Protocol of the Session on February 21, 2001

Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Gabriel ist da. Herr Dr. Biester, Sie haben jetzt das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hunderttausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen erfüllen gewissenhaft ihre Arbeit: in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst von der Beendigung der Ausbildung bis zum Eintritt in das reguläre Renten- und Pensionsalter. Sie alle empfinden es als einen Schlag ins Gesicht, feststellen zu müssen, dass in Niedersachsen ein politischer Beamter unter Gewährung ungekürzter Pension in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird. Es handelt sich dabei um einen Beamten, der unstreitig gesund ist, der voll leistungsfähig ist,

(Beckmann [SPD]: Sie wissen das al- les?)

der unstreitig in seiner Amtsführung keine Fehler begangen hat, der gegenüber der Landesregierung in der Vergangenheit stets loyal war.

Warum also handeln der Minister und der Ministerpräsident so? Eine Erklärung ist im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen nicht erfolgt, weil beide von der nach der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit, sich dort zu erklären, keinen Gebrauch gemacht haben.

Für uns sind drei Ursachen denkbar: Die erste Möglichkeit ist, der Beamte hat Unlust an der Fortsetzung seiner Arbeit signalisiert, und die Landesregierung hat dem widerstandslos nachgegeben. Die zweite Möglichkeit ist, der frühere Ministerpräsident Glogowski hat dem Beamten natürlich rechtswidrig - eine entsprechende Zusage gegeben, die sein Nachfolger nun einlösen muss. Die dritte Möglichkeit ist, der Beamte drohte mit Enthüllungen über die wahren Gründe, wie wir seit zwei Tagen hören können, und die Landesregierung hatte Grund, solche Enthüllungen zu fürchten, und gab dieser Drohung nach.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei der Bewertung dieser drei Möglichkeiten mit letzterer beginnen.

Wir wissen durch die öffentlichen Aussagen des Büroleiters Unger, dass es eine solche Äußerung des Herrn Minnier gab, und wir wissen, dass sie aktenkundig gemacht wurde. Entweder wusste die Landesregierung bei ihrer Entscheidung nicht, dass es diesen Vermerk gab - dann hätte sie die Entscheidung aufgrund einer unvollständigen und damit falschen Tatsachenfeststellung getroffen bzw. vollzogen, sodass die Entscheidung schon deshalb rechtswidrig wäre -, oder aber, was schlimmer wäre, die Landesregierung kannte diesen Aktenvermerk, wusste von der Drohung, verschwieg dies sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch gegenüber dem Landtag und entschied zugunsten des Beamten. Dann hätte sie sich - der Verdacht liegt nahe und muss auch ausgesprochen werden - von dieser Drohung beeindrucken und damit erpressen lassen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Eine solche Drohung ist derart gravierend, dass man sie nicht verschweigt und zugunsten des Drohenden entscheidet, sondern eine solche Drohung hätte zwingend disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen müssen, wenn die Landesregierung nichts zu befürchten hat.

Die zweite Möglichkeit, die Einlösung eines Versprechens, halten wir natürlich für möglich nach all dem, was wir über die Amtsführung des Ministerpräsidenten a. D. Glogowski wissen, nicht zuletzt durch den Untersuchungsausschuss.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Aber ich meine nicht, dass wir weitere Ausführungen dazu machen müssen, dass das natürlich rechtswidrig wäre.

Als dritte und letzte Möglichkeit bleibt, dass die Landesregierung auf die geäußerte Unlust des Beamten zur Arbeit ohne Hinzutreten weiterer Umstände mit der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand reagierte, weil, so der Versuch einer Erklärung, der Minister des Inneren berechtigte Zweifel an der zukünftigen Amtsführung hegte. Diese Version - nur diese Version - war Gegenstand eines Gutachtens des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, dessen Auftraggeber übrigens bis heute anonym geblieben sind. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hatte keine Kenntnis von dem Vermerk des Herrn Unger, weil der GBD keine Einsicht in die Personalakten hatte.

(Möllring [CDU]: Plaue, hör zu!)

Ich zitiere jetzt einmal aus dem Gutachten, das Sie kennen. Dort heißt es wörtlich:

„Der GBD hat also keine Einsicht in die vom Ausschuss für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht angeforderten, aber nicht vorliegenden Akten genommen.“

(Eveslage [CDU]: Hört, hört! - Möll- ring [CDU]: Dann hat Glogo ja gelo- gen!)

Ich finde es deshalb unglaublich, dass Sie heute Morgen wider besseren Wissens im Plenum eine gegenteilige Behauptung aufgestellt haben.

(Starker Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Gutachten des GBD ist schon deshalb falsch, weil der GBD nicht alle Fakten kannte. Das Gutachten ist aber auch deshalb deutlich anzuzweifeln, weil der GBD als wahr unterstellt und nicht überprüft, ob die Gleichung „Wer nach vorzeitiger Pensionierungsmöglichkeit fragt, der wird zukünftig nicht mehr loyal sein“ wirklich zwingend ist.

(Lachen bei der CDU)

Aus unserer Sicht ist dies nicht so, sondern wir meinen, dass zur Rechtfertigung einer solchen weit reichenden Prognose schon weitere objektivierbare Umstände hinzukommen müssen. Die bloße Tatsache, dass der Beamte eine sensible Behörde leitet, auf die Sie immer wieder hinweisen,

(Frau Elsner-Solar [SPD]: Hochsensi- bel!)

reicht dazu nicht aus. Er ist ein politischer Beamter; deshalb kann man aber nicht ohne weiteren sachlich zu rechtfertigenden Grund eine solche Entscheidung treffen.

Die SPD-Fraktion wird unseren Antrag heute ablehnen.

(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Sie hat heute Morgen auch deutlich erklärt, sie möchte dieses Thema mit dem heutigen Tage beendet wissen. Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen wissen, dass damit die berechtigten Zweifel der Öffentlichkeit an dieser Entscheidung nicht beseitigt werden.

(Starker Beifall bei der CDU)

Sie setzen also wieder einmal auf die Vergesslichkeit des Bürgers. Eine rechtsstaatliche Überprüfung dieser Entscheidung, die allein die fortbestehenden Zweifel beseitigen könnte, scheuen Sie und wollen Sie unterbinden.

(Beifall bei der CDU)

Dies kann Ihnen, Herr Ministerpräsident, Herr Minister, doch eigentlich gar nicht recht sein; denn diese Zweifel bleiben nun einmal in dieser Form bestehen. Das hat auch der niedersächsische Verfassungsgeber gesehen, indem er Ihnen als Mitgliedern der Landesregierung die Möglichkeit gegeben hat, dann eben selbst dem Staatsgerichtshof diese Frage zur Prüfung und Entscheidung vorzulegen. Die CDU-Fraktion fordert Sie deshalb auf: Machen Sie den Weg frei, gehen Sie diesen von der Verfassung gewählten Weg, und verstecken Sie sich nicht hinter der Mehrheit der SPDFraktion!

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Adam, Sie sind der nächste Redner.

(Zurufe von der CDU: Plaue! - Unru- he - Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Zuruf von Eveslage [CDU])

- Ein sehr interessanter Zwischenruf, Herr Eveslage!

(Frau Harms [GRÜNE]: Was hat er denn gesagt? - Frau Pawelski [CDU]: Was hat er gesagt?)

Mit diesen Zwischenrufen zeigen Sie auch, wie ernst Sie Ihren eigenen Antrag nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich wollte meine Rede eigentlich nicht damit beginnen, dass ich noch einmal in Erinnerung rufe, dass Herr Wulff im Herbst 2000 seinen Geschäftsführer Grund im Alter von 56 Jahren mit einer Besoldung von B 5 in Pension geschickt hat und dass der Steuerzahler bis zum 65. Lebensjahr des Herrn Grund 942 000 DM bezahlen muss.

(Beifall bei der SPD)

Ich wollte auch nicht darauf hinweisen, dass vor vielen Jahren die damalige Umweltministerin Merkel Herrn Stroetmann als Staatssekretär entlassen hat, weil sie mit ihm nicht klar kam, und auch Herr Stroetmann die Ansprüche, die andere hatten, geltend gemacht hat.

(Zurufe von der CDU - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Auch darauf wollte ich eigentlich nicht hinweisen, weil, meine Damen und Herren, beide nach Gesetzesregelungen so handeln konnten. Aber ich sage auch: Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, seit der ersten Beratung dieses Antrags - Herr Kollege Dr. Biester, wir unterhalten uns über einen Antrag, der „Ministeranklage vor dem Staatsgerichtshof“ und nicht

anders heißt - ist nicht nur die Sachlage, sondern auch die Rechtslage eindeutig:

(Eveslage [CDU]: Es ist gut, dass ihr das gemerkt habt!)