Protocol of the Session on December 15, 2000

Bei dieser Besprechung haben Beamte der zuständigen niedersächsischen Behörden - des Gewerbeaufsichtsamtes Braunschweig, des NLÖ und des MU - teilgenommen. Hierbei wurden Fotos einzelner, im so genannten heißen Labor geöffneter Abfallfässer gezeigt und durchgeführte Maßnahmen erläutert. Im Laufe des gestrigen Tages sind uns Fotos von der bisherigen Umpackaktion übermittelt worden. Messprotokolle und nachvollziehbare Unterlagen waren nicht dabei.

Gestern Abend wurden uns auszugsweise ein so genanntes Umpackdatenblatt, einige Fotos, eine handschriftliche Aufzeichnung zu Trocknungsvorgängen sowie in einem Fall das Auswerteformular eines Gammascans per Fax übermittelt. Im Anschreiben teilt GKSS mit:

„Angesichts der Notwendigkeit einer kurzfristigen Stellungnahme können wir derzeit nicht alle Ihre Fragen erschöpfend beantworten. Das Öffnen der noch vorhandenen 16 betonierten Gebinde mit gleich deklariertem Inhalt wird aus unserer Sicht zur Klärung der noch offenen Fragen beitragen.“

Sie werden verstehen, dass ich vor diesem Hintergrund meine Ankündigung, noch in dieser Woche das abschließende Ergebnis unserer Prüfungen vorzulegen, leider nicht einhalten kann. Wir arbeiten weiterhin mit Hochdruck an der Klärung der Sachlage, sind aber auf weitere vertiefende Zulieferung von Informationen aus Schleswig-Holstein angewiesen.

Es besteht Einvernehmen zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein, dass die noch offenen Fragen mit der gebotenen Sorgfalt und Gründlichkeit untersucht und mit allen möglicherweise notwendigen Konsequenzen offengelegt werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu 1: Die inzwischen vorgenommenen Prüfungen bei dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig, beim NLÖ und in meinem Hause haben ergeben, dass u. a. auch die beanstandeten 16 Stück 200-l-Abfallfässer im Jahre 1979 bzw. ein Fass im Jahre 1984 von der Firma Amersham Buchler zur Aufbewahrung in die Landessammel

stelle Geesthacht beim Gewerbeaufsichtsamt angemeldet wurden. Die 200-l-Fässer waren deklariert mit folgender Bezeichnung: „feste, schwachradioaktive Abfälle, die hinsichtlich der Art, Beschaffenheit, Verpackung und Konditionierung den Bedingungen für die Lagerung von schwachradioaktiven Abfällen im Salzbergwerk Asse entsprechen.“

Weiterhin wurde damals von der Firma Amersham Buchler bestätigt, dass in den Abfällen keine faulund gärfähigen Stoffe enthalten sind. Nach Zustimmung der niedersächsischen Aufsichtsbehörden waren diese Fässer dann an die Landessammelstelle Geesthacht geliefert worden, und von dort war deren ordnungsgemäße Ablieferung gemäß der damaligen Benutzungsordnung bestätigt worden.

Bei diesen Fässern handelte es sich, wie aus den Unterlagen ersichtlich ist, um betonierte Gebinde. Die weitere Auswertung und Recherche, welche Stoffe und Radionuklide im Einzelnen einbetoniert worden waren und ob ein Verstoß gegen die damaligen Annahmebedingungen gegeben sein könnte, sind noch nicht abgeschlossen. Hierzu ist es auch erforderlich, dass seitens der GKSS als Betreiber der Landessammelstelle deren heutige Untersuchungsbefunde wie z. B. Messergebnisse, Messprotokolle und festgestellte Aktivitätsinventare, Angaben zu den von der GKSS laut Pressemeldung festgestellten freien Flüssigkeiten, gegebenenfalls Quellen, Bleiabschirmungen usw. vorgelegt werden. Ich habe den Betreiber der Landessammelstelle und die Behörden in SchleswigHolstein gebeten, die entsprechenden Informationen verfügbar zu machen, um die vorgebrachten Einschätzungen einer unrechtmäßigen Einlagerung nachvollziehen und die möglichen Ursachen hierfür aufklären zu können.

Wegen des Stands der Sachaufklärung kann ich nicht bestätigen, wie es die Firma Nycomed Amersham in einer Presserklärung für sich in Anspruch nimmt, dass sie absolut untadelig gearbeitet hat. Aber, meine Damen und Herren, genauso wenig lässt sich derzeit der Schluss ziehen, dass die Firma gegen die Benutzungsordnung der Sammelstelle für radioaktive Abfälle in Geesthacht verstoßen habe. Wenn wir nachvollziehbare Unterlagen erhalten, kann sich diese Einschätzung in die eine oder andere Richtung ändern. Und wenn sich herausstellt, dass es zu Verstößen gegen die Bestimmungen gekommen ist, dann wird dies Konsequenzen haben.

Bei einigen Punkten allerdings, die vonseiten der GKSS als Verstöße benannt wurden, gibt es Irritationen. Ich möchte das an den Bleiabschirmungen einmal exemplarisch erläutern.

Die GKSS moniert, dass die Bleiabschirmung in einem Fass in den Papieren nicht ausgewiesen sei. Dazu muss man zweierlei wissen: Erstens. Bleiabschirmungen werden aus Gründen des Strahlenschutzes eingesetzt, auch heute. Zweitens. Bleiabschirmungen müssen nicht eigens deklariert werden, auch heute nicht. Entscheidend für die Einlagerung sind nämlich die Aktivität im Fass und die Oberflächendosisleistung, also die Messung außen. Die Papiere enthalten beide Angaben. Wer die beiden Angaben sieht, kann bei den fraglichen Stoffen erkennen, ob das Fass eine Bleiabschirmung hat oder nicht - die Fachleute können das jedenfalls.

Wer diese Messdaten nicht zur Verfügung hat, der kann auch Rückschlüsse aus der Gewichtsangabe des Fasses ziehen, die ebenfalls in den Papieren verzeichnet ist. 200-l-Fässer, die mehr als 500 kg wiegen, enthalten in der Regel Bleiabschirmungen, ganz einfach deshalb, weil ein solches Gewicht mit Betonfüllungen allein nicht zu erreichen ist.

Zu 2: Im Zuge der Auslagerung der in der Landessammelstelle Steyerberg befindlichen 1.485 Abfallfässer und vor dem Abtransport nach Leese sind alle Fässer überprüft worden. Sie wurden darauf überprüft, ob sie die nach den Bestimmungen der Gefahrgutverordnung Straße zulässigen Werte für Dosisleistung und für die äußerliche Kontamination einhalten. Zusätzlich wurden die Fässer allseitig im Hinblick auf Korrosion und mechanische Integrität inspiziert.

Hierbei wurden 61 Fässer mit verschiedenen Alterungserscheinungen festgestellt, die auf eine überlange Zwischenlagerzeit zurückzuführen sind. Hierbei handelt es sich um 21 Fässer mit Außenkorrosion, 28 Fässer mit erhöhtem Innendruck, zwei Fässer mit Außenkorrosion und erhöhtem Innendruck, acht Fässer mit erhöhter Dosisleistung, ein Fass mit handhabungsbedingter mechanischer Beschädigung und ein Fass ohne Dichtungsring.

Alle 61 Fässer wurden durch Einstellen in Überfässer transportfähig gemacht und in den Betrieb Braunschweig der Firma AEAT verbracht. Dort werden sie überprüft - auch hinsichtlich ihrer Deklaration - und nach dem jeweiligen Votum des

Gutachters für eine weitere Zwischenlagerung gesichert.

Für die ordnungsgemäße Deklaration der von der Landessammelstelle Steyerberg angenommenen Abfälle im Hinblick auf die Übereinstimmung mit der jeweils gültigen Benutzungsordnung war der Ablieferer, im Wesentlichen die Firma Amersham Buchler, verantwortlich, die dies durch rechtsverbindliche Unterschrift der verantwortlichen Person in den Begleitpapieren bestätigt hat.

Seit Inbetriebnahme der Landessammelstelle Steyerberg im Jahr 1981 fand anhand einer Checkliste eine vollständige Kontrolle der angenommenen Fässer durch Bedienstete des Landes statt. Insbesondere wurden Fässer mit festen, nicht zerkleinerten Abfällen wie z. B. Geräten, Strahlenquellen usw. vor dem Vergießen mit Beton im Betrieb der Firma Amersham Buchler besonders in Augenschein genommen. Die dabei bei einzelnen Fässern festgestellten Unregelmäßigkeiten, die zum Teil auf unterschiedliche Auslegung von Bestimmungen der Benutzungsordnung zurückzuführen waren, wurden mit der Firma und den zuständigen Behörden des Landes erörtert und geklärt, sodass diese Fässer anschließend durch die Landessammelstelle Steyerberg angenommen werden konnten.

Nach dem aktuellen Stand der Prüfungen, die noch nicht abgeschlossen sind, gibt es bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass Inhalt und Deklaration des aus Steyerberg nach Leese verbrachten Abfallbestandes nicht übereinstimmen.

Zu 3: Die Landesregierung hat den Landtag am 18. April und am 25. Juli dieses Jahres schriftlich über das von ihr entwickelte und verfolgte Konzept für eine sichere und kostengünstige Entsorgung und Zwischenlagerung der in Niedersachsen angefallenen und künftig anfallenden radioaktiven Abfälle aus Medizin, Forschung und Gewerbe unterrichtet. Die darin angesprochene Umlagerungsaktion ist in der Zeit vom 4. September bis 10. November dieses Jahres durchgeführt worden.

Im Haushaltsausschuss habe ich am 18. Oktober 2000 darüber hinaus zugesagt, dass das Zukunftskonzept zum Jahresende vorliegen wird. Dieses Konzept sieht vor, dass das Land einen Dritten in den Betrieb einer Landessammelstelle einbezieht, und zwar auf der Grundlage der Ermächtigung des § 9 a Abs. 3 des Atomgesetzes. Nach vergaberechtlichen Vorgaben sind der Kreis

in Betracht kommender Unternehmen ermittelt und eine Auswertung der Angebote inzwischen vorgenommen worden. Das Umweltministerium hat mit einem der Bewerber, der Gruppe GNS – Forschungszentrum Jülich, Vertragsverhandlungen aufgenommen mit dem Ziel, alsbald einen so genannten Verwaltungshelfervertrag abzuschließen.

Die Landesregierung wird den Landtag über die im Rahmen ihres Konzeptes im Einzelnen durchgeführten und beabsichtigten Maßnahmen in Kürze schriftlich unterrichten.

(Beifall bei der SPD)

Zur ersten Zusatzfrage hat das Wort Herr Kollege Hagenah!

Herr Minister, ich frage Sie: Wie viele Fässer aus der niedersächsischen Landessammelstelle Steyerberg wurden insgesamt von Amersham Buchler konditioniert und sind damit möglicherweise nicht in Ordnung?

Die Frage nach der Zahl.

Herr Präsident! Herr Hagenah, Ihre Frage wirft selbst Fragen auf, weil sie einen Sachverhalt suggeriert, der so nicht gegeben ist. Die Firma Amersham Buchler ist eine von ganz wenigen bundesweit operierenden Unternehmen, die insbesondere aus dem medizinischen Bereich und aus der Forschung Nuklearmüll einsammelt - nicht nur in Niedersachsen, sondern deutschlandweit -, diesen bei sich wieder aufarbeitet und, wenn ich es richtig sehe, zu 80 oder 85 % erneut zu Produkten verarbeitet und wieder in den Verkehr bringt. Die restlichen 15 oder 20 % werden dann dem Abfall zugeführt, wofür sie ein genehmigtes Außenlager in Leese hat. Für die Verbringung in ein solches Lager gibt es Einlagerungsbestimmungen, und es gibt Aufsichtsbehörden, die das überwachen. Was war nun Ihre Frage?

(Frau Harms [GRÜNE]: Steyerberg ist heute in Leese! Sie können das ru- hig beantworten! - Hagenah [GRÜ- NE]: Wie viele Fässer in Steyerberg konditioniert worden sind!)

- Sämtliche Fässer aus Steyerberg werden nach Leese gebracht, weil Ende dieses Jahres der Vertrag mit Steyerberg ausläuft, diese bisherige Landessammelstelle geräumt und dem Eigentümer gesäubert übergeben wird. Die Antwort ist also: sämtliche!

Die Frage war, was „sämtliche“ bedeutet, wie viele Fässer es sind, 1.000 oder 5.000 oder 20.000.

(Dr. Stumpf [CDU]: Herr Minister, darf ich Ihnen einmal bei der Frage helfen? Der Kollege meint - - - Hei- terkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Herr Kollege Stumpf, Sie haben jetzt nicht das Wort.

Ich werde Herrn Hagenah diese Frage schriftlich beantworten, weil ich die Zahl jetzt im Detail nicht nennen kann.

(Schwarzenholz [fraktionslos]: Er weiß es nicht! Das hätten Sie doch gleich sagen können!)

Frau Harms!

Herr Jüttner, nachdem Sie in Ihrer Einlassung über die Arbeit der schleswig-holsteinischen Landesbehörden und der Firma GKSS deutlich gemacht haben, dass Sie dort Defizite sehen, frage ich Sie, ob Sie das Problem, das die Schleswig-Holsteiner aufgedeckt haben, als normal empfinden, dass nämlich der Inhalt von Fässern nicht mit den Deklarationen übereinstimmt und dass radioaktives Inventar, das den zulässigen Wert hundertfach und tausendfach überschreitet, in diesen Fässern versteckt worden ist.

Herr Jüttner!

Frau Harms, als mich die Information in der letzten Woche vom für Energiefragen zuständigen Staatssekretär in Schleswig-Holstein erreichte, war ich hochgradig erregt und, um es diplomatisch zu formulieren, tief besorgt, weil die Vorwürfe, die die Schleswig-Holsteinische Landesregierung erhoben hat, sehr massiv sind.

(Frau Harms [GRÜNE]: Das merkte man Ihnen aber nicht an! Wir haben uns an dem Tag doch getroffen!)

- In der letzten Woche? Das kann nicht sein.

Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir über einen der sensibelsten Bereiche reden, mit dem in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Wenn nicht gewährleistet ist, dass dort absolut korrekt gearbeitet wird, dann ist das ein Vertrauensverlust ungeahnten Ausmaßes. Deshalb ist das unheimlich brisant. Wir haben sofort alles in Bewegung gesetzt, um die bei uns befindlichen Unterlagen und sämtliches Wissen zusammenzutragen und zu recherchieren, inwieweit die schleswigholsteinischen Vorwürfe korrekt sind und welche Konsequenzen das für Niedersachsen haben muss.

Wir haben dabei zutage gebracht, dass das Gewerbeaufsichtsamt damals die Verbringung testiert hat, und haben auch zur Kenntnis genommen, dass die Landessammelstelle in Geesthacht dies testiert und angenommen hat. Damit ist der Besitz dieser Fässer in die Landessammelstelle Geesthacht übergegangen. Ansonsten verfügen wir über keine Unterlagen, aus denen wir erkennen könnten, ob Deklaration und Inhalt identisch sind. Wir wissen aber um die rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Einlagerungen in „Asse“, die im Übrigen nicht nur für die Landessammelstelle in Geesthacht, sondern für alle Länder die Voraussetzung waren, Anlieferungen überhaupt zu organisieren. Von daher wissen wir auch, wie die Deklarationen Ende der 70er-Jahre vorgenommen worden sind. Da gibt es zwei unterschiedliche Klassifizierungen: Entweder steht auf diesen Fässern „Geräte“ usw. oder „Papier, Geräte“ usw.

(Frau Litfin [GRÜNE]: Ist das auch drin?)

- Das ist die Klassifizierung, die vorgenommen wurde. Der Unterschied besteht darin, dass das dann, wenn „Papier“ darauf steht, anders behandelt werden muss, weil es verbrannt bzw. erhitzt wer

den kann, sich daraus also andere Behandlungsformen ergeben. Das war Ende der 70er-Jahre, als dort eingelagert wurde, der Stand der Technik.

Die Firma behauptet in ihrer Presseerklärung, dass sie diese Einlagerungsbedingungen vollständig eingehalten habe. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung behauptet das Gegenteil. Das, was Schleswig-Holstein uns bisher zur Verfügung gestellt hat, erhärtet noch nicht den Vorwurf, den Schleswig-Holstein erhebt.

Bei diesem Thema dürfen wir aber weder verharmlosen noch dramatisieren. Insoweit schildere ich Ihnen eine Situation, die mir nicht gefällt. Ich hatte mir nämlich vorgestellt, dass dieser Sachverhalt innerhalb von zehn Tagen abschließend aufgeklärt werden müsste. Das ist erkennbar nicht der Fall, obwohl wir einige Male mit den Behörden und dem Betreiber in Schleswig-Holstein telefoniert und hin und her gefaxt haben. Das, was wir bis gestern bekommen haben, erhärtet nicht hinreichend die dort erhobenen Vorwürfe. Das habe ich zur Kenntnis zu nehmen; darüber habe ich Sie zu informieren. Unsere Arbeit geht weiter.

Sobald es einen neuen Sachverhalt gibt, werde ich die erste Gelegenheit nutzen, um im Umweltausschuss Rede und Antwort zu stehen.