Protocol of the Session on November 17, 2000

Ich bitte ganz besonders Herrn Innenminister Bartling, die niedersächsische Praxis noch einmal zu überdenken. Das Innenministerium ist bundesrechtlich nicht gezwungen, eine so harte Linie hier in Niedersachsen beizubehalten.

In der Stellungnahme des Innenministeriums zu der Eingabe heißt es, dass die Chip-Karten und die Ausgabe von Wertgutscheinen zu keinen Problemen führten. Dies mag ja bei der öffentlichen Verwaltung so sein, wie Sie aber aus vielfältigen Schilderungen selbst wissen, führt das zu Problemen bei den Flüchtlingen. Diese fühlen sich nicht nur diskriminiert durch das Verfahren an sich, sondern sie werden auch noch konkret an den Kassen diskriminiert. Zum Beispiel in Barsinghausen gibt es nicht ein Geschäft, das die Wertgutscheine akzeptiert. Busfahrkarten kann man mit Wertgutscheinen gar nicht kaufen. Dies führt dazu, dass Familien ausländischer Flüchtlinge zugemutet wird, kilometerweit zu laufen, um überhaupt einen Einkauf tätigen zu können.

Dies, meine Damen und Herren, sind Mittel staatlicher Diskriminierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bitte die Landesregierung, fordere die Landesregierung auf, es den Kommunen freizustellen, in welcher Art und Weise sie die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auszahlen wollen. Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr - damit komme ich zum Schluss -, dass SPD und

Grüne im Kreistag des Landkreises Hannover gemeinsam beschlossen haben, dass sie diese Anweisung, diesen Erlass der Landesregierung nicht weiter haben möchten.

Herr Innenminister, ich bitte Sie wirklich auch im Zuge der Toleranzdebatte, die wir im Lande Niedersachsen führen, und auch im Zuge der Appelle, die wir hier an die Bevölkerung richten: Nehmen Sie diesen Erlass zurück, und überlassen Sie es einfach den Kommunen, wie sie die Leistungen auszahlen! - Ich bedanke mich.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Zu derselben Eingabe spricht jetzt der Abgeordnete Collmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Regelfall zur Sicherstellung des Unterhalts der Asylbewerber ist nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Sachleistung, und zwar vorrangig gewährt in der Form von Paketverpflegung. Das hat sich aber nicht bewährt, eindeutig nicht. Einzelheiten dazu, wie das von Vorteilsnehmern abgewickelt worden ist, sind zum Teil beschämend. Ich will Näheres dazu gar nicht ausführen.

Alternativen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind zum einen die Wertgutscheine, zum Zweiten andere unbare Abrechnungsformen und ist zum Dritten die Möglichkeit, Bargeld zu zahlen. Erst an letzter Stelle wird also die Bargeldzahlung erwähnt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Grund dafür ist ganz eindeutig, zu verhindern - dazu stehen wir nach wie vor -, dass durch Einreise und Aufenthalt hier über die Bargeldzahlungen der Kommunen letztendlich ein finanzieller, d. h. ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht und damit ein Anreiz geschaffen wird, hier einzureisen und sich hier aufzuhalten.

Es ist eindeutig: Die Ausgabe von Wertgutscheinen ist zulässig. Dieses Verfahren wird flächendeckend angewandt, und zwar weitestgehend ohne Probleme. Die Regelung ist nicht diskriminierend, sie ist nicht inhuman, sie verstößt auch nicht, wie der Petent ausführt, gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Auch die Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit - das hat meine Vorrednerin gerade

nicht erwähnt -, gegen die sich der Petent ebenfalls wendet, ist nicht inhuman, sie ist nicht diskriminierend, sie stellt keinen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention dar. Im Übrigen ist dazu zu sagen, dass nach der Regelung, die für den Landkreis Osnabrück gilt, wo sich der Petent derzeit aufhält, sehr wohl auch Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß BSHG zu gemeinnütziger Arbeit herangezogen werden können.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Hier findet also eine Gleichbehandlung statt. Es ist in der Tat nicht nachzuvollziehen, wenn hier versucht wird, zu begründen, dass sich der Petent einer inhumanen Arbeit zu unterziehen habe.

Wir bleiben bei unserem Votum, das „Sach- und Rechtslage“ lautet. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Zur Eingabe 2687 spricht der Kollege Althusmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zur Eingabe betreffs rückwirkender Nachzahlung eines höheren Kinderanteils im Ortszuschlag und möchte dem zunächst vorausschicken, dass wir bisher im Ausschuss für Verwaltungsreform „Sach- und Rechtslage“ entschieden hatten, aber uns nach nochmaliger Beratung im Haushaltsausschuss aus ganz konkreten Gründen inzwischen für „Berücksichtigung“ entschieden haben. Wir meinen, dass mit einem formaljuristischen Trick insbesondere die Beamten des Landes Niedersachsen mit mehr als drei Kindern hier ganz deutlich durch das Bundesbesoldungs- und –versorgungsanpassungsgesetz von 1999 hinters Licht geführt werden sollen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das ist zu erläutern: Beamte haben Anspruch auf Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Sie erhalten neben dem Grundgehalt einen Ortszuschlag - so nannte er sich bis 1997 - bzw. jetzt einen Familienzuschlag, der einen Kindergeldanteil berücksichtigt. Am 24. November 1998 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass im Rahmen einer amtsangemessenen Alimentation für Beamte und Richter mit drei und mehr Kindern ein erhöhter Familienzuschlag zu zahlen ist. Dieses

Urteil basiert auf vorangegangenen Urteilen von 1990 und wurde 1999 auch von der neuen Bundesregierung durch das Bundesbesoldungs- und –versorgungsanpassungsgesetz umgesetzt.

Dies geschah allerdings sehr formal und mit einem schalen Beigeschmack; denn es sollen nur noch Kläger und Widerspruchsführer je Kind und pro Monat etwa 200 DM rückwirkend bis 1998 erhalten. Diese Begrenzung auf Kläger und Widerspruchsführer wurde einzig und allein aus haushaltsrechtlichen Gründen vorgenommen und ist willkürlich. Sie ist eine extreme Benachteiligung von Beamten mit mehr Kindern. Das ist im Prinzip auch, wenn Sie so wollen, ein sozialpolitischer Anschlag insbesondere auf die geringen Beamtenbesoldungsgruppen. Das betrifft nämlich auch jemanden mit A 5 in einer Justizvollzugsanstalt oder wo auch immer mit mehr Kindern, der eindeutig durch die Haltung der Niedersächsische Landesregierung und der Bundesregierung benachteiligt wird.

Viele Beamte haben im Vertrauen auf ihre Vorgesetzten oder die Besoldungsstellen lediglich Anträge gestellt, die seit 1990 in Erwartung einer Gerichtsentscheidung ruhen. Im Vertrauen darauf, dass ihnen keine Nachteile entstehen, haben inzwischen rund 5.000 Betroffene in Niedersachsen überwiegend nicht den Klageweg beschritten. Sie haben nicht offiziell Widerspruch eingelegt, und ich meine, es ist im Prinzip eine Art der Fürsorge, dass der Bundes- und der Landesgesetzgeber hier ihre sehr formale Haltung überdenken. Wir meinen, dass die rückwirkende Nachzahlung eines höheren Kinderanteils im Ortszuschlag den Beamten im Lande Niedersachsen nicht vorenthalten werden darf. Das war ein massiver Vertrauensbruch. Auch Gerichtsurteile in Neustadt oder Koblenz haben belegt, dass man dies rechtlich auch eindeutig anders sehen kann. Wir bitten um „Berücksichtigung“. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Zu Eingabe 3019 spricht der Abgeordnete Kethorn.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu der Eingabe des Landkreises Grafschaft Bentheim betreffs Modernisierungskonzept für die berufsbildenden Schulen. Ich

will ein paar Bemerkungen zu dieser Position machen, aber auch ein paar allgemeine Bemerkungen zum Modernisierungskonzept.

Es ist etwas ruhig geworden in der Diskussion um das Modernisierungskonzept der berufsbildenden Schulen, den einhergehenden Klassenbildungserlass und auch um die Diskussion der Stundentafelkürzungen. Es ist nicht ruhig geworden, weil man mittlerweile zufrieden ist, sondern es macht sich ein Stück Resignation bei den Betroffenen bemerkbar ob der rigorosen Vorgehensweise der Ministerin in dieser Frage.

Meine Damen und Herren, dieses Konzept geht eindeutig zulasten des ländlichen Raumes.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte hier gerne die „Walsroder Zeitung“ vom 9. September zitieren:

„In den Großstädten gibt es keine Probleme, ausreichende Schülerzahlen zu erreichen, um Klassen zu teilen und einen pädagogisch ordnungsgemäßen Unterricht zu erteilen.

(Frau Vockert [CDU]: Schlimm!)

Die Berufsschulen im ländlichen Raum müssen mit Provisorien ums Überleben kämpfen. Dabei sind sie es, die die jungen Menschen auf den Schritt ins Berufsleben vorbereiten. Schüler haben gleich zu Beginn des neuen Schuljahres lernen müssen, dass zwischen der wohlklingenden Ankündigung einer Bildungsoffensive und der Wirklichkeit, zumindest im ländlichen Raum, Welten liegen.“

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie können Ihr Konzept noch so schönreden und noch so gut verkaufen; im Kern ist dieses Modernisierungskonzept ein Bildungsabbaukonzept und geht eindeutig zulasten des ländlichen Raumes.

(Beifall bei der CDU - Klare [CDU]: Das Problem ist, dass die SPD- Ministerin gar nicht zuhört!)

Ich will dies gerne begründen. Die Stundentafeln sind mit Beginn des neuen Schuljahres gekürzt worden. Das Unterrichtsvolumen an den berufsbil

denden Schulen ist in einem Umfang von 800 Stellen gekürzt worden. Sie rechnen damit die Statistik schön. Zwar wird weniger Unterricht angeboten, statistisch aber ist man voll versorgt. Aber dennoch stellen wir nach neuesten Berechnungen an den berufsbildenden Schulen in Nordhorn trotz der Stundentafelkürzungen ein erhebliches Fehl an Unterrichtsstunden fest. Sie, Frau Ministerin, bzw. die Mitarbeiter ihres Ministeriums haben anlässlich eines Gesprächs in Nordhorn zugesagt, dass Sie dann, wenn es ein Unterrichtsfehl gebe, eine Feinsteuerung vornehmen werden, um dieses zu beheben. Bislang habe ich von dieser Feinsteuerung nichts erfahren,

(Frau Vockert [CDU]: Leere Verspre- chungen)

und ich möchte heute von dieser Stelle aus die Feinsteuerung nochmals einfordern.

(Frau Vockert [CDU]: Wo ist denn die Ministerin, damit sie etwas dazu sagen kann?)

- Vielleicht ist sie jetzt im Plenum und möchte von dort aus antworten. Aber es wäre schon interessant, wenn sie heute bei dieser Diskussion nicht abwesend wäre.

(Beckmann [SPD]: So ein Unsinn! Sie ist doch da! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte einen zweiten Grund nennen, warum es ein Bildungsabbaukonzept ist. Ich beziehe mich auf den Klassenbildungserlass. Die Klassenfrequenz wird mit diesem Klassenbildungserlass um 5 % angehoben. Dies kann man eventuell noch hinnehmen. Aber es ist fast unmöglich, mit diesem Klassenbildungserlass im ländlichen Raum neue Bildungsgänge einzurichten,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

weil eben die notwendige Anzahl von Schülerinnen und Schülern für die Einrichtung eines solchen Bildungsganges fehlt. Wir müssen auf die gesellschaftlichen strukturellen Veränderungen eingehen und neue Bildungsgänge anbieten, um die jungen Menschen auf die berufliche Zukunft vorzubereiten. Im Landkreis Grafschaft Bentheim haben wir immer wieder mit sehr gutem Erfolg neue Bildungsgänge eingerichtet. Dieser Klassenbildungserlass verändert nicht nur die Klassenfrequenz von 19,5 auf 20,5 nach oben, er zieht vielmehr eine

Innovationsblockade im ländlichen Raum nach sich.

Ich möchte einen dritten Grund nennen, warum es ein Bildungsabbaukonzept ist. Sie, Frau Ministerin, behaupten, Sie hätten hier zusätzliche Mittel für 200 Stellen an berufsbildenden Schulen zur Verfügung gestellt.