ankurbelung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme nachdenkt, dann sollte man dies allenfalls im europäischen Rahmen und mit einer schlüssigen Finanzierung tun und als Bundesland keinen Alleingang unternehmen. Viele Forderungen Ihres so genannten Notprogramms halten wir zudem im normalen Vollzug bei der angespannten Lage schlicht für selbstverständlich. Alles, was getan werden kann, um beschleunigt ausfinanzierte öffentliche Investitionen auch zu beauftragen, ist zu tun. Anders ist dies aber bei der von Ihnen auch vorgeschlagenen privaten oder kommunalen Vorfinanzierung von Infrastrukturmaßnahmen. Dies lehnen wir entschieden ab, weil es doch nichts anderes als eine verdeckte Neuverschuldung ist, Herr Möllring, die Sie ja sonst immer kritisieren. Wir wollen doch keinen Schattenhaushalt bei den Kommunen oder bei Privaten errichten. Die Kosten müssten wir doch trotzdem tragen, wenn auch nur im laufenden Haushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der CDU-Vorschlag für einen ad hoc-Ausschuss zu diesem Thema erweist sich bei genauerer Betrachtung von gleicher Qualität wie die inhaltlichen Vorschläge: Klingt gut, bringt aber nichts. - Die gleiche Idee hatten Sie hier bereits vor einigen Monaten in der Enquete-Kommission vorgetragen, und diese Idee wurde abgelehnt, obwohl der Vorschlag immerhin noch den Vorteil hatte, dass man die anderen Akteure dauerhaft mit in die Beratung einbeziehen konnte. Unsere Geschäftsordnung lässt das bei einem förmlichen Ausschuss, wie Sie ihn beantragt haben, gar nicht zu. Was bringt dies dann? Übrigens ist es in Baden-Württemberg, worauf Sie sich ja beziehen, auch eine EnqueteKommission und kein Ausschuss.

(Möllring [CDU]: Aber wir haben nur noch zwölf Monate Zeit!)

Das haben Sie zwar schon versucht. Aber es ist nicht zielführend. Die notwendigen Anhörungen und Entscheidungen zur Belebung der Wirtschaft müssen Sie schon im Wirtschaftsausschuss vorantreiben. Dafür gibt es ja ein Gremium. Wir sind dafür, und bei guten Vorschlägen kriegen Sie unsere Unterstützung. Denn Ihre Kritik am geringen Erfolg des Bündnisses für Arbeit in Niedersachsen teilen wir. Auch sind wir sicherlich gemeinsam daran interessiert, dass die mangelnde Einbindung des Parlaments bei dieser Frage geändert wird. Im Wirtschaftsausschuss ist Ihre Entschlussfreude aber leider bisher nicht so entwickelt, dass wir zu den notwendigen Entscheidungen kommen. Unser Antrag z. B. zum Landesvergabegesetz, der gestern endlich von der SPD-Fraktion aufgegriffen wurde, wird schon seit 1999 von CDU und SPD wechselseitig vertagt.

Erfolg versprechende und wirkungsvolle Maßnahmen zur Beschäftigungs- und Mittelstandsförderung müssen zielgenau und angesichts unserer Haushaltslage mit möglichst geringem Mitteleinsatz erfolgen. Die Lage ist so prekär, dass wir sogar bisherige Investitionsansätze auf den Prüfstand stellen müssen. Wir brauchen nicht ein undifferenziertes Notprogramm, sondern eine Differenzierung nach sinnvollen Investitionen oder Baumaßnahmen und Projekten mit hohen Mitnahmeeffekten. Die Wirtschaftsförderung ist in Niedersachsen aber leider durch Mitnahmeeffekte geprägt. Der Rechnungshof hat hierzu viele Beispiele ermittelt. Niemand weiß, ob und wie viele Arbeitsplätze dadurch entstehen. Dazu gibt es von uns den Antrag „Zielgenaue und transparente Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Unternehmen in Niedersachsen“, wozu in der nächsten Woche eine Anhörung stattfinden wird.

Bei der unternehmensbezogenen Wirtschaftsförderung wurden in den letzten Jahren häufig falsche Schwerpunkte gesetzt, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben. Das Beispiel SICAN und andere Beispiele sind uns allen wohl noch präsent.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Vergabe landeseigener Wirtschaftsfördermittel muss ein Controlling erhalten, um den Zielen der Wirtschaftspolitik gerecht zu werden. Hier muss insbesondere dokumentiert werden, wie viele Arbeitsplätze durch diese Förderung wirklich gesichert werden oder auch neu entstehen. Ins Blaue hinein hat das alles keine Effizienz.

Das Land Niedersachsen nutzt auch vorhandene Bundesförderprogramme noch nicht ausreichend, bei denen mit geringem eigenen Mitteleinsatz hohe Investitionssummen ins Land gezogen werden könnten. Ein gutes Beispiel dazu wäre unser Antrag für eine Informationskampagne Altbausanierung. Bei geringem eigenen Ansatz könnten Sie erhebliche Mittel aus dem milliardenschweren Bundesförderprogramm zur Altbausanierung und zur CO2-Minderung nach Niedersachsen lenken. Auch die DB-Millionen, die im Augenblick, Herr Möllring, leider noch ungenutzt sind, werden ja erhalten. Sie werden sich nicht in Straßenbaumittel umwandeln lassen. Der Bund hat sich schließlich entschieden, bis 2004 der Bahn Dispens zu gewähren, wenn nur ordentlich in die Planung investiert wird. Das könnte unserer Meinung nach auch im Voraus geschehen. Dann ist es, wie es bereits heute in den südlichen Bundesländern praktiziert wird, möglich, dass die Mittel wirklich abgerufen werden. In Niedersachsen wären genug Projekte vorhanden, ob es nun der Lückenschluss Jerxheim Dedeleben oder aber die Reaktivierung von Bahnstrecken wie Aurich - Abelitz, Einbeck - Salzderhelden oder Rinteln - Stadthagen wäre. Hier wäre ein riesiges Potenzial gegeben, bei dem der Bund erhebliche Bauinvestitionen tätigen könnte, wozu wir aber nur im Vorfeld für Planungen investieren müssten, um so in Niedersachsen die Bauwirtschaft anzukurbeln.

(Unruhe)

Ich bitte alle Fraktionen, in diesem Sinne ihre Ideen zusammenzuführen, endlich zügig zu beschließen und nicht Forderungen zu Dingen, die den normalen Vollzug betreffen, oder Forderungen, die versteckte Nebenhaushalte beinhalten, zu stellen und nicht, wie mit dem CDU-Vorschlag, ins Blaue zu schießen. - Vielen Dank.