Protocol of the Session on December 14, 2000

Erhöhung der Mitarbeitermotivation und - lassen Sie mich das so schlicht formulieren - der Gefangenenzufriedenheit bestimmt sein. In beiden Bereichen setzt der Haushalt 2001 Akzente, bei der Gefangenenzufriedenheit z. B. dadurch, dass die Erhöhung des Lohnes auf ca. 20 DM pro Tag ansteht. Besonders zu erwähnen ist ferner die Hebung von insgesamt 50 Stellen quer durch alle Dienste des Vollzuges.

Erfreulich ist auch, dass mithilfe aller Fraktionen eine Möglichkeit zur Wiedereinführung des Anwärtersonderzuschlags für die Nachwuchskräfte des mittleren allgemeinen Justizvollzugdienstes geschaffen werden konnte. Nur bei einer angemessenen Besoldung schon während der Ausbildung wird es künftig möglich sein, für die schwierige Tätigkeit im Vollzug genügend qualifizierte und motivierte Nachwuchskräfte zu finden. Für das Engagement, das insoweit quer durch alle Fraktionen geht, danke ich sehr.

(Beifall bei der SPD)

Als ich mich auf diese Rede vorbereitet habe, wurde mir gesagt, ich hätte zunächst einen Pflichtteil zu erledigen - das ist geschehen -, und dann gäbe es noch etwas Zeit für die Kür. Diese will ich für etwas nutzen, was mir persönlich ein großes Anliegen ist, nämlich meinen Dank an meinen Vorgänger Wolf Weber. Sie alle wissen: Die Achillesferse jedes Justizministers ist der Strafvollzug. Ich habe deshalb während der letzten vier Wochen viel Zeit damit verbracht, Texte zu lesen und mit Menschen darüber zu sprechen, wie es um den niedersächsischen Strafvollzug steht. Dabei ist mit eines immer wieder bewusst geworden: Wolf Weber hat sich in ganz besonderer Weise um den niedersächsischen Justizvollzug verdient gemacht.

(Beifall bei der SPD - Möllring [CDU]: Warum ist er dann entlassen worden? - Rolfes [CDU]: Warum musste er gehen?)

Ich will dazu drei Punkte hervorheben.

Erstens. Wolf Weber hat die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Anstalten enorm gefördert. Dank einer sehr guten Personalauswahl haben wir heute eine Mannschaft von Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleitern, auf die wir stolz sein können und die von sich aus von unten heraus Initiativen entwickeln.

(Oestmann [CDU]: Wir sehen das an- ders!)

Das ist sein Werk und das seiner Vorgänger.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wolf Weber hat souverän und besonnen reagiert, wann immer der Vollzug wegen Ausbrüchen und Entweichungen oder wegen Verfehlungen einzelner Mitarbeiter in die Schlagzeilen geraten ist.

(Lindhorst [CDU]: Dann muss er wieder Minister werden!)

Wenn ungerechtfertigte Vorwürfe gegen einzelne Mitarbeiter aufkamen, dann hat sich stets schützend vor diese gestellt und Ihnen das Vertrauen gegeben, das die Mitarbeiter im Vollzug für ihre schwierige und manchmal gefährliche Aufgabe täglich brauchen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Frau Körtner [CDU])

Drittens. Wolf Weber hat mit der ihm eigenen persönlichen Wärme und Verlässlichkeit den Bediensteten stets zur Seite gestanden, wenn sie persönlich in schwierige Situationen geraten sind - ich denke dabei beispielsweise an den Vorfall in Uelzen -, und er ist auch dann noch nah und zugewandt geblieben, wenn andere die ganze Geschichte schon längst vergessen hatten.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte deswegen in meiner ersten Rede im Landtag Wolf Weber meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, dass ich einen geordneten Vollzug übernehmen kann.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Eh- len [CDU] Zum Abschluss will ich wenigstens in einigen Punkten umreißen, wofür ich mich persönlich stark engagieren werde. Erstens ist das der Ausbau von Hilfen und Unter- stützungsmaßnahmen für Opfer von Straftaten. Hierbei wird ein Schwerpunkt die Hilfe für Opfer innerfamiliärer Gewalt sein sowie das Bemühen, insoweit auch neue Wege der Prävention zu gehen. Ich möchte dies an einem Beispiel kurz erläutern. Wenn Sie heute die Zeitung gelesen haben, dann werden Sie darin entdeckt haben, dass die Bundes- regierung gestern einen Regierungsentwurf zum verbesserten Schutz von Frauen gegen schlagende Männer verabschiedet hat: Hausverbot gegen den schlagenden Mann, und nicht mehr die alte Lö- sung, die auch wir für falsch halten, dass nur das Frauenhaus angeboten wird und der Mann bequem zu Hause sitzen bleiben darf. Ich frage aber: Reicht das aus? Sollten wir uns nicht auch in einem zweiten Punkt am Vorbild der USA orientieren? Dort erhalten nämlich unbelehrbare Männer, die ihre getrennt lebende Frau weiterhin schlagen und massiv bedrohen, per gerichtlicher Anordnung einen elektronischen Sender an das Fußgelenk. Die Frauen erhalten einen Empfänger, wie das Herr Stratmann schon richtig dargestellt hat, und dieser gibt einen deutlichen Warnton, wenn sich der Mann verbotenerweise dem Haus der Frau oder ihrem Arbeitsplatz auf weniger als 100 m genähert hat. Das bietet Sicherheit und kann Leben retten. Meine Kollegin Trauernicht und ich werden des- halb prüfen, ob das auch eine Maßnahme für uns sein wird. (Beifall bei der SPD)

Ein zweiter Schwerpunkt wird die Prävention von Jugendgewalt und von rechtsextremer Gewalt sein. Hier kann ich auf die langjährigen Forschungsarbeiten des KFN zurückgreifen. Sie bieten eine Fülle von Ansätzen dafür, was man konkret tun könnte.

Dafür ebenfalls ein Beispiel. Wir wissen: Je früher erkannt wird, dass ein Kind oder ein Jugendlicher zu Hause misshandelt wird, je früher Hilfe für Kind und Eltern organisiert wird, umso größer sind die Chancen, dass sich eine spätere kriminelle Karriere dieses Kindes vermeiden lässt. Hier ist Opferschutz wirklich Prävention.

Wir wissen aber auch: Nur jedes zwanzigste Kind in Deutschland, das misshandelt wird, findet den Weg zum Jugendamt oder zum Kinderschutzbund. Deutschland mag ein gutes Tierschutzland sein, ein gutes Kinderschutzland sind wir leider noch nicht.

(Zustimmung)

Warum ist das so? - Ich will Ihnen einen Grund nennen: Wenn so ein Kind heute zu einem Helfer geht, dann kann es nicht sicher sein, dass der nicht gleich zum Hörer greift, die Eltern anruft und sagt: Bitte einen Termin. Was machen Sie denn mit Ihrem Kind? - Das ist problematisch. Im Ausland haben Kinder ein absolutes Vertrauen in ihre Helfer, weil diese der Schweigepflicht unterliegen.

Frau Trauernicht und ich wollen deshalb gemeinsam prüfen, ob wir auch hier Änderungsbedarf sehen und wie dieser gegebenenfalls umzusetzen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Der letzte Punkt, auf den ich zu sprechen kommen will, ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Bremer Justizbehörde. Hier trifft es sich günstig, dass mich mit dem Bürgermeister und Justizsenator Bremens, Henning Scherff, seit mehr als 20 Jahren eine sehr enge persönliche Freundschaft verbindet. Mit ihm und seinen engsten Mitarbeitern sind Staatssekretär Litten und ich letzte Woche zu einem mehr als zweistündigen Brainstorming darüber zusammengetroffen, was wir gemeinsam auf die Beine stellen können. Wir haben erste Vorstellungen entwickelt, in welchen Fällen die Zusammenarbeit der beiden Häuser vorangetrieben werden soll. Konkrete Details werden wir in die Öffentlichkeit bringen, wenn im Frühjahr 2001 das gemeinsame Landessozialgericht aus der Taufe gehoben wird. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD)

Das Wort hat der Kollege Stratmann.

Aus Zeitgründen kann ich nur auf einen Punkt eingehen, der mir allerdings sehr am Herzen liegt, Frau Kollegin Bockmann, Herr Minister, nämlich auf den Täter-Opfer-Ausgleich. Es ist richtig, dass meine Kollegen im Haushaltsausschuss das Geld dafür wieder herausgenommen haben. Das hat aber einen ganz einfachen Grund. Wir haben erneut festgestellt, dass die Stadt Hannover in einer Art und Weise Vorteile gegenüber der Fläche erlangt, die wir nicht weiter hinnehmen wollen. Die Gelder, die von meinen Kollegen im Haushaltsausschuss gestrichen worden sind, betreffen den Verein „Die Waage“ in Hannover. Wir wollen nicht einsehen, dass andere Stellen des Täter-OpferAusgleichs durch die Kommunen gefördert werden, dass das in Hannover aber nicht der Fall ist. Wir wollen nicht einsehen, dass die Landeshauptstadt an einer weiteren Stelle Vorteile erlangt, die durch nichts mehr zu rechtfertigen sind.

Dies wollte ich noch einmal festgestellt haben, weil ich natürlich weiß, dass Sie jetzt im Land

herumerzählen, die CDU sei gegen Täter-OpferAusgleich. Genau das Gegenteil ist der Fall!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zum Bereich die Justiz sehe ich nicht. - Wir kommen dann zur

Fortsetzung zweite Beratung Haushalt 2001 - Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte (einschl. einzubringender Änderungsanträge) unter Einbeziehung der betroffenen Ressortminister (Soziales und Frauen, Jugend und Sport)

Zum Bereich Soziales hat sich zunächst Frau Kollegin Pawelski gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, die neuen Minister sollten erst einmal ihre Ressorts klären. Ich hoffe, Frau Ministerin Trauernicht, dass Sie sich nicht von einem Minister vorschreiben lassen müssen, was Sie künftig in Ihrem neuen Amt zu tun haben. Ich hoffe, das wissen Sie alleine.

Meine Damen und Herren, wir alle, Politiker und Bürger, spüren zur Zeit, dass wir in der Sozialpolitik vor großen Herausforderungen stehen. Betrachten wir die Sozialpolitik hier in Niedersachsen, so stehen wir nicht nur an einem Wendepunkt, sondern an einem Abgrund. Dies, meine Damen und Herren, spüren auch die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sozialministerium, denen ich meinen Dank für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit ausspreche.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben gute Arbeit geleistet, trotz des schlechten Betriebsklimas, das ja vor kurzem erst abgefragt wurde. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums haben unseren Dank umso mehr verdient, weil es dieser Landesregierung auf ihrem neuen Weg in die Mitte in den letzten zehn Jahren tatsächlich gelungen ist, die Sozialpolitik völlig zu verdrängen. Sie haben auf Ihrem Weg in die Mitte Ihr soziales Gewissen an der Garderobe abgegeben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik eine wichtige Säule unserer Gesellschaft ist. Die Bildungspolitik ist die zweite Säule. Gleichbedeutend daneben steht die Sozial- und Gesundheitspolitik als dritte Säule. Wenn das Fundament dieser Säulen wegbricht, muss es grundlegend erneuert werden. Sie von der SPD haben es hier in Niedersachsen zu verantworten, dass das soziale Fundament in eine bedrohliche Schieflage gekommen ist. Statt grundlegend zu sanieren, schmieren Sie entstandene Risse nur zu. Das hat nichts mehr mit zielgerichteter, konstanter und nachhaltiger Sozialpolitik zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Das ist Flickschusterei, was Sie hier betreiben. Denn wo, meine Damen und Herren, findet hier in Niedersachsen noch Sozialpolitik statt?

(Groth [SPD]: Hier im Landtag!)

Wo steht sie im Vordergrund Ihres politischen Handelns? In der Regierungserklärung Ihres Ministerpräsidenten? - Kein Wort zur Sozialpolitik. In der Broschüre der Landesregierung „Niedersachsen - eine Erfolgsstory“? - Kein Wort zur Sozialpolitik. Brauchen Sie noch mehr Beweise?

(Groth [SPD]: Das sind doch keine Beweise!)

Wir stellen also fest: In Niedersachsen ist es seit 1990 sozialpolitisch kälter geworden.

Das spiegelt sich auch in der Führung des Sozialministeriums wieder. Zuerst Herr Hiller, dann Herr Weber, dann Frau Merk - ob das immer die erste Garnitur war, wage ich manchmal zu bezweifeln. Jetzt bevorzugen Sie den Import von Frau Ministerin Trauernicht, obwohl Sie gute Sozialpolitiker in Ihren Reihen haben; das sage ich auch ganz deutlich.

Also, meine Damen und Herren, nicht nur an den fehlenden sozialpolitischen Taten, sondern auch am dauernden Wechsel der Minister im Sozialministerium lässt sich die Missachtung niedersächsischer Sozialpolitik ablesen.

(Groth [SPD]: Das ist doch Blödsinn!)

Über die Wege einer wirklich guten Sozialpolitik können wir streiten, nicht aber über das Ziel z. B.