Protocol of the Session on February 22, 2001

Fraktion der SPD positiv begleiten. Das ist nahezu selbstverständlich; denn wenn es um die Kleinen in unserer Gesellschaft geht, ist uns sicherlich keine Anstrengung zu groß, um alles so zu richten, dass die Kleinen auf jeden Fall gut versorgt werden.

Kinder - das ist sicherlich keine neue Erkenntnis haben auch als Patienten eine Sonderstellung. Kinder sind nun einmal keine kleinen Erwachsenen und benötigen eine weitaus höhere Versorgungsintensität, wobei die Eltern üblicherweise in die Pflege eingebunden werden.

Aber, Herr Schwarz, wenn ich mir einmal Ihren Antrag vornehme und den ersten Satz lese - „In Niedersachsen hat sich in den letzten zehn Jahren die pflegerische und medizinische Betreuung schwerstkranker Kinder deutlich verbessert“ -, dann muss ich z. B. hinsichtlich der Kinderklinik in der Medizinischen Hochschule sagen: Das ist nicht so. Da hat sich das verschlechtert, und zwar deshalb, weil dort wegen der Finanzknappheit Dienste in erheblichem Umfang abgebaut worden sind. Ich nehme an, dass wir im Ausschuss Gelegenheit haben werden, einmal Vertreter der Kinderklinik der MHH, d. h. der hämatoonkologischen Abteilung, der Kinderkrebsabteilung zu der Frage zu hören, wie sie das sehen; denn die MHH-Klinik hat eine Sonderstellung in Deutschland, und man kann das auch nicht allein auf die krebskranken Kinder beschränken. In Hannover haben wir mit die höchste Zahl an transplantierten Kindern, und es gibt auch andere schwerste Erkrankungen wie Hämamgiome, also Blutschwämme im Gehirn, die ebenfalls eine intensive Betreuung der Kinder erfordern.

Wir haben in der Kinderklinik leider eine Reduzierung von 198 auf jetzt 179 Betten zu verzeichnen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es musste sogar die interdisziplinäre Abteilung geschlossen werden. Das hat zur Folge, dass z. B. bauchoperierte Kinder nicht in der Kinderklinik, sondern auf der normalen chirurgischen Station liegen, und die neurochirurgisch operierten Kinder sollen zukünftig in das INI. Auch das ist ein Unding. Das ist keine Replik auf die gestrige Debatte, sondern das ist leider so, weil die Kinderklinik in Hannover nämlich nicht imstande ist, all diese Kinder aufzunehmen und entsprechend zu versorgen.

Leider ist es auch so, dass die psychosozialen Dienste, der Bereich der Beschäftigungstherapeu

ten und dergleichen mehr heruntergefahren worden sind. Das geht so weit, dass der ärztliche Direktor, Herr Prof. Welte, seine Privateinnahmen gänzlich sozusagen als Drittmittel zur Verfügung stellt, um Dienste zu fördern und sogar Ärzte einzustellen. Ohne die Hilfe der Carreras-Stiftung, der Deutschen Krebshilfe und des Elternvereins für krebskranke Kinder wäre diese Leistung, die jetzt fast nur rudimentär zur Verfügung steht, überhaupt nicht mehr zu erbringen.

Das heißt, hier ist ein Kahlschlag vorgenommen worden, den wir alle sicherlich nicht wollten. Er muss aber in diesem Kontext gesehen werden; denn wir müssen Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Kinderhospize möglichst nicht zusätzlich notwendig werden. Die Kinder sollen ja hier exzellent versorgt werden, damit sie in dieser schwierigen Phase in einem relativ guten gesundheitlichen Zustand entlassen werden können und dann unter Umständen in solch ein Betreuungszentrum kommen können, weil die Eltern eben nicht in der Lage sind, diese schwerstkranken Kinder mit der damit verbundenen psychischen Belastung zu Hause zu betreuen.

Das ist eine ausgesprochen schwierige Situation. Das ist völlig klar. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Voraussetzungen stimmen, d. h. dass die Kinderkliniken in Göttingen - das Beispiel ist genannt worden; die betrifft es ja ganz genauso - in den Stand versetzt werden, all diese Dienste hinreichend anzubieten, damit die Kinder dort wirklich optimal versorgt werden können. Aber zunächst einmal müssen eben die Betreuungsangebote in der Klinik selbst sehr gut sein, damit die Kinder dort auf einen guten Weg gebracht werden können.

Für die schwer- und schwerstkranken operierten Patienten gibt es in allen Bereichen schon Elternvereine und Selbsthilfegruppen, aber dies ist kein Argument gegen einen solchen Hospizgedanken, den Sie, Herr Schwarz, eigentlich in den Vordergrund gestellt haben. Ich habe mir einmal einige Einrichtungen angeschaut und überlegt, wie das aussieht.

Im „Löwenherz“ sind zehn Betten bei einem Kosten- bzw. Bauvolumen in Höhe von 3 Millionen DM geplant, und als Kostenträger sitzen, wie Sie richtig sagten, die Krankenkassen und Pflegekassen schon im Boot. Aber das reicht nicht aus. Ich habe mir im Vergleich dazu einmal die Kostenstruktur in anderen Hospizeinrichtungen angese

hen. Im Kinderhospiz „Balthasar“ in Olpe, das Sie auch in dem Antrag zitiert haben, gibt es acht Plätze, im „Bärenherz“ in Wiesbaden, das ein vernetztes Angebot darstellt, das aber auch den Hospizgedanken verfolgt, gibt es zehn Plätze, und es gibt noch eine Einrichtung - ich nenne hier einige Beispiele -, nämlich die „Villa Kunterbunt“ in Trier, die ein ganz anderes Angebot hat - zwar auch den Hospizgedanken, aber insgesamt eine beispielhafte Hilfe für die Eltern darstellt -, die überregional etwa 250 schwerstkranke Kinder, die verschiedenste Krankheiten haben, betreut. Das ist also ein Querschnitt durch die ganze Republik.

All diese Initiativen sind sehr lobenswert, aber man sagt auch, dass gerade die Hospizplätze trotz Spenden ein Defizit von 300 000 DM bis 500 000 DM pro Jahr haben, und darüber muss dann natürlich verhandelt werden. Dabei gilt es zu überlegen, wie man die trotz Beteiligung der Krankenkassen und Pflegekassen bestehenden Defizite in den Griff bekommt. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen, und ich finde - das ist ja keine Satzungsleistung, sondern eine freiwillige ergänzende Leistung -, dass wir unsere diesbezüglichen Bemühungen verstärken sollten.

Aber bei all diesen Überlegungen dürfen wir unsere Kinderkliniken, die die Voraussetzungen dafür schaffen, nicht vergessen. Wenn diese nämlich tatsächlich gute Angebote vorhalten könnten, dann wären solche Einrichtungen in einem geringeren Maße notwendig. Ich will nicht sagen, dass sie überflüssig werden würden, sondern ich bin ganz im Gegenteil der Meinung, dass wir alle wohl in die richtige Richtung denken. Aber die Voraussetzungen müssen verbessert werden, damit die betreffenden Angebote eben nur im äußersten Notfall nötig werden. Wir müssen die Voraussetzungen in den Kinderkliniken also verbessern, d. h. die finanziellen Ressourcen für die entsprechenden Abteilungen erhöhen, und sicherstellen, dass die dort geleistete exzellente Arbeit dazu führt, dass die Kinder in einem wirklich guten Zustand nach Hause entlassen werden, um dann gegebenenfalls in solche Einrichtungen zu kommen.

Die Kinder sind für die Familie primär keine Belastung, aber sie verändern die gesamte Tages- und Lebensstruktur einer Familie. Deshalb ist solch ein Angebot, das draußen gemacht werden kann, eine Hilfe für diese schwer kranken und schwerstkranken Kinder. Das ist aber kein einheitliches Bild. Es gibt viele internistische Erkrankungen, nicht nur chirurgische Erkrankungen oder Krebserkrankun

gen, die letzten Endes zum Tode führen. Das ist leider ein weites Spektrum. Deshalb muss meines Erachtens auch das Angebot relativ weit gefächert sein, und deshalb greift der Antrag vielleicht auch ein ganz kleines bisschen zu kurz.

Wir werden im Ausschuss darüber beraten, und wir werden wohl auch gemeinsam zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Ich meine, dass wir das nicht so singulär und eng betrachten sollte, sondern dass wir versuchen sollten, diese Angebote weit zu fächern, sodass wir möglichst allen einen gewissen Zugang verschaffen können. Ich meine, das wäre der richtige Weg. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Frau Janssen-Kucz spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war für meine Fraktion sehr erfreut, als dieser Antrag auf den Tisch kam, und wir werden ihn positiv begleiten.

Meiner Fraktion und mir ist der Antrag allerdings zu einseitig ausgefallen. Das wurde, wie ich fand, auch in den Redebeiträgen sehr deutlich. Das ist sehr breit gefächert. Es geht - das kommt in dem Antrag klar zum Ausdruck - um die Hospizbewegung, die wie auch die vielen unterschiedlichen Organisationen vor Ort und gerade in der Fläche dringend einer Unterstützung bedarf.

Daneben geht es - Herr Dr. Winn hat es sehr konkret geschildert - um die Ausstattung der Kinderkliniken. Für mich geht es dabei auch darum, wie Eltern in der Kinderklinik untergebracht und versorgt werden oder ob man über ein Modell wie in Münster mit einem Familienhaus nachdenken kann.

Das dritte Feld ist die gesamte psychosoziale und medizinische Betreuung vor Ort. Diese Kinder leben nämlich nicht nur im Umkreis von Hannover oder Göttingen, wo es eine halbwegs gute medizinische Versorgung gibt, sondern sie leben weit verteilt im ganzen Land Niedersachsen.

Ich will versuchen, Hinweise dazu zu geben, wie der Antrag insoweit ergänzt werden könnte. Ich meine, es reicht nicht aus, festzustellen, dass in den

letzten zehn Jahren im sozialen und medizinischen Bereich sehr viel passiert ist. Es wird auch nicht ausreichen – obwohl ich den Weg für richtig halte -, eine Bestandsaufnahme zu machen und eine verbesserte Information für die Eltern auf den Weg zu bringen. Die Probleme von Eltern schwerstkranker Kinder sind nämlich sehr vielfältig und kaum noch zu beschreiben, weil sie neben dem Überlebenskampf um ihr Kind einen Existenzkampf für den Erhalt der ganzen Familie führen, und zwar auch in materieller Hinsicht. Auch leben sie – das sollten wir nicht vergessen – zum größten Teil isoliert von der Umwelt, allein auf sich gestellt; denn viele Freunde und Bekannte verabschieden sich in solchen Situationen, weil sie damit nicht umgehen können.

Neben der bestmöglichen Betreuung der schwerstkranken Kinder brauchen wir dringend Hilfen für Eltern und Geschwister in diesen schweren psychischen, physischen und Existenz bedrohenden Ausnahmesituationen. Die Elternselbsthilfegruppen haben einen sehr großen Anteil an der positiven Entwicklung in der pflegerischen, medizinischen Betreuung schwerstkranker Kinder und auch an der psychosozialen Begleitung während lang andauernder Therapien.

Herr Dr. Winn, Sie haben geschildert, was alles über den Elternverein bzw. über Professor Welte an der MHH organisiert und finanziert wird. Eigentlich ist es ein Trauerspiel. Ich meine, wir sollten uns im Rahmen der Ausschussberatung noch einmal vor Ort mit der Kinderklinik auseinandersetzen

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

und uns umfassend darüber informieren, welches Angebot betroffene Eltern vorhalten. Diese positive Entwicklung hat die Eltern und auch die anderen Spenden- und Stiftungsgeber viel Geld und ehrenamtliche Arbeit gekostet. Dem Ehrenamt dieser Selbsthilfegruppen haben wir es zu verdanken, dass die Defizite nicht nur des Landes, sondern eigentlich des Staates insgesamt insbesondere in diesen Ausnahmesituationen nicht weiter eskalieren, sondern dass Hilfen aufgebaut worden sind und dass sie weiter ausgebaut werden. Das sollten wir begleiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Deshalb sollten wir nicht bei der geplanten Bestandsaufnahme bleiben, sondern die Selbsthilfegruppen und deren Angebote sollten mit einfließen. Sie sollten unterstützt werden, aber sie brauchen auch professionelle Unterstützung; denn dieser Motor darf nicht ins Stottern kommen.

Die Betroffenen brauchen dringendst und umgehend ein differenziertes flächendeckendes und wohnortnahes Angebot zur Versorgung und Betreuung schwerstkranker Kinder. Es kann nicht angehen, dass sich die Betroffenen scheibchenweise Informationen zusammensuchen müssen und es letztendlich dem Zufall und auch der Stärke der Eltern überlassen bleibt, ob sie diese Hilfen finden oder nicht. Deshalb möchte ich jetzt noch ganz kurz – auch wenn meine Redezeit abgelaufen ist – noch ein paar Punkte für die Beratung im Ausschuss ergänzen.

Ich meine, dass die Beratungskompetenz des Medizinischen Dienstes dringend ausgebaut werden muss. Vielleicht kann man mich widerlegen, aber ich persönlich habe eigentlich sehr negative Erfahrungen mit dieser so genannten Beratungskompetenz gemacht und höre das auch immer wieder von anderen Eltern.

Wir brauchen ein flächendeckendes Angebot zur psychosozialen Betreuung, z. B. in Form von mobilen Diensten. Auch müssen Wege gefunden werden weg von den partiellen Hilfen mit einer „Komm-Struktur“ – ich muss mich erst dahin bewegen, aber vielleicht kann ich mich in dieser Situation gar nicht mehr hinbewegen – hin zu kontinuierlichen Angeboten, die auf die Betroffenen zugehen. Auch muss es eine Instanz geben, die für die Betroffenen mit den unterschiedlichen Kostenträgern verhandeln. Es sind nicht nur die Kostenträger, mit denen das Land im Rahmen der Einrichtung eines Hospizes verhandeln muss. Die Betroffenen selber müssen mit unterschiedlichen Kostenträgern verhandeln, und die kriegen die damit verbundene Papierflut oftmals gar nicht mehr geregelt. Ich habe es vermieden, Ihnen zwei dicke DIN A 4-Ordner über meinen eigenen Vorgang mitzubringen, der uns permanent begleitet. Die Familien brauchen ihre Kraft für anderes als für diese Auseinandersetzung.

(Lebhafter Beifall im ganzen Haus)

Was wir gleichzeitig brauchen, ist das Anschieben von Pilotprojekten zur Betreuung und Unterstützung von betroffenen Familien gerade im ländli

chen Raum. Vielleicht kann man sie an die Beratungsstellen für Frauen, Familie und Beruf ankoppeln, um damit ein wohnortnahes Angebot zu schaffen, damit die Kinder in ihrem sozialen Umfeld bleiben können.

Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit wurde noch einmal angesprochen. Sie ist dringendst erforderlich. Man kann nicht von Pontius zu Pilatus rennen und selber dafür sorgen.

Ich möchte noch etwas anregen; das könnte eine gemeinsame Bundesratsinitiative werden. Eine Veränderung der Pflegeversicherung ist dringend notwendig. Sie ist nämlich zu sehr medizinisch ausgerichtet, während das Leben mit schwerstkranken Kindern, oftmals verbunden mit Schwerstbehinderung, eine ganzheitliche Sichtweise verlangt.

Im Pflegeversicherungsgesetz gibt es keine klare Regelung der Anspruchsberechtigung von Kindern mit Behinderungen. Die ist aber erforderlich. Die nach dem Gesetz erlassenen Begutachtungsrichtlinien werden Kindern auch nicht gerecht und müssen dringendst ergänzt werden. Das möchte ich gern für die Ausschussarbeit anregen. – Danke schön.

(Starker Beifall im ganzen Hause)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe daher die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer dem Vorschlag folgen möchte, den Antrag zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Sozialund Gesundheitswesen zu überweisen, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist so beschlossen.

Ich rufe vereinbarungsgemäß zusammen auf

Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung: Gemeinsam für die Zukunft Niedersachsens, für die Zukunft der Bundeswehr in unserem Bundesland - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2207

und

Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Bundeswehr in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2222

Für die CDU-Fraktion wird der Kollege Althusmann den Antrag einbringen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die Soldaten, für die Mitarbeiter der Bundeswehr in Niedersachsen waren es bittere Wochen seit dem 29. Januar. Denn seit dem 29. Januar kennen wir zwar in etwa die Strukturen für die Verkleinerung der Bundeswehr in Niedersachsen, aber hin und wieder jagte dann doch eine Meldung nach der anderen durch das Land.

Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es den Verantwortlichen der SPD auf Bundesund Landesebene womöglich nicht mehr ganz so ernsthaft um die Zukunft der Bundeswehr, unserer Soldaten, ihrer Familien und ihrer zivilen Mitarbeiter in Niedersachsen geht. Wir haben den Eindruck, dass es ihnen im Prinzip nur noch um Nachsorge und vermutlich insbesondere auch um das Zusammenkehren eines Scherbenhaufens geht, der die Bezeichnung „Reform der Bundeswehr“ tatsächlich nicht mehr im Ansatz verdient.